

BOXPOST
Das Magazin deiner BUCHBOX!
Mit Buchtipps von Unseren
Buchhändler:Innen!

Tara-Louise Wittwer mit ihrem neuen Buch Nemesis’ Töchter
… und Interviews mit Mareike Fallwickl
Eva Reisinger Fikri Anıl Altıntas Basketballstar und Kinderbuchautor
Dennis Schröder
Wir sind die redaktion

Hilke Grabenkamp
Liebe:r Buchbox-Freund:in,

Madeleine Darius
die letzte Ausgabe mit Coverstar Ocean Vuong liegt noch gar nicht lange zurück, da dürfen wir dich schon zum neuen Lesevergnügen begrüßen!
In den letzten Monaten ist so einiges passiert: Feste wurden gefeiert, Bücher gewälzt – und es gab einen Wechsel im Team. Wir, das sind Hilke und Madeleine, haben seit Juni die Arbeit im Marketing aufgenommen und lösen damit Elsa Stappenbeck und Franziska Schwarz ab. Wir möchten den beiden daher an dieser Stelle für die wunderbare Arbeit danken, die uns nicht nur die Übernahme erleichtert, sondern auch dafür gesorgt hat, dass für dich, liebe:r Leser:in, der Lesungs- & Lesespaß ohne Unterbrechung weitergehen kann. An dieser Stelle also ganz offiziell: ein großes Danke an euch, liebe Elsa & Franzi, ihr werdet der Buchbox fehlen!
Jetzt ist es an uns, neben den tollsten Lesungen Berlins auch die Jubiläums-Ausgabe zu gestalten! Ganz richtig gehört: Die Buchbox feiert im Oktober 20 Jahre, weshalb du auf Seite 47 mit uns in Erinnerungen schwelgen kannst. Du hast auch tolle Erinnerungen an die Buchbox? Schick sie uns per Mail oder tagge uns auf Instagram – wir freuen uns umso mehr, die letzten zwei Dekaden gemeinsam mit treuen Buchbox-Seelen Revue passieren zu lassen!
Und nun zu den aufregenden Highlights unserer brandneuen Boxpost-Ausgabe: Wir durften nämlich unseren Coverstar Tara-Louise Wittwer zu ihrem neuen Buch Nemesis’ Töchter interviewen. Das spannende Gespräch über ihr drittes Werk und ihre vielfältigen Erfahrungen als erfolgreiche Autorin und Creatorin – und darüber, was Tara mit der namensgebenden Göttin ihres neuen Buches verbindet –findest du ab Seite 14. Wie immer warten neben Quizzen, Rezepten und Ausflugstipps natürlich auch noch weitere tolle Interviews auf dich: diesmal mit grandiosen Autor:innen wie Mareike Fallwickl, Eva Reisinger, Fikri Anıl Altıntaş oder auch dem Kinderbuchautor und NBA-Star Dennis Schröder.
Außerdem haben sich unsere Buchhändler:innen wieder für dich ins Zeug geschmissen und einen Roman nach dem anderen inhaliert, um deinen wachsenden Stapel ungelesener Bücher weiter zu inspirieren. Somit also auch ein herzliches Danke an unsere lieben Kolleg:innen und deine Buchhändler:innen des Vertrauens, ohne deren Unterstützung diese Ausgabe nicht möglich wäre!
Nun denn, die neueste Boxpost wartet und sie hält Lesespaß sowie -tipps für Groß und Klein bereit. In diesem Sinne: Wir freuen uns auf eine bunte literarische Zeit während der kommenden kalten Monate mit dir und wünschen dir jetzt viel Spaß mit der Lektüre!
Liebste Grüße vom Helmi und auf ganz bald, Madeleine & Hilke
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INSTAGRAM:
Inhalt
4 Vom Ersten Wort
Wir eröffnen mit einem unserer Lieblingsspiele und erzählen euch, wie man gut in ein Buch startet!
6 Willkommen in der Buchbox
Auch in diesem Jahr haben wir ein paar liebe neue Kolleg:innen zu begrüßen. Saskia, Madeleine & Charlott: Wer seid ihr und wie seid ihr hier gelandet?
14 Interview Tara-Louise Wittwer
Für unsere diesjährige Coverstory durften wir uns mit TaraLouise Wittwer unterhalten. Die hat seit ihren viralen SocialMedia-Tagen ganz schön viel geschafft: Wie man das macht und worum es in ihrem neuen Buch geht, erzählt sie im Interview.
36 Fünf Fragen an Mareike Fallwickl & Eva Reisinger
Das Pen!smuseum: Wenn das mal kein evokativer Titel ist. Die beiden Autorinnen haben sich für uns Zeit genommen zu erklären, wo er herkommt und warum dieses Buch geschrieben werden musste.
38 Ausflugguide & Nachhaltige Ernährung
Für unsere Serviceseiten haben wir dieses Jahr etwas ganz Besonderes im Angebot. Das Buch Vom Guten Essen zeigt Geschichten und Orte des regionalen, gesunden Anbaus - und wir teilen die Highlights mit euch!
40 Rezeptseiten
Als kulinarische Highlights gibt es diesmal herbstliche Pasta mit Radicchio und Nüssen sowie Schwarzwurzeln mit Orange, Rosinen und Semmelbröseln. Yum!
44 Unser Freund:innenbuch: Fikri Anil Altintas Kennst du sie noch? Die Freund:innenbücher: Voller Träume, Traumberufe, favourite Drinks und Namen deiner nie vergessenen Haustiere? Fikri Anıl Altıntaş verrät uns dieses Jahr KaraokeTipps und Lieblingsbücher.
48 Kinderseiten
Außerdem findest du hier tolle Lesetipps, unsere Kinderbuchhändler:innen und ein paar Seiten zum Mitmachen und Rätseln sind natürlich auch wieder dabei.
57 Drei Fragen an Dennis Schröder
NBA-Star, Basketball-Weltmeister … und jetzt auch Kinderbuchautor? Dennis Schröder hat offensichtlich viel zu erzählen, wie er zu seinem Buch Wir Jungs vom Prinzenpark gekommem ist.
Vom ersten Wort
Auf dieser Seite möchten wir euch eins unserer liebsten Spiele darbieten. In der Filiale am Helmholtzplatz und in unserem Newsletter machen wir das immer wieder. Es heißt „Vom ersten Wort“ und könnte auch für euch bald ein Weg sein, Buchläden ganz neu zu navigieren.
Die Idee von „Vom ersten Wort“ ist einfach: Ein gutes Buch offenbart sich euch in seinem ersten Satz. Das bezieht sich auf einen alten Film-Essay, der argumentiert, dass der erste Shot ein Mikrokosmos eines Films sein sollte. Heißt: Ein guter erster Satz sollte einen gewissen Spark haben. Ein guter erster Satz sollte einen Schub machen. Eine Idee ausdrücken. An einem ersten Satz könnt ihr relativ verlässlich abschätzen, ob ein Buch Feuer hat oder nicht. So wie diese Beispiele!

Exponat 3: Katharina Volckmer mit Hallo, mein Name ist Jimmie
Exponat 1: Caroline Wahl mit 22 Bahnen
„Hafermilch, Mandelmilch, Cashewmus, tiefgefrorene Himbeeren, Hummus, Kölln Hafterflocken, Chiasamen, Bananen, Dinkelnudeln, Avocado, Avocado, Avocado.“
Es hat schon etwas, ein Buch mit einer verdammten Einkaufsliste anzufangen – und trotzdem damit wahrlich genug zu kommunizieren, um neugierig zu machen. Die Idee, dass ein Einkauf eine Person charakterisiert, ist ein solider Start. Und klar – unser Klischeehirn springt sofort darauf an.
„Dass man sich einscheißt, ist vor der eigenen Haustür am wahrscheinlichsten“

Sofort fragt man sich: Wer macht diese Aussage? Und wie hat die Person es gelernt? Und dann hat das Buch einen auch schon halb gekriegt.

Exponat 4: Ocean Vuong mit Der Kaiser der Freude
„Das Schwerste auf der Welt ist es, nur einmal zu leben“
Oder: Sei extrem poetisch und weltschmerzig. Bei Ocean Vuong weiß man eh schon, worauf man sich einlässt. Und dann kommt der erste Satz – und du spürst, dass du gleich durch die Hölle und zurück gezerrt wirst.
Jubiläumswortsuche!
Wie gut kennst du die Buchbox? Suche die Wörter & find‘s heraus!
(Auflösung auf S.46)


17 Wörter musst du finden, hier sind deine Hinweise:
1) Straßenname unserer Buchhandlung mit Buchcafé im Prenzlauer Berg
2) Name des Buchbox-Buchclubs
3) Standort aller Buchbox Filialen
4) Unsere Englische Schwesterbuchhandlung
5) Abk. Woche des unabhängigen Buchhandels
6) Eventname: Lass dich am Sonntag in der Buchbox einschließen
7) Erhältst du in unserem Magazin, Online, in unserem Newsletter & auf Social Media
8) Name des Buchbox-Bücher-Abos
9) An diesem schönen Platz befindet sich unsere Filiale in Pankow
10) Same Day Delivery der Buchbox
11) Regelmäßige Veranstaltung der Buchbox
12) Gegend der Buchbox-Filiale in Friedrichshain
13) Standort aller Buchbox-Filialen
14) Geschenk für Schulkinder am Zeugnistag vor den Sommerferien
15) Adjektiv: Eigenschaft der Buchbox (auch im Zusammenhang mit der WUB)
16) Name unseres Kinder-Newsletters
17) Unsere jüngsten Rezensenten auf unserer Website
Willkommen im Team!
Wir stellen unsere Neuzugänge vor

Wie bist du in der BUCHBOX! gelandet?
Nach meiner dreijährigen Ausbildung zur Sortimentsbuchhändlerin habe ich nach einer langfristigen beruflichen Perspektive im Buchhandel Ausschau gehalten. Dass ich dabei über die Stellenanzeige der BUCHBOX! gestolpert bin, war pures Glück - oder vielleicht doch Schicksal?
Welche Bücher haben dich in der Kindheit und Jugend besonders geprägt?
Ich erinnere mich bis heute gut an die Lola-Reihe von Isabel Abedi und Julies Tagebücher, geschrieben und liebevoll illustriert von Franca Düwel. An die Märchen der Gebrüder Grimm, aber auch an die von Hauff und Andersen … Und nicht zuletzt an eins meiner absoluten Lieblingsbücher: Der geheime Garten von Frances Hodgson Burnett.
Bist du auch privat eine Leseratte oder hast du nach Feierabend auch einfach mal genug vom Lesen? Da ich in meiner Freizeit für einige meiner Bekannten lektoriere, die im Selfpublishing unterwegs sind, lese ich außerhalb der Arbeit viel. Aber eher Sachen, die auf dem klassischen Buchmarkt
(noch) nicht stattfinden. Das macht mir großen Spaß. Ich kann mich trotzdem nicht allzu lange mit Amateur-Literatur aufhalten, bevor es mich wieder in den Fingern juckt, und ich ein „richtiges“ Buch zur Hand nehmen muss. Bevorzugt eins aus dem Programm solcher Verlage, denen ich beinah uneingeschränkt in ihrer Auswahl vertraue.
Wie sieht deine optimale Lesesituation aus: Was ist dein Lieblingsleseort, -zeit und -medium?
Bei mir daheim steht ein Lesesessel am Fenster, direkt neben meinem Bücherregal, das den Raum teilt. Dort lese ich am liebsten, am längsten und am gemütlichsten. Nur gedruckte Bücher eigentlich. Gern von morgens bis abends an den Wochenenden, an denen ich frei habe.
Welches Buch hast du in letzter Zeit am häufigsten empfohlen?
Der Krabbenfischer von Benjamin Wood hat mich die salzige Seeluft von Longferry auf der Zunge schmecken lassen. Woods Sprache entfaltet sich in Poesie und Bildgewalt. Wer nichts gegen verregnete Summer Reads hat, sollte hierzu greifen, bevor das Buch vielleicht den International Booker Prize gewinnt. Auf die Longlist hat der englische Titel es nämlich schon geschafft. Wohlverdient.
Wie bist du in der BUCHBOX! gelandet?
Wenige Tage nach meinem Studienabschluss bin ich über die Ausschreibung der Buchbox gestolpert. Timing-technisch hatte ich also großes Glück. Da habe ich nicht lange überlegt und mich direkt beworben, da mich insbesondere das breitgefächerte Aufgabenfeld abseits von klassischen Marketingaktivitäten begeistert hat. Außerdem wollte ich schon immer mal in einer Buchhandlung arbeiten!
Welche Bücher haben dich in der Kindheit und Jugend besonders geprägt?
Das erste Buch mit einem großen Impact war Die unendliche Geschichte von Michael Ende, das meine Eltern meinen Geschwistern und mir vorgelesen haben. Ab circa 7 Jahren reihte ich mich dann, recht unoriginell für meine Generation, in die Herr-der-Ringe- und Harry-Potter-Obsession ein. Ich hatte aber auch meine Jane-Austen-, Brontë-Schwesternund Tolstoi-Ära, wo ich mich komplett auf die „kanonisierte Klassikerliteratur“ eingeschossen habe. Obwohl ich diese Bücher heute immer noch sehr mag, haben sich später meine Interessen mit einem erweiterten Verständnis für Kanon-/Klassikerliteratur aber nochmal deutlich verschoben.
Bist du auch privat eine Leseratte oder hast du nach Feierabend auch einfach mal genug vom Lesen? Ehrlicherweise ist mit mir nach Feierabend nicht mehr viel anzufangen. Wenn ein Buch einen starken Sog auf mich entwickelt, kann das auch mal anders aussehen; aber im Allgemeinen entspanne ich eher mit Comfort-Serien, die einfach auf mich einprasseln. Am liebsten lese ich morgens oder an freien Tagen – da mach ich gern auch mal nichts anderes als das, wenn ich die Zeit und ein wirklich gutes Buch habe. Gefühlt
komme ich jetzt aber mit meinem mittlerweile rapide wachsenden Bücherstapel etwas mehr in Zugzwang.
Wie sieht deine optimale Lesesituation aus: Was ist dein Lieblingsleseort und -medium?
Ich bin hundertprozentig Team „physische Bücher“, höre mittlerweile aber auch sehr gerne Hörbücher. Mit E-Books bin ich bisher (leider?) noch nicht warm geworden. Als optimale Lesesituation kommen für mich genau zwei Szenarien infrage: Nummer eins: Draußen regnet es und ich mach es mir mit meinem Buch zu Hause gemütlich. Szenario Nummer zwei: Es ist Sommer, ich liege an irgendeinem Gewässer, rolle mich rein und raus aus dem Wasser und lese dazwischen in der Sonne auf meinem Handtuch.
Welches Buch hast du in letzter Zeit am häufigsten empfohlen?
Das ist echt schwer, da ich das Gefühl habe, dass ich zur Zeit sehr viel gute Bücher lese, von denen ich, je nach Geschmack, meinen Freund:innen und Familie, wilde Empfehlungen in alle Richtungen rausschreie. In jüngster Vergangenheit würde ich aber sagen, dass es Der Brennende Garten von V. V. Ganeshananthan und Gym von Verena Kessler sind – beides auf ganz unterschiedliche, eigene Weise besondere und wirklich gute Bücher. (Ich hab’ sie sogar nach Feierabend gelesen.)

Madeleine
Charlott

Wie bist du in der BUCHBOX! gelandet?
Ich war in den letzten Jahren vor allem im Theater- und Festivalbereich unterwegs, und habe ab und zu auch eigene Projekte umgesetzt. Jetzt hatte ich Lust neben meinem Studium, noch einmal in einen anderen Bereich zu schauen, etwas Neues zu lernen und dabei trotzdem meinen Interessen nachzugehen. Dafür ist die BUCHBOX! perfekt!
Welche Bücher haben dich in der Kindheit und Jugend besonders geprägt?
Als Kind war ich total von Astrid Lindgrens Büchern begeistertbesonders von den Geschichten von Lotta. Später hat sich meine Liebe zum Lesen eher wellenartig entwickelt und ich hatte auf jeden Fall Phasen, in denen ich mich auch vor Schullektüre gedrückt habe. Als Jugendliche habe ich vor allem Lyrik von Mascha Kaléko, Else Lasker-Schüler oder Eva Strittmatter gelesen. Später habe ich dann durch Bücher
wie Jugend ohne Gott von Ödön von Horváth oder Just Kids von Patti Smith wieder zur Belletristik gefunden.
Bist du auch privat eine Leseratte oder hast du nach Feierabend auch einfach mal genug vom Lesen?
Ich bin auf jeden Fall Leseratte, allerdings bin ich auch eine Kino- und Theaterratte. Da muss ich mir das manchmal ganz schön gut einteilen, wann ich welche Ratte laufen lasse. Das Gute: Es passt alles super zusammen.
Wie sieht deine optimale Lesesituation aus: Was ist dein Lieblingsleseort, -zeit und -medium? Meistens lese ich vor oder nach dem Schlafen, in meinem Bett. Aber am allerliebsten sitze ich in meinem Lieblingscafé in der Sonne, mit einem Kaffee und einem Lied im Loop auf dem Ohr – so komme ich richtig gut in einen Lesefluss.
Welches Buch hast du in letzter Zeit am häufigsten empfohlen?
Ich glaube ganz oben steht Zuhause ist das Wetter unzuverlässig von Carolin Würfel. Schon ihr letztes Buch über drei Schriftstellerinnen aus der DDR hat mich begeistert. Ich merkte ihrem Schreiben auf die schönste Art an, dass sie sich mit ganz vielen Frauenbiografien auseinandergesetzt hat.
Welches Buch lässt euch die kalte Jahreszeit in Berlin überleben?
Seán Hewitt: Öffnet sich der Himmel

Ein Buch mit wunderschöner, poetischer Sprache. Eine Coming-of-Age-Geschichte in einem Dorf in Nordengland. Obsessive, jugendliche Träumereien und/oder die Möglichkeit von Liebe?

