BOXPOST! 2/23. Das Literaturmagazin aus Berlin

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BOXPOST

Das Magazin deiner BUCHBOX!

Melina Borčak

Interviews:

Alice Hasters

Max R. Leßmann

Familiar Faces & Voland & Quist

Kinderseiten:

Zuckersüß Verlag

ABC Karten

Bitter Sweet Books & Lesetipps

Nr. 2/2023
© Jenny Witt

Liebe:r Leser:in,

Ein tosendes Bilderbuchfest und sieben wundervolle Lesungen unter dem launigen Sommerhimmel liegen hinter uns und wir tauchen jetzt ein in die gemütlichen Lesetage im Herbst und im Winter.

Bitte macht es euch gemütlich, schenkt euch eine Tasse heißen Tee ein und lasst euch von unseren neuen Lieblingsbüchern in diesem Heft inspirieren. Neben unseren Lieblingen fndet ihr in dieser Ausgabe auch ein paar Empfehlungen, die euch helfen werden, die kalten Tage zu überstehen und vielleicht entdeckt ihr hier sogar ein neues Hobby für euch.

Wir freuen uns, dass wir Melina Borčak für ein Interview gewinnen konnten und ihr seid ihr bereits auf dem Titelbild begegnet. Im Gespräch mit uns berichtet sie nicht nur vom antimuslimischen Rassismus und ihrem wunderbaren, neuen Buch "Mekka hier, Mekka da". Sondern sie verrät uns auch ihre liebsten trash-TV-Sendungen. Was wir auch lieben, sind unabhängige Verlage. Einer von ihnen hat seinen Sitz in Leipzig und überrascht seit vielen Jahren mit einem innovativen und frischen Literaturprogramm: Voland & Quist. Für diese Ausgabe hat sich das ganze Verlagsteam um ein bröckeliges, altes Auto versammelt und steht uns dort Rede und Antwort.

Schließlich haben wir auf den hinteren Seiten des Heftes unterhaltsame Seiten für Kinder gestaltet. Besonders mag ich das große Wimmelbild aus "Kami und Mika". Die beiden Zwillinge fnden in Wolkenhain einen Ort, an dem alle so sein dürfen, wie sie sind, und niemand muss sich verstellen. Was für eine schöne Vorstellung!

Wir wünschen euch eine aufregende und entspannende, zweite Jahreshälfte. Auf dass ihr viele Augenblicke der Ruhe für stille Lesefreuden fndet.

Euer David.

Inhalt I

Dieses Magazin wäre nicht möglich ohne die unerschöpfiche Leselust der vielen engagierten BUCHBOX!-Mitarbeiter:innen, die sich jedes Frühjahr und jeden Herbst quer durch die weite Welt der Neuerscheinungen lesen und mit Begeisterung ihre Entdeckungen, Tipps und Meinungen mit euch teilen. Ihre Texte sind das Herzstück der BOXPOST und verdienen ein riesiges

Sprich uns gerne bei deinem nächsten Besuch in einem unserer Läden an, komm zu unseren Veranstaltungen, abonniere unsere Newsletter oder schreib uns eine Mail an presse@buchboxberlin.de. Wir freuen uns darauf, von dir zu hören!

David Mesche Elsa Stappenbeck Franziska Schwarz
Dankeschön!
Wir sind die redaktion

Inhalt II

10 Interview

Mit "Mekka hier, Mekka da" hat Melina Borčak das erste große Buch über antimuslimischen Rassismus geschrieben. Mit uns hat sie über die Themen gesprochen, die sie nerven, was wir besser machen können und welche Generation ihr in diesen Zeiten noch Hofnung gibt.

18 Verlagsvorstellung: Voland & Quist

Wir lieben Bücher und besonders schöne gibt es beim Voland & Quist Verlag: mutige, emanzipierte und frische Literatur mit einem Platz in unseren Herzen und auch hofentlich ganz bald in deinem Bücherregal.

20 Rezepte & Ausflugtips

Die Tage werden kürzer und es wird auch wieder kühler. Für uns jedoch kein Grund uns zu verkriechen, wir stürzen uns lieber in den Wald und gehen auf Spurensuche oder probieren uns durch unser neues lieblingskochbuch.

28 Fünf Fragen an Alice Hasters

Endlich ist es soweit! Das neue Buch von Alice Hasters erscheint im Oktober und wir feiern mit ihr zusammen die Buchpremiere im Heimathafen. Im Interview verrät sie uns, um was es in ihrem neuen Buch geht und welche Herausforderungen uns noch bevorstehen.

30 Unser Freund:innenbuchmit Max Richard Leßmann

Kennst du sie noch? Ganz unten im Karton versteckt: die Freund:innenbücher. Voller Träume, Traumberufe und den Namen deiner nie vergessenen Katzen und Hamster? Bei uns gibt's die BUCHBOX!-Edition, in der wir all unsere Lieblingsautor:innen das beantworten lassen, was wir schon immer über sie wissen wollten.

36 Verlagsvorstellung:

Familiar Faces

Bücher, Puzzles, Lernkarten, Workbooks ... Familiar Faces steht als junger, frauengeführter Verlag für Vielfalt, neue Narrative und gute Illustrationen. Ihre Produkte sind schon seit einiger Zeit in unseren Läden zu fnden, nun möchten wir euch den Verlag noch etwas näher vorstellen.

42 Kinderseiten

Hier gibt es wieder Einiges zu entdecken, denn wir zeigen dir, wie du spielerisch Berlin entdeckst, was den Zuckersüß Verlag so zauberhaft macht, wieso wir monatelang am Helmi umgebaut haben und natürlich welchen neuen Lesestof du auf keinen Fall verpassen solltest ...

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Lauras T i p p

Die eine Geschichte zu viel lässt eine Welt in Flammen aufgehen.

Friedemann Karig: Die Lügnerin. Ullstein Verlag, 224 Seiten, 22,99 €

Eine Hochstaplerin führt die amerikanische Oberschicht vor

Emils t i p p

Emma Cline: Die Einladung. Hanser Verlag, 320 Seiten, 26 €

Davids

Coco Mellors: Cleopatra und Frankenstein. Eichborn Verlag, 512 Seiten, 25 €

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Alex ist 22 Jahre alt und kommt aus prekären Verhältnissen. Sie träumt vom Leben in der Mitte der wohlhabenden Oberschicht. Durch ihre unkomplizierte Wesensart gelingt es ihr leicht, Kontakte in die gewünschten Kreise aufzubauen und ihrer WG zu entfliehen. So verbringt sie einige Wochen an der Seite von Simon auf Long Island, doch ist sie nicht angepasst genug und ein kleines Missgeschick führt bereits zum Bruch der Beziehung. Um ihre Würde und Simon zurückzugewinnen, ersinnt Alex einen Plan, der zu Simons Gartenparty am Ende der Woche ausgeführt werden soll. Ein Buch, das in ungewohnter Weise die weit geöffnete Schere zwischen Arm und Reich aufgreift und über die skrupellose, respektlose Protagonistin die High Society in köstlicher Weise vorführt. Nach "The Girls" ein weiteres, lesenswertes Werk von Emma Cline, das die "Krisen der Gegenwart", die gesellschaftlichen Verhältnisse von Arm und Reich und das Verhältnis von Männern und Frauen tabulos auslotet. T i p p
Alles, was ich über Friedemann Karigs Roman „Die Lügnerin“ schreibe, könnte einer großen Lüge aufgesessen sein. Ich versuche es trotzdem. Clara Konrad (es ginge auch Konrad Clara und Konrad Klarer), verhandelt ihre Geschichte(n) mit einer Beraterin in einem namenlosen Institut, irgendwo dort, wo es schön ist, bergig. Es sind all die Lügen, die sie zeit ihres Lebens erzählt hat, die sie dorthin brachten und es sind eben jene Lügen, die uns den Weg einer rastlosen Protagonistin erzählen, deren Stimme einzelnen Momenten Bedeutung gibt. Es beginnt in einem Zentrum für Astrologie und dem unverhofften Glück eines Roulettegewinns einer Anderen, der Clara von den Spelunken der Stadt in die Casinos von Las Vegas und später in das Institut bringt. Für uns springt dabei eine rasante Abfolge von Sequenzen, gespickt mit Verweisen auf tagespolitische Debatten, die dagegen fast unaufgeregt verwoben werden, heraus und vor allem eines mit dem Roman gemein haben: Eine unzuverlässige Erzählstimme. Aber stimmt das eigentlich wirklich, wenn dabei eine gute Geschichte rauskommt? Oder um es mit Claras Worten zu schreiben: „Was ist überhaupt der Unterschied, wenn nur jemand fest genug an eine erfundene Geschichte glaubt? Ist sie mehr oder weniger wert als die Wahrheit, die niemand kennt?“ Naja, und hier wären wir bei (El Ouassils und) Karigs Spezialität: Mythen, Lügen und Utopien. Gleich die nächste Empfehlung!
Nachdem sie sich auf einer New Yorker Silversterparty kennengelernt haben, sind Cleo - eine junge britische Künstlerin ohne Aufenthaltsgenehmigung - und FrankMitte 40, Chef einer Werbefirma und funktionaler Alkoholiker - nur 6 Monate später schon verheiratet. Beide bewegen sich in einem Bohème-Freundeskreis voller furchtbarer Menschen, disfunktionaler Beziehungen und Drogen und nichts davon ist den beiden zuträglich. Das ist sicherlich für manche etwas zu viel, aber wem solche Geschichten Spaß machen, der wird gut unterhalten sein. Coco Mellors Buch lebt von den komplexen Charakteren, für die man nicht sein kann und von denen man trotzdem einige ins Herz schließen muss. "Kleopatra und Frankenstein" liegt irgendwo zwischen Ottessa Moshfegh in etwas weniger skurril und Sally Rooney mit deutlich unsympathischeren Charakteren - aber dadurch nicht weniger unterhaltsam.
Furchtbar gut!

Spannend und hochkomplex

Wie dicht bebildert kann ein Buch und wie überquellend kann eine Figurenzusammenstellung sein? Tess Guntys Debutroman hat mich mit all seiner Vielschichtigkeit durch den Sommer getragen und der ohnehin drückenden Hitze noch einen ganz anderen Stempel aufgedrückt. Auch die Erzählstimme ist nicht nur einer Perspektive treu, sondern nimmt alle Facetten des Wohnhauses in Indiana mit. Dabei ist nicht in jeder Erzählung eine riesige Handlung, manche folgt einem Gedankenstrom oder alltäglichen Situation eines Ehepaares, die schon irgendwie eine Loriotkomik in sich hält. Immer wieder kehrt sie jedoch zu der Sicht von Blandine zurück, welche ich wiederum so faszinierend fand, wie sie selbst Hildegard von Bingen. Aber auch eine Mutter, welche Angst vor den Augen ihres Kindes hat, hat mich tief berührt und an anderen Stellen musste ich wieder sehr lachen, wo ich doch gerade noch in einem anderen Kopf drinsteckte und immer mehr reingezogen wurde, in die Konstellation der Bewohner:innen, welche am Ende des Tages in ihrem engen Miteinander, und damit meine ich vor allem die räumliche Nähe, trotzdem ein weites Feld abdeckt.

Tess Gunty: Der Kaninchenstall. Kiepenheuer & Witsch Verlag, 416 Seiten, 25 €

Während eine Frau mit Fieber im Bett liegt, muss sie an einen Roman denken und verspürt den Drang, diesen nochmal hervorzuholen: Es ist die New-York-Trilogie von Paul Auster. Beim Aufschlagen des Buches findet sie den Gute-BesserungsWunsch ihrer Ex-Freundin Johanna, die ihr das Buch schenkte, als sie vor vielen Jahren auf einer Reise an Malaria erkrankte. Beim Durchblättern fallen ihr alte Erinnerungen ein und sie denkt über vier Menschen nach, die ihr alle einmal sehr nah auf unterschiedliche Art und Weise standen: Durch Johanna entdeckte sie das Schreiben und die Literatur für sich, ihre ehemalige Mitbewohnerin Niki brach mit all ihren Freundschaften und so irgendwann auch mit ihr, Alejandro, mit dem sie eine Beziehung einging, obwohl keine Zukunft vorstellbar war, der ihr Leben dennoch maßgeblich prägte. Und ihre Mutter Brigitte mit ihrem schmerzhaften Geheimnis. Verschiedene Bücher, die sie mit den Personen verbindet und die sich noch immer, nach so vielen Jahren, in ihrem Regal befinden, lassen Details alter Zeiten wieder zum Vorschein kommen und zeigen, wie sehr zwischenmenschliche Beziehungen prägen. Die Autorin Ian Genberg wurde für "Die Details", ihren vierten Roman, mit dem Augustpris ausgezeichnet, dem wichtigsten schwedischen Literaturpreis. Das Buch erscheint in 25 Ländern - zum Glück, denn so können viele Menschen von diesen zarten, liebevollen, ehrlichen und nicht nachtragenden Beobachtungen lesen, darüber nachdenken und Genbergs schöne Worte im Kopf noch lange auf sich wirken lassen.

Ia Genberg: Die Details. Rowohlt Verlag, 144 Seiten, 22 €

Kierkegaard fühlen

"Und ist es nicht Sünde und Schande: man schreibt Bücher auf die Art, daß man die Menschen am Leben irre, seiner leid werden läßt, bevor sie mit ihm beginnen, anstatt daß man sie leben lehrt." Dieses Zitat aus Sören Kierkegaards "Entweder/Oder" fühlt Selin so sehr. Sie studiert im zweiten Jahr Literaturwissenschaften in Harvard und sieht alles im Licht der von Kierkegaard aufgestellten Thesen, seit sie sein Werk im Seminar behandelt hat. Sie erklärt sich ab jetzt ihr eigenes Verhalten und das ihrer Freund:innen anhand der Unterscheidung von der ästhetischen und ethischen Lebensform. Aber vor allem ist sie von der darin beschriebenen psychologischen Manipulation an Cordelia in den Bann gezogen, weil sie sich selbst und Iwan auf einmal darin wiedererkennt. Über ihre Beziehung und die Frage was überhaupt zwischen ihnen ist oder war, denkt sie ohnehin ununterbrochen nach. Bei der Lektüre stellt sie plötzlich so viele Parallelen von dem ihr unerklärlichen Handeln Iwans zu dem intriganten und manipulativen Verhalten an der Figur Cordelia fest. Aber auch die Lektüre von Anna Achmatova, Charles Baudelaire, Anton Tschechow, Oscar Wild u.v.m. lässt sie ihre Gefühlswelt immer wieder neu bewerten. In der Frage wieso Sex und die große Liebe ihr so unerreichbar scheinen, wieso ihre Freund:innen diese Dinge viel besser auf die Reihe kriegen und bei allen Entscheidungen bezüglich der Uni, ihrer Familie oder im Umgang mit Männern sucht sie Antworten und Orientierung in den Werken der großen Meister:innen. Denn wer sonst sollte wissen, wie man richtig lebt? Die in den USA gefeierte Bestsellerautorin Elif Batuman zeigt in ihrem neuen Roman, wie es sich für die Protagonistin anfühlt, am Anfang des Erwachsenenlebens zu stehen, jede Begegnung und jede Gefühlsregung, die sie wahrnimmt zu zerdenken und gleichzeitig so viel Neues, Aufregendes in dieser Phase zu erleben.

Elif Batuman: Entweder/Oder. C.H. Beck Verlag, 396 Seiten, 25 €

Kathas T i p p
Johanna s Tipp
t i p p
Wenn Bücher uns an Menschen erinnern lassen
Elsas

Auf der Suche nach Identität

Das Romandebüt von Stephen Buoro, 1993 in Nigeria geboren, berichtet von Tradition und Weltkultur, Abschottung und globaler Verbundenheit, Armut und Abhängigkeit. Mittendrin ein inspirierender junger Held auf der Suche nach dem Glück! Der fünfzehnjährige Andrew Aziza, genannt Andy Arica, lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter in Nigeria, die sich weigert, die Identität seines Vaters preiszugeben. Gerne schreibt Andy Gedichte oder diskutiert über Literatur, verbringt Zeit mit Freund:innen und quatscht über Star Wars. Der Teenager verliebt sich auf einer Gemeindefeier hoffnungslos in das weiße Mädchen Eileen. Das Buch handelt von Korruption, religiöser Intoleranz und jugendlichem Verlangen und ist auf der einen Seite eine fantasievolle Coming-of-Age-Geschichte, die an J. D. Salinger einnert. Auf der abderen Seite aber auch ein bedeutender Roman, das sich mit Identität, Erbe, Religion und Kolonialismus auseinandersetzt. Mitreißend, tragisch und komisch und mit einem Protagonisten, der im Kopf bleibt!

Stephen Buoro: Andy Africa. Rowohlt Verlag, 416 Seiten, 24 €

Nach einem Vorfall während Rachmaninoffs 2. Klavierkonzert meidet Elsa M. Anderson die Bühne und gibt stattdessen an verschiedenen Orten Europas Privatunterricht. Auf einem Markt in Athen begegnet sie einer Frau, ihrer förmlichen Doppelgängerin und von nun an auch Wegbegleiterin. Wohin ihr Weg sie treibt, immerzu begegnet sie ihr, oder auch Schatten ihrer Anwesenheit, welche Elsas Erinnerungen an ihre Kindheit als adoptiertes Wunderkind, dessen Hintergrund sie nie vollends ergründen wollte, wachrütteln. Sie reflektiert ihre Beziehung zur Musik, ihren Mitmenschen, vor allem aber die zu ihrer unbekannten Mutter und zu ihrem Adoptivvater und eigenem Klavierlehrer Arthus Goldstein. Ihre Reise wird durch den Anruf unterbrochen, dass Arthurs' Gesundheitszustand sich derart verschlechtert habe und ihr eine schnelle Anreise empfohlen sei. Auf Sizilien, Arthus Wahlheimat, kann sie den Spuren ihrer Vergangenheit nicht mehr aus dem Weg gehen und erhält Antworten auf die Fragen, welche sie immer zu meiden suchte. Die Episoden sind undurchsichtig, mal herrscht die sommerliche Hitze vor, an anderen Stellen überwiegt die pandemische Lage die Szenerie und so träumerisch wie das Cover es andeutet, verschmelzen die Ereignisse und kreieren eine ganz eigene mysthische Hintergrundmelodie zu Elsas Geschichte.

