REPORTAGE Fahrradkurier
Zügig unterwegs: Till Neumann kriegt per Funk den nächsten Auftrag als Velokurier rein. Seine Tour ging nicht nur durch Freiburg.
Bis die Beine brennen
Wie chilli-Redakteur Till Neumann einen Tag als Fahrradkurier in Freiburg erlebte
M
Fotos: © Philip Thomas, Till Neumann
an sieht sie an vielen Ecken mit Rucksäcken durch Freiburg flitzen: Fahrradkuriere. Wie stressig ist so ein Job? Was transportieren die eigentlich? Und für wen? Das wollte chilli-Redakteur Till Neumann herausfinden. Er hat einen Tag beim „Velokurier Freiburg“ angeheuert. Zum Start kletterte er gleich zweimal Berge hoch. Am Ende ließen ihn die Beine aber im Stich. Transport bis zu 300 Kilo. Lieferung in 30 Minuten. Das verspricht der Velokurier auf seiner Website. Wie das möglich ist, möchte ich an diesem Montag selbst erleben. Von 13 bis 19 Uhr geht meine Schicht. Falls ich keine Power Bank habe, soll ich eine Freiburg-Karte mitbringen, schreibt Velokurier-Chef Christoph Hammann-Kloss. Landkarte lesen? Auf dem Rad? Wenn’s schnell gehen muss? Das kann heiter werden. Mit geladener Power Bank, meinem Crossrad und etwas Verpflegung komme ich zum Velokurier-Headquarter. Eine Garage in der Wiehre voller Velos. Vor Ort sind Christoph und zwei Kollegen zu Gange. „Na, hast du Bock?“, fragt mich Fahrer Tobias. Er ist seit zweieinhalb Jahren dabei und macht das hauptberuflich. Tobias sagt: „Es lebt davon, dass man die Kunden kennt: Ist der Aufzug schneller? Oder die Treppe? In welchen Stock muss ich?“ Zwei, drei Monate brauche man, um richtig reinzukommen. Am Anfang seien auch Kleinigkeiten schwierig, zum Beispiel wenn der Schweiß aufs Handydisplay tropft. Dann bekomme ich meine Ausrüstung: ein wasserdichter Rucksack inklusive Funkgerät. Dazu gibt’s die ersten zwei Rou22 CHILLI März 2021
ten: Ich soll einen Blumenstrauß vom Hauptbahnhof zur Frauenklinik bringen. Micha erklärt mir: Bei jeder Station bitte kurz Bescheid geben, ob alles läuft. Also ab aufs Rad. Ich trete in die Pedale. In der „Blumenoase“ im Hauptbahnhof sage ich: „Hallo, hier ist der Velokurier, ich hole die Blumen für die Frauenklinik.“ Wenige Sekunden später habe ich den Strauß in der Hand. Ich eile zum Rad und sage ins Funkgerät an meiner linken Schulter: „Hallo Micha, Till hier, die Blumen sind im Rucksack.“ Auch an der Frauenklinik läuft’s reibungslos. Die Dame an der Rezeption nimmt die Blumen entgegen. Per Funk folgt die Info: „Du musst dich für die zweite Tour nicht beeilen.“ Die Arztpraxis in der Konviktstraße hat erst in 20 Minuten offen. Alles entspannt. Ich radel in die City, finde den Arzt problemlos. Dort gibt’s eine Lieferung für ein Zahnlabor in Wittnau. Als ich in Merzhausen rechts abbiege und dem Radweg nach Wittnau folge, merke ich schnell: Hier wird’s steil. Im kleinsten Gang schaufel ich mich nach oben. Macht aber nix. Berge fahre ich gerne. Die kurze Hose bei sonnig-kühlem Wetter macht sich bezahlt. Mir wird warm. Kurz vor dem Zahnlabor knattert das Funkgerät: „Till, stopp, wo bist du?“ Ich antworte: „Gerade angekommen, warum?“ Micha berichtet von einem Notfall und lässt mich die Ware abgeben. Die Dame im Zahnlabor klärt auf: Die Prothese einer Patientin ist gebrochen, ich müsse noch mal zum Arzt in der Konviktstraße und dann wieder hoch zu ihnen. „Mein Gefühl sagt mir, dass wir uns heute noch mal sehen“, sagt die Wittnauerin und lacht.