1 Frage ~
4 Antworten

Alan Bennett: See you later
Auch wenn die Themen des Buches - Alter und Corona - vermeintlich schwere Themen sind, schafft es Bennett mit seinem britischen Humor eine leichte und unterhaltsame Komödie zu stricken, die mich komplett aus meinem Alltag entführt hat. Einzige Kritik: es ist viel zu kurz und wahnsinnig schnell gelesen.
Franziska Hörner: … und mir bleibt nur der hässliche Hund
Angela Steidele: Ins Dunkel
Wir flanieren an der Seite von Greta Garbo, Erika Mann, Marlene Dietrich und einer ominösen Geliebten durch illustre Gesellschaften der Literatur-, Theaterund Film-Szene und es ist ein Fest! Witzige bis tiefgründige Dialoge (mein Favorit: ein flirty Klaus Mann im Berlin der 1920er) im gekonnt filmisch geschriebenen Setting lassen mich das Grau der Stadt vergessen.

Wenn es kalt wird, dann tauche ich gern auch in die kühleren Themen des Lebens ein. Ich kann den Roman uneingeschränkt allen empfehlen, die sich mit dem Thema Verlust auseinandersetzen wollen. Er brilliert in einer Klarheit, beschönigt nichts und schafft es dabei doch irgendwie, mich aus dem Winterblues rauszuziehen.
die aufregendsten Neuheiten –Leseempfehlungen unserer Buchhändler:innen
Jos Tip p Selbstjustiz im Schafspelz

„Das Publikum im Saal tobt. Die Moderatorin legt die Hände auf ihren Brustkorb, presst die Lippen aufeinander und nickt gerührt den Menschen zu (…) Alle gucken zu dem Monitor hoch, an den sie sich noch gut erinnern können. In dem Clip wird nichts Neues gezeigt: Die meisten Länder leben in einem neuen Zeitalter. Ähnlich wie der 11. September war Haimlik-TV ein Katalysator für eine strengere Gesetzgebung.“ Sie alle haben Stufe 10 erreicht und die hart erarbeiteten „Privilegien“ scheinen bereits Teil des Deals zu sein. Umso weniger überraschend, dass sie nun zu einem exklusiven Wochenende eingeladen wurden. Was folgt ist ein Kammerspiel, das die Protagonist:innen mit ihren dunkelsten Geheimnissen konfrontiert. Wer steckt hinter den Kulissen der App, mit der sie sich im Netz ihre sehnlichsten Wünsche erfüllt haben? Sind alle Gäste so unwissend und unschulidg, wie sie sich geben? Und wohin verschwinden sie peu à peu, still und leise?
Elina Penner: Die Unbußfertigen. Aufbau Verlag, 352 Seiten, 22 Euro.
Etwas steckt fest. Irgendwo zwischen den Rippen.


Kathrin s Tipp
In kurzen Kapiteln, ähnlich einem Stream of Consciousness, verfolgen wir das Leben einer namenlosen palästinensischen Frau in New York. Neben ihrer Anstellung als Lehrkraft an einer Privatschule für Jungen sieht sie die perfekte Routine zur vollständigen Reinigung ihres Körpers und ihrer Wohnung als Hauptaspekt ihres Daseins. Außerdem ist da noch ihr Freund, Trenchcoat, mit dem sie eher eine geschäftliche Beziehung pflegt –rund um den Kauf und Verkauf von Birkin Bags. Ein kühler und schonungsloser Erzählton durchzieht den Roman, mit ausführlichen Beschreibungen ihrer Gewohnheiten und Eigenarten. Doch wer verbirgt sich wirklich hinter dieser Person? Immer wieder, aber nur spärlich, blitzen Erinnerungen aus ihrer Kindheit zwischen den Zeilen auf: eine Autofahrt mit ihren Eltern und ihrem Bruder, bei der durch einen magischen Trick eine Münze in ihrem Körper verschwand. Ein rasant erzählter Roman, der sich dem Wahnsinn zuneigt. Mitten in obsessiven Ritualen und unterdrückten Emotionen schimmert das Trauma ihrer Familie und ihres Landes – und die Frage, wie man überhaupt darüber sprechen soll. All das steckt irgendwo fest. Irgendwo zwischen ihren Rippen.

Yasmin Zaher: Schmutz. Blessing Verlag, 272 Seiten, 24 Euro.


Im neuesten Werk über seine Familie porträtiert Édouard Louis das Leben seines älteren Bruders, welcher im Alter von 38 Jahren an den Folgen seiner Alkoholsucht verstirbt. Louis Bruder hatte große Träume, schon als Jugendlicher wollte er immer viel erreichen – zum Beispiel der beste Metzger Frankreichs werden –, doch wird er immer wieder durch die harte Realität zurückgeworfen. Schließlich fängt der Alkoholkonsum an überhandzunehmen und so geraten auch seine Emotionen immer wieder außer Kontrolle.
Die Erzählung beginnt mit dem Anruf seiner Mutter, die Louis vom Tod seines Bruder berichtet. Man begleitet ihn dabei, wie er versucht, seine Gefühle einzuordnen, wie er sich zurückerinnert und auf Spurensuche geht und wie er sich in Gesprächen mit den Exfreundinnen seines Bruders austauscht. Wie auch in den anderen Werken seines Familienzyklus erzählt Louis nicht nur die Geschichte an sich, sondern auch die Inszenierung des Schreibens jener Geschichte. Und obwohl Louis, wie er selbst sagt, seinen Bruder nicht geliebt hat, handelt es sich trotzdem um ein wertschätzendes Portrait seines Lebens.
Édouard Louis: Der Absturz. Aufbau Verlag, 222 Seiten, 24 Euro.
Gesellschaft als Spiel mit Suchtfaktor

Nach einem Schlaganfall wird Gabi als hirntot diagnostiziert. Das Leben ihrer Familie wird von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Und als wäre das nicht schon genug, kommt noch ein weiteres viel größeres Problem auf sie zu. Syndicate. Eine Utopie. In Weimar. Gesellschaft neu organisieren: Taxis kostenlos. Keine Pflegeheime, jung und alt wohnen zusammen. Keine festen Jobs, jeder soll das lernen, was er will und wann er will. In einer App dürfen alle ihre Statements geben, wie die neue Gesellschaft aussehen soll. Man darf zustimmen oder ablehnen. Schnell fragt man sich: Für welche Menschen ist diese Utopie wirklich? Und kann es eine allgemeine Utopie im Einklang mit Menschen geben, die alle eine andere Meinung haben?
Dagmar ist neurodivers und Professorin an der Uni. Syndicate hört sich für sie wie ein Ausbruch aus ihrem eintönigen Alltag an, wären da nicht die teils rechtsextremen Aussagen anderer Mitbürger. Isabelle ist alleinerziehende Mutter und Politiklehrerin, sie hält gar nichts von dieser angeblichen Utopie, aber auch sie kann sich der Neugier nicht entziehen. Annika lebt eigentlich in Amerika und ist nur wegen des Todes ihrer Mutter zu Besuch. Ihr ist all das völlig egal. Sie hat genug Probleme mit ihren Ex-Freunden und ihrer wieder aufkommenden Magersucht. Ein Gedankenexperiment, das in die Realität umgesetzt werden soll. Mit viel Geld machbar. Doch ist eine perfekte Utopie überhaupt möglich, wenn alle Menschen mitreden und entscheiden dürfen?

Dora Zwickau: Gesellschaftsspiel. Piper Verlag, 288 Seiten, 24 Euro.
T i p p

„Schweigen ist eine Sprache. Und wie jede Sprache muss man sie erlernen.“ Mit diesem Satz beginnt Bijoux ihre Geschichte. Nach Unruhen in ihrer Heimat Zaire (heute DR Kongo) wird sie als Kind zu ihrer Tante Mira nach London geschickt. Dort findet sie sich bald in einer streng religiösen Gemeinschaft wieder. Als Bijoux erste Gefühle für Frauen entdeckt, muss sie diese aus Angst vor Verurteilung durch die Kirchengemeinde und ihre Tante geheim halten. Neben Bijouxs Lebensweg erzählt der Roman auch Miras eigene Geschichte: von Kinshasa in den 1970er-Jahren über Brüssel und Paris bis nach London. Zwei Frauen, zwei Leben – verbunden durch Herkunft, Verlust und die Suche nach Zugehörigkeit.
Christina Fonthes verbindet in ihrem Debüt kongolesische Geschichte und afrikanische Diaspora mit fiktiver Erzählkunst. Besonders gelungen ist hierbei ihre Auseinandersetzung mit afrikanisch-lesbischer Identität. Entgegen gängigen Annahmen zeigt Fonthes, dass Queerness und Africanness sich keineswegs ausschließen. Dabei gelingt ihr ein vielschichtiges Porträt queerer afrikanischer Identität jenseits westlicher Repräsentationen. Ein großartiger Roman, der berührt, nachwirkt und wichtige Themen sichtbar macht.
Christina Fonthes: Wohin du auch gehst. Diogenes Verlag, 416 Seiten, 25 Euro.
Frisch aus der Literatenapotheke


Yanniks T ipp

Wenn wir schon mal im Voraus den Award für das coolste deutsche Cover des Jahres vergeben: Leon Engler hat es eigentlich schon im Sack. Dazu mit dem absolut coolen Namen Botanik Des Wahnsinns hat er eine fast ein bisschen zu aufregende Packung für ein Buch gewählt, das ganz andere Qualitäten mitbringt. Die Botanik des Wahnsinns eröffnet relativ direkt mit mehreren Statistiken: Wenn deine Eltern eine geistige Erkrankung haben, stehen die Chancen deutlich höher, dass auch du dir diese zuziehen wirst. Unser Erzähler beginnt das Buch beim Ausräumen der Wohnung seiner Mutter, nachdem diese aufgehört hat, ihre Briefe zu öffnen und stattdessen in der Psychiatrie ein und aus geht. Gleichzeitig guckt er auf einen Stammbaum der Psychiatrie-Erfahrungen zurück - und dann auf sich selbst. Was er dann schreibt, ist eine Aussöhnung mit diesen Eltern, deren Leben so unregelmäßig verlaufen ist. Was er festhalten will, sind diese Lebensläufe von den Armen, die sonst im Nichts verschwinden würden. Der Satz „Ein Schreiner schreibt keine Biographie“ fällt immer wieder. Nüchtern, behutsam und kritisch gibt er diesen verlorenen Menschen ihre Geschichten zurück - und fragt sich gleichzeitig, was diese Geschichten über ihn selbst aussagen.
Leon Engler: Botanik des Wahnsinns. Dumont Verlag, 208 Seiten, 23 Euro.


„Glaubst du nicht auch, dass es durchaus möglich ist, etwas zu tun und es zugleich zu erforschen?, schreibt Chris in einem Brief an Dick. Und ich hatte den Gedanken, dass es das war, was ich seit Wochen tat: Ich schrieb dir Unmengen an Text, ich las unseren Chatverlauf wieder und wieder, ich versuchte zu verstehen, welche Geschichte wir gemeinsam erzählten, und ich versuchte daraus abzuleiten, wer wir füreinander waren.“ Auf diese Weise liefert die Erzählerin immer wieder Kontext inmitten endloser Textnachrichten voll überbordender, rückhaltloser Liebes- und Lustbekundungen zwischen ihr und Nina. Sie kennen sich schon lange, aber das ist neu. Sie wohnen in verschiedenen Städten, aber das ist nicht die größte Komplikation. Nina hat eine Krankheit, die am Ende ihres Verlaufs zu Ninas Tod führen wird. Clara Umbach hat einen sprachlich besonderen Roman geschrieben, voller Verletzlichkeit und ehrlicher Gefühle. Es geht um die Geschichte, die sie gemeinsam erzählen wollen, den Kampf umeinander, füreinander, trotzend, den tödlichen Krankheiten und dem Alltag, dem Muttersein und der Arbeit. Und es geht um Literatur, aber was es mit dem Titel auf sich hat, müsst ihr schon selber herausfinden.
Clara Umbach: Pizza Orlando. Ecco Verlag, 208 Seiten, 24 Euro.
Hinter deinen Augen
r s tipp

Kennst du das, wenn du, so zum Spaß, oder weil es sich aufdrängt, eine Geschichte, ein Leben und einen Namen für jemanden erfindest, über den oder die du absolut nichts weißt? Ganz klar, das muss eine Karen sein. Komplett mit Ehe, Kindern, sozialem Status, Bildung, Vorlieben. Ganz spekulativ, ganz harmlos, oder? Du würdest das jetzt aber nicht wirklich als Grundlage für etwas nehmen. Gaia schon.

Gaia geht es nicht gut. Veronica ist gegangen und Gaia braucht eine Veränderung. Eine neue Frisur, eine neue Augenfarbe, neue Kleider, eine neue Wohnung. Aber nicht irgendeine Frisur, Augenfarbe, Kleider oder Wohnung, sondern Veronicas. Herzzerreißend beschreibt die Autorin den Versuch einer Annäherung durch Nachahmung. Ich folge den mal reflektierten, mal obsessiven Gedanken der Protagonistin. Sie ist gnadenlos in ihren Formulierungen, beißend in ihren Urteilen, abrupt in ihren Sprüngen. Eindringlich seziert sie ihr Elternhaus, ihre Beziehungen, ihre Umgebung und ihre Gefühlswelt. Gespannt erlebe ich ihre Verwandlung mit. Immer bin ich nahe, manchmal zu nahe dran. Wie geht loslassen? Es geht. Stolpert, strauchelt, stürzt und steht wieder auf. Gaia auch.
Möchtest du sie also kennenlernen, die junge Frau mit dem Bob, den hohen Schuhen und den grünen Augen, die nicht ihre sind? Jenseits dessen, was du zu wissen glaubst. Du findest sie in diesem Buch. Nur zu. Ich finde, es lohnt sich.
Maddalena Fingerle: Mit deinen Augen. Luchterhand Literaturverlag. 224 Seiten, 22 Euro.
Waldema
Interview
Tara-Louise Wittwer
ist studierte Kulturwissenschaftlerin und lebt in Berlin. Sie arbeitet als Autorin und Content Creatorin. 2019 gründete sie ihr Unternehmen wastarasagt mit dem gleichnamigen, schnell wachsenden Instagram-Account, der mittlerweile 648 000 Follower:innen zählt. Auf ihren Social-MediaKanälen spricht sie über Feminismus sowie den Einfluss von Popkultur und Medien auf die eigene Identität, internalisierte Misogynie und darüber, wie alte Rollenbilder stetig reproduziert werden. Nemesis’ Töchter ist ihr drittes Buch.



Berlin. Es ist Juni und der heißeste Tag des Jahres. Tara-Louise Wittwer erscheint überpünktlich in unserer Filiale in der Kastanienallee. Sie kommt gerade erst von einem Kurztrip zurück und hat sich in ihrem übervollen Kalender die Zeit genommen, unser neues BOXPOST!-Cover zu shooten und sich mit uns für ein Interview zusammenzusetzen. Eine persönliche Herzensangelegenheit, wie sie sagt – und auch wir sind schon ab Sekunde eins im siebten Himmel.
Wie schön, dass du bei uns bist. Lass uns über dein neues Buch reden: Den Schreibprozess konnte man auf Instagram teils gut mitverfolgen. Wie hast du diesen bei Nemesis’ Töchter erlebt?
Tara-Louise Wittwer: Sorry, aber … Droemer Knaur, 208 S., 18 Euro.
Tara-Louise Wittwer: Dramaqueen Eden Books, 224 S., 20 Euro.
Der Schreibprozess hat sich im Vergleich zu den Vorgängern insofern verändert, dass mein Titel eigentlich zweimal erschienen ist: Ich wollte das Buch zuerst Hexen, Huren, Harpyien nennen, dann kam aber Witches, Bitches, It-Girls raus. Auch das Cover und die Idee hinter dem Buch, patriarchale Mythen aufzudecken, wollte ich unbedingt umsetzen. Ich habe ja Kulturwissenschaft studiert und mein Fokus lag auf alteuropäischen Geschichten, also unter anderem: Mythen. Manchmal hat man aber eben ähnliche Ideen, also bin ich weg von diesem Dreiertitel und habe mich auf einen
Unser Coverstar Tara Wittwer vor der BUCHBOX!Filiale in der Kastanienallee. Foto: Jenny Witt.
Begriff konzentriert. Da es Hexen von Mona Chollet bereits gab und Huren zu krass war, habe ich mich zunächst für Harpyien entschieden. Harpyien, ein Begriff, den erstaunlich viele nicht kannten, waren zunächst schöne Frauen, die durch die kontinuierliche Erzählung von Männern zu hässlichen Frauen gemacht wurden. Also landeten wir bei Furien, aber auch da erschien ein gleichnamiger Titel – und dann hatte ich einen Nervous Breakdown, weshalb ich vier Monate gar nicht geschrieben habe, obwohl ich schon 100 Seiten hatte. Also haben wir uns mit dem Verlag zusammengesetzt. Die Frage war: Wie bekommen wir Mythen, Female Rage und patriarchale Strukturen erzählt, ohne dass ich das Gefühl habe, jemandem etwas „wegzunehmen“? Und dann bin ich darauf gekommen, dass das, was eigentlich fehlt, der Zusammenhalt unter Frauen ist, und dass ja letztlich all diese Erzählungen uns dazu gebracht haben, uns voneinander zu entfernen.
So löst auch die Lektüre ein Gefühl der Solidarität und des Verstanden-Werdens aus: Ein Aha-Moment reiht sich an den anderen, welche du auch gezielt wissenschaftlich untermauerst. War das eine spezifische Taktik beziehungsweise auch Ziel deines Schreibens?
Sachbücher haben sich in letzter Zeit gewandelt und das habe ich bei Dramaqueen schon gemerkt. Ich schreibe ja keine richtigen Sachbücher, sondern eher essayistisch. Diesmal wollte ich aber unbedingt richtig kulturwissenschaftlich arbeiten, wie ich das auch gelernt habe. Oft habe ich mich online und auch in TV-Formaten wiedergefunden, wo mir sehr viele Menschen nicht geglaubt haben, oder zumindest wurden meine Argumente – auch mal wegen meines Gesichtsausdrucks – immer auf eine Weise entwertet oder
entkräftet. Daher ist es einerseits Schutz à la „Nein, ich hab nicht meine Tage und deswegen gerade schlechte Laune, sondern das ist einfach so.“ Gleichzeitig ist es aber auch Trotz: „Ich weiß das besser, danke, du musst es mir nicht erklären und Punkt.“ Es geht mir dabei aber nicht ums Rechthaben, sondern ums Gesehenwerden. Als Frauen haben wir alle dieselbe Realität, wobei wir natürlich verschiedene Marginalisierungsstufen nicht außer Acht lassen dürfen. Doch der Grundtenor der Ablehnung gegenüber dem Weiblichen bleibt erhalten. Und das wollte ich in diesem Buch transportieren.
Tara-Louise Wittwer: Nemesis’ Töchter Droemer Knaur, 208 S., 18 Euro.