Deborah Levy: Augustblau. Aki Verlag, 176 Seiten, 24 €

Vom Sich Verlieren und Wiederfinden

"Bloß nicht unangenehm auffallen", das ist das Motto von Katha, seit sie ein Kind ist. Sie ist eine People Pleaserin de Luxe und denkt immer erst an die Anderen. Nach der Scheidung der Eltern zieht Katha mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester nach Dortmund. Es sind die frühen 2000er: Eine Clique findet Katha, die Angepasste, schnell. Rauchen hinter der Turnhalle als Einstiegsritual. Die unangefochtene Anführerin der Gruppe ist Sophie. Und Sophies Mutter Angelica wird für Katha eine zentrale Person in ihrer Entwicklung werden. Angelica, die scheinbar so anders ist als die eigene Mutter - bunt und laut und das Wichtigste: sie sieht die Teenager und hört ihnen zu. Katha fühlt sich aufgehoben und fängt an, sich aus dem engen Gefängnis ihrer Schuldgefühle zu befreien. Doch dann passiert ein Unglück ... Der Roman hat mir auf sehr vielen Ebenen gut gefallen. Einmal natürlich die Figur der Katha, die ihr Verhalten von damals immer wieder aus der Jetzt-Zeit kommentiert. Das gibt der Geschichte viel Witz und Schwung und verhindert, dass das Ganze in ein weinerliches Teeniedrama abdriftet. Auch die Rolle von Mädchencliquen und den Ritualen des Erwachsenwerdens als Frau in Zeiten, in denen "MeToo" noch kein Thema war und "Frauen supporten Frauen" oder "jeder wie er mag" eher ein leiser Gedanke, als ein lautes Reel in den sozialen Medien war, habe ich sehr gut wiedererkannt. Insgesamt ist das Buch eine außergewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte, vielleicht fast schon eine Coming-of-Age-des-inneren-Kindes Geschichte, in der Beziehungen und Prägungen aufgezeigt und hinterfragt werden. Ein Buch, fast wie eine kleine Gruppentherapie. Eine, in der sehr viel geschmunzelt werden darf, in der man aber auch durch die Geschichte der Anderen eine Menge über sich selbst lernen kann.

Sina Scherzant: Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne. park Verlag, 368 Seiten, 23 €

Jud i t h s TiPP
T i p p Jans Ti p p
Komponiere dein Leben neu!
Kathas

Als Leila auf einer Party Leon begegnet, scheinen sich endlich einige Türen zu öffnen. Sie erhält ihren ersten Vertrag als Drehbuchautorin bei einer bekannten Produktionsfirma. Das Problem ist nur, dass das Drehbuch noch nicht fertig ist und die Monate zur Abgabefrist verstreichen und Leila von lästigen Schreibblockaden geplagt wird. Zur Ablenkung verbringt sie die Abende zwischen Eckkneipen, Dinnerpartys, Erfolgsgeschichten und Affären und gerät immer mehr in einen Strudel von Selbstzweifel, Konkurrenzkämpfen und Selbstüberschätzung. Dabei steckt man immer mittendrin in Leilas Gedanken und Gefühlen, die die schöne Welt der Filmindustrie durch ihren bitterbösen Humor beschreibt. Voller Zynismus und Prokrastination werden die Verzweiflungstaten beschrieben, mit denen sie versucht, die Schreibblockade zu lösen. Nora Haddadas Schreibstil ist dabei ziemlich wild und rasant. Sie hat mit ihrer Protagonistin eine Antiheldin erschaffen, die man nicht mögen muss, deren Art einem jedoch schnell unter die Haut geht. Klug, kompromisslos und anstrengend überzeugt der Roman durch seine Sprache und wer eine moderne und bitterböse Geschichte über die Verstrickungen und Schattenseiten der Filmindustrie lesen möchte, ist hier auf jeden Fall genau richtig.

Nora Haddada: Nichts in den Pflanzen. 192 Seiten, 24 €

Verenas t i pp

Mein Herbstbuch 2023

Flori kämpft. Und Flori verzweifelt mehr als einmal auf seiner Reise bis ins Bodenlose. Aber Flori ist auch ekstatisch, verliebt, berauscht am Leben. Und meistens alles gleichzeitig. Aber von Anfang an: Es ist das Jahr 1983. Flori lebt bei seinen Eltern in Wolfratshausen (bei Bad Tölz), dort ist er auch aufgewachsen, von dort muss er dringend weg. Schon sein ganzes Leben ist er anders als die anderen, das weiß er, das wissen die anderen. Er selbst weiß schon immer, dass er auf Männer steht und auch das wissen vermutlich alle Anderen, es ist in dem engen Dorfkorsett aber selbstredend kein Platz für "anders" bzw gar "unnormal". Als Flori dann auch noch in dem Damen-Kaufhaus, in dem er arbeitet, feststellt dass ihm das rote Satinkleid in der Auslage besser gefällt als alles, was er je zuvor getragen hat und es kurzerhand mitgehen lässt, eskaliert die Situation. Er wird erwischt und weiß: jetzt ist es Zeit, jetzt bleibt nur noch München. Nur mit einer Reisetasche gerüstet, flieht er zu einer alten Freundin. Gemeinsam mit ihr rutscht er in die Münchner Untergrundszene wo er, zunächst als faszinierter Beobachter vom Rand der Tanzflächen, alles erlebt was er sich immer erträumt hat: Rausch, Ekstase, Leidenschaft, Eifersucht und vor allem: Männer, die wie er ihren Platz suchen an dem sie ihr wahres Ich leben können ohne verurteilt zu werden oder gar Schlimmeres. Nach und nach verliert sich Flori gänzlich in dieser Schattenwelt, er verliert seine Freundin, er verliert beinahe alles, er verliert - sich. Dieses Buch hat mich unendlich berührt und ich habe mehr als einmal sehr mit Flori geweint und gelitten. Dieser völlig verlorene Junge, der er eigentlich noch immer ist, der sich eigentlich (wie wir alle) sein ganzes Leben lang nur danach sehnt geliebt zu werden, gesehen zu werden, von seinen Eltern, von einem Mann, von der Welt(!) hat sehr sehr viel mit mir gemacht und den werde ich auch noch lange mit mir herumtragen im Kopf. Mein Herbstbuch 2023!

Lion Christ: Sauhund. Hanser Verlag, 368 Seiten, 24 €

Ein ganz besonderer Schauerroman

Ich wusste absolut nicht, was mich erwartet, als ich "Salzruh" von Susan Kreller begann zu lesen, nein, zu verschlingen. Zugegeben, ich war nicht sofort Mitten im Geschehen, denn es kostet Konzentration, sich die Namen und unterschiedlichen Persönlichkeiten der neun Personen alle zu merken, die sich in der heruntergekommenen Herberge Bertoldi zusammenfinden, die von der strengen Wirtin Oda Prager und ihrem unheimlichen Hausmädchen Maria Rosa betrieben wird. Doch das passiert dann ganz nebenbei und auf einmal ist man mittendrin im seltsamen Geschehen: Direkt zu Anfang wird den Gäst:innen mitgeteilt, dass sie bis zum Mittag in der Pension bleiben müssen - zu ihrer eigenen Sicherheit. Und damit den dunklen Wald Salzruh, der direkt hinter der Tür lauert und in dem sich das FDGB-Erholungsheim befindet, nicht betreten dürfen. Doch es bleibt nicht bei dieser zeitlichen Angabe von Stunden, es werden Tage, Wochen, Monate daraus ... Die Gäst:innen bleiben erstmal alle vollständig und ohne großes Hinterfragen im Haus und ein unbehagliches Miteinander zwischen völlig unterschiedlichen Personen beginnt. Bis die erste Person die Pension verlässt, mit dem Hinweis, nie wieder zurückkehren zu können ... Keiner weiß, was der Grund ist, was in Salzruh vor sich geht. Nach und nach machen sich die Personen auf den Weg, treffen die freie Entscheidung, nach draußen zu gehen, obwohl eine Rückkehr ausgeschlossen ist. "Salzruh" ist ein Schauerroman, der viel Interpretationsspielraum lässt, fesselt, sprachlich viel Spaß macht, verwirrt und mich überzeugt hat! Eine sehr besondere Leseempfehlung, deren Sog sich kaum in Worte fassen lässt, denn vieles bleibt ungeklärt, aber irgendwie auch nicht, denn jeder kann sich seinen eigenen Teil denken.

Susan Kreller: Salzruh. Schöffling & Co Verlag, 272 Seiten, 24 €

Elsas T i p p
Ein Tip p von Fran z i
Schreibende Selbstfindung

Lauras

Arielle ist vierzehn Jahre alt und hat durch einen seltenen Gendefekt, eine Chromosomenanomalie, die ihr durch ihre Mutter vererbt wurde, ein besonderes Äußeres: Sie hat nur wenige Zähne und große Lücken im Mund, kaum Haare und hat, vor allem im Sommer, das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen, weil sie nicht schwitzen kann. Gemeinsam mit ihrem Vater räumt sie die Wohnungen verstorbener Menschen aus und trennt das Brauchbare vom Müll. Dabei findet sie das Handy von Pauline, einem Mädchen, dessen Äußeres wie geschaffen scheint für die sozialen Medien. Sie erstellt ein Profil auf "FireFly", lädt Paulinas Fotos, von ihr sorgfältig bearbeitet, mit passenden Texten hoch und schafft es, sich in innerhalb kurzer Zeit eine viel höhere Reichweite aufzubauen, als ihre schöne und bei der Männerwelt beliebte, beste Freundin Yasmin. Ihre psychisch labile Mutter springt mit auf den Zug auf und gemeinsam bauen die beiden ein Kartenhaus, das jederzeit droht, in sich zusammenzufallen - ein großes Problem, denn inzwischen sind sie von dem Account auch finanziell abhängig. Immer an ihrer Seite ist ihr bester Freund Aljoscha, der in seinem Studio neben der Müllkippe ausrangierte Schaufensterpuppen mit Lumpen einkleidet und hofft, so an eine Kunstschule in Berlin zu kommen. In seinem ersten Roman "Die Einsamkeit der Ersten ihrer Art" zeichnet Matthias Gruber ein Gesellschaftsporträt, das ein Leben zwischen Realität und SocialMedia zeigt. Es ist ein trauriges Buch mit einer außergewöhnlichen Hauptfigur, wie ich sie bisher noch nicht ähnlich erlebt habe. Dabei möchte Arielle nur sein wie alle anderen in ihrem Alter und nicht untergehen. Doch ist sie genauso, wie sie ist, unschlagbar als "Erste ihrer Art" und ganz besonders. Sie geht keinesfalls unter, sondern bleibt auch nach der Lektüre im Kopf. Dieses Buch hat nicht nur ein fabelhaftes, rätselhaftes, an ein Märchen erinnerndes Cover, sondern liest sich auch sehr flüssig, trotz seiner Vielschichtigkeit. Humorvoll, aber mit ganz viel Tiefgang.

Matthias Gruber: Die Einsamkeit der ersten ihrer Art. Jung und Jung Verlag, 304 Seiten, 24 €

Nichts hatte sich geändert. Alles hatte sich geändert.

T ipp

Dana Vowinckels Debüt ist ein großer, prall gefüllter ZiplockBeutel, der von all den großen und kleinen politischen, identitätsstiftenden und -suchenden Momenten einer jüdischen Familie zwischen den Welten erzählt. Im Mittelpunkt stehen die 15-jährige Margarita und ihr Vater Avi, Chasan in Berlin, ihre Gedanken, Entscheidungen und Wegstrecken, abwechselnd in kurze Kapitel der Handlung folgend eingewoben. Margarita verbringt den Sommer bei ihren Großeltern mütterlicherseits in Chicago, die Mutter (Marsha): abwesend seit Jahren. Als sich ein Zeitfenster auftut, Marsha zu treffen, wird Margarita kurzerhand nach Jerusalem geschickt, denn dort hat ihre Mutter ein Fellowship an der Hebrew University angenommen. Es ist Margaritas Qual, doch auch Auslöser für eine ganze Reihe von Auseinandersetzungen – mit der eigenen (jüdischen) Identität, innerjüdischen Debatten, und Deutschland als Gedächtnistheaterland, als Land der Täterperspektive, als Land der Täter. Es ist der Wechsel zwischen der jugendlichen, trotzigen und oft noch hilflosen Perspektive Margaritas, die auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt manchmal scheitert, und der ihres Vaters, durch den fließend, unangestrengt und ohne viel Erklärung seine jüdische und israelische Identität, seine Glaubenspraxis und sein Weg aus dem Militärdienst Israels in die Synagogen von Hannover und Berlin nachgezeichnet werden, die diesen Roman zu etwas ganz Großem machen. Es wird viel debattiert, gesucht und abgewogen. Dass Dana Vowinckel es schafft, so unheimlich viele Themen in knapp 360 Seiten zu verhandeln, alles zu erklären und Anspruch auf die Sicht der Dinge zu erheben, ohne zu erdrücken, macht mich demütig. Ich kann es kaum erwarten, mehr von ihr zu lesen!

Dana Vowinckel: Gewässer in Ziplock. Suhrkamp Verlag, 363 Seiten, 23 €

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T
Elsas
i pp
Zwischen Realität und Social Media

Nilufar Karkhiran Khozani nimmt uns in ihrem Roman "Terafik" mit auf eine Reise nach Teheran, wo die Protagonistin nach einem spontanen Entschluss ihren Vater besucht. Nilufars Reise beginnt ohne klare Erwartungen und führt sie in eine Welt, die ihr zwar aufgrund ihrer Herkunft und Familiengeschichte nicht völlig fremd ist, ihr aber dennoch verschlossen bleibt. Durch wenige Besuche in Deutschland und den Kontakt aus der Ferne fühlt sie sich mit ihrer iranischen Seite verbunden, ohne wirklich viel über die Kultur oder ihre Verwandten zu wissen. Einerseits kann sie ihrer deutschen Umgebung viele Aspekte ihrer iranischen Identität schlecht erklären und gleichzeitig hat sie auch in Teheran das Gefühl, sich kulturell nicht zurechtzufinden. Gebannt beobachtet und fotografiert Nilufar immer wieder den chaotischen Verkehr, den ihr Onkel als „Terafik“ bezeichnet. Sie taucht in die Welt ihrer Familie ein, beantwortet ständig die gleichen Fragen und versucht, die komplexen Regeln und Codes des sozialen Lebens zu verstehen. Ihre Gedanken darüber, wann sie das Kopftuch tragen soll, wann sie sich zurückziehen sollte und wann von ihr wie viel Gesprächsanteil erwartet wird, bieten Einblicke in die sozialen Strukturen und Konventionen des Landes. Ihr Vater war vor vielen Jahren aufgrund politischer Verfolgung nach Deutschland geflohen. Aber später hatte er die Familie verlassen und war in den Iran zurückgekehrt, ohne dass die Lage sich dort entscheidend verändert hatte. Nilufar, die diese Entscheidung ihres Vaters nie wirklich verstanden hat, möchte die Reise nutzen, um Antworten zu suchen. Sie hat das Verhalten ihres Vaters gegenüber anderen immer verteidigt, aber in ihrem Inneren trägt sie eine Wut, die sie kaum begreifen kann. Was mir besonders an dem Buch gefallen hat, ist die Art und Weise, wie Nilufar ihre inneren Konflikte und Gefühle beschreibt. Ihr Zwiespalt zwischen der Loyalität zur Familie und der eigenen Verwirrung wird einfühlsam dargestellt und macht die Figur von Nilufar realistisch und greifbar.

Nilufar Karkhiran Khozani: Terafik. Blessing Verlag, 256 Seiten, 24 €

Neue Must-Read-Autorin

Die Kurzgeschichten von Saba Sams sind außergewöhnlich. Außergewöhnlich gut, poetisch, brutal und sie wandern, wie eine Seiltänzerin, auf dem schmalen Grad zwischen „ich möchte alles auf einmal lesen“ und „kurze Verschnaufpause nach dieser Story, bitte“. Fast immer begleiten wir junge Frauen durch einen kurzen Ausschnitt aus ihrem Leben. Frauenleben, die in Depression versinken, in toxischen Beziehungen stecken oder ihren Sinn in Anerkennung von Männer suchen. Oft wissen die Protagonistinnen nicht, wie schlecht es ihnen geht und gerade dabei kann man wunderbar mitfühlen. Saba Sams ist Jahrgang 1996 und das fällt beim Lesen positiv auf. Oft fallen Details auf, die noch gar nicht so lange her erscheinen, keine Anspielungen auf uralte Ereignisse und noch ältere Namen. Ihre Sprache ist an den richtigen Stellen direkt, ohne den Zwang, alles sagen zu müssen, was zwischen den Zeilen steht. Und an den anderen richtigen Stellen (es gibt nur richtige Stellen in diesem Buch) verzaubert eine unendliche detailverliebte Poesie. Dieser Kontrast schafft es die gnadenlose Welt der Frauen fast immer mit einem poetischem Hoffnungsschimmer ausklingen zu lassen. Dieses Buch passt perfekt ins Jahr des Barbie-Movies und für mich gibt es eine neue Must-Read-Autorin.