Die Namensgeberin deines Buches ist die griechische Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit und Rache. Auch du kämpfst für etwas, das eigentlich Standard sein sollte: für das Bare Minimum. Dafür wirst du auf Social Media häufig – und nicht nur von Männern – mit Hass überschüttet. Wie schaffst du es, damit umzugehen? Wegen meiner Followerinnen tatsächlich. Ich fühle mich durch sie viel sicherer und nicht mehr so allein. Aber auch dadurch, dass ich meine eigene Geschichte aufgearbeitet habe. Die Art, wie ich sozialisiert wurde – in einem patriarchalen System und von Popkultur – hat mich zu einem Pick me Girl gemacht. Ich musste all diese internalisierte Misogynie erst verlernen und mir abtrainieren, mich selbst konsequent hinterfragen. Aber die Frage ist doch: Hat Europa an sich je die eigene Misogynie aufgearbeitet? Es gibt „trendy Hexentouren“, aber wo wird wirklich anerkannt, dass es eigentlich keine Hexen-, sondern eine systematische Frauenverfolgung war? Allein in Deutschland wurden mehr als die Hälfte aller sogenannten Hexen verbrannt. Ich, als sehr europäische Frau, mit einem holländischen Großvater, Vorfahren aus Alt-England und einer Sintizza-Großmutter, trage eine gesprenkelte Vorgeschichte. Abgesehen davon, wie viel globales Leid europäische Länder verursacht haben – nicht nur anderen
Ländern, sondern auch den eigenen Frauen: die kollektive Aufarbeitung hat nie stattgefunden. Jetzt, wo ich zumindest glaube, diese Strukturen verstanden zu haben, fühle ich mich weniger allein. Es hat mir eine tiefe Verbundenheit mit Frauen gegeben – und mit dem, was ihnen historisch angetan wurde, immer und immer wieder. Genau deshalb wünsche ich mir, dass Menschen dieses Buch lesen, um diese kollektive Erfahrung greifen zu können. Und dann ist es mir auch egal, wenn ein Martin in meiner Kommentarspalte schreit – denn es kommen 300 Martinas, die sagen: Ich fühle das auch.
„Obwohl die meisten Frauen diese tiefe, generationsübergreifende Wut in sich spüren, wird dieses Buch wieder im dritten Stock in irgendeiner Buchhandlung stehen, direkt neben Rezepten oder Frauenliteratur. Mein letztes stand bei Esoterik. Und ich bin sogar ein bisschen dankbar, solange es nicht bei Fantasy steht. Ich weiß, dass es so kommen wird. Aber immerhin hast du dieses Buch jetzt in der Hand und liest es. Lass uns zusammen Female
Rage fühlen“
Auszug aus Nemesis’ Töchter
Man merkt, dass es ein sehr persönliches Buch ist, in dem du dich verletzlich machst. Wie hast du dich für Nemesis und Hexen entschieden und wie gliedert sich das in deine bisherigen Veröffentlichungen ein?
Ich habe das Gefühl, dass meine letzten drei Bücher aufeinander aufbauen. Dramaqueen war mein Grundmanifest, mit dem ich selbst angefangen habe und was auch oder vor allem einen Einstieg für Menschen bietet, die sich noch nie mit dem Thema Misogynie befasst haben. So ist also Dramaqueen: ohne große Worte und von einem nicht-klassistischen Standpunkt aus geschrieben, für den man Begriffe wie „Internalisierte Misogynie“ nicht schon verstanden haben muss, sondern wo das alles runtergebrochen wird. Das ist manchen Leuten zu wenig, aber mir war es wichtig, einen Einstieg zu bieten, damit alle
teilnehmen und mitmachen können. Wer das nicht mag, dem sag ich ganz deutlich: Dann ist es nicht für dich und dann lies es einfach nicht.
Sorry, aber … hat sich dann mit den Auswirkungen dieser Dynamiken und der Geschichte beschäftigt: Wir ducken uns weg, wir entschuldigen uns, wir machen uns kleiner als wir sind. Da habe ich auch schon über die Scold’s Bridle, also über den Maulkorb geschrieben, der Frauen von Männern verpasst wurde – eine Foltermethode, auch Witch’s Bridle genannt –, und über Female Rage. Und da wollte ich mehr rein. Das ist Nemesis’ Töchter: Was passiert eigentlich, wenn wir uns nicht wegducken? Und warum sollten wir uns nicht wegducken? Und was ist eigentlich die ganze Zeit passiert, als das von uns verlangt wurde? Und somit ist Nemesis’ Töchter mein persönlicher Abschluss – für mein kulturwissenschaftliches Ich und das, worüber ich immer schreiben wollte. Deswegen ist es auch so persönlich, weil mich dieses Thema schon immer interessiert hat. Ich habe schon zu meiner Studienzeit über Königinnen im Mittelalter geschrieben und wie sie eigentlich die Welt gesteuert haben, über die Bedeutung von Gossip, genauso wie mein Online-Format „Mythen und Misogynie“ – das alles habe ich in dieses Buch reingekippt und einen Deckel drauf gemacht.

so: härter als für Männer, aber irgendwie machen die ja andere harte Sachen. Und es hat echt gedauert, bis ich verstanden habe, dass die ja gar nicht so viele andere harte Sachen machen. Und irgendwann habe ich mich gefragt: Was machen die überhaupt und was mache ich als Frau alles? Was leiste ich den ganzen Tag an Mental Load und Care Arbeit – und ich hab nicht mal ein Kind?
Überall, egal wo ich war, herrschte diese strukturelle Schieflage. Ich bin auch mit meinem Mann viel strenger als vorher – auch meinen armen Vater zerfetze ich jeden Tag und baue ihn wieder zusammen. Und das sind Männer, die schon super feministisch sind. Und trotzdem beschäftigen wir uns mit diesen Kleinigkeiten. Jede Frau versteht mich in diesem Punkt: Warum muss ich zum Beispiel meinem Mann eine Liste schreiben? Und weil das die Männer eben nicht verstehen, muss ich meinen Rage selbst stoppen und wieder erklären und mich kümmern. Und obwohl das alles im Einzelnen nicht so schwer ist, summiert es sich. Heute ist das in meiner Beziehung anders. Ich glaube aber, das ist als Erfahrung auch für jede:n unterschiedlich.
In Nemesis’ Töchter sprichst du auch vom Moment des „Aufwachens“ und, dass du dir manchmal wünschst, nie aufgewacht zu sein. Das ist schwierig. Ich dachte, als Frau ist das Leben einfach
Gab es in der Vergangenheit einen konkreten Auslöser, warum du dich so intensiv mit Feminismus und Gleichberechtigung beschäftigst und dich dafür einsetzt? Oder war es für dich eher ein konstanter Prozess?
Zunächst habe ich gemerkt, dass der Diskurs online immer dynamischer wurde und es immer mehr Bewegungen gab, die sich dafür eingesetzt haben. Ich habe ge-
Mit Autorin Tara-Louise Wittwer unterwegs im Buchbox-Kiez Prenzlauer Berg. Foto: Jenny Witt.
merkt: Krass, da sagen ja endlich richtig viele Frauen was. Wie wenig Frauen vorher etwas gesagt haben beziehungsweise nicht zu Wort gekommen sind, habe ich nicht registriert. Ich fand auch Tarantino geil, der hat ja auch viele ikonische Filme gemacht, zum Beispiel
Kill Bill oder so. Ich hab vor allem Filme mit weiblichen Hauptfiguren geguckt, obwohl diese Figuren alle total sexualisiert sind. Da hab ich irgendwann auch gemerkt, wie wenig Auswahl es eigentlich gibt. Und dann hab ich mich gefragt, wieso ich mich unter Frauen so unwohl fühle – Männer sind ja eh viel cooler und weniger Drama und so – und wieso ich Bier liebe, aber Cocktails und Pink hasse. Es fing also langsam damit an, dass ich mich gefragt habe, wieso ich diese typisch weiblich konnotierten Dinge so ablehne.
Und dann gab es noch eine konkrete Situation: Ich habe etwas gepostet, das wahnsinnig misogyn war. Da denk ich bis heute jeden Tag dran. Ich wurde dann von einer anderen Frau angeschrieben, die mich darauf hingewiesen hat. Und obwohl ich nicht direkt in eine Abwehrhaltung gegangen bin, stieß mir das auf. Danach habe ich, nicht zuletzt weil ich diese Person sehr schätze, gemerkt, wie richtig sie gelegen hat – und wie schlecht ich mich verhalten habe. Ich habe mich gefragt, woher das kommt, und habe mich entschieden, dass ich nicht so eine Person sein möchte. Ab dann habe ich begonnen, mich einmal von Grund auf zu schälen. Denn ich habs ja nicht nur gepostet – ich hab das davor gelesen und mich bewusst dazu entschieden. Und da dachte ich mir: Komm klar auf dein Leben. Und ja, was soll ich sagen, jetzt komm ich klar. Und in diesem Sinne denke ich bis

heute: In gewissen Dingen kann sich jeder, insbesondere was Werte und internalisierte Ismen betrifft, ändern und diese verlernen. Denn sie wurden uns ja in erster Linie anerzogen und gesellschaftlich angelernt. Dass ich weiblich Konnotiertes scheiße fand, hatte nichts mit meinem Charakter zu tun. Das war gesellschaftlich anerzogen und das habe ich entlernt, hoffentlich.
Ist das Schreiben dahingehend für dich auch ein Werkzeug im Sinne von Coping, Healing, Konfrontation oder Aufklärungsarbeit? Für andere oder für dich selbst oder beides? Ich habe ja immer schon geschrieben. Und ich finde, ich, meine Gedanken, meine Gefühle, mein Sein existieren nur, wenn es schon mal aufgeschrieben wurde. Sonst zählt es nicht. Und deshalb ist mein Schreiben das, was ich bin. Und das, was ich nicht über mich geschrieben habe, zählt nicht. Ich forme mich selbst erst durch die Worte, die ich darüber geschrieben habe. Deswegen ist Schreiben für mich alles. Immer schon gewesen.
Du hast ein Sachbuch geschrieben, das optisch aus dem Genre heraussticht: Man sollte meinen, Männer würden sich dafür interessieren und zugreifen. Oft ist dem leider nicht so. Erhoffst du dir von Nemesis’ Töchter einen LauffeuerEffekt im Sinne des Female Rage, auch auf Seite der Männer?
Nemesis’ Töchter ist ja ein kulturwissenschaftlicheres Buch als die davor. Und ich hab verschie-
Taras Buchtipps aus der Buchbox. Foto: Jenny Witt.
dene Zielgruppen, die auch zum Beispiel das Cover teilweise echt scheiße finden. Aber ich wollte bewusst ein „wissenschaftlicheres“ Cover, mehr Stil, mehr Ästhetik, mehr Ich und ich wollte nicht das klassisch plakative Sachbuch. Und dafür habe ich sieben Monate gekämpft – mir wollte keiner den Titel geben, es sollte kein Gemälde sein, das versteht ja keiner. Aber ich hab schon mit meinem Verlag darüber gesprochen: Es sind immer Frauenbücher, Frauenbücher, Frauenbücher. Und Männer interessiert das einfach nicht, weil sie Schuld daran sind, dass wir im Kollektiv gestorben sind. Sind sie immer noch. Und wenn Männer heute immer noch schreien „Not all men!“, anstatt zu sagen „Krass, ganz schön viele Männer!“, dann erhoff ich mir nicht, dass Martin losgeht und gezielt mein
Buch kauft. Denn der fühlt sich ja sehr wahrscheinlich offended, weil „Ich hab ja keine Hexen verbrannt“.
Die griechische Mythologie, die in deinem Buch eine wichtige Rolle spielt, prägt seit der Antike Europa und die gesamte westliche Welt – inklusive misogynem Storytelling: Inwiefern betrifft uns das heutzutage noch und wie verrückt ist die Tatsache, dass das schon seit der Antike anhält?
Definitiv und deswegen finde ich auch die Geschichte der Scold’s Bridle so interessant: Immer wenn Frauen zu laut oder zu viel waren, hat der Mann einfach entschieden, dass sie dieses Folterinstrument tragen muss. Ohne die Möglichkeit zu sprechen, zu trinken, zu essen. Und das ist nicht mal vor zehn Müttern passiert! Und dann ist ja klar, dass wir uns wegducken und leiser reden, gerade auch wenn man in seinem persönlichen oder familiären Umfeld als hysterisch betitelt wurde. Dann willst du ja nicht so laut, emotional und hysterisch wie Mama oder Oma sein, sondern cool.
„Female Rage ist für mich nicht einfach nur ein Rausschreien, es ist eine Ressource.“
Auszug aus Nemesis’ Töchter
Na ja, ich schließlich ja auch nicht.
Und dann habe ich vor kurzem gelesen, es gäbe zu wenig Literatur für Männer – hä? Also, wenn du Frauen so lange vom Schreiben, Lesen und Lernen ausschließt und es dann verkackst, genug „Männerbücher“ zu schreiben, dann ist das a) eher ein You Problem und b) was ist denn mit diesen ganzen Männerbüchern? Gibt’s doch schon? Das stimmt doch einfach alles nicht. Und dann frag ich mich: Inwiefern ist das jetzt noch meine Verantwortung oder die anderer Frauen? Es gab schon so viele Frauen vor mir und heute neben mir; ich bin da nur ein kleines Sandkorn. Und trotzdem lesen es wenige oder keine Männer.
Dann gibt es unter Männern auch einige, die sich selbst als woke betrachten, dann aber bestimmte Aspekte unseres sexistischen Systems abtun, obwohl man schon Fakten nennt. Wie geht man damit um? Also mir wird da ja dann sehr gern Spaltung vorgeworfen. „Don’t shoot the messenger“ haben da echt viele nicht verstanden, denn es ist ja nicht meine Schuld, dass es so ist oder so passiert. Und deswegen diskutiere ich da auch nicht mehr. Und zieh mich zurück. Denn wenn ein Mensch es nicht schafft, meine Lebensrealität anzuerkennen, ohne als erste Amtshandlung gegen mich zu argumentieren und meine persönliche Erfahrung kleinzureden, dann habe ich da keine Energie mehr für. Es ist einfach so: Ist es die Male Loneliness Epidemic oder einfach
die Male Consequences Epidemic?
Wenn du am Ende allein bist und dich wunderst, dann liegt es halt vielleicht auch daran, dass du konsequent die kollektive Erfahrung von Frauen heruntergespielt hast. Wenn du denkst, du bist anders, machst das aber instinktiv immer noch, dann gehörst du da einfach dazu und bist vielleicht doch gar nicht so anders. Dann bist du genau wie Phillip und Fillip in meinem Buch.
Apropos Zusammenhalt: Inwiefern hat deine Lektorin Marie Krutmann beziehungsweise diese Zusammenarbeit den Schreibprozess berührt und beeinträchtigt? Auf Social Media konnte man eure enge Zusammenarbeit immer mal wieder mitverfolgen.
Ah Marie! Den Verlag, bei dem ich Dramaqueen veröffentlicht habe, hatte ich mir ausgesucht, weil dort ausschließlich Frauen gearbeitet haben. Den gibts heute leider nicht mehr. Eine dieser Verlagspersonen ist daraufhin zur Droemer Knaur gewechselt und da habe ich gesagt: Ich gehe da hin, wo du hingehst. Mir ist Loyalität immer schon sehr wichtig. Wenn ich mit jemandem zusammenarbeite, dann eigentlich immer sehr lange. Und Marie ist schon seit Dramaqueen meine Lektorin. Sie ist maßgeblich für alle meine Bücher verantwortlich – auch wenn sie das nicht gern hört. Sie schreibt selbst so gut und so viel und ohne sie will ich einfach kein Buch mehr schreiben. Ich meine, ich könnte, aber ich will nicht. Ehrlich gesagt, vielleicht könnte ich auch nicht.
Aktuell hat man ja auch den Eindruck, dass wir uns eigentlich wieder rückwärts bewegen und die Errungenschaften der verschiedenen Wellen des Feminismus wieder abgebaut werden. Hast du das Gefühl, es wird alles immer schlimmer oder sind wir vielleicht auch auf einem guten Weg?
Also wenn du bei mir nach Hoffnung suchst, bist du falsch. Wird alles schlimmer? Ja. Aber auch: Nein. Es wird alles ziemlich besser. Das sieht man allein in den Kommentarspalten: Viele Frauen sind aufgewacht. Auf einen Martin kommen 300 Martinas, man lächelt sich auf der Straße an, man weiß, Frauenfreundschaften zählen, die Male Loneliness Epidemic gibt es nicht. Das heißt natürlich nicht, dass ich will, dass Männer einsamer sind. Ich möchte nur, dass Frauen weniger allein sind und das sind sie auch. Meiner Meinung nach haben wir da sehr viel mehr Zusammenhalt. Ich bin da sogar recht optimistisch geworden.
Und zum Abschluss – eigentlich können wir nicht darüber sprechen –, aber: Wie wichtig war dir der Epilog und vor allem der Inhalt des Epilogs? Er ist eine kleine wunderbar wohltuende Überraschung am Ende! Witzigerweise war mein Epilog eigentlich zuerst das Vorwort. Und dann haben wir das ganz am Ende nochmal geändert. Ich wollte im Vorwort etwas Mythologisches und den Epilog wholesome gestalten. Und zeigen: Es ist möglich, als Mann und Frau in einem Raum zu existieren, wo Meinungen ausgesprochen und auch im Raum stehenbleiben können. Es muss zwischen den Geschlechtern gar nicht immer alles ausgehandelt werden, wenn wir auch dazu in der Lage sind, Meinungen auszuhalten.

Interview: Madeleine Darius und Hilke Grabenkamp
Autorin Tara-Louise Wittwer im Gespräch mit den Buchbox-Redakteurinnen Hilke Grabenkamp & Madeleine Darius. Foto: Jenny Witt.


Gemeinsam für den Frieden: Das Buch für einen guten Zweck!
Was kann man als einzelner zeichnender Mensch für den Frieden tun? Mit der Antwort »Nichts« wollten Sabine Kranz, Friederike Ablang und Merle Goll sich nicht zufriedengeben. Gemeinsam kam ihnen die Idee zum Friedenstier. Die Reaktion ihrer Kolleg:innen war überwältigend, alle griffen für den Frieden zum Stift. Mittlerweile sind mehr als 100 geflügelte Tiere dieser Gattung zusammengekommen, dazu eine Reihe von Geschichten und Gedichten. Sie alle sind in diesem inspirierenden Buch für Kinder und die ganze Familie versammelt.
Alle Beteiligten unterstützen mit diesem Projekt Ärzte ohne Grenzen e.V. – im Oktober 2025 wird der Check auf der Frankfurter Buchmesse übergeben!
Friederike Ablang, Merle Goll & Sabine Kranz: Das Friedenstier – Mit Stift und Flügeln für den Frieden. DTV, 96 S., 16 Euro.
Bild: Kerstin Meyer
Text: Kathrin Schrocke


Mit ihrem Debütroman Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten schafft Anna Maschik auf 240 Seiten einen Familienroman, der sich beinahe wie eine literarische Familienaufstellung lesen lässt. Angefangen bei ihrer Urgroßmutter wird die Familie von Alma aufgefächert und ausgeweidet wie ein geschlachtetes Tier. Sie erzählt, wie die Urgroßmutter, die auf einem Bauernhof an der Nordsee lebt, Blut rührt, um daraus Würste herzustellen. Sie erzählt, wie die Urgroßmutter Kinder gebährt und eines mehr liebt. Sie erzählt, wie die Großmutter nach dem Krieg die Heimat, den Norden, das Früher verlässt. Sie erzählt von Geschwistern und Eltern. Von Kindern, die am Ende zu ihren Eltern werden. Und immer wieder wird das Blut gerührt. Mit dem Roman bewegt sich Anna Maschik auf der Grenze zwischen Lückentext und detaillierten Erinnerungen. Nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich ist dieser so konzentriert, dass einige Kapitel fast schon lyrisch daherkommen. Erinnerung, aber auch das Verschweigen und Vergessen von Ereignissen innerhalb einer Familie wird durch Aufzählungen und Wiederholungen verdeutlicht. Die spannend und bildlich entworfenen Figuren fügen sich in diesen intensiven und assoziativen Roman gekonnt ein und unterstützen die Aufstellung einer Familie, die unzählige Geheimnisse birgt. Und immer wieder wird das Blut gerührt.
Anna Maschik: Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten. Luchterhand Literaturverlag, 240 Seiten, 23 Euro.
Lauras
T i pp Im Taumel der Nullerjahre

2006 wird die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja in Moskau vor ihrer Wohnung erschossen. Die Freundinnen Karina und Tonya beginnen in Maya Rosas fulminantem Debüt Moscow Mule gerade ihr drittes Semester in politischem Journalismus mit einem einzigen Ziel: rauskommen, nach Europa. Das Leben der beiden ist geprägt von der Gewalt des zweiten Tschetschenienkrieges, einer durch und durch patriarchalen Gesellschaft, der allumfassenden Korruption und Putins Autokratie. Karina und Tonya drängen nach Eskapismus, Gleichberechtigung und Freiheit, nach Zuneigung und einer besseren Zukunft. Sie versuchen, sich selbst zu finden in all dem „Wir“, in dem erst das Land, dann die Familie und zuletzt das Individuum kommen. Doch während sie sich von Party zu Party, Schlafplatz zu Schlafplatz und Möglichkeit zu Möglichkeit schlagen, verlieren Karina und Tonya sich – die eine in der Zerstreuung und die andere in ihrem Wunsch nach Sesshaftigkeit. Maya Rosa schreibt mit einem faszinierenden Sprachwitz und verwebt das Politische mit dem Privaten so leicht, dass es fast schmerzhaft ist. Das Buch ist eine großartige Mischung aus Coming-of-Age und politischer Anklage, ein kraftvolles Zeugnis von Lebenshunger und Gedenken. Ich hätte diesen Roman ewig weiterlesen wollen.

Maya Rosa: Moscow Mule. Penguin Verlag, 320 Seiten, 24 Euro.





Scheißkerle, das sind sieben Väter, die der Junge Andrev in sieben Jahren haben wird. Und spätestens ab Vater Nummer drei bin ich voll drin in dieser autobiographisch angehauchten Geschichte, die in Schweden ein Bestseller wurde. Zart besaitet, was Sprache angeht, darf man nicht sein, wenn man den Roman liest. Wir stecken schließlich im Kopf eines TeenagerJungen. Aber gerade die Sprache ist es, die diesen Roman so außergewöhnlich werden lässt. So hat zum Beispiel keiner der handelnden Personen einen Namen. Sie heißen „der Dieb“, „der Mörder“, „die kleine Wolke“ und „der Zyklop“. Das fast schon Märchenhafte dieser Namen wird durchbrochen von der knallharten Realität der meist brutalen Väter und einem unschlagbar guten Humor. Aber genauso schafft es Andrev Walden, die Ambivalenz seiner Hauptfigur darzustellen. Zwischen Vätern, die man hasst und trotzdem liebt. Auch in der Schilderung der Mutter erkenne ich eine solch liebevolle Zärtlichkeit, dass ich Scheißkerle trotz der zum Teil brutalen Thematik als (im wirklich besten Sinne) Feelgood-Lektüre bezeichnen würde. Die Schweden wissen eben, was gut ist. Scheißkerle

Andrev Walden, Scheißkerle. Luchterhand Literaturverlag, 416 Seiten, 25 Euro.
t i pp

Ein Spiel mit der Zeit
Standing Ovations hat so ziemlich alles, was ein gutes Buch braucht. Die Geschichte spielt auf der populären Kunst- und Kulturveranstaltung „Fringe Festival“ in Edinburgh. Theaterkritiker und Nepo-Baby Alex schaut sich ein Stück an, das von Hayley gestaltet und performt wird. Er bewertet die Show mit einem Stern und schreibt eine miserable Bewertung. Noch am selben Abend trifft er die Schauspielerin/Produzentin des Stücks und verbringt die Nacht mit ihr. Er weiß, wer sie ist, aber sie weiß nicht, dass er womöglich ihre Zukunft ruiniert hat. Kurz an dieser Stelle: Mit diesem Plot kann schon mal keine:r etwas falsch machen ;) Sophie ist Alex’s Arbeitskollegin und neutrale Erzählerin der Geschehnisse. Alle drei anwesend in der vorübergehend gemeinsamen WG, bekommt Hayley die Wahrheit ins Gesicht geknallt. Von hier an kommt die Handlung richtig ins Rollen. Hayley kreiert eine neue Show, in der sie die Erfahrung mit Alex erzählt und darstellt. Sie lädt einige Frauen ein, um auch deren Erlebnisse mit Alex zu teilen. Die Show wird ein Hit und die perfekte Rache, um Alex zu zerstören. Auch wenn die Handlung nun damit verläuft, wie es ist, wenn ein misogyner Mann sein Fett weg kriegt, gibt es hier auch einen Nebenstrang der Erzählerin. Als Mutter und Partnerin eines nicht ganz so treuen Partners, schildert sie die Problematik der ungerecht verteilten Care-Arbeit und die Beziehung zum Protagonisten. Ganz raffiniert und genau wird die Zerrissenheit, die in einer Frau stecken kann, wenn es um Emanzipation und Feminismus geht.

Persönlich empfand ich die Story als absolut „bingeworthy“. Ich wurde emotional abgeholt und war hervorragend unterhalten.
Charlotte Runcie: Standing Ovations. Piper Verlag, 336 Seiten, 25 Euro.
Erikas
T ipp

Unheimlich (und) spannend – eine kurzweilige, makabre Lektüre zum miträtseln
Tote Winkel, fensterlose Räume, geheime Durchgänge … Was verbirgt sich hinter diesem „Seltsamen Haus“ und welche Geheimnisse kann ein Grundriss allein ans Licht bringen?
In HEN NA IE - Das seltsame Haus, dem Fortsetzungsroman vom japanischen Mystery-Krimi-Hit Seltsame Bilder, setzt Uketsu sein einzigartiges, innovatives Storytelling, begleitet und unterstützt durch visuelles Material, fort. Dieses Mal stehen drei scheinbar normale Grundrisse, von drei besonders seltsamen Häusern im Mittelpunkt. Als ein Autor und ein technischer Zeichner für Architektur auf den Grundrissplan für ein Familienhaus stoßen, fallen ihnen Ungereimtheiten auf, die schlimme Vermutungen hervorrufen. Während immer mehr merkwürdige Details zum Vorschein kommen, die auf verstörende und blutige Ereignisse hinweisen, versuchen sie den Fall zu lösen und steigen immer tiefer in die Geschichte der Familie ein, die dort lebte.

In klarer, einfacher und kurzweiliger Sprache erzählt der Roman die makabre und komplexe Vergangenheit, die hinter den außergewöhnlichen Grundrissen und den Bewohnenden der Häuser steckt. Um den Enthüllungen zu folgen und um kein Detail zu verpassen, ist ein aufmerksames Lesen erforderlich. Dafür sind die Abbildungen eine gute Stütze und laden ein, selbst den Sherlock-Hut aufzusetzen.
Uketsu: HEN NA IE. Das seltsame Haus. Lübbe, 224 Seiten, 24 Euro.
Yanniks t ipp

Was ist eigentlich in Rwanda passiert?
Okay, Hefte raus, Klassenarbeit: Was wisst ihr über den Völkermord in Rwanda? Keine Hände? Kann mir jemand sagen, wo Rwanda liegt? Auch nicht? Mensch, Leute. Wir bleiben eben alle ein ungebildeter Haufen. Aber: Schönerweise kann Literatur uns da einmal mehr Abhilfe schaffen - doch Jacaranda von Gaël Faye ist deutlich mehr als ein historischer Roman, der unsere Bildungslücken schließt. Wir haben es hier mit der Migrationsgeschichte eines Jungen zu tun, dessen verschwiegene Elterngeneration ihn nach der Flucht in Richtung Frankreich geradezu selbst völlig von seiner Familienvergangenheit abgeschnitten hat. Die Mutter fragt sich, warum ihn das überhaupt interessieren würde, der weiße Vater versteht noch weniger, was im Kopf des Protagonisten vor sich geht. Nur eine Spur bleibt ihm: der rwandische Junge, der vielleicht sein Bruder ist, der für eine kurze Zeit seiner Kindheit bei ihnen zu Hause untergebracht war. Jacaranda packt diesen einen kleinen Faden und folgt dem Protagonisten auf eine Selbstentdeckungsreise, auf der er selbst dieses Land kennenlernt, von dem er so sträflich wenig wusste.
Gaël Faye: Jacaranda. Piper Verlag, 272 Seiten, 24 Euro.

Wenn Häuser Geschichten erzählen

Kann ein Haus eine Geschichte erzählen? Henrik Szántó zeigt in seinem Roman, dass es durchaus möglich ist. Denn hier erzählt das Haus selbst die Geschichte von der Schülerin Nele, die während der Vorbereitungen für eine Geschichtsarbeit (es geht um die Gründung der BRD) mit der 90-jährigen Nachbarin Irma ins Gespräch kommt, die schon ihr ganzes Leben lang in diesem Haus wohnt. Während der Gespräche merkt Nele, dass die Vergangenheit zum Teil doch näher ist, und versucht, von ihren Eltern mehr über ihre eigene Familiengeschichte zu erfahren. Aber auch Irma erinnert sich zurück an ihre Kindheit und an die Personen, welche einst in diesem Haus wohnten. Neben den Geschichten von Irma und Nele erinnert sich das Haus auch an sämtliche andere Momente und Gefühle, die zwischen seinen Wänden stattgefunden haben, und macht dadurch eine ganz neue Perspektive auf. Und während sich diese verschiedenen Erzählungen in ihren Zeiten teilweise überlappen (was zugegebenermaßen manchmal auch ein bisschen verwirrend sein kann) so zeigt es doch ziemlich eindrücklich, wie sehr manche Teile der Vergangenheit immer noch im Jetzt bestehen.

Henrik Szántó: Treppe aus Papier. Blessing Verlag, 224 Seiten, 23 Euro.
Dieser Roman ist ziemlich disney

Hilkes T i pp

Let’s talk about feelings ist ein Album der US-amerikanischen Punkband Lagawoon. Let’s talk about feelings, so heißt aber auch der neue Roman von Leif Randt und der ist alles andere als punk: Das Buch handelt von Marian, 41 Jahre alt und Besitzer der Boutique Kenting Beach, die die angesagtesten jungen Designerlabels vertreibt. Let’s talk about feelings nimmt uns mit durch ein Jahr in Marians Leben, in dem seine Mutter – früher mal legendäres Fotomodell der alten BRD – stirbt und er klarkommen muss. In dem er sich verliebt. Und damit klarkommen muss. Marian ist gekonnt im Inszenieren der eigenen Person, er versteht die Insignien der Coolness wie kein anderer und treibt die Ästhetisierung seines Alltags und seiner Lebenswelt auf die Spitze. Fast ununterbrochen beschreibt und vor allem bewertet Marian seine Mitmenschen, ihr Aussehen, ihre Kleider- und Wortwahl: Und auch wenn diese Beobachtungen zunächst oberflächlich erscheinen, beweist Randt hier mal wieder, dass er der Meister der habituellen Beobachtung ist. Seine Skizzen der menschlichen Verhaltensweisen sind kleinteilig, nuanciert, einfach on point. Und mit der Zeit wächst einem Marian trotz seiner oberflächlichen Fixiertheit dennoch ans Herz – denn sein Blick dringt entgegen dem ersten Anschein auch hinter die Fassaden der Menschen. Insgesamt ein schöner Roman, den ich sehr gemocht habe, der trotz der anfänglichen Schwere am Ende – um mit Randts Worten zu sprechen – sogar ziemlich disney ist.
Leif Randt: Let‘s talk about feelings. Kiepenheuer & Witsch, 320 Seiten, 24 Euro.

Matilda und Nora sind die Töchter der erfolgreichen Künstlerin Ingrid Olssen. Das Werk über ihre beiden Girls gilt als eines ihrer bekanntesten Stücke, dessen Preis die beiden selbst nach Ingrids Tod noch zahlen: Mit psychischen Problemen, Entfremdung, Bindungsstörungen. Als die erwachsenen Schwestern wieder voreinanderstehen und die Posthum-Ausstellung ihrer Mutter unausweichlich näherrückt, reisen sie gemeinsam los. Nicht nur in die USA, sondern auch zurück in ihren Erinnerungen. Kristy Capes’ gleichnamiger Roman Girls zeichnet das Bild einer exzentrischen Mutter und dem schwierigen Verhältnis zu ihren Töchtern, die sich der künstlerischen Hingabe stets unterordnen und dabei selbst mit-aufopfern mussten. Tragisch, nahbar, komisch und spitzfindig erzählt die Autorin von Schwestern-Banden, von denen jede auf ihre Weise versucht, mit ihrer Vergangenheit umzugehen: Wie leben, nachdem der Sog der Mutter nicht nur ihre Existenz, sondern auch die eigene verschlang? Ein Wechselbad der Gefühle, zwischen Konfrontation und Gleichklang, schwerwiegenden Vorwürfen und der Leichtigkeit einer tiefgreifenden Verbindung; zwischen „alles zu gewinnen“ und „nichts mehr zu verlieren“.
Kirsty Capes: Girls. btb, 544 Seiten, 25 Euro.
Vom Fallen und Träumen
Mit der Geburt von Lajos von Lázár beginnt das 20. Jahrhundert auch für das alteingesessene Adelsgeschlecht seiner Familie, die im Süden von Ungarn lebt. Dennoch scheinen sich alte Strukturen niemals zu ändern. Die Mutter, die sich beibringt zu lügen, um den Konflikten aus dem Weg zu gehen, die zwischen ihr und ihrem Mann sind, der Vater, der erst im Augenblick seines Todes erkennt, was Lajos ein Geheimnis in sich trägt, die Schwester, die in ihrer Position unterdrückt und ungehört wirkt.