Alwins T ipp

9 9 Ein Tip p von Joha n n a
Im Terafik im Teheran
Saba Sams: Send Nudes, Piper Verlag, 208 Seiten, 22 €

Interview

Melina Borčak

Fotos: Jenny Witt

Antimuslimischer Rassismus hat viele Gesichter. Aber was genau verstehen wir darunter? Melina Borčak ist Filmemacherin, Journalistin und Medienkritikerin und beschäftigt sich mit (antimuslimischem)Rassismus, Genozid, Medienkritik und muslimischen Feminismus. Sie wurde 1990 in Bosnien geboren und flüchtete 1995 vor dem Völkermord nach Deutschland. Mit dem offiziellen Kriegsende musste sie mit ihrer Familie zurück nach Bosnien und studierte dort Journalismus in Sarajevo. Seit 2015 lebt sie wieder in Deutschland und arbeitet u.a. für CNN, ARD, Deutsche Welle und funk. Im August ist jetzt endlich ihr Buch "Mekka hier, Mekka da" erschienen, indem sie aufzeigt, wie Sprache rassistische Denkmuster verfestigt und welche Folgen für Muslim:innen und unser gesellschaftliches Zusammenleben daraus entstehen. Wir haben Melina getroffen und unter anderem über genau diese Denkmuster gesprochen, darüber, was ihr noch Hoffnung gibt und wie wir es alle besser machen können.

Du warst zu Gast bei dem Podcast “Ganz schön laut” und sagst da, dass du Lesen überbewertet findest. Wie kamst du dann zu der Idee, ein Buch zu schreiben?

Ich habe, ehrlich gesagt, einfach eine EMail bekommen mit der Frage, ob ich ein Buch schreiben möchte und habe das dann getan. Aber ich finde schon, dass Bücher einen Wert haben. Wenn man Leuten etwas erklären möchte, finde ich persönlich Dokus cooler. Aber das Ding ist, man kann ja nicht über alles eine Doku machen, man muss Informationen ja irgendwie bebildern und wie hätte ich mein Buch bebildern sollen mit all diesen Infos? Klar, manche Stellen hätte man filmisch darstellen können, aber es gibt so viele Themen, aus denen sich besser eine Doku machen ließe.

Und wieso hanserblau?

Mir hatte zuerst ein anderer Verlag geschrieben. Ihr könnt das auch auf meinem Instakanal nachlesen, denn das ist leider nicht gut gelaufen. Die haben mir eine EMail geschrieben und gefragt, ob ich ein Buch schreiben möchte zu einem bestimmten Thema, dann haben sie aber ganz komische Sachen abgezogen, z.B. mir einen Vertrag vorgeschlagen und per E-Mail geschickt, damit ich nachsehe, ob alles passt und als ich den bestätigt hatte, haben sie mir den Vertrag nochmal zurück geschickt und hatten Sachen geändert und gedacht, ich checke das nicht. Das war alles ziemlich schlimm. Dann habe ich erst nach einem Jahr wieder die Nerven und den Mut gesammelt, um wieder in diesen Prozess zu gehen und habe Max Czollek mein Manuskript geschickt. Er hat einem anderen Autor davon erzählt, beide haben es an ihre Verlage geschickt und

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"Antimuslimischer Rassismus ist so weit verbreitet, ich könnte ein ganzes Buch schreiben … Oh wait, hier ist es!"

ich habe mich dann für hanserblau entschieden. Ich habe, weil ich ganz viel zu Medien arbeite und über antirassistische Medienkritik schreibe, mir erstmal das Thema des Buches falsch gemerkt und ein Buch darüber geschrieben, was man im Umgang mit Medien falsch macht und wie man aus journalistischer Perspektive besser in der Berichterstattung vorgehen könnte. Und darüber, worauf man aus Leser:innen-Perspektive besser achten sollte und wie mit Rassismus umgegangen wird. Als ich es abschicken wollte, habe ich in der Mail jedoch gesehen, dass sich das Buch nicht um Medien drehen sollte, sondern um Sprache generell. Da dachte ich nur: “Shit, ich hab das falsche Buch geschrieben!” Ich habe dann ganz schnell bei Word über “Find and Replace” das Wort “Journalist:innen” durch das Wort “Menschen” ersetzt. Dann musste ich ein paar Kapitel rausschmeißen, die nur auf Medien und mediale Formen abzielen und nichts mit Sprache zu tun haben. Und habe noch mehr Kapitel zur Sprache snatt zu Medien geschrieben. Danach konnte ich es abschicken!

Könnte aus den rausgeschmissenen Kapiteln dann ein anderes Buch werden, auf das wir uns freuen können?

Ja, ich hab ja schon die Hälfte des Buches geschrieben. Das wäre dann eben ein Buch mit dem Schwerpunkt “Medien”, also: Hallo, gut zahlende Verlage!

"Wir sind alle keine Expert:innen für alle Lebensrealitäten der Welt, aber ich glaube, wenn die Grundgedanken korrekt sind und wir darauf achten, hilft das schon viel."

Du sagst ja in deinem Buch, dass Sprache Gedanken und Verhalten formen kann und wir durch das Reflektieren und Hinterfragen von Sprache gleichzeitig unsere Gedanken und unser Verhalten reflektieren. Hast du Tipps, wie wir dabei am besten vorgehen können?

Der erste Tipp, jetzt nicht nur bezogen auf antimuslimischen Rassismus, sondern auf alle Diskriminierungsformen, ist der, auf doppelte Standards zu achten. Also einfach eine Umkehr zu machen und sich zu denken: “Okay, wenn jetzt so über eine andere Gruppe gesprochen werden würde oder in einer anderen Situation, wäre das dann okay?”

Ein Beispiel: Warum gibt es Leute, die allen Ernstes Karriere als Islamkritiker:innen machen? Es gibt aber keine Christentumkritiker:innen und Judentumkritiker:innen - glücklicherweise nicht, aber es ist halt so ein doppelter Standard. Genauso wird von radikalen und gemäßigten Muslim:innen gesprochen. Warum gemäßigte Muslim:innen? Als ob wir irgendwelche wilden Tiere sind und nur akzeptabel, wenn wir gemäßigt, also unter Kontrol-

le sind. Es gibt so viele Sachen, die über Muslim:innen gesagt werden, die aber sonst nicht verwendet werden.

Die zweite Möglichkeit ist, sich zu überlegen: Gibt es Klischees oder Stereotype, die ich bestärke mit bestimmten Aussagen oder habe ich, z. B. etwas ausgelassen, wissentlich oder unwissentlich, einen wichtigen Teil des Kontextes, der jetzt fehlt? Habe ich etwas unsichtbar gemacht durch Euphemismen oder Kontextualisierung? Stimmt mein Framing oder habe ich Sachen miteinander verbunden, die eigentlich nicht miteinander verknüpft sind?

Ich habe ein Kapitel im Buch, das eine Checkliste beinhaltet und angibt, was man alles beachten könnte, um besser zu reden und zu denken und natürlich auch, um sich besser zu verhalten. Mit der Zeit trainiert man sich diese Fragen an und die meisten Menschen haben auch Verständnis dafür, dass man manche Sachen einfach nicht weiß. Ein Beispiel: Wenn ich mit Menschen mit Behinderung rede, gibt es ja auch vieles, was ich nicht verstehe. Oder auch unterschiedlichen Formen von Rassismus. Es gibt keine Expert:innen für alle Lebensrealitäten der Welt, aber ich glaube, wenn die Grundgedanken korrekt sind und wir darauf achten, hilft das schon viel. Ich gebe auch Workshops über bessere Berichterstattung und Benutzung besserer Sprache und da nicht nur zu antimuslimischem Rassismus, sondern generell. Dafür benutze ich immer einen Probetext, der ganz krass transfeindlich ist. Sogar ältere Menschen, die nichts mit dem Thema zu tun haben, können diesen Text ganz leicht korrigieren, auch wenn sie sich mit den Begriffen nicht auskennen. Wenn man aber die richtigen Grundgedanken hat, wie zum Beispiel in dem Fall, dass wir die Pronomen respektieren, folgt das andere von selbst. Klar kann man immer Fehler machen, aber wenn der Grundgedanke da ist, dann kommt der Rest schnell.

Gibst du noch weitere Workshops? Du hast auch The Perspective Collective gegründet, kannst du uns davon ein bisschen erzählen?

Ich mache mit ihnen und alleine Workshops. Ich gebe verschiedene Kurse zu Social Media Storytelling, wie man über Social Media besser die Leute erreicht und auch unter diesem Diskriminierungs-Sprache-Aspekt. Es gibt welche speziell zum antimuslimischen Rassismus und zu Rassismus, nur zur Sprache allein oder zur Öffentlichkeitsarbeit generell. Ich habe verschiedene Bausteine und es ist mega spannend zu sehen, dass ich so viele Anfragen aus allen möglichen Ecken bekomme, wie NGOs und Unternehmen, etc.

Was ist für dich das wichtigste Kapitel deines Buches? Was willst du den Menschen mit deinem Buch mitgeben?

Für mich ist das wichtigste Kapitel mit Abstand das Kapitel zu Genoziden. Weil ich finde, dass sogar innerhalb der muslimischen Community Genozide ignoriert werden. Die Leute haben Mitgefühl und denken daran, aber Genozide werden nicht als ein Teil

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von Rassismus gesehen, dabei ist Genozid der Tiefpunkt von Rassismus. Irgendwie sehen die Leute nicht den Zusammenhang und auch, wenn jemand den Genozid leugnet, sehen die Leute nicht, dass das rassistisch ist. Dabei würden wir das bei anderen Themen verstehen. Wir würden nie sagen “Dieser Typ ist zwar Holocaust-Leugner, aber er ist kein Antisemit”. Wir würden sofort verstehen, dass es antisemitisch ist, den Holocaust zu leugnen. Aber wenn der Genozid an Bosniak:innen oder Uigur:innen geleugnet wird, tun viele so, als wäre das nicht ihr Problem und als wäre es kein Rassismus, all die Vereine die zu antimuslimischen Rassismus arbeiten oder zu Rassismus generell. Ich bin da wirklich sauer! Ich war vor ein paar Tagen bei einer Demo, die von uigurischen Menschen, Tibeter:innen, Menschen aus Hongkong und anderen organisiert wurde. Dort waren 20 Leute. Dabei hat Berlin fast 4 Millionen Einwohner:innen und die meisten würden, wenn man sie fragen würde, sagen “Ja, natürlich bin ich gegen Massenmorde und Zwangssterilisierung und Rassismus". Aber es war fast keiner auf der Demo. Und ich bin mir sicher, es wären mehr Leute dabei gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass das überhaupt stattgefunden hat. Aber sie wissen es nicht, weil all die Leute, denen man folgt oder Newsletter, die man abonniert, um sich über Rassismus zu informieren, nicht auf Genozide achten. Das ist aber das wichtigste Thema, wenn es um Rassismus geht.

Ich habe das Gefühl, dass immer wieder an den Formen von Diskriminierung gearbeitet wird, die einen selbst betreffen. Dass man z.B. als queere Person eher auf queere Rechte achtet, als PoC auf Rassismus usw., das ist ja zu einem Teil nachvollziehbar. Aber dass man sogar, wenn man selbst Rassismus erlebt hat, eher an Sachen arbeitet wie Diskriminierung bei der Job-Suche und Wohnungssuche usw., aber nicht daran, dass andere Leute gefangen gehalten werden, das verstehe ich nicht. Das kommt nicht an. Und das empfinde ich als einen riesigen Skandal.

Kannst du uns die wichtigsten Fakten zu dem Thema nochmal sagen?

Erstens: Der Grund, warum ich “Genozid” sage und nicht “Völkermord”: Weil Völkermord impliziert, dass es ums Morden geht, selbst, wenn es nicht so gedacht ist. Aber bei Genoziden geht es nicht ums Morden, sondern um Ausrottung. Laut UN-Genozid-Convention beinhaltet Genozid, vereinfacht gesagt, eine oder mehrere Taten, die mit dem Ziel verübt werden, eine bestimmte Gruppe auszurotten. Das kann durch Mord passieren, aber auch durch Zwangssterilisierung oder die Überführung von Kindern von einer Gruppe in eine andere oder durch das Kreieren von Umständen, die ein Überleben unmöglich machen, wie zum Beispiel künstlich erzeugte Hungersnöte. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn sehr viele Leute denken, Genozid bedeutet “viel töten”. Ja, es wurden viele tausend Uigur:innen getötet, aber es gibt auch Millionen, die in den Lagern gefangen gehalten, aber nicht getötet werden. Die werden zum Beispiel zwangssterilisiert, das ist auch eine Ausrottungsmethode. Wie soll es eine nächste Generation geben, wenn fast alle

Frauen sterilisiert sind?!

Das ist auch erwiesen: Ein Beispiel ist der Unterschied zwischen der Bombardierung von Deutschland bei der 400.000 Menschen getötet wurden. Hier war das Ziel ja nicht, dass Deutsche ausgerottet werden und nie wieder existieren, sondern das Ziel war es, den Zweiten Weltkrieg zu stoppen. In Peru wurden 400.000 Leute nicht getötet, sondern 400.000 indigene Frauen wurden zwangssterilisiert und das Regime hat das wirklich bürokratisch gemacht, immer darauf geachtet, wie viele Frauen sterilisiert wurden - das ist Genozid. Es ist sehr wichtig, diese Unterscheidung zu machen und “Genozid” zu sagen statt “Völkermord”, “Massaker”, “Tragödie” oder “Katastrophe”. Oder auch statt “ethnische Säuberung”, was im internationalen Strafrecht überhaupt nicht als ein Verbrechen definiert ist, sondern nur ein Euphemismus für den Genozid an Bosniaken. Wenn ihr über Genozid reden wollt, dann sagt “Genozid”. Der allererste Genozid, der in Deutschland gerichtlich anerkannt wurde, war der Genozid in Bosnien. International anerkannt ist weder der Holocaust noch irgendein anderer Genozid. Die Leute verstehen nicht, wie extrem schwer es ist, einen Genozid vor Gericht nachzuweisen. Weil du nicht nur beweisen musst, was alles passiert ist, sondern auch, dass es Absicht war, diese Dinge zu tun, mit dem Ziel, diese Menschengruppe zu vernichten.

In Bosnien fing der Genozid schon 1992 an und dauerte dann fast 4 Jahre. In dieser Zeit wurden fast alle Beweise vernichtet. Srebrenica hatte Glück im Unglück, dass sie das Ende des Genozids war, als es noch Beweise gab. Zum Beispiel gibt es die Direktive Nummer 7 von Radovan Karadžić. Er sagt in der Forderung an seine Soldaten, dass sie Umstände kreieren müssen, die ein Überleben unmöglich machen. Das ist ein “Copy-Paste” aus der UN-Genozid-Convention, da muss das UN-Tribunal einfach sagen, dass es Genozid war. In anderen Fällen ist das leider nicht so schwarz auf weiß und man muss verstehen, dass es nicht der Job ist von internationalen Gerichten, oder generell von Gerichten, so etwas festzulegen, weil das unglaublich schwierig ist. Man müsste erstmal warten, bis der Genozid im vollen Gange ist oder eben schon vorbei, um einen Genozid gerichtlich nachzuweisen. So könnte man Genozide nie stoppen. Es ist der Job von Expert:innen, also Genozid-Forscher:innen. Medien und das Bildungssystem sollten an einem Strang ziehen, damit die Leute überhaupt erstmal wissen, was Genozid bedeutet. In fast keinem Beitrag in den deutschen Medien wird der Genozid an Uigur:innen “Genozid” genannt, obwohl sich Genozid-Forscher:innen fast alle einig sind, aber er wird nicht so genannt, weil er nicht gerichtlich bewiesen wurde.

Ich glaube, es ist relativ easy, wenn man die Basics weiß: “Was ist Genozid? Was sind die Stufen von Genozid? Was ist GenozidLeugnung?” Dann hat man schon die Tools, um Genozide zu verstehen, denn es läuft meistens nach den gleichen Mechanismen. Klar gibt es unterschiedliche Fälle, besonders bei Leugnungen werden unterschiedliche Argumente benutzt. Aber die Argumente haben im Kern ganz oft die gleichen Inhalte, es wer-

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den zum Beispiel Opferzahlen runtergespielt, oder es wird so getan, als ob es von den Täter:innen Selbstverteidigung gewesen sei usw. Wenn man die Basis versteht, eröffnet sich eine ganze Wissenswelt, aber irgendwie wird die Basis nie erklärt.

Wer oder was hat dich inspiriert?

Einfach das Leben, da ich selbst vor dem Genozid flüchten musste. Ich kann mich an keinen Zeitraum in meinem Leben erinnern, in dem ich nicht wusste, was Krieg, Bomben oder Ermordung sind. Das war mir immer schon klar und ich weiß auch nicht, wann ich mich politisiert habe. Klar ist das politische Bewusstsein, wenn man vier Jahre alt ist, anders, als wenn man eine erwachsene Person ist, aber trotzdem waren mir bestimmte Sachen immer bewusst. Ich glaube, fast alle Bosniak:innen und Uigur:innen müssen sich mit diesen Themen befassen, ob sie wollen oder nicht. Es gibt Ausnahmen, Leute die null Interesse an der Welt haben, aber das sind wirklich Ausnahmen. Die bosnischen Muslim:innen sind davon betroffen, alle haben dieses Bewusstsein. Außerdem ist es Selbstverteidigung, denn diese Ideologie lebt ja weiter. Wir hatten schon mehrere Genozide an Bosniak:innen, in den 90ern, im Zweiten Weltkrieg und noch davor mehrere und es ist nichts Magisches passiert, keiner hat einen Zauberknopf gedrückt und auf einmal hörte alles auf. Keiner kann garantieren, dass in zehn Jahren nicht noch ein Genozid an Bosniak:innen passieren wird. Es gibt immer noch Angst vor einem Krieg, weil Nationalist:innen immer weiter das tun, was sie wollen. Teilweise ist es einfach Selbstverteidigung, man muss wissen, was es für eine Ideologie gibt, damit man sie bekämpfen kann. Das gilt nicht nur für Bosniak:innen, nicht nur für Muslim:innen, es gilt für alle. Der Genozid in Bosnien tötete mehr als 100.000 Menschen und es war ein Genozid, der an Muslim:innen mitten in Europa stattfand, sechs Stunden Autofahrt von Deutschland entfernt.

nichts über das Thema weiß.