Jedes Familienmitglied besitzt eigene Wünsche, Sehnsüchte und Erwartungen, an sich und an die Anderen. Während Lajos aufwächst und versucht, seinen Platz in der Welt zu finden, den von Etiketten und Regeln bestimmten Strukturen zu entfliehen, verändert sich das Land und die politische Situation. Der einstige Glanz des Anwesens, der zu Anfang noch märchenhaft wirkt, zerfällt und offenbart den Fiebertraum alter monarchischer Disharmonie. Die Titanic sinkt, Hitler wird gewählt und in all dem wächst Lajos zu einem Mann heran, der sich seinem eigenen Schatten stellen muss.
Ein Familienepos, der teilweise in traumhaften Sequenzen verdeutlicht, wie sich Zerrissenheit von Generation zu Generation übertragen kann. Atmosphärisch, geschichtlich und zum Nachdenken anregend.
Nelio Biedermann: Lázár. Rowohlt Berlin, 336 Seiten, 24 Euro.
Joes
Ti p p


Caroline Schmitts Roman Monstergott entwirft ein eindringliches Panorama christlicher Freizeitwelten: Ben, jugendlicher Gottessucher und angehender Fluglotse, ringt in Zeltlagern und Sporthallen mit Dämonen, ritualisierten Exorzismen und dem Glaubenskampf gegen die eigene Lust. Schmitt verfügt über ein feines Gespür für die Komik und Abgründigkeit religiösen Pathos, wenn Zungengebete an hallenhohe Matten prallen oder nach Sündenbocksuchspielchen der Eimer bereitsteht. Die Figuren sind ambivalent gezeichnet – allen voran Esther, die zwischen frommem Eifer und existenziellen Zweifeln taumelt und in Momenten ungeschönter Spiritualität geradezu aufblüht. Gelegentlich erschlägt einen theologische Eiferei und pastorale Klischees krachen wie Predigthammer aufs Gemüt. Doch Schmitts Sprachrhythmus bleibt fesselnd, die Atmosphäre ist beklemmend lebendig. Monstergott ist keine heile Welt, sondern ein Trip an die Ränder des Glaubens: aufregend, unbequem und mit scharfer Beobachtungsgabe geschrieben – ein Debüt, das spaltet und nachhallt.
Caroline Schmitt: Monstergott. Park x Ullstein, 272 Seiten, 23 Euro
Zwischen Trauma und Obsession Rafas
T i p p

Kaleb Erdmann fiktionalisiert in seinem Roman Die Ausweichschule seine eigenen Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Amoklauf an einer Erfurter Schule im Jahr 2002. Doch nicht nur das, auch das Schreiben selbst über dieses über 20 Jahre zurückliegende Ereignis spielt eine zentrale Rolle in Erdmanns Text. Ein Autor, der als Kind einen Amoklauf überlebt hat und darüber schreiben will oder muss, schreibt hier also über einen Autor, der als Kind einen Amoklauf überlebt hat und darüber schreiben will oder muss. Ist das noch Autofiktion? Wie viel Verantwortung hat man in diesem Fall als Schreibender, nicht zu stark zu fiktionalisieren? Was gibt jemandem das Recht, überhaupt darüber zu schreiben? Auch damit setzt sich der Text auseinander. Er handelt auch von Erinnerung und wie diese einen trügen kann, und ist zugleich ein Spiegel, der uns als Lesenden vorgehalten wird. Was gibt dir das Recht, dich mit Lust unterhalten zu lassen von diesem Unglück, von dieser Untat? Erdmann füttert unseren Voyeurismus und fremdelt gleichzeitig damit. Letztendlich wissen wir durch die Fiktionalisierung auch nichts sicher. Offenbart der Autor uns seine seelischen Wunden tatsächlich? Ist das Erlebte Motor für seine Obsession? Müssen wir überhaupt zwischen Autor und Protagonist trennen? Ich würde dafür plädieren, es für bare Münze zu nehmen, oder besser nicht zu viel darüber nachzudenken, denn es ist immer noch ein Roman. Ein sehr guter, ideenreicher, teilweise erschütternder und wachrüttelnder Roman.
Kaleb Erdmann: Die Ausweichschule. Park x Ullstein, 304 Seiten, 22 Euro.



Mieko Kawakami ist mir inzwischen ein absoluter Treffergarant geworden. Egal ob Brüste und Eier, Heaven oder das absolut spektakuläre All die Liebenden der Nacht: Wenn diese Frau droppt, dann werde ich um den Block Schlange stehen. Und siehe an: Auch ihr neuer Roman hält die Quote. Das gelbe Haus ist ihr bisher längster und handlungstechnisch definitiv ambitioniertester Roman. Wir folgen der der Geschichte von Hana, einem Mädchen, die früh das Haus ihrer chaotischen Mutter verlässt, um in den schmuddligen Vierteln von Tokyos Achtzigern und Neunzigern ein Leben aufzubauen. Dabei befindet sie sich schon als junge Teenagerin stets an der Seite einer undurchschaubaren und opaken Frau in ihren Vierzigern, die sie erst unter ihre Fittiche nimmt, dann mit ihr zusammen eine Bar eröffnet. Im Halbschatten der gesellschaftlichen Legalität findet Hana das erste Mal zu sich selbst und macht erstmals die Bekanntheit mit richtigen Menschen. Und doch spürt sie, dass Klasse und Armut auf verschiedensten Wegen in ihr Leben eingebrannt bleiben werden. Gerade diese ältere Figur ist eine der spannendsten und grausten Charaktere, von denen ich seit Langem gelesen habe. Ohne Frage ein Buch, über das man sprechen wollen wird.
Mieko Kawakami: Das gelbe Haus. Dumont Verlag, 528 Seiten, 26 Euro.
„Unsere Seelen sind nicht ganz in sync“
Hilkes
T i pp

Eine nahe Zukunft: Die Welt ist im Umbruch, die Gesellschaft im Ausnahmezustand. In Brüssel bestimmen Proteste und Aufstände den Alltag der Menschen. Mittendrin: der Ich-Erzähler T. und sein Partner Ezra, welcher unter einer seltenen Krankheit leidet. Ezra veröffentlicht unter dem Namen „Deborn“ im Internet Texte über das „Aussterben“ und gegen die Kommunarden, die das Museum besetzt haben. Bis ein Anschlag auf ihn verübt wird und die beiden die belgische Hauptstadt verlassen müssen.
T. ist überfordert von dem Chaos in der Welt und dem in seinem eigenen Kopf. Denn vor der Kulisse dieser dystopischen Weltskizze geht es im Roman auch um die gestörte Beziehung zwischen zwei nicht ganz einfachen Menschen, die „wie gefrorener Kabeljau im blauen Licht der Displays“ existieren. Und vor allem geht es ums Schreiben: Im Erzählen seiner eigenen Geschichte reflektiert der Protagonist das Geschehene. Goldhorn orchestriert durch die verschriftlichten Gedanken seines Protagonisten eine Vielzahl an Themen, die über gesellschaftlichen Umschwung, Umwelt- und Klimakrise und gescheiterten Beziehungen weit hinausgehen. Die Prozesse ist sicher kein einfaches Buch, nicht zu lesen und nicht zu verstehen. Aber es ist ein Buch, das ich gern noch viele weitere Male lesen möchte. Nicht um zu verstehen, sondern um seine poetische und hypnotische Kraft immer wieder zu spüren.
Marius Goldhorn: Die Prozesse. Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 23 Euro.

Eindrücklich, bewegend, konfrontativ, ehrlich, schonungslos und gerade deshalb so unglaublich wichtig. Dieses berichtartige Buch ist keine leichte Lektüre. Es will und sollte es auch nicht sein.
Eindrücklich erzählt die preisgekrönte iranischafghanische Schriftstellerin Aliyeh Ataei bewegende Ausschnitte aus ihrer Familiengeschichte. Sie verwebt dabei Politisches mit Persönlichem und schafft somit einen Zugang zu dem Wissen, dass nur die Menschen berichten können, die in Kriegsgebieten leben und deren Familien bereits seit Jahrzehnten ihre Welt um die Machenschaften anderer herum aufgebaut haben. Das Buch erzählt von Menschen, die gebrochen wurden, ebenso wie von denen, die weiterkämpfen für ein besseres Lebenob still oder laut.


Wir wollen alle gerne von den grausamen Geschehnissen in der Welt abschalten können. Manchen ist dies jedoch nicht vergönnt und umso wichtiger ist es, diesen Stimmen zuzuhören und für sie einzustehen.
Aliyeh Ataei schreibt ehrlich und schonungslos und reiht sich damit in diejenigen ein, die nicht aufgeben, sondern für Veränderung kämpfen.
Aliyeh Ataei: Im Land der Vergessenen. Luchterhand Literaturverlag, 192 Seiten, 22 Euro.
n e s Tipp

Zwischen Moral, Menschlichkeit und Machtlosigkeit
Die junge Tamilin Sashikala arbeitet zielstrebig darauf hin, Ärztin zu werden. Doch dann kommt der Schwarze Juli 1983. Das Pogrom an der tamilischen Bevölkerung stürzt Sri Lanka in einen Bürgerkrieg zwischen singhalesischer Regierung und tamilischen Milizen. Wir begleiten Sashi, wie sie all die Wunden offenlegt, die nie heilen durften. Auf mit- und herzzerreißende Weise seziert sie die Geschehnisse des Bürgerkriegs über Jahrzehnte hinweg und zeigt, wie uns die um sich greifende menschliche Verrohung die Menschen nimmt, die wir am meisten lieben: Was tust du, wenn dir alle Zügel entgleiten, jede Wahl über Leben und Tod entscheidet, darüber, Unvorstellbares zu tun, während die Gratwanderung moralischen Handelns immer gefährlicher wird? Ganeshananthan schickt mittels direkter Ansprache und dem innigen Wunsch, Verstanden zu werden, Schockwellen der verzweifelten Hilflosigkeit durch den lesenden Körper. Ergreifend, mit einer menschlichen Nähe und schlicht wunderschön geschrieben, konfrontiert uns dieser wichtige und sehr detailliert recherchierte Roman mit unserem fast schon ekelerregenden Idealismus, unseren Privilegien und unserem Unwissen. Anders formuliert: Wenn du dieses Jahr nur noch ein Buch lesen kannst, lies dieses.

V. V. Ganeshananthan: Der brennende Garten. Tropen Verlag, 464 Seiten, 26 Euro.
Madelei


Erste Regel im Sanatorium: Sprich niemals davon, warum du im Sanatorium bist. Dieses ungeschriebene Gesetz, das die Patient:innen im Roman von Anna Prizkau untereinander versuchen zu ehren, trägt auch wesentlich zu seiner Wirkung bei. Als Leser findet man sich zwischen vier Frauen wieder, die sich im Sanatorium gegen die Welt befreunden. Über den gesamten Roman hinweg ist es vor allem dieses Prinzip des Nichtdarüber-Redens, das auch einen selbst teilweise wie durch Parallelwelten irren lässt. Das aber durchaus schnellen Schrittes: Stilistisch ist das Buch toll geschrieben, über weite Teile hab ich es wirklich weggeatmet. Doch ist es keineswegs gefällig, es ist voller schöner, ungewohnter Formulierungen. Die Erzählerin heisst Anna und ist nach einer „Sache“ in der Klinik gelandet. Jeden Morgen spricht sie im Klinikpark mit einem Flamingo, den sie Pepik tauft. Außerdem startet sie eine Affäre mit David – sie kann das ewige Streben nach mehr nicht lassen. Alles in diesem Buch ist unzuverlässig vermittelt, schriftlich durch verfasste Aufzeichnungen oder in Erinnerungen. Beeindruckend, wie viel Anna Prizkau thematisch aus diesem begrenzten Rahmen eines Klinikaufenthalts herausholt. Wenn dann zwischendurch Hoffnung und Zärtlichkeit aufkommen, ist es umso erstaunlicher.
Anna Prizkau: Frauen im Sanatorium. Rowohlt Hundert Augen, 304 Seiten, 24 Euro.
Kathrin s Tipp
„Irgendwo

bellt ein Hund“
Mitte 20, Zwilling, Berlin. Auf der Suche nach einem Mann, der nach Orangen und Meersalz riecht - doch eigentlich meint Zakariya nur ihn: Hassan. Noch neun Tage, acht, sieben - das Zählen wird zum Mantra, das ihn durch den Alltag trägt. Er streunert durch Datingprofile, sucht Ablenkung. Doch was, wenn er eigentlich nur diesen einen Menschen begehrt, nur nach dieser einen Liebe lechzt?
Hassan ist in Adana, genau wie das Grab seines Großvaters. Die Sommerferien in der Türkei gingen vorbei und somit auch die gemeinsame Zeit mit beiden. Zwischen Rückblenden an seine Kindheit und gegenwärtigen Gesprächen mit seiner besten Freundin Pari, wächst ein mulmiges Gefühl: Was passiert beim Wiedersehen? Und was geschah eigentlich bei der letzten Begegnung mit Hassan? In fragmentarischen Passagen fließen Arabische, Türkische und französische Wörter ein. Wir verfolgen den Protagonisten vom Küchentisch in der Türkei bis ins Bett seiner Wohnung in Berlin. Detailreich, hemmungslos und berührend. Ozan Zakariya Keskinkılıç’s Debüt ist ein Roman über das Vergangene und über die Sehnsucht daran, die bleibt.

Ozan Zakariya Keskinkılıç: Hundesohn. Suhrkamp, 219 Seiten, 24 Euro.


Jeder in Waco kennt Lamb. Den unscheinbaren Typen, der sich auf einer kleinen Farm niedergelassen hat. Nach und nach strömen immer mehr Menschen zu ihm, glauben daran, dass er ein Prophet ist, der sie alle in ein neues Zeitalter führen wird. In der Gemeinde nimmt selbst der Sheriff das Ganze nicht sonderlich ernst, schließlich sind Lamb und seine Leute friedlich und gehen ihrem Alltag nach. Kein Grund, da nervös zu werden. 1993 dreht sich der Wind jedoch plötzlich. Inmitten des sich anbahnenden Sturms lernen sich Jaye und Roy kennen. Jaye besitzt ein scharfes Mundwerk, glaubt Lamb kein einziges Wort und möchte ihre Mutter vor ihm beschützen. Roy, der Sohn des Sheriffs, knackt in seiner Freizeit gerne Schlösser und begleitet seinen Vater öfter zu Einsätzen. Zwischen den beiden Teens entsteht ein enges Band. Gemeinsam machen sie Ausflüge, vertrauen sich ihre Wünsche und Ängste an und tauschen erste Küsse aus. Umso näher sie sich kommen, umso mehr scheint die Situation auf der Farm zu eskalieren. Schnell finden sie sich zwischen religiösem Fanatismus, Personenkult und Behördenversagen wieder. Dabei versuchen Jaye und Roy, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Erzählt wird die Geschichte auch mittels Interviews von Charakteren, die 30 Jahre später auf die Geschehnisse zurückblicken und sie reflektieren. Teilweise humorvoll, ab und an mit Hoffnung im Herzen, manchmal nüchtern. Der Wunsch nach Zugehörigkeit, die Auseinandersetzung mit Gewalt und Religion und das Streben, sich frei zu kämpfen, das sind die Themen, die das Buch so besonders machen.
Bret Anthony Johnston: We Burn Daylight. C. H. Beck Verlag, 492 Seiten, 28 Euro
T i pp

„Das Seltsame ist immer wahrer“
Eine Frau geht mit Steinen in den Taschen in den See und verliert das Kaninchen ihrer beiden Töchter. Ein Junge stirbt, weil er ein Pferd werden will. Ein tot gewähnter Kater taucht plötzlich tausende Kilometer von seinem Sterbeort im Hotelzimmer seiner Besitzerin auf. Im Erzählband Das gute Übel der vielfach prämierten argentinischen Autorin Samanta Schweblin verfolgt kein Axtmörder ein junges Mädchen, es gibt keine Zombies oder mutierten Monster. Aber dennoch liegt in den Erzählungen ein Horror, der unter der Oberfläche lauert, im Menschlichen, und damit vielleicht viel schlimmer ist als jener der klassischen Gruselgeschichte. Die Erzählungen sind immer weird und bereiten Herzklopfen – aber nicht jenes der guten Art. Aber in einer Weise lassen sie einen dabei nicht negativ zurück: Da ist immer ein Schimmer am Himmel und durch diese Melange aus Licht und Dunkelheit, aus Gut und Böse, das Schweblin auch vielleicht als eine Einheit versteht, beweist das Buch eine atmosphärische Brillanz, die seinesgleichen sucht.

Samanta Schweblin: Das gute Übel. Suhrkamp, 189 Seiten,25 Euro.

Am Rand der Stadt, gleich am Fluss, lebt eine Familie mit der ständigen Möglichkeit zur Flucht. Vater Karl trägt sein Kriegstrauma wie ein unsichtbares Bündel, das er niemals ablegen kann. Sobald die Nachrichten bedrohlich klingen, zieht er mit Frau und Kindern in den Keller. Dort warten Konserven, Decken und das Spielzeug der Mädchen, ein improvisiertes Refugium, das den Krieg im Frieden fortschreibt. Olivia, die jüngere Tochter und Erzählerin, spürt diese Angst am stärksten. Auch in der Schule findet sie keine Normalität, denn ein Lehrer lässt die Mädchen Grabenkriechen üben und russische Flüsse aufsagen, als sei der nächste Feldzug nur eine Frage der Zeit. Olivia zieht sich zurück, baut sich am Fluss ihr eigenes Versteck, während die Mutter mit Geschichten und Zuwendung versucht, ein Gegengewicht zur Schwere des Alltags zu schaffen. Lina Schwenk erzählt eindringlich von einer Familie, in der die Vergangenheit nicht vergeht, sondern unaufhörlich weiterwirkt. Doch zwischen den dunklen Bildern gibt es auch Momente von Wärme und unerwarteter Leichtigkeit. 190 Seiten, dicht erzählt, und am Ende ist da auch ein leiser Hoffnungsschimmer, denn Olivia versucht, ihr eigenes Leben von der allgegenwärtigen Furcht und Obacht zu befreien.

Lina Schwenk: Blinde Geister. C. H. Beck Verlag, 191 Seiten, 24 Euro.
n e s Tipp

Nach einem Abend in Marseille begegnen sich Myriam und Julian zufällig in Berlin wieder. Doch seit ihrem Kennenlernen hat sich ihr Umfeld verändert – auf einmal kommt ihre Romanze an Politik und der Frage um Menschlichkeit nicht mehr vorbei. Haddada eröffnet ein Extrem mit zwei Polen: Auf der einen Seite die algerisch-französische Gastdozentin, angesiedelt innerhalb der pro-palästinensischen Akademia-Szene. Auf der anderen ein deutscher Journalist mit scheinbar bedingungsloser Israel-Treue – verkleidet als französisch-deutsches Liebespaar nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden unerbittlichen Rückschlag der rechtsextremen israelischen Regierung. Zwischen Antisemitismus-Vorwürfen, unreflektierten Dekolonialisierungsfantasien und konsequenter Selbstüberhöhung, schmerzt diese Lektüre und hebt das Frustrierende an der Debattenkultur hierzulande hervor: Anprangern; sich aufeinander stürzen wie die Aasgeier; die Komplexität der Situation nicht begreifend; das Gegenüber nicht verstehen und doch hunderprozent richtig liegen zu wollen; ein unmögliches Miteinander – all das scheint Myriam so anders als in Frankreich und auch sie verliert in diesem Strudel Halt und Orientierung. Haddadas Blaue Romanze dokumentiert die Tragik zwischen moralischer Überlegenheit und tiefen Gefühlen innerhalb der akkurat dargestellten Berliner Akademia- und Media-Bubble. Und hinterlässt die bittere ironische Frage, ob es darin nur ganz vielleicht nicht irgendwie doch mehr ums Rechthaben als um Gerechtigkeit gehen könnte.

Nora Haddada: Blaue Romanze. S. Fischer Verlag, 240 Seiten, 24 Euro.
Liebe vs. deutsche Debattenkultur
Madelei

20 Jahre sind vergangen, seit Alec ihre Heimatstadt verlassen hat. Inzwischen ist sie erfolgreiche Musikmanagerin, ziert Magazincover und bewegt sich in den besten Kreisen. Doch zurück im französischen Küstenort holt sie ihre Vergangenheit ein: Erinnerungen an den „Kreis der Furien“, den sie mit Meg und Tess gründete, um sich an Männern zu rächen, die sie verletzt hatten.

Durch Alecs altes Notizbuch erfahren wir von ihrer Jugendliebe Romain, vom Aufwachsen in Armut, von Machtmissbrauch und den Narben, die geblieben sind. Parallel dazu stellt sich Alec heute ihrer Geschichte – und den Wunden, die nie ganz verheilt sind.
Kat Eryn Rubik erzählt von einer Jugend voller Zusammenhalt, Rebellion und Schmerz. Die Mädchen probieren sich aus, wachsen an ihren Erfahrungen, zerbrechen aber auch daran. Der Ton ist teils leichtfüßig, mit Szenen, die an RTL-Serien der späten Neunziger erinnern –doch die Leichtigkeit kippt, wenn tiefgreifende Themen und Wendungen entfaltet werden.
Auch Alecs Gegenwart ist geprägt von Tiefe und Aufrichtigkeit. Furye beginnt wie eine laue Sommernacht und endet in einem dramatischen Gewitter – intensiv, berührend und lange nachwirkend.
Kat Eryn Rubik: Furye. Dumont Verlag, 352 Seiten, 24 Euro.
Zwischen Neubeginn und Angst
s Tipp

Als Sickan zum Studieren nach Stockholm kommt, hat sie endlich die Chance Siv loszuwerden, die Person, die sie in ihrem bisherigen Leben war. Und es funktioniert: Das erste Mal findet sie Freund:innen, wird zu Events eingeladen, ohne verspottet oder ausgeschlossen zu werden. Die zarte Freude der Protagonistin, erste Partys, Freundschaften, Liebe, Ausgelassenheit im Leben zu erleben, wird beim Lesen spürbar. Aber gleichzeitig ist die Prägung des alten Lebens allgegenwärtig und droht, sie einzuholen. Aufgewachsen in einem Umfeld, das von außen heil wirkte, erlebte sie weder Wärme noch Geborgenheit. In der Schule war sie Ausgrenzung und Gewalt ausgesetzt und musste zusätzlich Verantwortung innerhalb der Familie übernehmen. Und so wird auch die riesige Angst beim Lesen deutlich, die Sickan bei all dem Schönen begleitet. Die Angst davor, dass ihr alles entgleiten könnte: Sei es der Erfolg in der Uni, finanzielle Sicherheit oder Wohnraum, aber vor allem die Angst, die Zuneigung ihrer Freund:innen zu verlieren, sobald sie ihnen zu viel von dem offenbart, was sie wirklich in ihrem Inneren denkt und fühlt. Mustard erzählt diese lähmenden Ängste auf klare Art und regt damit zum Nachdenken über Armut, soziale Ressourcen, Klasse, und die Wertschätzung von Freundschaften im Vergleich mit romantischen Beziehungen. Eine große Empfehlung!

Jenny Mustard: Beste Zeiten. Eichborn, 320 Seiten, 24 Euro.
Johanna


Feminist Ferhat stellt im MEGA GYM nur trainierte Körper ein. Warum also wegen eines weniger gestählten Körpers joblos bleiben, wenn man auch einfach ein frisch entbundenes Baby erfinden kann? Job in der Tasche und fürsorgliche Kolleg:innen an der Seite, beginnt eine Achterbahnfahrt zwischen Lügenspielchen, Anpassung und Body Dysmorphia. Verena Kessler zeigt, was passiert, wenn man die eigenen Grenzen nicht nur überschreitet, sondern komplett in den Wind schießt und schickt uns in die Selbstkonfrontation und in einen Orientierungskampf – witzig, pointiert, intensiv, smart. So sehr Kessler ihre Figur jedoch auch ans Limit und in die Obsession pusht, Tabus bricht und hinter sich lässt, so sehr berührt die Protagonistin auch mit ihrer Menschlichkeit. Und obwohl das Gym Haupttatort der Handlung ist, dreht sich die Geschichte um weitaus mehr als schöne Körper – oder einen Blick „hinter die Kulissen”, wie man in den Rezensionen so mancher Irrlichter auf Goodreads & Co. lesen kann. Mit knapp 190 Seiten handelt es sich hier um ein (leider) überschaubareres, aber dafür sehr rasantes und wahnsinnig unterhaltsames wie absurdes Leseerlebnis!
Verena Kessler: Gym. Hanser Berlin, 192 Seiten, 23 Euro.
Read the original: English Books
Academia is Hell: the new Oxbridge fantasy blockbuster

There are readers for whom the name Kuang is enough reason to drop everything and race down to the bookstore. If you are familiar with Kuang‘s early works, especially her 2022 bestseller Babel, then you will know and love her Oxbridge linguist’s take on fantasy. In Kuang’s latest offering Katabasis, we accompany Alice Law and Peter Murdoch, two rival PhD students of analytik magick, to retrieve their erstwhile professor — from hell.
Katabasis is based on the fascinating premise that classical writings on Hell such as Dante‘s Inferno were real travel reports by people who travelled to Hell and returned. Combined with the academic setting, this is fantasy grounded in the very real and problematic structural patriarchal systems in academia, and the struggles of outsiders in this constrictive setting and the sacrifices they have to make to succeed. Alice and Peter are both outsiders in their own ways and they literally give up half their souls to go to hell to salvage their academic record. Katabasis is a character-driver exploration of personal struggles such as anxiety, depression and chronic illness, and juxtaposes their passage through the 8 literal courts of hell with their intertwined, personal histories, peppered liberally with philosophical and philological musings on life and death. A deeply entertaining story for fans of dark academia and intellectual fantasy.

R. F. Kuang: Katabasis. Harper Collins, 541 Seiten, 23,90 Euro.
5 Fragen an
Mareike Fallwickl
& Eva Reisinger
Mareike Fallwickl hat bereits mehrere Romane veröffentlicht. Die Wut, die bleibt wurde bei den Salzburger Festspielen inszeniert und wird 2026 verfilmt. Und alle so still stand auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde auf die Bühne gebracht. Mareike Fallwickl setzt sich für Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen.
Eva Reisinger wuchs in der österreichischen Provinz zwischen Zeltfest und Wodkabull auf. Ab 2017 baute sie einen Österreich-Schwerpunkt für das junge Medium der ZEIT auf und berichtete als Korrespondentin aus dem Nachbarland. Ihr erstes Buch Was geht, Österreich? erschien 2021. Ihr Bestseller Männer töten war für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
Gab es einen konkreten Moment, in dem euch klar war: Dieses Buch muss geschrieben werden?
Eva: Beim Brunch eines feministischen Buchclubs beschlossen Mareike und ich, das nächste Buch gemeinsam zu schreiben. Ich ging mit Herzklopfen nach Hause und fragte mich, ob sie es genauso ernst meint wie ich. Es war ein bisschen wie nach einem ersten Date. Ich wusste nicht, ob ich ihr schreiben soll oder ob das zu viel Druck aufbaut. Ich hoffte darauf, dass sie die Initiative ergreifen würde. Da schrieb sie mir, dass sie dieses Buch machen will, und ich wusste: Wir sind füreinander gemacht hahaha.
Mareike: Eine Freundin von mir hatte eine Kiefer-OP und durfte sechs Wochen lang keine feste Nahrung zu sich nehmen. Im Kran-
kenhaus haben sie ihr den Leberkäse püriert, und wir haben beim Buchclub darüber geredet, dass da so eine Liebe zum Detail drinsteckt – jemand stellt sich hin und schmeißt das Ding extra in einen Mixer – und gleichzeitig so viel Grauslichkeit. „Das wäre richtig guter Stoff für Geschichten“, habe ich der Eva ins Ohr geraunt, und sie hat sofort zugestimmt. Kurze Zeit später hatten wir ein Exposé, einen Verlag und einen Vertrag.
Warum PEN!SMUSEUM – was steckt hinter dem Titel?
Mareike: Ursprünglich war es nur ein Arbeitstitel, und ich hätte nie gedacht, dass es dabei bleibt. Da hat der Verlag wirklich Mut bewiesen.
Eva: Ich kann mich noch gut erinnern, wie es dazu kam! Am Nachhauseweg von unserem Treffen schickte mir Mareike eine Voice Message, in der sie meinte, sie hätte gerade entweder die genialste oder verrückteste Idee: Eine Frau, die den Penis ihres Mannes fotografiert, weil er genüsslich schläft, während sie kocht. Ich war sofort begeistert und das Penismuseum war geboren!
Wie nah sind die Geschichten an der Realität? Kennt ihr Frauen, die genauso kompromisslos handeln wie eure Protagonistinnen?
Eva: Ich wünschte. Wie gerne würde ich weniger Fuck auf die Meinung anderer geben. Leider sind wir so sozialisiert – diese Muster sind tief in uns verankert. Ich hinterfrage sie, aber oft komme ich selbst nicht daran vorbei. Umso schöner ist es für mich, dagegen anzuschreiben.
Mareike: Vielleicht inspirieren die Geschichten ja wiederum reale Frauen, sich tatsächlich öfter gegen ihre Sozialisierung zu stemmen.
Was verbindet eure Texte mit denen der anderen Autorinnen im Buch?
Eva: Für uns war es wichtig, ge-
rade bei diesem Buch andere Autorinnen und Künstlerinnen miteinzubeziehen. Im Buch schwingt ja konstant die Idee eines feministischen Kollektivs mit. Das wollten wir auch in unserem Buch so leben. Sophia Süßmilch und Jovana Reisinger bekamen einige unserer fertigen Geschichten und die Einladung, etwas dazu beizutragen. Wichtig war für uns nur die Idee, dass ein Element, eine Stimmung oder ein Gefühl der anderen weitergetragen wird.
Mareike: Und wir freuen uns, dass Andrea Z Scharf mit ihren witzigen Illus das Buch so wunderbar abrun-
det. Das Cover hat Hanna Bischof gestaltet, der Vorsatz sowie der Farbschnitt der ersten Auflage stammen von einem Gemälde von Sophia Süßmilch. Es passt also alles ganz hervorragend zusammen.
Wenn dieses Buch ein Tinder-Profil hätte – was stünde in der Bio?
Eva: too hot to handle <3
Mareike: Ich stecke voller Überraschungen!
Mareike Fallwickl & Eva Reisinger: Das Pen!smuseum.
Mit Texten von Jovana Reisinger und Sophia Süßmilch. Leykam Verlag, 232 Seiten, 25 Euro


© Pamela Rußmann
Nachhaltige Ernährung
Anbau und genuss in berlin und Brandenburg
Vom guten Essen zeigt Ansätze auf, die aus Partnerschaften zwischen Erzeuger:innen, Verarbeitenden und Köch:innen entsanden sind. Manche taugen als Beispiele im Kleinen, andere sind auch im Großen skalierbar. Die Porträts erzählen die Geschichten von Menschen aus Berlin und Brandenburg und würdigen ihre Arbeit für einzigartigen Geschmack und regionale Identität sowie ihren Einsatz für die lokale Wertschöpfung und gegen den Klimawandel.
Was diese Akteur:innen gemeinsam haben? Auf den ersten Blick recht wenig - sie kommen aus der Landwirtschaft, der Fischerei, der Fleisch- und Milchviehhaltung, arbeiten als Köcher, Imker, Müller und Gemüsegärtnerinnen oder im Einzelhandel. Was sie eint, sind regenerative, handwerkliche und oft kleinteilige Arbeitsweisen, die Gegenentwürfe zur konventionellen internationalen Lebensmittelindustrie darstellen.
Textauszüge aus Vom guten Essen – Anbau und Genuss in Berlin und Brandenburg. The Gentle Temper, 328 Seiten, 35 Euro. Text & Bilder: Felix Fröhlich und Lukas Freitag.




Endorphina backkunst.
lage: Berlin | Kreuzberg/neukölln. Karte: 06 empfehlung: dinkelcroissant, berry scone und schwedenkruste kaufen.
Lage: Süden | Märkisch wilmersdorf, teltow-fläming, 34 km von berlin.
Vom guten essen: Kulinarischer Wandel in Berlin und Brandenburg.
Regionales Fine Dining
mitten in Kreuzberg –was vor einem Jahrzehnt kaum vorstellbar schien, setzten die beiden Niederländer Lode van Zuylen und Stijn Remi 2014 mit der Eröffnung ihres ersten Restaurants kurzerhand um. Nach neun Jahren und einem grünen Michelin-Stern ist das Lode & Stijn zwar mittlerweile passé, Küchenhandschrift und


Karte mit Betrieben & Akteur:innen in Berlin und Brandenburg.
kreativer Geist sind aber nahtlos ins Schwesterrestaurant Remi weitergezogen. Alles, was hier im Erdgeschoss des Suhrkamp-Verlags auf den Teller kommt, ist handwerklich hergestellt. Die erweiterte Auswahl der lokalen Köstlichkeiten findet sich auf der Abendkarte, für den kleineren Geldbeutel oder einen spontanen Abstecher bietet das Remi auch einen Mittagstisch. Ob mittags oder abends: Hier gibt es Brandenburg durch und durch. An die niederländischen Wurzeln der beiden Köche erinnern nur die berühmten Bitterballen – die man sich allerdings nicht entgehen lassen sollte.
Lage: Berlin | Mitte, Karte: 20


Penne mit Radicchio und Nüssen
Nüsse, Radicchio, Mascarpone – in dieser Pasta vereinen sich ein paar der schönsten Erzeugnisse des Winters. Sie macht warm, satt, glücklich – und versorgt den Körper mit Bitterstoffen.
Penne
Radicchio
Zwiebel
Mascarpone
Walnüsse
Parmigiano Reggiano
Olivenöl Extra Vergine
Für die einen ist es eine wohlige Kindheitserinnerung, für die anderen eine komplette Neuentdeckung: Pasta mit Radicchio und Nüssen. Sie ist bitter und süß, seidig und knackig, und dank Mascarpone geschmeidig und sahnig.
Radicchio (am besten den länglichen, sehr aromatischen Radicchio di Treviso, aber auch jede andere Sorte eignet sind) waschen und in kleine Stücke schneiden. Allzu harte Teile nahe am Strunk wegwerfen. Zwiebel schälen und würfeln.
In einer Pfanne Olivenöl Extra Vergine erhitzen und die Zwiebel darin andünsten. Parallel Wasser für die Pasta zum Kochen bringen und salzen. Penne kochen und gleichzeitig den klein geschnittenen Radicchio zur Zwiebel geben. Alles unter Rühren garen, bis die harten Stücke des Gemüses weich geworden sind, abschmecken. Parallel die Walnüsse knacken und klein hacken.