Bemerkst du denn auch eine positive Veränderung in der Gesellschaft?

Es klingt vielleicht wie ein Klischee, aber die jungen Menschen geben mir Hoffnung. Man kann es natürlich nicht pauschalisieren, es gibt auch super coole ältere Menschen und andersrum junge Menschen, bei denen man sich fragt “Was hast du verpasst?”

Selbstverständlich ist das ein Trumpf für Nazis und Rechte. In deren Ideologie ist das Geschehene ein riesiger Hit geworden, sodass Terrorist:innen aus aller Welt, aus El Paso, Utøya, Halle, München und Christ-church, sich in ihren Manifesten auf den Genozid an Bosniak:innen und auf verschiedene Art auf serbische Nationalist:innen beziehen.

Zum Beispiel haben sie die Namen serbischer Kriegshelden auf ihre Waffen geschrieben oder serbische Kriegslieder als Soundtrack genutzt, während sie Menschen ermordeten. Zwei deutsche Menschen in Halle, die nichts damit zu tun hatten, wurden am Ende ermordet, weil sich die Gesellschaft generell, Europa und Deutschland, nicht genug mit dem Thema befasst hat. Kommt jetzt ein Nazi oder ein Rechter und fängt an, mit irgendeiner Scheiße zu argumentieren, dann kann man ihm absolut nichts entgegensetzen, weil man

Es klingt vielleicht wie ein Klischee, aber die jungen Menschen geben mir Hoffnung. Man kann das natürlich nicht pauschalisieren, es gibt auch super coole ältere Menschen und andersrum junge Menschen, bei denen man sich fragt “Was hast du verpasst?”. Aber im Großen und Ganzen diskutieren junge Leute meistens zuerst und reflektieren über Dinge, mit denen sie sich vorher nicht auseinandergesetzt haben. Es wird über Sachen nachgedacht, über die man vorher nichts wusste und das finde ich gut. Zum Beispiel über bestimmte Diskriminierungserfahrungen: Wenn man einer jungen Person erzählt, was einem von einer älteren Person gesagt wurde, sieht meist die ältere Person in gewissen Formulierungen erstmal nichts Problematisches - die jüngere Person hingegen versteht das Problem häufig sofort. Bei älteren Personen muss man meistens viele Level durchlaufen und mehr erklären. Das liegt vielleicht auch daran, dass Menschen mit Migrationshintergrund vorher vor allem Gastarbeiter:innen und Leute aus Kolonien warenZwangsarbeiter:innen, Flüchtlinge usw., also Leute, die am Rand des Todes standen und extreme Armut erfahren haben und die dann in Deutschland einfach dachten: “Okay, hier bin ich wenigstens am Leben, habe Essen”, sprich: “Jetzt Fresse halten und durchhalten”, immer in der Angst, abgeschoben zu werden. Deren Kinder wachsen jetzt in einer anderen Welt auf, sie sind in vielen Fällen in Deutschland geboren, sie haben das Gefühl, dass es ihr Land ist. Warum sollten sie also die Fresse halten, wenn sie jemand beleidigt und rassistisch beschimpft? Und dann kommt es zum Problem, wenn irgendein alter Ulf fragt: “Woher kommst du?”, die Person “Mannheim” antwortet und er daraufhin wieder fragt. Solche Situationen würden den meisten jungen Leuten gar nicht passieren, hier ist keiner verwundert, wenn jemand sagt, er heiße Murat und komme aus Mannheim. Die ältere Generation hat ganz viel leise ausgehalten und jetzt, wenn man die gleichen Sprüche bei jüngeren Leuten bringt, die sich wehren, dann sind die Menschen geschockt, so nach dem Motto: “Hä, meine Nachbarin aus Vietnam hat immer mitgelacht, wenn ich gesagt habe, dass sie Katzen isst!” - Ja, okay, ihre Tochter lacht jetzt aber nicht mehr, also get with the time! Lange Rede, kurzer Sinn: Die jungen Leute geben mir wirklich Hoffnung, dass alles besser wird!

Wie wichtig findest du die Arbeit mit sozialen Medien?

Als richtig, richtig wichtig. Soziale Medien haben viel Unheil und Schlechtes gebracht, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass

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es, bevor wir soziale Medien nutzen konnten, eine krasse Sache war, überhaupt etwas zu veröfentlichen. Damals dachten Leute noch, dass Journalist:innen richtig cool sind, weil man krasse Gatekeeper:innen hatte, man musste erstmal mehreren Redakteur:innen etwas anbieten, die dann ihre Vorgesetzten fragen mussten. Am Ende korrigierten sie alles und fuchtelten daran herum, damit es dann noch viel später in der Zeitung stand, damit wir das am nächsten Tag beim Frühstück lesen konnten.

Heutzutage ist das anders. Ich werde mich nicht abarbeiten, um dann mit irgendeinem Jochen diskutieren zu müssen, wenn ich meine Sachen auch direkt posten kann, noch in der gleichen Sekunde. Und meine Inhalte auf diesem Weg sogar mehr Menschen erreichen, als mit den herkömmlichen Medien. Das wichtigste ist, dass die Gatekeeper:innen weg sind und nicht mehr entscheiden, was veröfentlicht wird und was nicht. Du entscheidest einfach selbst.

Wie schaffst du es gleichzeitig so viele Kanäle zu bespielen, ohne den Überblick zu verlieren?

Es ist viel Recycling, meistens stelle ich Sachen von Twitter auf Instagram, obwohl man das ja eher vermeiden sollte. Instagram macht mir am meisten Spaß, weil Twitter wirklich schwierig ist mit Rechten etc. und auch nicht die Funktionen besitzt, die ich mir wünschen würde. Bei Instagram kann man Leute blockieren und dadurch werden auch deren neue Accounts blockiert. Bei Twitter können sich Personen einfach einen neuen Account erstellen und du müsstest diese erneut blockieren. Ich habe bei Twitter rund 15.000 Leute geblockt und trotzdem habe ich noch nicht das ganze Sifloch weg. Es ist sehr schwierig.

Wie strukturierst du deinen Alltag? Wie weißt du, wann du was posten musst? Gibt es einen Plan, nachdem du arbeitest?

Ich habe weder Plan noch Struktur. Sollte ich haben, ich bin so im Chaos und so im Survivalmode, ich mache immer alles in letzter Sekunde, wenn das Haus schon brennt. Ich bin so wie dieses Meme mit dem Hund, der in Flammen sitzt und sagt “Everything is fne”. Man hat ja immer Pfichten und so in der letzten Sekunde, beziehungsweise nach der letzten Sekunde, wenn ich die Nachricht bekomme “Melina, du hättest uns gestern das und das schicken sollen” dann bin ich so “Ach, sorry, es war in meinen Entwürfen, es ist aber fertig. Dachte, ich habe “Senden” geklickt”. Und dann setze ich mich hin und schreibe das ganz schnell. Es ist immer Chaos und das Schlimme ist, dass ich genau weiß, dass meine Arbeit viel besser ist, wenn ich mit Struktur arbeite und ich mehr Zeit habe. So mache ich es am Ende immer

einfach irgendwie.

Du machst ja eine Lesung mit uns im November. Möchtest du eigentlich noch in anderen Ländern aus deinem Buch lesen?

Bisher gibt es ein paar Möglichkeiten in Deutschland und Österreich, ich würde gerne noch in der Schweiz ein paar Sachen machen. Und in Luxemburg gibt es ja auch einige, die Deutsch sprechen, dort dann vielleicht auch. Oder auf Mallorca! Am Ballermann oder Open Air am Strand - das wäre cool! Während Leute sich in der Sonne bräunen, komme ich an und sage, “Genozid - das wichtigste Kapitel!” (lacht) Ja, also ich muss mich beschränken auf Orte, an denen Deutsch gesprochen wird, aber dort gerne noch mehr Lesungen!

Noch eine letzte Frage. Du sagst im Buch, dass du Deutsch durchs Trash-TV schauen gelernt hast. Hast du heute noch eine liebste Trash-TV-Sendung, die du gerne schaust?

Ja, Talk-Talk-Talk! Ich weiß noch, Samstagabend bei ProSieben, die anderen Leute sind ausgegangen in der Stadt, Nightlife, ich habe Talk-Talk-Talk geschaut. Damals dachte ich noch, das, was ich dort sehe, sei Realität. Ich liebe es, Menschen kennenzulernen. Und ich liebe Vorstellungsrunden. Alle hassen es, aber ich liebe es einfach, den Leuten zuzuhören. Es gibt den englischen Begrif “sonder”, also das Gefühl, wenn du in einem Moment eine Person ansiehst und realisierst, dass diese Person genauso ein komplexes Leben hat wie du selbst. Du siehst quasi das Zentrum ihres Lebens, in dem du nur Nebendarsteller:in bist. Die Person läuft die Straße entlang, vielleicht auf dem Weg zu einer Prüfung, hat gerade Liebeskummer, Bauchweh, was auch immer. Trash-TV habe ich geliebt, weil man dort die Menschen kennenlernt, das war das Coole. Bei Frauentausch gibt es erstmal einen Teil, in dem die Familien vorgestellt werden - wie geil ist das denn? Auch Dating-Shows gucke ich manchmal nur wegen der Vorstellungsvideos. Danach schalte ich ab. Mir ist egal, wer mit wem am Ende zusammenkommt, die bleiben ja eh nie zusammen. Einfach die Vorstellung der Leute, die Lebensrealität. Du hast mich mit vier Männern betrogen, ich dich mit drei Frauen, jetzt wissen wir nicht, von wem das Kind ist - ich liebe es!

Danke für das Interview liebe Melina!

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Interview: Elsa Stappenbeck, Franziska Schwarz

"Schon kleine, kurze Phrasen oder Sprachbilder können vieles im Kopf auslösen. Denn: Sprache formt Gedanken. Gedanken Verhalten. Und Verhalten die Gesellschaft. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Sprache hinterfragen und kritisch reflektieren. Nur so kann sich wirklich etwas verbessern. Nach dem Lesen dieses Buches könnt ihr rassistisches Verhalten - sei es in den Medien, der Politik, im Freundeskreis oder sogar bei euch selbst - besser erkennen und ihm besser entgegentreten. Wer braucht da schon Fitness, Aktiengurus und Smoothies zur Selbstoptimierung, wenn er dieses Buch hat?!"

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Melina Borčak: Mekka hier, Mekka da. hanserblau Verlag, 176 Seiten, 17 €

In den Kopf von Shy – ein depressiver Junge in einer Einrichtung für schwierige Jugendliche, mit einem Rucksack voller Wackersteine auf dem Weg zu einem Teich – nimmt uns Max Porter in seinem kurzen, lyrischen Roman mit. Dabei verwebt er gekonnt verschiedene Ebenen und springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit, realen und erdachten Stimmen im Kopf dieses komplexen Teenagers, die einen vielstimmigen und eindrücklichen Chor bilden. „Shy“ liest sich an Stellen ein wenig wie eine moderne Version von „Der Fänger im Roggen“ durch die starke und verletzliche Erzählstimme eines jungen Mannes, der mit dem Leben unzufrieden ist und schon fast damit abgeschlossen hat. Dabei vermischen sich auch Schreibstile wie Stream of consciousness, theaterartiger Dialog und HipHop-Lyrics um ein trauriges, ehrliches und menschliches Portrait zu zeichnen, das einen hineinzieht. Auch sprachlich ist Max Porters Roman interessant, denn Porter schafft es, Jugendslang und das alltägliche Sprechen in seinen Schreibstil einzubauen, ohne dabei irgendetwas ins Lächerliche zu ziehen. Teile der Handlung und die Randfiguren – Shys Eltern beispielsweise – bleiben jedoch etwas bleich und karg. „Shy“ bleibt am Ende aber trotzdem ein besonderes, düsteres und einfühlsames Buch.

Max Porter: Shy. Kein & Aber Verlag, 144 Seiten, 22 €

Ist das Aussteigen oder ist das Einsteigen?

Einfach weg wollen - dieses Gefühl kenne ich und damit bin ich nicht allein. Deshalb war dieses Buch in die Hand zu nehmen, ein bisschen tröstlich für mich. “Abenteurerin” gibt zwanzig Frauen den Raum, von ihrem Leben im Aufbruch zu erzählen. Davon, wie sie ihren Alltag hinter sich gelassen und sich für das Abenteuer und, mindestens zeitweise, viele Entbehrungen entschieden haben. Ob zu Fuß, auf dem Fahrrad, im Van oder auf dem Pferd - unterwegs sein ist, worum es geht. Klingt ein wenig nach Aussteiger-Geschichten und irgendwie lesen sich die Texte auch so. Aber sie erzählen auch vom Alleine-Reisen als Frau, vom Wunsch nach einer Dusche und dem Ankommen.

Cal Major umrundete mit dem SUP-Board Cornwall und die Isle of Skye und macht auf die Verschmutzung der Ozeane aufmerksam. Belén Castelló entdeckte das Bikepacking für sich und fuhr auf dem Rad durch Europa, Nordamerika und Zentralasien. Amanda Speraw baute mit ihrem Mann einen Schulbus um, verkaufte ihr Haus und zog mit ihrer Familie jahrelang durch die USA. Ness Knight ist professionelle Entdeckerin, suchte in Guyana nach der Quelle des Essequibo, dem drittgrößten Fluss Südamerikas und schwamm durch die gesamte Themse. Dieser Bildband weckt und besänftigt die Sehnsucht gleichzeitig. Und er macht Mut - vielleicht ist es bald Zeit aufzubrechen und einzusteigen ins Abenteuer.

Carolina Amell: Abenteurerin. Starke Frauen und ihr OutdoorLeben. Prestel Verlag, 240 Seiten, 42 €

Auf der Suche nach Antworten

Warum? Hätte ich etwas tun können? Wer war Simone und warum hat sie sich das Leben genommen? Die Journalistin Anja Reich stellt sich diesen Fragen in dem zum Teil autobiographischen Roman “Simone” und rekonstruiert das Leben ihrer Freundin, die kurz nach dem Mauerfall Suizid begeht. Trotz unterschiedlicher Charaktere und in unterschiedlichen Verhältnissen aufwachsend verbindet die beiden nämlich eine tiefe Freundschaft. Nach dem Mauerfall trennen sich ihre Wege, aber sie bleiben doch immer in Verbindung. Erst viele Jahre nach dem Suizid ihrer Freundin beginnt Anja zu recherchieren. Sie reist zu Familienangehörigen von Simone und trifft sich auch mit damaligen Freundinnen, ihrem Bruder und Ex-Freunden. Stück für Stück setzt Anja Reich durch Interviews, Briefe, Tagebücher und Dokumente Simones Leben und auch ihre Gefühlswelt zusammen. Von der Lebensgeschichte ihrer Großeltern und Eltern, über das Aufwachsen in der DDR bis hin zur Wiedervereinigung. Die Lektüre ist sehr berührend und aufwühlend und Anja Reich porträtiert ihre Freundin dabei schonungslos und ehrlich. Ihre anziehende Art, ihre Unsicherheiten und Herrschsucht, aber auch ihre Gefühle und Liebe, Freundschaft und ihre Depression treten dabei in den Vordergrund. Sie navigiert uns durch eine emotionale Reise, durch die Höhen und Tiefen eines Lebens. Ein sehr bewegendes und persönliches Buch, aber auch harte Kost und man sollte auf die Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen und Suizidgedanken vorbereitet sein.

Anja Reich: Simone. Aufbau Verlag, 304 Seiten, 23 €

Emils T i p p
Hip-Hop & der Fänger im Roggen
Franzis T i pp
Tims Ti p p

Ich war schon sehr gespannt auf dieses Debut und als ich dann die ganzen Rezensionen von begeisterten Leser:innen gesehen habe, ist meine Vorfreude nur größer geworden. Und auch während ich Seite für Seite tiefer in diese berührende Familiengeschichte eintauchte wurden meine Erwartungen nur übertroffen. Zentrum der Geschichte ist Arda, Bruder von Aylin und Sohn von Ümran und Metin, dem abwesenden Vater, an welchen Arda nun, wo er nicht weiß, wie viel Zeit ihm noch bleibt, die Worte dieser Geschichte richtet. An seinem Krankenhausbett begegnen sich Mutter und Tochter nach langer Zeit das erste Mal. Die Verhältnisse sind distanziert. Ümran wollte alles besser machen als ihre Mutter, welche sie und ihre Geschwister in der Türkei bei ihrer Tante zurückließ und mit ihrem Mann nach Deutschland ging mit dem Versprechen, wiederzukehren. Es kam alles anders, statt ihrer Rückkehr müssen Ümran und ihre Geschwister hinterher, Ümran muss sich neu zurechtfinden, lernt Metin kennen und mit seinem Fortgehen entwickeln sich ihre Gestaltung des Familienlebens immer mehr in eine Abwärtsspirale. Es gäbe so viel über diese Geschichte zu erzählen. Sie spricht von Erfahrungen von Generationen, von der Übetragung dieser, von der Liebe wie auch dem Trauma, von Migration, von tiefster Freundschaft und prägenden Ereignissen, Identität, von Überforderung, also richtig, richtig großer Überforderung in einer Welt, die es oft nicht gut meint und keine Gefallen vergibt. Das Buch ist leider sehr schnell durch, weil man es nicht aus der Hand legen kann, höchstens, um sich kurz ans Herz zu fassen, aber die Geschichte und Worte hallen ganz lange nach. Versprochen.