Juri Gottschall, Mercedes
Lauenstein: Splendido. Autunno/Inverno. Dumont Verlag, 208 Seiten, 32 Euro.
Hitze reduzieren und etwas Mascarpone unter das Gemüse rühren, bis sich eine sahnig-cremige Soße ergibt. Mit etwas Kochwasser der Pasta abbinden und alles gut verrühren. Hier gilt es, Feingefühl walten zu lassen: Die Mascarponecreme darf nicht zu dick, schwer und klebrig geraten, sie soll leicht und geschmeidig bleiben.
Pasta abgießen und tropfnass zum Gemüse geben. Mit Pfeffer und Salz abschmecken und etwas geriebenen Parmigiano Reggiano dazurühren. Die gehackten Walnüsse ergänzen, alles nochmals vermengen und sofort servieren.
Als Varianten dieser Pasta könnte man Knoblauch statt der Zwiebel verwenden, statt Mascarpone Sahne oder nur Brühe, und statt Walnüssen eignen sich auch geröstete Pinienkerne gut.
Schwarzwurzeln mit Orange, Rosinen und Semmelbröseln
Nichts gegen Schwarzwurzeln mit Béchamelsoße. Aber wer einmal diese sizilianische Zubereitung von Scorzonera gekostet hat, wird es dringend wiederholen wollen.
Schwarzwurzeln
Semmelbrösel
Pinienkerne
Rosinen Orangenabrieb
Orangensaft
Olivenöl Extra Vergine Weißweinessig
Eingelegte Sardellen (optional)
Die Schale der Orange abreiben und beiseitestellen. Die Orange auspressen und ihren Saft in eine kleine Schale geben. Einige Rosinen hineingeben, damit sie sich mit dem Saft vollsaugen können. Einige Pinienkerne rösten.
Schwarzwurzeln zu schälen ist nicht so mühsam, wie viele sagen. Außerdem belohnt nicht nur der spätere Genuss, sondern schon der Moment, wenn hinter der dunklen, erdverkrusteten Schale das schneeweiße Innere zutage tritt. Wichtig: Schürze anziehen und dünne Einweghandschuhe, so versaut der etwas klebrige Saft der Wurzeln weder Hände noch Kleidung.
Einen Topf mit Wasser, Zitronensaft, Essig und etwas Mehl bereitstellen und jede geschälte Wurzel gleich nach dem Schälen hineingeben, damit sie nicht braun anläuft. Zum Schälen entweder ein kleines, wendiges scharfes Gemüsemesser verwenden oder einen guten Sparschäler.
Die Wurzeln nun in angenehm zu verzehrende Stücke schneiden und in einem Topf in wenig gesalzenem Wasser mit einem Schluck Zitronensaft gut 10 Minuten angenehm bissfest dünsten.
Abgießen und in eine Schale geben. Nun gut abschmecken, und zwar mit: etwas Orangenabrieb, etwas frischem Orangensaft, den aufgedunsenen Rosinen (je nach Belieben kann man die auch noch hacken), Olivenöl Extra Vergine, etwas Weißweinessig, Salz und Pfeffer.
Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und die Semmelbrösel darin knusprig und goldbraun rösten. Wer mag, kann kurz bevor die Semmelbrösel dazukommen, auch noch ein bis zwei eingelegte Sardellen im Öl schmelzen lassen. Auch die gerösteten Pinienkerne fein hacken und mit den Semmelbröseln vermischen.
Die Schwarzwurzeln mit den Semmelbröseln vermischen, gut durchheben und gleich lauwarm servieren. Sie schmecken ebenso gut pur wie als Beilage zu Fleisch oder Fisch.

Juri Gottschall, Mercedes Lauenstein: Splendido. Autunno/Inverno. Dumont Verlag, 208 Seiten, 32 Euro.

… kennst du noch die tollen Freund:innenbücher? Antworten vergleichen, durchblättern und in Erinnerungen schwelgen, ewig darüber nachdenken, was denn jetzt das Lieblingsessen ist oder der wahre Traumberuf. Wir dachten uns: Warum stellen wir diese Fragen nicht unsere Autor:innen? diese Ausgabe dabei …

Das
Fikri Anil Altintas, 1992 in Wetzlar geboren, lebt und arbeitet in Berlin. In seinen Texten, u.a. für die ZEIT, taz, Deutschlandfunk Kultur, ZDF und Berliner Ensemble, beschäftigt er sich mit Männlichkeiten, Antifeminismus und der (De)-Konstruktion von nicht-weißen, muslimisch gelesenen Männlichkeiten in Deutschland. Sein Debütroman Im Morgen wächst ein Birnbaum erschien 2023.
Freund:innenbuch
Buchbox-Edition
ich bin ExpertE für … … exzessives Daddeln.
Das hAbE ich noch nie probiErt … … Fernet con coca.
DiEsEs LiEd singe ich am liebsten bEim karaokE ...
Ne-Yo, „So Sick“. Es gibt so viele tolle Lieder … auch „Drive“ von Incubus lässt sich toll singen. Am liebsten aber jene, die sich gemeinsam singen lassen!
Wenn du in einE andErE Zeit rEisen könntEst, wElchE wärE dAs?
Ich halte die Vorstellung, in eine andere Zeit zu reisen, für beängstigend. Aber wenn ich es mir aussuchen würde, dann vielleicht Sommer 2005 oder 2006, auf dem Freiplatz Basketball spielen – und danach Sucuk-Toast mit Käse aus dem Sandwich-Toaster.
Zu diesem buch greifE ich immEr wieDer ...
Vater und Ich von Dilek Güngör, Der Russe ist einer, der Birken liebt von Olga Grjasnowa und

gerade Weltalltage von Paula Fürstenberg.
Das ist mEin LiEbLingsgEricht aus dEr kindheit ... … die Mantı meiner Mutter.
kaFfEe, teE oDer matcha?
Kaffee all day! Aber gerne auch türkischer Schwarztee, zwischendurch, vor und nach dem Essen, eigentlich: immer.
Fikri Anıl Altıntas: Zwischen uns liegt August.
C. H. Beck, 269 Seiten, 24 Euro.

©
Julius Gabele


20 Jahre BUCHBOX!
Alles fing an auf dem Flohmarkt auf dem Boxhagener Platz, wo Jan und David gebrauchte Bücher verkauften. Schnell entstand die Idee, einen eigenen Laden zu eröffenen. Und schon gab es 2005 die erste BUCHBOX! im Boxikiez.


Impressionen aus 2 Dekaden Kiezbuchhandlung ♥






KINDERSEITEN

Wimmelbild: Finde die tiere!
Diese und noch viele weitere spannende meeresbewohner:innen warten darauf, von dir entdeckt zu werden!


Illustration entnommen aus: Peggy nille: finde die erstaunlichsten tiere im ozean. jacoby & stuart, 32 Seiten, 19 Euro. Ab 5 Jahren.
Hier findet ihr die Kinder- und Jugendbuch
Highlights unserer Buchhändler:innen
Judiths T ipp

Ein warmes Licht in einer dunklen Welt
Das ungewöhnlichste und gleichzeitig eines der schönsten Bilderbücher der Saison hat für mich (mal wieder) Oliver Jeffers geschrieben. Ich liebe ihn einfach, wegen seines Witzes und seinen einfachen und philosophischen Sätzen. Jeffers gibt sich in seinem neuen Bilderbuch Gedankenspielen hin. Von „Wie haben wir als Menschheit eigentlich angefangen?” hinzu „Wo gehen wir hin?”, mit einem Schlenker zu „Was könnten wir tun, um das was gerade schief läuft, besser zu machen?” Das tut er in Jefferscher Manier mit kurzen Sätzen und fast kindlich anmutenden Illustrationen. Aber gerade dieser leicht naive Vibe ist es, der das Buch für mich so berührend und für Kinder leicht zu verstehen macht. Wem das zu wenig Content ist, der sollte sich auf jeden Fall das lange und ausführliche Nachwort des Autors durchlesen. Es ist so ehrlich und klug, dass man sich das Buch gleich noch einmal angucken will. Und noch einmal und noch einmal
Oliver Jeffers, Anna Schaub: Noch einmal … Dressler illustro, 112 Seiten, 25 Euro.
Einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen
Oh Schreck! Bernhard, dem Einsiedlerkrebs, wurde das Schneckenhaus gestohlen. Das lassen die Krustentiere nicht auf sich sitzen und machen sich auf eine groß angelegte Verfolgungsjagd durch den Ozean. Doch weder die Nacktschnecken noch die Quallen oder gar die Bewohnenden des Korallenriffs haben den Dieb gesehen. Aber vielleicht ist er auch einfach besonders gut getarnt?


T i pp

Gut für uns eigentlich, dass Bernhard und sein Suchtrupp immer weiter voranschwimmen, denn so lernen wir immer mehr Unterwassertiere kennen und besuchen Seite für Seite ein neues Terrain. Noch besser: Uns werden die Schnecken, Quallen, Fische, Korallen und Tiefseetiere in großartig illustrierten Wimmelbildern zum Finden versteckt. Am Ende kannst du dann eine ganze Reihe von Meerestieren im Schlaf aufsagen – versprochen!
Finde die erstaunlichsten Tiere im Ozean ist ein atemberaubendes Wimmel-, Rätsel-, und Sachbuch für alle ab 5 Jahren, illustriert und geschrieben von Peggy Nille und großartig aus dem Französischen von Nicola T. Stuart übersetzt.
Peggy Nille: Finde die erstaunlichsten Tiere im Ozean. Ab 5 Jahren. Jacoby & Stuart, 32 Seiten, 19 Euro.
Lauras
Entschuldigen macht sogar Spaß! Wiesel und Bär sind zurück

„Wenn du jemanden richtig schlimm mit Schnee beschmeißt, musst du um Entschuldigung bitten”, meint das Wiesel zum Bären. Es wurde richtig schlimm mit Schnee beschmissen. Doch der Bär sieht das ganz anders, das wäre ja keine Absicht gewesen, er hätte es ja gar nicht bemerkt und weh getan kann das auch nicht haben. Da muss das Wiesel eben andere Seiten aufziehen und ganz praktisch erklären wie man sich entschuldigt, zum Beispiel für einen beherzten Tritt in den Po … Jörg Mühle schafft es abermals mit einer Geschichte voller Witz und Dialog, Kindern ethische Gepflogenheiten zu erklären. Und Erwachsene dürfen nachtürlich mitschmunzeln.

Jörg Mühle: Das war doch keine Absicht! Ab 4 Jahren. Moritz Verlag, 32 Seiten, 14 Euro.
Zwei Cowgirls lassen sich nicht so einfach einschüchtern!
Chili und Chayenne sind beste Freundinnen, die im Städtchen Müffel-Büffel irgendwo in der amerikanischen Prärie nahe dem großen Mississippi wohnen. Wenn sie nicht gerade in der Schule herumtuscheln, reiten sie auf ihren Pferden durch die Gegend, spritzen die Jungs mit ihren Wasserspritzpistolen ab und tauschen engste Geheimnisse aus. Zum Beispiel, dass sie beide eigentlich gerne richtige Cowgirls sein wollen. Aber das ist schwer, denn in Müffel-Büffel gibt es nur Cowboys. Bis eines Tages der Bürgermeister alle zusammentrommelt, um zwei mutige Männer zu finden, die auf eine Herde aufpassen können. Da sehen Chili und Chayenne ihre Chance! Sie haben keine Angst allein und über Nacht auf die Herde aufzupassen. Sie haben auch keine Angst vor dem Sturm, den der Bürgermeister angekündigt hat. Und erst Recht haben sie keine Angst vor Rattenzahn-Joe, dem gemeinen Viehdieb! Da sonst kein anderer Cowboy sich bereit erklärt, bekommen die beiden Freund:innen die Aufgabe. Also bereiten sich mit einem Trick auf den fiesen Dieb vor und … schlafen ein. Am nächsten Morgen sind die Rinder weg. Niedergeschlagen wollen sie ihren Fehler gestehen, doch kaum dass sie in der Stadt zurück sind, scheinen alle in heller Aufregung zu sein. Rattenzahn-Joe wurde gefasst! Aber statt ebenfalls glücklich darüber zu sein, finden Chili und Chayenne, dass das alles zum Himmel stinkt. Und so werden die beiden Cowgirls eben auch noch zu Detektivinnen!


Katalina Brause: Abenteuer in Müffel-Büffel - Hier stinkt‘s gewaltig! Ab 7 Jahren. Beltz Verlag, 64 Seiten, 12 Euro.


Tauche ein
in die Welt der Mythen und Sagen




ISBN: 978-1-0357-0457-6




ISBN: 978-1-0357-0456-9



ISBN: 978-1-0357-0447-7



ISBN: 978-1-0357-0425-5

Ab Mitte Oktober erhältlich.


Ein Riesenbuch über die Riesen der Ozeane



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Es gibt einfach nichts Schöneres als Kindersachbücher. Sachbücher für Erwachsene sind in der Regel zu ernst. Selbst Bildbände müssen erst ein gewisses Maß an Intellektualismus erreichen, bevor sie auf den Markt kommen dürfen. Aber nicht Kinderbücher: Sie geben sich einfach dem Staunen hin. Und Kinder lieben sie, sie verschlingen das Wissen, saugen es auf wie geistiges Eis.
Jedes Kind, das Tiere, die Ozeane oder Wale und Delfine liebt, wird Wale. Giganten der Meere von Amandine Delaunay lieben. Es behandelt alles, was ein neugieriges Kind über Wale wissen möchte: Was ist ein Wal? Welche verschiedenen Walarten gibt es? Was ist das Besondere an ihren Flossen, Blaslöchern, Bärten und Zähnen? Auch wie sie sich ausruhen, sich auf lange Wanderungen begeben, miteinander kommunizieren bis hin zum Ende ihres wundersamen Lebens. Begleitet wird das Ganze von atemberaubenden, eindrucksvollen Illustrationen. Und natürlich handelt es sich hier um ein Buch über die größten Tiere, die jemals auf der Erde gelebt haben, daher muss das Buch mit einer Größe von 37 × 27 Zentimetern auch entsprechend groß sein. Wale wird für Kinder ab 8 Jahren empfohlen, aber auch jüngere Tierliebhaber werden es lieben.

Amandine Delaunay: Wale. Giganten der Meere. Ab 8 Jahren. Gerstenberg Verlag, 48 Seiten, 22 Euro.
Die (höchstwahrscheinlich) gefährlichste Vogelbande der Welt


Ja ja, in dem kleinen Westernstädchen Dusty Hill hat alles seine Ordnung und die darf nicht gestört werden. Schon gar nicht von fünf fremden Vögelchen, die einfach so herbei geflattert kommen. Die machen so verdächtige Dinge wie … Wasser trinken, … ähh … im Sand baden oder sich auf ein, äh … Seil setzen? Alles sehr gefährlich und außerdem verboten! Zum Glück haben die Bewohner von Dusty Hill ein wachsames Auge auf die potenziellen Schwerverbrecher und schon bald ist alles wieder so wie es vorher war. Schon fast fabelartig zeigt uns dieses Bilderbuch wie übertrieben und unbegründet Vorurteile gegeüber Fremden sein können. Allerhand Details warten auf den Seiten darauf, gefunden zu werden, wunderbar illustriert von Barbara Scholz, deren lebhafte Bilder man auch schon aus den Geschichten von Oliver Scherz kennt.
Daniel Fehr, Barbara Scholz: Fünf Fremde in Dusty Hill. Ab 5 Jahren. Thienemann Verlag, 32 Seiten, 15 Euro.
Schausteller-Regel Nummer 1: Rechne mit allem. Dann bist du auf alles vorbereitet!
Für Liv ist fast immer Jahrmarkt, denn sie gehört zu einer traditionsreichen Schausteller:innen-Familie, die mit Karussell, Slushy und Zuckerwatte von Ort zu Ort und von Schule zu Schule reist. Und das ist ganz schön aufregend, manchmal ziemlich nervig, super familiär und vor allem: ganz wunderbar von Lena Hach recherchiert und beschrieben.


Doch auf einmal taucht ein Neuer auf dem Platz und komischerweise auch auf dem nächsten auf, der zu niemandem gehört und mit Hosenträgern und Schiebermütze irgendwie aus der Zeit gefallen wirkt. Als dann auch noch allerhand verschwindet, nicht zuletzt der sagenumwobene Kristall auf der Spitze des Karussells, nimmt Liv die Verfolgung des Jungen auf. Es folgt eine unglaublich spannende Zeitreisegeschichte, in der neben der Historie von Jahrmärkten auch die erste und die zweite Liebe, die Hingabe zur Freund:innenschaft und das Verantwortungsbewusstsein für die Familie (und Pflanzen) Platz finden, und ich habe mich mit jeder Seite in Livs einzigartiger Welt verloren.
Lena Hach hat mit Jahrmarkt der Zeitreisenden eine großartige Geschichte für alle ab 11 Jahren geschrieben, die zum Glück mit einem extreeem großen Cliffhanger endet – denn das bedeutet, es wird einen zweiten Band geben und ich kann es kaum erwarten!
Lena Hach: Jahrmarkt der Zeitreisenden - Der gestohlene Kristall. Ab 11 Jarhen. Beltz & Gelberg, 256 SEiten, 16 Euro.
Druck dir deine Welt, wie sie dir gefälllt!
Sonjas
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Carl wohnt in einem wunderschönen Haus, hat eine nette Familie, alles prima, wenn da nur eines nicht wäre: Schule ist sooo langweilig! Dabei waren die ersten drei Jahre dort richtig gut: Frau Heedheide war spitze. Aber leider hat Frau Heedheide die Klasse 3C gegen ein Kind getauscht. Der Frust bei Carl ist groß, aber - Moment! - vielleicht könnte man Papas Biodrucker im Keller ja mal ausprobieren? Der Biodrucker ist noch nicht ganz ausgereift, aber man könnte ja mal testen?! Der erste Versuch klappt: Eine Katze wird geschaffen und sie verhält sich nicht – wie befürchtet – völlig irre, sondern putzt sich, spielt und verhält sich durch und durch katzenhaft. Das ging schon mal gut. Also wird kurzerhand eine Lehrerin ausgedruckt, natürlich werden dazu alle Wünsche der Klasse berücksichtigt. Die erste Stunde geht allerdings in die Hose, die Lehrerin ist völlig überfordert. Was ist nur schiefgelaufen? Hilft vielleicht ein Update? Der Lehrerinnendrucker ist eine turbulente Geschichte, in der ganz sanft auch mal ethische Fragen gestellt werden.