Necati Öziri: Vatermal. Claassen Verlag, 304 Seiten, 25 €

Während sich die Welt allmählich in eine neue, post-pandemische Realität einfügt, stellt auch Sedaris fest, dass er selbst sich verändert hat. Sein Angebot, die Zähne eines Fremden zu reparieren, wird zwar abgelehnt, doch dann korrigiert der Autor eine eigenen und wagt sich mit neuem Selbstvertrauen in die Welt. Sedaris widmet sich in diesem Essay Band Gedankenexperimenten: Frisch verwaist, denkt er darüber nach, was es bedeutet, in seinem siebten Lebensjahrzehnt nicht mehr jemandes Sohn zu sein. Zurück auf der Straße entdeckt er ein vom Kampf gezeichnetes Amerika: Erschöpfte Menschen, leere oder mit „Help Wanted“-Schildern geschmückte Ladenfronten, mit Graffiti bemalte Wände, die die widersprüchlichen Botschaften unserer Zeit widerspiegeln: Eat the Rich. Trump 2024. Black Lives Matter. Ich mochte diesen humorvollen Rückblick auf die letzten Jahre, der nachdenklich macht. Sedaris findet im Alltäglichen das Absurde und im Absurden das Urkomische.

David Sedaris: Bitte lächeln. Blessing Verlag, 288 Seiten, 24 €

Die Cochlea ist der Ort, an dem die sogenannten Haarzellen die Schallwellen in elektrische Impulse umwandeln, damit unser Gehirn den Klang verarbeiten kann. Louise soll ihre durch ein Implantat ersetzt bekommen, aber möchte sie das auch? Seit sie klein ist braucht sie ein Hörgerät und sowieso hört sie nur noch auf dem rechten Ohr überhaupt etwas, nun fällt auch in diesem die Hörfähigkeit rapide und Louise muss sich entscheiden. Das ist die zentrale Frage des Buches: Qualle werden oder transhumanistischer Cyborg? In der Zwischenzeit befindet sie sich in einem Schwebezustand und verhandelt ihre Situation mit ihren Freunden. Die sind teilweise reale Personen (vermutlich) und teilweise imaginierte Gestalten. Ein Soldat aus dem Ersten Weltkrieg, ein Hund namens Zirrus und eine Botanikerin, die Louises Klangherbarium aufbewahrt. Gleichzeitig beginnt sie für die Stadtverwaltung zu arbeiten, wo sie wegen ihrer Ohren ständig versetzt wird und irgendwelche Daten digitalisieren muss. Umso näher die Entscheidung rückt, desto intensiver werden ihre Fantasien, aber auch die Diskussionen mit ihren engsten Bezugspersonen. So möchte ihre Freundin Anna sie zum Beispiel davon abbringen, sich das Implantat einsetzen zu lassen, ihr neuer Beziehungspartner Thomas und ihre Mutter hingegen sind Implantat-Befürworter. Egal wie sie sich entscheidet, der Weg dorthin hat mich begeistert. Rosenfeld schreibt ebenso witzig wie ernst und beschwört dabei die skurrilsten, genialsten sprachlichen Bilder herauf. Einen Roman, der so sehr Perspektiven verschiebt und zum Weiterund Nachdenken angeregt hat, findet man selten. Es kommen Themen auf von Ableismus über Identität, Arbeit und Kapitalismus, Freundschaft bis hin zur Kraft der Fantasie und noch so viel mehr auf nur 220 Seiten, einfach genial. Taucht ein in dieses buchförmige Schwimmbecken und genießt den kurzen friedlichen Moment, in dem die Schreie der Kinder nur noch dumpf durch das Wasser zu euch dringen.

Adèle Rosenfeld: Quallen haben keine Ohren. Suhrkamp Verlag, 221 Seiten, 23 €

Kathas T i p p Unvergessliche Intensität
Davids t i pp
Rafaels T i pp
Zwischen Schall und Licht Black Lives Matter, Eat the Rich & Trump

Voland & Quist steht für mutige, emanzipierte, frische Literatur, die in keine Schubladen passt, für Komik und Lyrik, für besondere illustrierte Kinder-, Jugendund Erwachsenenbücher. Gute Geschichten, aber auch Grenzgänge, Ungewöhnliches und Experimentelles finden im VQ Verlag ein Zuhause und eine ebenso begeisterte Leser:innenschaft. Wir sind große Fans des Verlags und durften ihm drei Fragen stellen:

Was ist euer Lieblingstitel des Jahres?

Schwer zu sagen, da gibt es mehrere, weil unser Buchgeschmack so vielseitig ist wie unser Verlagsprogamm! Aber Sven (Veranstaltungen & Marketing) freut sich besonders über den Erfolg von Ralph Tharayils

Debüt "Nimm die Alpen weg" aus dem Frühjahr - es ist schön zu sehen, dass auch sprachlich herausfordernde Texte, die Genregrenzen herausfordern, so aufmerksam wahrgenommen werden.

Verlagsvorstellung Voland & Quist

Bei welchem Thema werdet ihr euch im Verlag überhaupt nicht einig?

Wir versuchen im Team die Hierarchien flach zu halten und alle einzubeziehen und zu hören - das führt natürlich zu mehr Diskussionen, was wir aber sehr begrüßen. Die aktuellen Themen, die im Team besprochen werden, sind auch Hot Topics in der Branche: Triggerwarnungen und Sensitivity Readings versus Kunstautonomie und Selbstbestimmtheit der Leser:innen.

Wenn ihr als Verlagsteam auf eine einsame Insel geschickt werden würdet und nur ein Buch zum Vorlesen darbei hättet, welcher Titel wäre das?

Es gibt so viele tolle Bücher, was für ein Horrorszenario, nur ein Buch mitnehmen zu können! Aber: Als Ex-Verlegerin Karina Fenner den Verlag vor ein paar Jahren verlassen hat, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden, hat sie uns zum Abschied eine Gedichtsammlung von Mascha Kaléko geschenkt. Ich denke, das wäre eine ganz gute Vorleselektüre, die wir uns auch alle gern anhören würden.

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Seit ein paar Wochen ist Schwein allein. Trübe blickt es aus dem Fenster. Irgendwo hinter diesem Himmel wird noch ein Himmel sein und dahinter noch einer. Gut, dass Dachs einen Apparat erfunden hat, mit dem sich in Gottes Wohnung wechseln lässt. Dort sitzen sie dann, mit dem Schöpfer am Küchentisch und zitternd nimmt etwas seinen Anfang.

Noemi Somalvico: Ist hier das Jenseits, fragt Schwein. Voland & Quist, 144 Seiten, 22 €

Simone Scharbert führt uns mit »Rosa in Grau« in psychiatrische Anstalten der Nachkriegszeit. An Orte, wo Menschen ohne Privatsphäre unter katastrophalen Bedingungen leben. Ein aufwühlender, sprachlich funkelnder Roman über Kontrollverlust und Grenzerfahrungen, über Liebe und Freundschaft. Und über die Kunst als letztes Refugium der Hoffnung – mit engen Bezügen zur Sammlung Prinzhorn.

Simone Scharbert: Rosa in Grau. Eine Heimsuchung. Voland & Quist, 184 Seiten, 22 €

In einer lyrisch-luziden Prosa entwickelt Ralph Tharayil in seinem Debüt eine unvergleichliche »coming of age« Geschichte, die von den Formen und Deformationen der Integrationserfahrung erzählt und von der Sprache und den Körpern, die sich dieser Erfahrung widersetzen.

Ralph

Tharayil: Nimm die Alpen weg. Voland & Quist, 128 Seiten, 22€

Tragisch, lustig, herzzerreißend — dieser Roman schleift einen mit Tempo durch Tränentäler, Ablenkungsmanöver, missratene Dates, Nähe-Distanz-Probleme, kosmische Orgasmen und Vernichtungsphantasien, kurz: eine ganz normale Trennung.

Olivia

Kuderewski: Haha

Heartbreak. Voland & Quist, 160 Seiten, 22€

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Ausflugstipp

Raus in die Natur! Der Herbst lädt zu Wanderungen im Wald ein und es findet sich so allerlei zwischen dem herabfallenden goldenen Laub und wer genau aufpasst, kann auch so einiges lernen.

BAUTEN UND NESTER

BAUTEN UND NESTER

BAUTEN UND NESTER

Bauten und Nester

Jede Tierart hat sein Territorium, in dem zumindest zeitweise eine irgendwie geschaffene Behausung ein zentraler Bestandteil ist. Dieser Platz bietet Schutz vor Feinden und Witterung und dient der Jungenaufzucht als Schlafplatz, Tagesversteck oder der Überwinterung.

Jede Tierart hat sein Territorium, in dem zumindest zeitweise eine irgendwie geschaffene Behausung ein zentraler Bestandteil ist. Dieser Platz bietet Schutz vor Feinden und Witterung und dient der Jungenaufzucht als Schlafplatz, Tagesversteck oder der Überwinterung.

Tiere bauen in Größe, Form, Baumaterial und Platzwahl sehr unterschiedliche Bauten und Nester, sodass der kundige Spurenkenner in vielen Fällen von der vorgefundenen Behausung auf die entsprechende Tierart schließen kann.

Tiere bauen in Größe, Form, Baumaterial und Platzwahl sehr unterschiedliche Bauten und Nester, sodass der kundige Spurenkenner in vielen Fällen von der vorgefundenen Behausung auf die entsprechende Tierart schließen kann.

Im Arbeits- und Zeitaufwand unterscheiden sich die Wohnstätten der in unseren Breiten lebenden Säugetiere ganz beträchtlich und wir finden zwischen gerade mal von Laub und Ästen befreiten Liegeplätzen auf dem blanken Boden bis hin zu kompliziert verzweigten und sich über mehrere Etagen erstreckenden Wohnbauten praktisch alle Übergänge.

Im Arbeits- und Zeitaufwand unterscheiden sich die Wohnstätten der in unseren Breiten lebenden Säugetiere ganz beträchtlich und wir finden zwischen gerade mal von Laub und Ästen befreiten Liegeplätzen auf dem blanken Boden bis hin zu kompliziert verzweigten und sich über mehrere Etagen erstreckenden Wohnbauten praktisch alle Übergänge.

Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Sie brauchen keine schützende Kinderstube und die Wohnplätze dieser Arten sind einfache Lager oder leichte Vertiefungen direkt am Erdboden, deren Platz sich ständig ändern kann.

Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Sie brauchen keine schützende Kinderstube und die Wohnplätze dieser Arten sind einfache Lager oder leichte Vertiefungen direkt am Erdboden, deren Platz sich ständig ändern kann.

Viele andere Säugetierarten bringen hingegen nackte, blinde Junge zur

Viele andere Säugetierarten bringen hingegen nackte, blinde Junge zur

Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Sie brauchen keine schützende Kinderstube und die Wohnplätze dieser Arten sind einfache Lager oder leichte Vertiefungen direkt am Erdboden, deren Platz sich ständig ändern kann.

Welt, die die ersten Lebenstage oder -wochen in einem wärmenden, vor Feinden geschützten Erdbau, einer Höhle oder einem Nest verbringen müssen.

Welt, die die ersten Lebenstage oder -wochen in einem wärmenden, vor Feinden geschützten Erdbau, einer Höhle oder einem Nest verbringen müssen.

Vögel legen zur Eiablage und zur Kükenaufzucht Nester an, die mit unterschiedlichem Aufwand gefertigt werden.

Die Jungen von Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen sind bei der Geburt schon voll entwickelt und bereits wenige Stunden danach in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Sie brauchen keine schützende Kinderstube und die Wohnplätze dieser Arten sind einfache Lager oder leichte Vertiefungen direkt am Erdboden, deren Platz sich ständig ändern kann.

Welt, die die ersten Lebenstage oder -wochen in einem wärmenden, vor Feinden geschützten Erdbau, einer Höhle oder einem Nest verbringen müssen.

Vögel legen zur Eiablage und zur Kükenaufzucht Nester an, die mit unterschiedlichem Aufwand gefertigt werden.

Viele andere Säugetierarten bringen Frisch geborenes Kalb eines Rothirsches.

Vögel legen zur Eiablage und zur Kükenaufzucht Nester an, die mit unterschiedlichem Aufwand gefertigt

Jede Tierart hat sein Territorium, in dem zumindest zeitweise eine irgendwie geschaffene Behausung ein zentraler Bestandteil ist. Dieser Platz bietet Schutz vor Feinden und Witterung und dient der Jungenaufzucht als Schlafplatz, Tagesversteck oder der Überwinterung.

Tiere bauen in Größe, Form, Baumaterial und Platzwahl sehr unterschiedliche Bauten und Nester, sodass der kundige Spurenkenner in vielen Fällen von der vorgefundenen Behausung auf die entsprechende Tierart schließen kann.

Die Jungen von Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen sind bei der Geburt schon voll entwickelt und bereits wenige Stunden danach in der

Im Arbeits- und Zeitaufwand unterscheiden sich die Wohnstätten der in unseren Breiten lebenden Säugetiere ganz beträchtlich und wir finden zwischen gerade mal von Laub und Ästen befreiten Liegeplätzen auf dem blanken Boden bis hin zu kompliziert verzweigten und sich über mehrere Etagen erstreckenden Wohnbauten praktisch alle Übergänge.

Jede Tierart hat sein Territorium, in dem zumindest zeitweise eine irgendwie geschaffene Behausung ein zentraler Bestandteil ist. Dieser Platz bietet Schutz vor Feinden und Witterung und dient der Jungenaufzucht als Schlafplatz, Tagesversteck oder der Überwinterung.

Die Jungen von Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen sind bei der Geburt schon voll entwickelt und bereits wenige Stunden danach in der

Tiere bauen in Größe, Form, Baumaterial und Platzwahl sehr unterschiedliche Bauten und Nester, sodass der kundige Spurenkenner in vielen Fällen von der vorgefundenen Behausung auf die entsprechende Tierart schließen kann.

Die Jungen von Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen sind bei der Geburt schon voll entwickelt und bereits wenige Stunden danach in der

Im Arbeits- und Zeitaufwand unterscheiden sich die Wohnstätten der in unseren Breiten lebenden Säugetiere ganz beträchtlich und wir finden zwischen gerade mal von Laub und Ästen befreiten Liegeplätzen auf dem blanken Boden bis hin zu kompliziert verzweigten und sich über mehrere Etagen erstreckenden Wohnbauten praktisch alle Übergänge.

Viele andere Säugetiere bringen hingegen nackte, blinde Junge zur Welt, die die ersten Lebenstage oder -wochen in einem wärmenden, vor Feinden geschützten Erdbau, einer Höhle oder einem Nest verbringen müssen.

Vögel legen zur Eiablage und zur Kükenaufzucht Nester an, die mit unterschiedlichem Aufwand gefertigt werden.

12 13
und Nester
Bauten
Feldmäuse bringen ihre Jungen in einem Erdnest zur Welt.
12 13
Rauchschwalben: Bettelnde Küken im Nest. Bauten und Nester Frisch geborenes Kalb eines Rothirsches. Feldmäuse bringen ihre Jungen in einem Erdnest zur Welt.
12 13 Bauten und Nester
Rauchschwalben: Bettelnde Küken im Nest. Frisch geborenes Kalb eines Rothirsches. Feldmäuse bringen ihre Jungen in einem Erdnest zur Welt. Rauchschwalben: Bettelnde Küken im Nest. Feldmäuse bringen ihre Jungen in einem Erdnest zur Welt. Rauchschwalben: Bettelnde Küken im Nest. Frisch geborenes Kalb eines Rothirsches. Frank Hecker: Tierspuren lebensgroß, Kosmos Verlag, 128 Seiten, 14 €

REH

Capreolus capreolus Ordnung Paarhufer

KOPF-RUMPF-LÄNGE: 100–130 cm

GEWICHT: 10–30 kg

Rehe sind die kleinsten europäischen Vertreter aus der Familie der Hirsche. Die Männchen (Böcke) tragen ein bis zu etwa 30 cm langes, je nach Alter des Tieres in mehreren Sprossen endendes Geweih, die Weibchen (Ricken) bilden kein Geweih aus. Rehe haben einen kaum sichtbaren, stummelförmigen Schwanz, die Analregion („Spiegel“) ist leuchtend weiß. Jungtiere (Kitze) sind weiß getupft.

Rehe bevorzugen deckungsreiche, klein strukturierte Landschaften wie lichte Wälder, Heckenlandschaften, Moor- und Heidegebiete, zur Nahrungssuche häufg auf Feldern und Wiesen.

Rehe ernähren sich rein pfanzlich von Gräsern, Blättern, Kräutern, Rinde, Knospen, Eicheln, Bucheckern, Pilzen und Feldfrüchten.

TRITTSIEGEL

Rehe sind Paarhufer, die zu den sogenannten Zehenspitzengängern zählen. Die Hufen sind Hornschuhe und bestehen aus zwei sogenannten Schalen; das Trittsiegel besteht daher im Wesentlichen aus den Abdrücken dieser beiden schmalen, spitz zulaufenden Schalen.

Trittsiegel etwa 4–5 cm lang, 3 cm breit.

(c) Frank Hecker (Fotos)

Kalte Monate sind zum basteln da!

Es ist kalt draußen und die Zeit des gemütlichen Zuhausebleibens. Ab jetzt geht das sogar wieder ohne ein schlechtes Gewissen, denn vor der Tür regnet, stürmt und schneit es eh. Jetzt ist auch die Zeit erreicht, in der wir Zuhause besonders auf uns achten und uns Gutes tun wollen. Es ist Zeit zu basteln, zu nähen, zu malen und zu stricken. Holt euch hier und in den vorgestellten Büchern die Inspiration für gemütliche Beschäftigungen in den eigenen vier Wänden.

Motivation für's Stricken gefällig?

Serienfans aufgepasst: Thorsten Duit kriegt euch alle zum Stricken. In Knitflix stellt er 15 fancy Projekte zum Nachstricken vor. Natürlich mit Anleitung inklusive Angaben zu Material, Größe, Maschenprobe, Muster und Strickweise. Auch eine kurze Erklärung zu verschiedenen Stricktechniken ist mit dabei. The Witcher, Lupin, Sex Education oder Glow - Lieblingsserie schauen und gleichzeitig Outfit nachstricken ist jetzt drin.

Thorsten Duit: Knitflix

Edition Michael Fischer

112 Seiten 20,00€

Heute bleibt der ofen aus!

Töpfern macht Spaß und ist toll, um mit den Händen zu arbeiten. Einziges Problem ist oft der fehlende Brennofen zuhause. Aber wer braucht den schon? Mit diesem Buch kannst du endlich all deine zauberhaften Töpferprojekte auch ganz ohne Brennofen umsetzen. Ohne großen Aufwand und mit Schritt-fürSchritt Anleitungen kannst du dann bei der nächsten Dinnerparty auch so richtig angeben.

Colors of the earth: Töpfern ohne Brennofen frech verlag 80 Seiten, 15 €

A ritual worth the time

Was ist eigentlich dieses ominöse Journaling, von dem alle reden? Im Gegensatz zum Tagebuch schreiben, fokussierst du dich beim Journaling mehr auf deine Empfindungen und welchen Effekt sie auf dich haben. In diesem Set findest du Karten, die dir dabei helfen und Übungen bereit stellen, um auch direkt mit dem Schreiben loszulegen. Schnapp dir ein leere Notizbuch und leg los.

Nina Karnikowski: deine innere Stimme. Laurence King Verlag. 18 €

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Selbst gebastelt aus Naturmaterialien!

Mithilfe von ausführlichen Anleitungen zeigt dir die Berliner Bestsellerautorin Josephine "Eni" Kirsch, wie du aus Stoff, Holz und Papier wunderschöne Deko- und Geschenkideen umsetzen kannst. Über ihren Instagram-Account @yeah_ handmade lässt sie ihre Follower:innen regelmäßig an ihrem kreativen Chaos teilhaben. Eine echte Empfehlung für alle, die zurückhaltende, besondere Deko in natürlichen Farben lieben!

Josephine Kirsch: Einfach Kreativ mit @yeah_handmade. Topp Verlag, 18,99 €

Magische Rituale für jeden Tag gefälligst?

Yes, please!

Es haben sich so viele langweilige Alltagsrituale eingeschlichen, warum das Ganze also nicht mit etwas Magie würzen? Der Herbst ist doch die perfekte Jahreszeit, um die gewohnten Pfade zu verlassen und sich auf eine magische Entdeckungsreise zu begeben. Hier kommt alles zusammen: Von Naturkunde und Farbenlehre über Kristalle, Amulette, Tarotkarten und Atemtechniken bis hin zu Zaubersprüchen und dem eigenen Hexenzirkel. Falls dich das noch nicht überzeugt hat, lohnt es sich auch einfach wegen der unglaublich schönen Illustrationen.

Ambrosia Hawthorn: Everyday Witchcraft. Goldmann Verlag, 15 €

Dem Alltag entfliehen mit märchenhaften Motiven

Die Illustratorin Daniela Drescher schafft und erfindet märchenhafte Illustrationen, die dazu einladen, einen ruhigen und schönen Ausgleich zum hektischen Alltag zu schaffen. Für Anfänger:innen leicht umsetzbar und perfekt für einen ruhigen Herbstabend!

Daniela Drescher: Liebevolle Stickereien. Acufactum Verlag, 19,90 €

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Rezepte

für 4 Portionen

300 g Pilze

1 Zwiebel

1 Möhre

2 EL vegane Butter

170 g vegane Filetstücke

nach Hähnchenart

150 ml trockener Weißwein

350 ml Gemüsebrühe

2 Lorbeerblätter

1/2 Bio-Zitrone

1 Glas Kapern

4 Stangen weißer Spargel

75 g TK-Erbsen

250 g vegane Sahne

(z.B. Hafer-, Cashew- oder Sojacreme-Cuisine)

frisch geriebener Muskatnuss

Salz, Pfeffer aus der Mühle

2 Stängel frische Petersilie

Veganes Hühnerfrikassee

Zubereitung: Die Pilze gut putzen und in Scheiben schneiden. Die Zwiebel schälen und klein würfeln. Die Möhre schälen und in Scheiben schneiden. Die Butter in einer tiefen Pfanne erhitzen und die Zwiebel darin glasig dünsten. Filetstücke zugeben und rundherum braun anbraten. Pilze und Möhren zugeben und mitbraten. Mit Weißwein und Gemüsebrühe ablöschen, Lorbeerblätter zufügen und ca. 12 Minuten bei geschlossenem Deckel köcheln lassen.

Die Zitrone heiß abwaschen, trocken tupfen, die Schale abreiben und den Saft auspressen. Die Kapern abgießen. Die Spargelstangen in ca. 2 cm lange Stücke schneiden. Spargel, Erbsen, Kapern 1 EL Zitronensaft und 1 TL Zitronenabrieb zum Gemüse zufügen und alles mit Sahne aufgießen. Bei kleiner Hitze 5 Minuten köcheln lassen.

Die Lorbeerblätter entfernen und das Frikassee mit Muskatnuss, Salz und Pfeffer abschmecken. Die Petersilie waschen, trocken schütteln, die Blättchen abzupfen und fein hacken. Das Frikassee mit gehackter Petersilie bestreuen.

Rezepte entnommen aus: Charlotte Weise: Einfach perfekt unperfekt. Community Editions, 160 Seiten, 22 €

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© Charlotte Weise, Community Edition

Apocalyse now?

Immer mehr junge Menschen entwickeln Ängste. Ängste davor, dass unsere Welt vor dem Ende steht und die Welt die ganzen Krisen, die wir vermehrt in den letzten Jahren durchlaufen sind, nicht mehr lange tragen kann: Klimawandel, Krieg, Inflation und Pandemie - was kommt als Nächstes? Wie sieht unsere Zukunft aus? Können wir diese überhaupt noch mitgestalten oder ist es bereits zu spät? Christian Jakob, Autor und Redakteur, 2017 mit dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journaismus ausgezeichnet, beschäftigt sich mit den Ursachen und Folgen der Ängste auf unsere Gesellschaft. Angesprochene Themen sind unter anderem die verzehrte Wahrnehmung durch Medien, das Verhältnis von Eltern und Kindern, mögliche Auswirkungen auf die Demokratie durch Rechte Parteien und unsere eigene Handlungsfähigkeit. Trotz all der Schwierigkeiten setzt Jakob trotzdem auf Zuversicht und möchte sich die Zukunft auf keinen Fall dystopisch ausmalen - er macht Mut und erklärt die Mechanismen der Endzeitangst verständlich, womit er die Angst ein Stück weit auflösen kann und Mut gibt, an ein besseres Morgen zu denken. Die heutige Generation ist nicht die erste, die Krisen überwunden hat hat, aber die erste, die sich so vernetzen kann und damit Einfluss auf die Zukunft nehmen kann!

Christian Jakob: Endzeit. Ch. Links Verlag, 304 Seiten, 22 €

Janinas

T i pp

Eine Geschichte der Ambivalenzen

Mein letztes Buch über Drogen habe ich als Teen von meiner Mutter (- sie meinte es gut) geschenkt bekommen, als ich anfing Marihuana zu rauchen. Das Buch beschrieb alle sogenannten illegalen Drogen und welchen Abstieg sie für die Konsumenten bedeuten. Ich wusste also schon mit 13, dass ich verdammt war, nachdem ich die Einsteigerdroge Gras konsumierte. Ich wollte nie mehr ein Buch über Drogen in die Hand nehmen, geheilt, kalter Entzug. Und dann fing ich an „Der große Rausch“ zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. Wie konnte es dazu kommen, dass bestimmte Substanzen als illegal eingestuft wurden, welche keine Gemeinsamkeiten aufweisen? War eine Substanz einmal bei Romantikern ein erheiterndes Rauschmittel, bei forschenden Wissenschaftlern ein Medikament, so wurde es innerhalb eines Jahrhunderts zu Gift und zu einem Spielball globaler politischer und wirtschaftlicher Interessen. Wie können wir an einer Drogenpolitik festhalten, die mitunter auf rassistischen Motiven basiert? Und das seit über 100 Jahren? Zeit, anhand von Geschichte zu lernen. Let Helena Barop blow your mind.

Helena Barop: Der große Rausch. Siedler Verlag, 304 Seiten, 26 €

Hier ticken die Uhren anders!

Momme Bang leidet an Triskaidekaphobie und hat furchtbare Angst vor der Zahl 13 - wie gemein, dass ausgerechnet er im verborgenen 13. Bezirk Berlins, in Dreizehneichen, landet. Hier herrscht eine andere Zeit: Die Vorteile der Moderne werden verteufelt und es tobt ein Machtkampf. Der Ort lehnt Technik ab, ist frauenfeindlich und wir lesen von geradezu mittelalterlich anmutenden Lebensbedingungen. Momme findet sich plötzlich inmitten einer Verschwörung wieder, dabei wollte er doch eigentlich nur seinen krankhaften Zwängen entfliehen! Eine düstere Dystopie und ein Kampf um bessere Lebensumstände! Es dauert ein paar Seiten , um sich in der Parallelwelt zurechtzufinden und man ist, wie Momme, erst einmal verwirrt darüber, was hier eigentlich vor sich geht. Doch dann entwickelt das Buch einen Sog und bietet äußerst unterhaltsame Lesestunden. Ein Buch für echte Fantasy-Fans, die neue Welten erkunden möchten und Lust auf ein geistreiches Gedankenspiel voller Überraschungen haben!

Wieland Freund: Dreizehnfurcht. Hobbit Presse, 448 Seiten, 25 €

Jans ti p p
Pand
Davids t i pp

an lauen Mittsommertagen in der Hauptstadt

Sachen gibts: Beschwingt von der Nachricht, in den deutschen Ethikrat aufgenommen zu werden, begibt sich die Professorin Ruth Lember in der Hitze der Hauptstadt auf ihre morgendliche Joggingrunde, nur um unvermittelt von einem Hund in die Wade gebissen zu werden.

So weit so mäßig spannend inszeniert der Anfang dieses Romans. Was folgt, ist jedoch sehr lesenswert. Der Angriff ist nur Anfang und Metapher für unvorhersehbare und unerwünschte Ereignisse, die nun das Leben der Protagonistin in Frage stellen. Klug und unaufgeregt setzt sich der Roman mit zeitgenössischer deutscher Geschichte auseinander. Mich hat der Roman in seiner Thematik an T.C. Boyles „Ein Freund der Erde“ erinnert oder den etwas aktuelleren „Dorfroman“ von Christoph Peters. Nachvollziehbar werden Fragen danach gestellt, was eigentlich mit dem ach so jugendlich naiven Tatendrang und den Idealen im Laufe eines Lebens geschieht.

Ulrich Woelk: Mittsommertage. C.H. Beck Verlag, 284 Seiten, 25 €

Tatort: Ein Einkaufszentrum in der Nähe von Zürich. Es ist ein warmer Abend im Sommer, als ein Lieferwagen aus einem Parkhaus entwendet wird. Die Verdächtigen sind schnell gefasst: die Freundinnen Vera und Peli, die Lust haben, etwas ganz Neues zu machen. Das Buch startet sogleich mit den Vernehmungen, die sich zuspitzen, immer mehr Vorwürfe kommen hinzu und die Erklärungen werden kurioser: Ein entführtes Pferd, das eine Meerjungfrauenstatue gezogen haben soll, die dann in einem Pool gelandet ist, sowie kreisförmige Anordnungen von Fahrrädern auf Zuggleisen sind nur einige der Beispiele für eine Reihe von Verbrechen, die mit Drogengeschäften in Verbindung stehen sollen und von den zwei jungen Frauen geplant worden sein sollen. Der Zusammenhang ist unklar, seltsam und ein beschriebenes Ereignis unwahrscheinlicher als das andere, trotzdem alle irgendwie plausibel. Wir lesen von einer Reise durch laue Sommernächte in der Stadt, ohne Vorwarnung, worauf das alles hinauslaufen soll. Judith Keller erster Roman nach Veröffentlichung ihres Erzählbandes "Die Fragwürdigen" ist eine lustige, verwirrende und wilde Fahrt durch Erlebnisse, die man so nie erwartet hätte.

Judith Keller: Wilde Manöver. Luchterhand Verlag, 288 Seiten, 24 €

Von Matriarchaten, Pseudopenissen, Kannibalinnen

Darwin, großer Biologe und doch Mann seiner Zeit, leider ein viktorianischer Spießer , der seine Vorstellung des Weiblichen auf die Tierwelt übertrug. Wie sind Weibchen? - Sie sind passiv, ihr Gefieder nicht so bunt wie das der Männchen, sie sind keine Alphas, sie sind nährende Mütter und beim Sex sowieso nur Subs. Und dann kommt Lucy Cooke und erzählt uns von Aggro-Maulwürfen, Tüpfelhyänen, Gottesanbeterinnen... und taucht dabei ganz nebenbei tief in die Wissenschaft der Genetik und Verhaltensforschung ein. Geschlechterdetermination ist kein einfacher Ablauf, die Differenzierung des Geschlechts bei verschiedenen Arten abhängig von vielen verschiedenen Faktoren und die Wissenschaft durch vorurteilsbehaftetes Herangehen noch immer im Hintertreffen, was die Vielfalt der Geschlechter und des Verhaltens jener in der Tierwelt betrifft. Viele Beispiele lassen mich grübeln, ob das biologische Geschlecht in der Tierwelt wirklich so binär ist, wie die Definition es vorgibt. „Dass das biologische Geschlecht in Wahrheit ein ganzes Spektrum darstellt und alle Geschlechter letztlich das Produkt derselben Gene, derselben Hormone und derselben Gehirne sind, war und ist für mich die größte Erkenntnis“, (Auszug, Bitch) Unbedingt lesen!

Lucy Cooke: Bitch. Piper Verlag, 432 Seiten, 22 €

Janinas T i pp
Steffen s t ipp
T i p p
Auf wilder Fahrt durch die Stadt Elsas

5 Fragen an Alice Hasters

Wir freuen uns riesig, mit dir die Buchpremiere von deinem zweiten Buch "Identitätskrise" feiern zu dürfen. Du beschreibst, dass sich unsere Gesellschaft in einer Identitätskrise befindet, dass wir es aber mit Unterstützung schaffen können, durch die Krise zu kommen. Wie kann diese Unterstützung aussehen?

Eine Krise wird erträglicher, wenn man ihre Ursachen und Ursprünge nicht versteht. Wir müssen uns also benennen, was überhaupt gerade kriselt und warum. Dabei hilft unter anderem der Blick in die Vergangenheit. Außerdem brauchen wir Raum für negative Emotionen, bevor sie außer Kontrolle geraten. Wir müssen aussprechen können, dass wir traurig, unsicher, wütend oder ängstlich sind, auch wenn wir einen gesellschaftlichen Wandel befürworten.

Du beschäftigst dich viel mit unterschiedlichen Machtverhältnissen. Was bedeutet Macht für dich und wie können wir sie deiner Meinung nach gerechter verteilen?

Im Kapitalismus ist Macht vor allem Kapital. Vor allem in Form von Vermögen, aber auch soziales und kulturelles Kapital verhelfen zur Macht. Macht verleiht Deutungshoheit und ermöglicht Selbstverwirklichung. Ich finde, in unserer Gesellschaft, national wie global, ist Macht sehr ungerecht verteilt. Das gefährdet letztendlich die Demokratie. Die beste Chance für eine gerechtere Machtverteilung ist die Umverteilung oder sogar die Abschaffung von Vermögen.

Wie kann man sich den Schreibprozess bei dir vorstellen? Hattest du dieses mal andere Hürden beim Schreiben? Oder pickst du dir einzelne Kapitel heraus, ergänzt immer wieder?

Dieser Schreibprozess für dieses Buch ist ziemlich quälend, ehrlich gesagt. Alles, was Menschen über die Hürden beim zweiten Buch sagen, ist wahr. Eine Weile hatte ich mit einer Schreibblockade zu kämpfen. Diesmal kann ich nicht mehr so unbedarft an die Sache rangehen, weil die Erwartungshaltung von innen und außen sehr

viel höher sind. Außerdem ist das Thema diesmal komplexer und ich hatte mehrmals das Gefühl mich übernommen zu haben. Gäbe es keine Deadline würde ich wahrscheinlich noch die nächsten drei Jahre an dem Buch sitzen, es gibt immer noch etwas, dass ich umstellen, streichen oder hinzufügen möchte.

Welche Bücher müssen unbedingt gelesen werden? Welche haben dich nachhaltig geprägt und würdest du gerne anderen ans Herz legen?

Dieses Jahr werden viele Bücher von Toni Morrison neu übersetzt, die würde ich sehr empfehlen. Besonders den Essay “Im dunkeln spielen”. “Diese Dinge geschehen nicht einfach so” von Taiye Selasi ist für mich ein Klassiker, genauso wie “Von der Schönheit” von Zadie Smith. Und “1000 Serpentinen Angst” von Olivia Wenzel.