Christian Seltmann, Barbara Korthues: Der Lehrerinnendrucker. Ab 11 Jarhen. Knesebeck, 192 SEiten, 16 Euro.
Fred, Franz und das Geheimnis aus der Gruft
Als hätte Fred sich nicht schon zur Genüge damit rumzuschlagen, dass er der seltsame Neue an der Schule ist, der mit seiner alleinerziehenden Mutter auf dem Friedhof wohnt, kommt er bald auch noch einem düsteren Geheimnis auf die Schliche. Beim Betreten der Gruft der mysteriösen von Finstersteins gelangt er an ein merkwürdiges Stück Pergament. Vergilbt und uralt, mit einer Botschaft darauf, die er nicht versteht. Zum Glück ist sein (einziger) Kumpel Franz zur Stelle, der sich selbst als wahres Genie versteht. Nachdem Franz die verschlüsselte Nachricht decodiert haben, geht es aber erst so richtig los … Ausgerechnet Fred wird auf einmal zum Helden, der die von Finstersteins wiedererweckt. Einschließlich der faszinierenden jüngsten Tochter Sinaista, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht – und natürlich auch einschließlich Peppi, dem Hauskrokodil der Familie. Für die beiden Außenseiter Fred und Franz beginnt ein unvergessliches Abenteuer.
Kai Lüftner, Fréderic Bertrand: Die Finstersteins (Bd. 1): Wehe, wer die Toten weckt … Ab 9 Jahren. Coppenrath, 224 Seiten, 14 Euro.
Chaos Pur



Die Grinseinsel. Es ist bunt, laut und voller Fantasie. Klingt fantastisch, oder nicht? Doch auch auf der coolsten Insel der Welt müssen wichtige Aufgaben erledigt werden. Wenn man gut frühstückt, sollte das doch auch zu schaffen sein, oder nicht? Falsch gedacht, denn irgendwas kommt immer dazwischen. Zum Beispiel eine mysteriöse Maschine mit einem sehr verlockend aussehenden Knopf. Er ist rund und gelb und lädt einfach total dazu ein, gedrückt zu werden. Aber wenn Tante Mia sagt, wir lassen es in Ruhe, dann gehts ja nicht anders. Jetzt sag mir einer Mal wie man konzentriert arbeiten soll, wenn da dieser super duper Knopf wartet, gedrückt zu werden. Die Mubbles könnten diesen Rat wahrscheinlich auch gut gebrauchen. Aber die viel wichtigere Frage ist doch eigentlich: Was passiert wenn man ihn drückt?
Dieser Comic wird nie langweilig. Sei es die Geschichte, die Farben, die Charaktere oder die Details im Hintergrund. Es macht unglaublich viel Spaß, die kleinen Fabelwesen auf ihren Abenteuer zu begeleiten. Und gleichzeitig wird es zum Wimmelbuch. Wie lange ich schon auf der ersten seite hing und geguckt habe, was ich alles finden kann. Wenn ADHS ein Comic schreiben würde, dann dieses. Und es hatte ganz viel Spaß dabei.

Liz Pichon, Ingrid Ickler: Die Mubbles (Bd. 1): Das Abenteuer beginnt! Ab 5 Jahren. EMF, 128 Seiten, 14 Euro.
Cosy falling-in-love-comic
Was passiert, wenn sich zwei Katzenmenschen treffen?
Eine stur-passionierte, kuschel- und kabbelbedürftige Annäherung folgt unweigerlich!


Mit zarten Farben und herzlich-schrulligen Figuren zaubert Lea Melcher einen kurzweilig-unterhaltsamen Comic über eine unerwartete Begegnung zweier Katzenmenschen, die sich erst nicht riechen können, sich aber mithilfe ihrer vierbeinigen Begleiter näherkommen. Inklusive einem Ende mit Totally-weird-Faktor. Katzenmenschen halt.
Eine nette Ablenkung mit Rom-Com-Charakter für zwischendurch.
Lea Melcher: Cat People. Eine Lovestory. Ab 12 Jahren. Coppenrath, 184 Seiten, 15 Euro.

Man muss kein eingefleischter Basketballfan sein, um dieses Buch zu mögen, denn was NBA-Star Dennis Schröder hier gemeinsam mit Autor Christian Tielmann und Illustrator Jan Saße auf die Beine gestellt hat, ist weit mehr als nur eine Sportlerbiografie. Die Geschichte beginnt im Braunschweiger Prinzenpark, wo ein kleiner Junge mit Skateboard und Basketball den Traum hegt, es ganz nach oben zu schaffen. Schröder glaubt fest daran, dass man mit harter Arbeit, Ausdauer und der richtigen Einstellung selbst aus scheinbar unscheinbaren Anfängen bis in die schillernde Welt der NBA gelangen kann. Der Weg dorthin ist alles andere als leicht, doch genau das macht seine Geschichte so inspirierend: Sie zeigt, dass Rückschläge keine Sackgassen sind, sondern Chancen, stärker zu werden.
Die Sprache ist klar, direkt und ohne Schnörkel – genau richtig für junge Leserinnen und Leser, die keine komplizierten Metaphern, sondern greifbare Botschaften brauchen. Keine Überhöhung, dafür jede Menge Street-Credibility und Ehrlichkeit. Besonders hervorzuheben sind die fantastischen Illustrationen von Jan Saße. Mein Fazit: Der Weg vom Prinzenpark bis in die NBA ist hart – aber machbar. Dieses Buch gehört in jede Sporttasche von Kindern und Jugendlichen, die daran glauben, dass Träume Wirklichkeit werden können – mit klaren Zielen, Durchhaltevermögen und einer Prise Glück. Vom Bolzplatz zum Basketball-Olymp
Dennis Schröder, Christian Tielmann: Wir jungs vom Prinzenpark. Illstriert von Jan Saße. Ab 8 Jahren. Carlsen, 192 Seiten, 15 Euro.

3 Fragen an NBA-Star, Basketball-Weltmeister & Autor
Dennis Schröder
Du erzählst in dem Buch von deiner Kindheit und Jugend in Braunschweig. Was hat Dich dort für deine weitere Laufbahn geprägt?
Im Prinzenpark in Braunschweig war ich einfach fast jeden Nachmittag ab ein oder zwei Uhr, in den Sommerferien bin ich jeden Tag von morgens bis abends da gewesen. Mich hat dort der Zusammenhalt mit meinen Freunden geprägt: jeden Tag dorthin zu fahren, mit denen zusammen zu essen, die letzten paar Cent zusammenzukratzen, um Getränke zu holen, weil es so heiß ist, Basketball zu zocken, zu skaten, besser zu werden, auch Verletzungen zusammen zu überstehen. Ich bin dort immer mit meinem Bruder hingefahren, als ich so sieben, acht, neun Jahre alt war, wir waren ganz selbständig unterwegs. Mit 18, 19 Jahren bin ich in die NBA und allein in die USA geflogen, das war kein Problem für mich. Die Erfahrung der Selbständigkeit hat mich vielleicht schneller erwachsen gemacht und im positiven Sinne geprägt.
schen, um zu verstehen, wie es dem anderen geht, wie seine Situation gerade ausschaut. Und dann gibt es Menschen wie Joel, die auch für mich arbeiten, und meinen Bruder, der immer für mich da ist. Es gibt viele Leute, die auch bei den Braunschweiger Löwen mithelfen und anpacken. Ich finde es super, wenn man zusammen arbeitet, aber auch noch die Freundschaft pflegt. Meine Freunde sind immer am Start, denen kann ich vertrauen, und umgekehrt gilt natürlich das Gleiche.
Was sind für Dich die drei wichtigsten Voraussetzungen, um Spitzensportler zu werden?

Deine Freunde von damals sind auch noch heute Deine Freunde. Was macht für Dich gute Freundschaft aus? Und wie erhält man sie, auch wenn man andere Wege einschlägt? Viele Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin und im Prinzenpark war, sehe ich jetzt natürlich nicht mehr jeden Tag, aber wenn man sich sieht, ist das wie mit Geschwistern. Wir freuen uns riesig. Manche von ihnen haben Familie, Kinder, andere nicht. Jeder lebt unterschiedlich. Natürlich muss man sich immer austau-
Ich würde als erstes sagen: ehrgeizig sein, die Motivation zu haben, immer der Beste zu sein, hart zu arbeiten. Als zweites würde ich sagen: Support von der Familie. Und die dritte Voraussetzung sind die richtigen Leute um dich, da brauchst du auch Glück. Ich bin mit 17, 18 Jahren in die NBA gekommen,weil ich an einem amerikanischen Turnier teilgenommen habe. Das hatte mir mein Agent ungefähr drei Tage zuvor angeboten und gesagt: „Hey, willst du das gerne machen? Ist eine gute Sache.“ Da hatte ich natürlich Riesenglück. Ich bin in die NBA gekommen, weil ich bei dem Turnier sehr gut performt habe und dort 40 Scouts waren. Glück zu haben, ist also sehr wichtig, aber sonst zählt: harte Arbeit, man muss wirklich alles geben. Und manchmal ist es auch so, dass man alles gibt und am Ende nicht direkt das kriegt, was man will. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen.









Es ist wichtig gesehen, gehört und verstanden zu werden

In trans* porträtieren und interviewen Beate Lakotta und Walter Schels mehrere jugendliche Trans*Personen und begleiten sie über Jahre hinweg. Auch die Erfahrungen von vier detransionierenden Jugendlichen werden erzählt, also Personen, die bemerkt haben, dass der Trans*Weg für sie persönlich nicht der richtige war. Die Teens erzählen dabei ihren eigenen Transitionsweg. Vom Coming-out, von Mobbing-Erfahrungen, unzähligen Terminen bei Therapeuten und Ärztinnen, von dem Gefühl ihrer ersten Hormonbehandlung oder wie schwierig es war, sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Schnell wird klar, dass es nicht den einen Weg gibt, sondern viele unterschiedliche individuelle Wege, die oftmals an Faktoren wie sozialen Hintergrund, Offenheit des eigenen Umfelds und die eigene finanzielle Situation geknüpft sind. Ein Glossar erklärt dabei Begriffe, die man vielleicht noch nicht kennt, zudem gibt es im Anhang eine Übersicht von unterschiedlichen Organisationen, an die sich Betroffene wenden können. In meinen Augen ist das Buch sehr gelungen. Nicht nur weil es so viele unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf Trans*sein darstellt, sondern Betroffenen aufzeigt, dass sie mit bestimmten Erfahrungen nicht allein sind. Zudem ist es im Zuge der aktuellen politischen Entwicklung wichtig, dass man die Stimmen von Trans*Personen nicht nur hört, sondern vielleicht nach dem Lesen auch besser verstehen kann.

Beate Lakotta, Walter Schels: *trans: Don‘t Judge My Journey. Ab 13 Jahren. Gabriel Verlag, 208 Seiten, 18 Euro.
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Vertraue immer deinem Instinkt
Goliath kann seinem Instinkt nicht widersprechen. Wortwörtlich, denn wie alle Menschen muss er seinem Instinkt vertrauen und ihm entsprechend handeln. Ein Reparateur muss jede Unstimmigkeit in seiner Nähe reparieren, eine Heilerin jede Wunde behandeln und Goliath als Schützer muss alles und jeden beschützen. Der Instinkt weiß wo, wann, wie. Nur wer sich an den Instinkt hält, ist in Goliaths Augen etwas wert. Über seine Mitmenschen urteilt er hart, über sich selbst noch härter. Denn: Wer in der gesellschaftlichen Hierarchie der instinktiven Verwaltung nach oben aufsteigen möchte, muss anderen das Leben retten. Da kommt Goliath das mysteriöse Verschwinden einiger Bürger gerade recht. Wenn er sie findet, rettet er genügend Leben und wird endlich zum „Tugendhaften” ernannt. Dann wird alles wieder gut. Sein Leben, sein Verhältnis zu seinem Bruder und auch dieser Knoten in seiner Brust … Christelle Dabos, Autorin von Die Spiegelreisende, hat ein wirklich außergewöhnliches Talent fürs Worldbuilding. Diesmal entführt sie uns in eine christlich überspitzte Dystopie, in der alles durch magische Fähigkeiten geregelt wird. Ein komplett originelles Magiesystem, gepaart mit einer Geschichte, die sich wie ein Krimi liest, ergibt eine Art Buch, das einzigartiger nicht sein könnte.
Christelle Dabos: Die Spur der Vertrauten. Ab 14 Jahren. Rotfuchs, 640 Seiten, 22,90 Euro.
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Wenn dein
Vater sagt, er sei ein DDR-Spion


1979, Hannover. Thomas, 16, sein Bruder und seine Eltern leben in Hannover. Dann die Nachricht: Opa ist schwer krank, wir müssen ihn besuchen, in der DDR. In der DDR kommt die Wahrheit heraus: Der Vater ist ein DDR-Spion - kurz vor der Entdeckung. Den Söhnen wird mitgeteilt: Wir bleiben jetzt hier. Thomas und sein Bruder sind völlig durcheinander, denn von einem Tag auf den anderen wird ihr komplettes Leben auf den Kopf gestellt. Schnell wird klar, auch dem Vater, dass die Familie wieder zurück in die BRD will. Doch Ausreiseanträge werden abgewiesen, ein Fluchtversuch wird entdeckt, die Eltern und Thomas landen in Hohenschönhausen, später in Bautzen. 1984 wird Thomas die Ausreise aus der DDR genehmigt und er kann nach drei Jahren Haft in die BRD zurückkehren. Das falsche Leben ist nicht fiktiv, sondern beruht auf dem Leben von Thomas Raufeisen. Zum ersten Mal hörte ich, was ihm passiert ist, von ihm selbst, auf einer Führung durch das Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen und schon da hat mich seine Geschichte umgehauen. Das alles wird spannend und sehr nahbar beschrieben. Diese Buch ist fesselnd, informativ und überaus bewegend!
Maja Nielsen: Das falsche Lebenbe. Ab 14 Jahren. Gerstenberg, 192 Seiten, 15 Euro.

Sonjas

















Ausmalbild entnommen aus:
Maria Höck & Juliana Kralik: Ein Einhorn namens Oktober, ab 3 jahren. arsEdition, 32 Seiten, 16 Euro.



Wir haben im Büro so viel Freude an den Lesekindern. Immer mal wieder kommt man nicht herum, die Rezensionen laut vorzulesen. Oft sind die nämlich deutlich cleverer, als man den Kids zutrauen würde. Häufig sehen sie Sachen erfrischend klar und unverkopft. Hier ein Highlight!
Lesekind Ella Fleurie empfiehlt:
Erst lag das Buch ja nur so in der Gegend rum. Wurde vielleicht mal kurz angefasst , ein Kapitel gelesen und dann wieder weg gelegt. Aber als ich eines Abends kein Buch mehr zum lesen hatte habe ich es genommen und dann - BÄHM da war es! Kaum hatte ich die nächsten zwei Kapitel gelesen, wollte ich gar nicht mehr aufhören. Es war einfach zu spannend und schwuppdiwupp war das Buch in zwei Tagen durchgelesen. Ich würde dem Buch 7 von 10 Sternen geben weil es keinen guten Aufmacher gab, sozusagen kein Anfang, der einen gepackt hat , man musste sich erstmal richtig reinlesen. Ansonsten fand ich das Buch super und würde es auf jeden fall weiter empfehlen.















Zeichenanleitung entnommen aus: Tiere Zeichnen für Kids. Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit einfachen Formen. Ab 6 Jahren. EMF Verlag, 144 Seiten, 9,99 Euro.

Bilderbuchfest 2025














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>> 08.10.2025
Buchpremiere mit Verena Teke Unter anderen Umständen in der BUCHBOX! Kastanienallee
>> 09.10.2025
Buchpremiere mit Fikri Anıl Altıntaş Zwischen uns liegt August in der BUCHBOX! Kastanienallee
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Buchpremiere mit Katja Lewina Wir können doch Freunde bleiben im Colosseum
>> 12.10.2025
Matinée-Lesung mit Elina Penner Die Unbußfertigen im Pfefferberg Haus13
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Lesung mit Jenny Mustard Beste Zeiten in der BUCHBOX! Kastanienallee
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Kinderkonzert mit Fredrik Vahle im Colosseum

KULT-MARKE TRIFFT MILLIONEN-AUTOR
Bestseller-Autor Andreas Eschbach lässt die drei ??? als Erwachsene ein spannendes Rätsel lösen.
Vor vielen Jahren ist eine Frau im Brasilianischen Regenwald verschwunden. Jetzt taucht sie in Rocky Beach wieder auf. Die Wege der Freunde von einst kreuzen sich und sie übernehmen den Fall.

Das war die
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Zum Schluss möchten wir euch noch unseren BUCHBOX!-eigenen Literaturmemecreator Rafael alias @buch.bandito vorstellen:



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Herausgeber: Buchbox Entertainment UG, Lettestraße 5, 10437 Berlin Gestaltung, Lektorat und (Bild-)Redaktion: Hilke Grabenkamp, Madeleine Darius und Yannik Gölz
Verantwortlich: David Mesche
Autor:innen: Fine, Ulrike, Kathrin, Madeleine, Hannah-Lou, Yannik, Alwin, Rafael, Waldemar, Charlott, Judith, Laura, Skye, Erika, Johanna, Jasmin, Joe, Steffen, David, Hannes, Hilke, Wil, Basti, Sonja, Saskia
Coverfoto: Jenny Witt
I have no shelf control

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