Was machst du, um den Kopf freizubekommen oder als Ausgleich?

Ich habe gemerkt, dass ich tatsächlich wegfahren muss, um den Kopf freizukriegen. In anderen Ländern fühle ich mich anonymer und dadurch auch freier. Im Alltag bekomme ich den Kopf am besten frei durch Kochen und spazieren gehen.

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Alice Hasters: Identitätskrise. Hanserblau, 208 Seiten, 20 € © Paula Winkler

"Ich möchte gerade Nicht so gerne reden Doch vielleicht kommst du Trotzdem zu Besuch

Dann kannst du, wenn du willst Gedanken lesen Das kann nämlich kein Mensch so gut wie du"

"Für jeden Winter

Der noch kommt

Blüht einmal auch der Flieder

Und auf Verzweiflung folgt stets Mut

Es wird nicht erst am Ende gut Sondern immer wieder"

"In meiner alten Heimatstadt Reißen sie Gebäude ab

Die dort für immer standen Und meine alten Freunde

Trotz jedem Schwur der Treue Wurden, so wie ich

Nur zu Bekannten"

Gedichte entnommen aus: Max Richard Leßmann: Liebe in Zeiten der Follower. KiWi Verlag, 160 Seiten, 14 €

© Tim Bruening © Tim Bruening

... kennst du noch die tollen Freund:innenbücher? Antworten vergleichen, durchblättern und in Erinnerungen schwelgen, ewig darüber nachdenken, was denn jetzt das Lieblingsessen ist oder der wahre Traumberuf. Wir dachten uns: Warum stellen wir diese Fragen nicht unsere Autor:innen? Max Richard Leßmann ist Sänger, Podcaster und Dichter. Sein Gedichtband "Liebe in Zeiten der Follower" erschien 2022 und wir haben zusammen mit ihm im August die Buchpremiere seines ersten Romans gefeiert "sylter Welle". Max hat uns hier ein paar sehr entscheidende Fragen beantwortet und auch gleich noch ein paar Gedichte für dich da gelassen...

Das bin ich: Max Richard Leßmann

Lesen, reiten oder Freunde treffen?

Nachdem mein Lieblingspferd Stina an einer Kolik starb, habe ich jahrelang nur noch gelesen. Mittlerweile treffe ich auch wieder Freunde. Das finde ich gut.

Mit welchem Dinosaurier identifizierst du dich am meisten?

Mit allen. Außer mit Hühnern. Hühner sind böse. Glaube ich.

Als was gehst du zu Halloween?

Als Wrestling Manager und Promoter

Paul E. Dangerously.

I’m a Paul Heyman Guy.

Mit wem hast du dich wegen deines Schreibens schon einmal gestritten?

Mit meiner Oma. Es ging um meine beruflich Zukunft. Geht es immer.

Was ist dein Lieblings-Klischee?

Dass Blut dicker als Wasser ist.

Wofür hälst du dich zu alt, würdest es aber trotzdem gerne machen?

Kinderkleidung tragen, mit Tieren und Mustern und allen Farben, die es gibt.

Was wird am meisten überschätzt?

Bali, wahrscheinlich.

Was wird am meisten unterschätzt?

Sylt, ganz bestimmt.

Was hat dich zuletzt aufgeregt?

Das es die erste Staffel Love Island mit Mike Heiter nirgendwo on demand gibt.

Was ist die beste Stadt der Welt?

Berlin am Meer

das ist mein neues Buch
Max Richard Leßmann: Sylter Welle. Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten, 22 € © Tim Bruening

Oder die Hälfte des Lebens

Terézia Moras Bücher wurden mir so oft und warm empfohlen, sie ist noch dazu Bachmann-, Büchner- und Deutscher Buchpreisträgerin und entsprechend eine jener (zu ihnen kann ich sie nun fundiert zählen) brillanten Autorinnen, von denen ich schon allzu lange mal was lesen will … Ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil. Moras feine und gewitzte Sprache trägt mich schnell und begeistert durch das erste Drittel des Romans. Glasklar zeichnet sie die Hauptfigur Muna und ihre schillernde Jugend in den letzten Jahren der DDR, der Vater Professor, die Mutter Schauspielerin. Politische Debatten gehören wie Alkohol und Zigaretten zum Alltagsgeschehen, das Theater ist Munas verlängertes Kinderzimmer. Als die Mauer fällt, zieht sie von Berlin nach London, den Weg weisen ihr eiserner Wille und … Magnus. Und mit ihm kippt meine Faszination langsam: Das, was Muna passiert und wie das beschrieben wird. Das ist doch obsessiv und missbräuchlich, wieso wird das nicht deutlicher benannt und reflektiert? Mit voranschreitender Lektüre und wachsendem Unbehagen häufen sich Worte wie „meinetwegen“ und „war sein gutes Recht“, das Ungesunde der Beziehung kann auch Munas Umfeld nicht mehr ignorieren. Und so dreht sich die Irritation in einer Art Kniff, der verdeutlicht, dass gewaltvolle Beziehungen nicht als solche auffallen müssen und viel zu oft gar nicht als solche dargestellt werden. Meine Faszination kehrt mit schleichender Wucht zurück. Mora und Muna zeigen, dass sich das nicht ausschließt.

Terézia Mora: muna. Luchterhand Verlag, 448 Seiten, 25 €

Theater muss sein

Zur Eröffnung eines Museums sollen der Regisseur Orhan und die Dramatikerin Irina eine Performance entwickeln, in der eine Lücke in Berlins Erinnerungskultur gefüllt werden soll. Sie sollen sich mit den vielfältigen Identitäten der Berliner Nachwende-Generation auseinandersetzen. Ihre Freundin Maria wird rangezogen, um eine ostdeutsche Perspektive zu berücksichtigen. Doch beim Schreiben der Texte kommen immer mehr Hürden auf: Orhan zieht sich immer mehr zurück, die Eröffnung wird aufgrund der Pandemie immer weiter verschoben und Maria zieht ihr Einvertändnis zurück, einen Text über die Geschichte ihrer Kindheit und Jugend für eine Performance zu verwenden. Das Projekt droht Irina immer mehr zu entgleiten und drei ungleiche Freund:innen, die sich durch das Theater gefunden haben, scheinen sich immer weiter voneinandern zu entfremden ... Man wird hineingezogen in die Leben der Figuren und begreift schnell, vor allem wenn einem der Name Olga Bach was sagt, dass hier Begebenheiten beschrieben werden, die genauso passiert sind. Denn Irina ist Olga Bach, die mit diesem Projekt auch wirklich beauftragt wurde und welches auch wirklich scheiterte. Genau wie im Roman. Wer sich in der Theaterszene gut auskennt, wird trotz veränderter Namen schnell erkennen, wer gemeint ist und Bach spielt gnadenlos mit den Grenzen von Fakten und Fiktionalisierung. Ein paar Theater-muss-sein-Klischees werden humorvoll bedient, zwar auch kommentiert, trotzdem waren es die intimen Einblicke in den Werdegang der Autorin, die den Roman für mich zu etwas ganz Besonderem gemacht haben.

Olga Bach: Kinder der Stadt. Kiepenheuer & Witsch Verlag, 352 Seiten, 22 €

Wer wird ein Wolf?

Eine anonyme Mutter findet sich nicht so recht ein in dieser Rolle und entwickelt animalische Züge. Sie hat ihren Traumjob, wie sie es nennt, aufgegeben, denn der Mann verdient ja mehr, auch wenn er dafür immer auf Geschäftsreise ist. Nun stellt sie körperliche Veränderungen fest, entwickelt sich hin zum Hündischen. Dadurch verändert sich auch die Beziehung zu ihrem Sohn positiv. Doch wie reagieren ihr Mann und der Rest der Gesellschaft auf ihre wunderliche Transformation? Nightbitch ist ein Roman über weibliche Frustration, über Mutterschaft und über den Feminismus der amerikanischen Mittelschicht. Welchen Identitäten wenden sich Frauen zu, wenn ihnen die zur Verfügung stehenden Identitäten versagen? Wie erweitern Frauen ihre Identität, um alle Teile ihres Wesens zu umfassen? Yoder verhandelt diese Fragen mit kluger Ernsthaftigkeit, aber auch mit anregendem Humor, der mir durch die fantastische Prämisse des Romans auch angebracht scheint.

Rachel Yoder: Nightbitch. Klett-Cotta Verlag, 304 Seiten, 24 €

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Maries t i p p auf
Ra f a e ls tipp
t i p p
Davids

Berührende Mutter-Tochter-Beziehung

“Meine Mutter starb in diesem Sommer.” Die Welt der 14- jährigen Billie und ihrer Mutter passt in eine Hochhaussiedlung. Sie haben nicht viel Geld und am Ende des Monats reicht es oft gerade noch für Nudeln und Ketchup. Doch Billies Mutter schafft es, immer besondere und farbenfrohe Momente zu erschaffen - mehr braucht Billie nicht in ihrem Leben. Als die Großmutter aus Ungarn für einen längeren Aufenthalt einzieht, verändert sich jedoch alles schlagartig. Billies Leben steht auf dem Kopf und sie begibt sich auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater und nach sich selbst. Elena Fischer zeichnet liebevolle und authentische Charaktere, die einem direkt ans Herz wachsen und mit einem Witz, der sofort berührt. Sie beschreibt eine einzigartige Mutter-Tochter- Beziehung, von Freiheit und Familienbanden, von Trauer und vom Loslassen und dem Kampf mit den eigenen Gefühlen. Elena Fischer hat eine leichte und doch sehr einfühlsame Sprache, die mich durchgehend sehr beührt hat ohne kitschig zu sein. "Paradise Garden" ist endlich wieder ein richtig guter deutscher Coming-of-Age Roman und ich bin sehr gespannt, was da noch kommt von Elena Fischer. Mein Überraschungshighlight dieses Jahres.

Elena Fischer: Paradise Garden. Diogenes Verlag, 352 Seiten, 23 €

Janinas

t i pp

Dieses Buch ist nicht bequem. Lehane spricht einen tiefsitzenden Instinkt an, sich an den Menschen zu rächen, die unseren Nächsten etwas antun. Wäre da nicht der unverblümte Rassismus Mary Pat Fennessys, der Hauptfigur. Boston in den 70ern, die Rassentrennung Amerikas, generationsübergreifender Rassismus irischer Einwanderer, Busse mit verängstigten schwarzen Kindern, die als erste Maßnahme derDesegretation zu den Schulen in den Vierteln der Weißen gefahren werden. Ein junger schwarzer Mann, dessen Auto im falschen Teilb der Stadt liegen bleibt, eine junge weiße Frau, die den Hass ihrer Vorfahren in sich trägt und durch „ihre“ Leute stirbt und Mary Pat, die ihren eigenen Hass nicht hinterfragt und mit der wir doch all zu gern auf Rachejagd gehen. Dieser Krimi ist nicht nur ein cooler schneller Trip der Sühne. Lehane ist viel tiefschichtiger, und wirft einen schonungslosen Blick auf das Boston in dem er aufgewachsen ist. Aus dem amerikanischen Englisch von Malte Krutzsch.

Dennis Lehane: Sekunden der Gnade. Diogenes Verlag, 400 Seiten, 26 €

Gittersee, ein Vorort Dresdens im Jahre 1976. Der Alltag der 16-jährigen Karin dreht sich um die Erziehung ihrer kleinen Schwester, Streitereien mit ihrer kriegsnostalgischen Großmutter und um die scheiternde Beziehung der Eltern, welche sich ferner nicht sein könnten. Einer der wenigen Lichtblicke in ihrem Leben ist ihre große Liebe Paul, im Herzen ein Künstler. Als Paul sich eines Tages auf den Weg zu einem Festival in Tschechien macht, ahnt Karin nicht, dass bereits nachts zwei Beamte der Stasi vor ihrer Tür stehen werden, um das Verschwinden Pauls aufzuklären. Schon bald wird klar, dass Karin umso mehr ins Visier der Stasi gerät, desto mehr sie verheimlicht. Während die Zeit vergeht, wird Karin von skurrilen Träumen und der Sehnsucht nach Paul geplagt, die durch die Ungewissheit über sein Verbleiben nur noch stärker wird. Die Beamten lassen nicht locker und Karin wird in einen Sog gezogen, in welchem sie entscheiden muss, wem sie trauen kann, um der Wahrheit über Pauls Verschwinden auf die Spur zu kommen. Gittersee ist ein Zeitschnipsel einer Welt, in der alles hinter verschlossenen Türen passiert.Es geht um das Großwerden in Unwissenheit, die Jugend zwischen verliebt und verlassen sein und um eine Zeit, in der man den Staat nichtsahnend bereits als Feind im Wohnzimmer sitzen hatte.Karin ist gefangen zwischen dem Stillstand des Alltags und dem Banalem ihrer Mitmenschen und wünscht sich dennoch nichts mehr als die Rückkehr des Normalzustands mit Paul an ihrer Seite. Verwebt im Netz der Geheimnisse sieht Karin nur, wie sich die Welt in der Zwischenzeit für alle anderen weiterzudrehen scheint. Niemand scheint Karin zu verstehen, nicht einmal ihre beste Freundin Marie. All der Schmerz und die Wut treiben Karin letztendlich dazu zu Handeln und nicht länger im Spiel zwischen Staat und Staatsfeindin verwickelt zu werden. Charlotte Gneuß bietet uns hier einen lesenswerten Roman, welcher Zurecht mit dem Jürgen-Ponto-Preis 2023 ausgezeichnet und für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert wurde!

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Cassan d r a tipp Der Staat im Wohnzimmer
Charlotte Gneuss: Gittersee. S. Fischer Verlag, 240 Seiten, 22 €
Franzis T i pp
Ein Muss für Lehane-Fans

Love Story of Berlin is a local English bookstore at Berlin Kastanienallee. Here, you can find the brand new arrivals everyone is talking about, as well as the good old classics everyone is still talking about. The store was founded in 2016 as a part of the BUCHBOX! company, four local German bookstores in the east of Berin. The two founders of BUCHBOX! felt that in a city as international as Berlin there is a need for international books.

Mit "I am Homeless if this is not my home" schafft Lorrie Moore es geschickt, eine fesselnde Balance zwischen einer herzzerreißenden Liebesgeschichte und einer obskuren Farce über den Tod zu halten. Wahrscheinlich nicht für schwache Nerven, stürzt Moore die Lesenden gnadenlos in ihre morbide, komische und doch herzzerreißende Geschichte über Tod, das Sterben und vor allem Trauer. Beginnend mit dem Brief der Pensionsbesitzerin Miss Libby aus Tennessee im 19. Jahrhundert an ihre Schwester, erfahren wir mehr über ihre vielfältige Mieterschaft, und vor allem über einen rätselhaften Schauspieler, der sich in einem ihrer Zimmer niedergelassen hat. Miss Libbys Erzählungen werden bald durch die Geschichte von Finn im Jahr 2016 ergänzt, einem gescheiterten Geschichtslehrer mit einem Hang zu Verschwörungstheorien, auf dem Weg nach New York, um mit seinem todkranken Bruder zu sein. Nach den ersten gescheiterten Annäherungsversuchen der Brüder und nachdem Finn von dem Selbstmord seiner Ex-Freundin Lily erfährt, wendet er sich jedoch sofort von seinem sterbenden Bruder ab. Während sich Miss Libbys Geschichte zum Schrecklichen hinwendet und Finn sich auf einen Roadtrip mit der Leiche von Lily begibt, beginnen Realität und Fantasie, genau wie die Geschichten von Miss Libby und Finn, sich langsam miteinander zu verflechten. Mit ihrer spitzzüngigen Prosa und ihrem Galgenhumor erkundet Moore unnachgiebig die bizarre, unangenehme und erschütternde Konfrontation ihrer Charaktere mit Trauer und Verlust.

Lorrie Moore: I Am Homeless If This Is Not My Home. KNOPF Verlag, 209 Seiten, 27,50 €

Ever felt more comfortable telling secrets to strangers than to your best friend? We all know the feeling, sitting next to a stranger on a longhaul who we’ll never meet again and suddenly you’re talking about worries or problems you’ve been denying to everyone including yourself. A true story: Shoki Morimoto announces one day through a tweet: ‘I’m starting a service called Do-nothing Rental. It’s available for any situation in which all you want is a person to be there. … I only charge transport … I can’t do anything except give very simple responses.’Silly social experiments can often turn philosophical, sometimes specifically because it seemed so silly in the beginning, and so it is with Do-nothing Rental. In his book Rental Person Who Does Nothing, Morimoto shares his musing on everything from our relationship with money and time to the nature of friendship and the value of a person’s company, interspersed with stories of some of his ‘clients’. It comes as no surprise that ‘nothingness’ is the font of much philosophy. Some of the most basic things we do are often the most defining. Who sits around all day wondering about the strangeness of selling ourselves in job interviews? Or working for money? Or working at all? Who takes the time to think about why we try to get other people to like us? Or why we need company at all? A fascinating and uncanny look inside the mind of a person whose presence is absence, a blank canvas, a mirror on society and ourselves.

Shoji Morimoto: Rental Person Who Does Nothing. Pan Macmillan, 148 Seiten, 16,50 €

vo n Jesper Wills T i p p
Tipp

Für manche gehört Musik hören und Lesen einfach zusammen, anderen widerum fällt es schwer, sich auf beides gleichzeitig zu konzenrieren. Was aber immer geht: ÜBER Musik zu lesen. Ein paar aktuelle Empfehlungen aus der Welt der schönen Töne und ein ganz besonders heißer Tipp, der sich gut unter dem Weihnachtsbaum macht!

Britney Spears: The Woman In Me.

Meine Geschichte. Penguin, 288 Seiten, 25,00 €

Matthias Huff: Johnny Cash, Meine Arme sind zu kurz um mit Gott zu Boxen. Adeo, 224 Seiten, 22,00 €

Myeongseok Kang: BTSBeyond the Story.

Droemer Knaur, 512 Seiten, 45,00 €

Was verbinden wir heute noch mit Depeche Mode? Um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte eine Mix-CD, auf der "Sound of Silence" gebrannt war und die restliche Zeit verwechselte ich sie mit Coldplay. Ich war 14, okay? Irgendwie kamen mir die ähnlich vor. Umso besser, dass es jetzt ein Buch gibt, dass die britische Synthpop- und New Wave-Band beleuchtet.

Dennis Burmeister & Sascha Lange: Depeche Mode Live. Blumenbar Verlag, 424 Seiten, 60 €

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Mit ausschweifendem, minutiösen Fanboy-Detail wird hier zum einen eine Kartographie der Arbeit einer monumentalen Band geliefert. Jeder Tourstopp wird mit präziser Mannschaftsgröße dokumentiert und die passenden Exzess-Geschichten dazu erzählt. Gleichzeitig wird aber auch ergeklärt, warum die Band zu so einem Kult wurde. Aber was mag bitte mehr Spaß machen als die Arbeit von Musikjournalist:innen, die sich so tief in ein Thema eingegraben haben, dass sie wahrscheinlich binnen weniger Sekunden den Mädchennamen der Mutter des dritten Session-Drummers für die Rio-Konzerte aufsagen könnten, drei Sekunden, nachdem man sie aus dem Schlaf hochgerissen hat. Spannende Lektüre für Einsteiger:innen und ein Muss für Hardcore-Fans!

Drei Menschen zwischen Schicksal und Freiheit

Kraftvoll,

35 Musik-Special
Yanniks t i p p
eindringlich, prall von Leben –ein großer deutscher Familienroman

Verlagsvorstellung

Als junges, frauengeführtes Unternehmen steht der Familiar Faces Verlag für neue Narrative und gute Illustrationen. Die Reihe »Neue Lektüre für gemeinsames Lernen« vermittelt aktuelle Diskurse und Perspektiven diverser Autor:innen zu Themen wie Gender, Rassismus und Inklusion und bringt Erwachsene, Jugendliche und Kinder in einen offenen, selbstbewussten und diskriminierungssensiblen Austausch. Dabei bieten unterschiedliche Formate wie Bücher, Lernkarten und Workbooks ganz konkrete Zugänge zu gesellschaftsrelevanten Themen und Raum für gemeinsames, interaktives sowie individuelles und praxisorientiertes Lernen. Vielfältige Positionen und zeitgenössische Motive stehen auch im Fokus von Wonderpieces. Gemeinsam mit herausragenden Illustrator:innen gestaltet das Puzzlelabel, das Teil des Familiar Faces Verlags ist, hochwertige 1000-Teile-Puzzles, die so nachhaltig wie möglich in Deutschland produziert werden.

Haben Leute im Lockdown wirklich scharenweise das Puzzeln angefangen?

Marie von dem Berge: Ja, tatsächlich gab es im Lockdown einen richtigen Boom. Und das Schöne ist: der Boom hält an! Außerdem hat dieser Boom dazu geführt, dass viele neue Puzzle-Labels entstanden sind, die weg wollten von den verstaubten Motiven und dem gleichermaßen verstaubten Image – so wie wir mit Wonderpieces. Dadurch fühlen sich auch mehr Menschen angesprochen.

Warum sind ausgerechnet Puzzles das richtige Medium für progressive Gedanken?

Yvonn Barth: Es gibt einfach wahnsinnig viele Menschen, die gerne puzzeln und zwar nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene. Allerdings war der Puzzlemarkt bis vor Kurzem nicht besonders breit aufgestellt, was unterschiedliche Motive und auch Themen betrifft. Bei Puzzles für Erwachsene haben sicherlich die meisten direkt ein kitschiges Motiv galoppierender Wildpferde oder die Skyline von New York im Kopf. Davon wollten wir weg. Wir wollten, dass das Puzzeln etwas mit uns zu tun hat, dass es uns in der Gestaltung anspricht, aber auch, dass es thematisch was zu sagen hat. Und dabei war es uns besonders wichtig, dass es vielfältige Realitäten abbildet und auch Themen aufgreift, die einfach wichtig sind, wie Body Positivity oder Achtsamkeit.htsamkeit.

Wie entscheidet ihr euch für Puzzle-Motive?

Yvonn Barth: Ehrlich gesagt entscheiden wir das sehr intuitiv. Es gibt so viele fantastische Künstler:innen und Illustrator:innen, dass wir im Grunde permanent auf tolle Motive stoßen. Dann wieder haben wir ganz konkrete Themen im Kopf, die wir gerne umsetzen wollen. Oder wir begegnen Illustrator:innen und überlegen dann gemeinsam, was wir uns gut als Puzzle vorstellen können. So war das z.B. bei »Les Femmes de la Décadence« von Laura Breiling. Wir wollten gerne mit Laura arbeiten, die einfach einen total starken Stil hat und tolle Illustrationen zu Urbanität, Vielfalt und Queerness macht und am Ende sind wir bei dieser queerfeministischen Interpretation des klassizistischen Gemäldes »Les Romains de la Décadence« gelandet. Das Motiv ist einer unserer Bestseller und es macht richtig viel Spaß das zu puzzeln.

Bitte erzählt uns die Geschichte von »Mrs. Rooster Energy«!

Marie von dem Berge: Nichts einfacher als das: Es war Liebe auf den ersten Blick! Mrs. Rooster ist ein Charakter der Berliner lllustratorin und Comiczeichnerin Rahel Süßkind und das Motiv stammt aus dem Comic »My Friend Snooth«. Mrs. Rooster ist einfach eine knallharte Type und die Comics von Rahel sind enorm witzig und schamlos – da geht es um intergalaktische Abenteuer, feministische

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Wild-West-Fantasien und die Liebe zu Popeln. Also ihr merkt schon, wir sind schon lange Fans von Rahel und zum Glück hat sie auch direkt ja gesagt, als wir sie gefragt haben, ob sie »Mrs. Rooster Energy« mit uns als Puzzle herausbringt. Ihr bringt mit eurem Verlag aber nicht nur Puzzles heraus, sondern auch die erfolgreiche Reihe »Neue Lektüre für gemeinsames Lernen«. Könnt ihr über die Bücher etwas erzählen?

Yvonn Barth: Tatsächlich kam uns die Idee zu den Büchern, als wir nach dem Mord an George Floyd 2020 und im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung gemerkt haben, dass es uns wahnsinnig schwerfällt, mit unseren Kindern über Rassismus zu reden. Und tatsächlich gab es 2020 im deutschsprachigen Raum keine Bücher, die das thematisieren, also für Eltern und Begleitpersonen von Kindern. Das wollten wir ändern und so haben wir mit der:dem Autor:in Josephine Apraku und der Illustratorin Le Hong das Buch »Wie erkläre ich Kindern Rassismus?« herausgebracht und das wurde wahnsinnig gut angenommen, es gab da also wirklich ein großes Bedürfnis. Das war der Anfang der Reihe und als zweites Buch haben mit Daniela Thörner als Autorin und mit der Illustratorin Slinga das Buch »Mädchen, Junge, Kind« zu geschlechtersensibler Begleitung von Kindern herausgegeben. So ist die Buchreihe entstanden und momentan arbeiten wir am dritten Buch und wir sind total happy, dass wir Mareice Kaiser und Rebecca Maskos dafür als Autorinnen gewinnen konnten, denn es geht um Behinderung und Inklusion. Im September erfahrt ihr mehr …

Ihr habt gerade aber auch noch zwei weitere Produkte gelauncht – ein Workbook und Lernkarten zu Rassismus. Wie kamt ihr auf die Idee?

Marie von dem Berge: Ja, genau, das sind unsere brandneuen Produkte und wir sind wirklich total stolz und glücklich darüber, dass wir damit noch mal tiefer in die Auseinandersetzung zu Rassismus gehen können. Die Idee dazu haben wir gemeinsam mit Josephine Apraku entwickelt. Josie ist Antirassismustrainer:in und Afrikawissenschaftler:in und wir alle hatten nach der gemeinsamen Arbeit am Buch das Gefühl, dass wir uns weitere Produkte wünschen, die diese Auseinandersetzung noch mehr in die Praxis holen. Denn das Lesen ist ja das eine, aber das Überführen des Wissens in die alltäglich Praxis ist etwas anderes. Und bei einem so schwierigen Thema wie Rassismus fällt das den meisten Menschen besonders schwer. Und so haben wir das Arbeitsbuch »Mein Workbook zu Rassismus« entwickelt, das Jugendliche und Erwachsene zu einer sehr persönlichen und wirklich tiefgehenden Arbeit einlädt. Das kann man sich ein bisschen wie einen Workshop vorstellen mit vielen Reflexionsübungen. Die Lernkarten sind viel interaktiver, die lassen sich am besten zu zweit oder in Gruppen bearbeiten und sind deshalb auch super für Schulen und Bildungsangebote geeignet. Aber auch hier wird nicht einfach nur Wissen abgefragt, die Aufgaben regen vielmehr dazu an selbst zu recherchieren, zu diskutieren und aktiv zu werden.

Seit ihr den Verlag gegründet habt, gab es etwas in eurem Material, das euch noch einmal so richtig etwas Neues beigebracht hat?

Marie von dem Berge: Wir lernen wirklich permanent dazu. Und das ist auch das Schöne an unserer Arbeit. Denn wir arbeiten sehr intensiv mit unseren Autor:innen, Illustrator:innen und Gestalter:innen zusammen. Natürlich haben wir durch die Bücher und Lernkarten enorm viel über Rassismus gelernt und auch über Gender. Und wir freuen uns schon auf die nächsten Projekte, denn da wird es uns ganz sicher genauso gehen.

Wie habt ihr euer Netzwerk gefunden, um eure Themen sensibel anzugehen?

Illustratiorin Rahel Süsskind

1000 Teile

Formate in mm: Puzzle 680x480

Preis 34 € 10-100 Jahre

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Yvonn Barth: Wir versuchen uns natürlich auf dem Laufenden zu halten was aktuelle gesellschaftsrelevante Themen betrifft und wenn wir uns selbst ein Konzept überlegen, wie das bei den Büchern der Fall war, dann gehen wir auch in eine intensive Recherche und lesen viel. Darüber haben wir immer wieder tolle Menschen kennengelernt und wir hatten wirklich das Glück, dass uns diese Menschen auch immer mit großer Offenheit begegnet sind, sodass wir inzwischen ein tolles Netzwerk an Expert:innen haben, vor allem im Bereich Diversität. Und tatsächlich findet da ganz viel auf Instagram statt, das ist dafür eine wirklich relevante Plattform.

Welches Thema verfolgt ihr in Deutschland gerade am genausten? Was sollte man in den Nachrichten gerade auf dem Zettel haben?

Yvonn Barth: Ganz große Sorge macht uns, wie sicherlich vielen, der starke Rechtsruck in Deutschland. Um so wichtiger ist, dass wir uns bilden, dass wir lesen, dass wir diskutieren und dass wir uns als Gesellschaft für Vielfalt einsetzen.

Gibt es etwas, das sich zur Zeit sehr positiv entwickelt?

Marie von dem Berge: Was uns als Verlegerinnen, aber auch als Leserinnen und Mütter sehr freut, ist, wie stark Vielfalt inzwischen in Büchern aufgegriffen wird. Und das eben längst nicht nur von uns. Da findet tatsächlich eine zunehmende Sensibilisierung statt. Und besonders wichtig sind an dieser Stelle natürlich auch die Buchhandlungen, wie die BUCHBOX, die solche Bücher präsentieren und empfehlen und das passiert gerade wirklich immer mehr und nicht nur in Berlin!

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© Lukas Städler
© Lukas Städler

Wun der Box

Wunderbox

Du möchtest jemandem eine große Freude bereiten oder dich selbst 6 Monate lang überraschen lassen? Dann ist die WUNDERBOX! bestimmt das Richtige für dich.

Was ist die WUNDERBOX?

Die WUNDERBOX! ist das ideale Geschenk für Leute, die ganze sechs Monate lang einem anderen Menschen Freude bereiten wollen. Verrate uns einfach, was die beschenkte Person gern liest (Genre, Titel ...) und wir suchen passende Überraschungstitel heraus. So bekommt der:die Beschenkte sechs Monate lang jeden Monat einen unserer aktuellen Lieblingstitel schön verpackt in den Laden oder innerhalb Deutschlands auch nach Hause geschickt.

Wie erwerbe ich die WUNDERBOX?

1. Gehe in die BUCHBOX! deiner Wahl.

2. Fülle unser WUNDERBOX!-Formular aus.

3. Bezahle den Betrag an der Kasse.

4. Du bekommst dann eine Kopie des Bestellformulars.

>> Oder kaufe es online. Das funktioniert nur, wenn du uns nach dem Kauf die Angaben über die beschenkte Person mailst (Adresse oder Kontakt sowie literarische Vorlieben, sowie Alter (bei Kids) und die BUCHBOX!, in der die Bücher abgeholt werden. Diese Mail geht an wunderbox@buchboxberlin.de. Fragen, Anregungen und Kritik schickst du am besten an die gleiche Mailadresse.

Black Box

Box

Genuss nach Schluss! Endlich mal in Ruhe schmökern – ohne Zeitdruck, ohne Gedrängel und sogar ohne uns! Wir überlassen euch und euren Liebsten für einen ganzen Abend die BUCHBOX! im Friedrichshain, sodass ihr ungestört richtig reinlesen, diskutieren und genießen könnt.

In welcher BUCHBOX! findet "Genuss nach Schluss" eigentlich statt? Bisher kann man sich nur in unserem Laden im Friedrichshain einschließen lassen. Diesen findet ihr in der Grünberger Straße 68.

Wie oft findet "Genuss nach Schluss" statt?

Ihr habt jeden Sonntag die Möglichkeit, euch für zwei entspannte Stunden einschließen zu lassen. Um 18 Uhr verriegeln wir die Tür, um 20 Uhr sind wir wieder da.

Was muss ich tun, um mich für "Genuss nach Schluss" anzumelden?

Du und deine Freund:innen sucht euch einen passenden Sonntag aus und kontaktiert die BUCHBOX! im Boxikiez per Mail oder ruft direkt an. Falls der gewünschte Termin noch verfügbar ist, bekommt ihr von uns einen Gutschein. Ein Gutschein kostet 35 € für 5 Personen, jede weitere Person kostet 5 €. Im Gutschein enthalten ist eine Flasche Prosecco/Rot- oder Weißwein oder Saft/ Limo und natürlich Knabbereien.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich noch Fragen habe? Am besten wendest du dich direkt an unser Team am Boxi, unter 030 / 20 07 82 43, oder per Mail an: boxikiez@buchboxberlin.de Der Gutschein ist in all unseren Läden erhältlich.

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SPEZIALS Black

Lesekugel

Unser Lesekreis die Lesekugel

Die Welt ist eine Kugel, auf der viele Menschen gute Sachen schreiben. Darauf wollen wir in diesem Lesekreis blicken. Gute Literatur aus Orten, die normalerweise etwas weniger Aufmerksamkeit bekommen. Einmal im Monat treffen wir uns und sprechen über Bücher aus aller Welt, mit einem Wein oder einer Apfelschorle in der Hand und großer Begeisterung für das geschriebene Wort. Wenn das interessant für dich klingt, melde dich doch an!

Anmeldung über: rafael@buchboxberlin.de

Was bisher schon gelesen wurde:

Jose Dalisay:

Last call Manila. Transit Verlag, 224 Seiten, 22 €

Wilfried N'Sonde: Frau des Himmels und der Stürme. Kopf & Kragen Verlag, 256 Seiten, 24 €

Djaimilia Pereira de Almeida: Seebeben. Unionsverlag, 160 Seiten, 19,99 €

Veronica Raimo: Nichts davon ist wahr. Klett-Cotta Verlag, 224 Seiten, 22 €

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Illustration entnommen aus: Regina Feldmann: Kami & Mika - Die phantastische Reise nach Wolkenhain.

Fischer Saueränder, 160 Seiten, 15 €

Illustration: Ayşe Klinge

Kinderseiten

Geschichten und ihre Anfänge...

Am Anfang springt dir das Buchcover ins Auge, dann entscheidest du dich, ob du dich dem Buch näherst. Es folgt ein schneller Blick auf den Klappentext... und wenn dieser dann auch noch neugierig macht, hörst du schon das leise Rascheln der Seiten und der erste Satz erklingt in deinem Kopf. Der schönste Moment im Buchladen, finden wir! Deshalb haben wir dir ein paar erste sätze herausgesucht, die uns direkt neugierig gemacht und in neue Welten geführt haben. Die unserer Meinung nach schönste und spannendste Seite haben wir dir auf der nächsten Seite gleich ganz abgedruckt.

"Es brauchte nur eine Schneeflocke, um Kjell traurig werden zu lassen. Eine einzige, einsame Flocke, die sich auf seine Hand verirrte, in Windeseile dahinschmolz und nichts weiter als einen kleinen, feuchten Fleck hinterließ."

Andreas Langer: Schneekinder. ueberreuter Verlag, 352 Seiten, 16 €, ab 11 J.

"Wie soll man Artemis Fowl beschreiben? Verschiedene Psychiater haben es versucht und sind gescheitert."

Eoin Colfer: Artemis Fowl. List Verlag, 250 Seiten, 12,99 €

"Eines Morgens ist Mica gestorben. Mica war unser Wagen."

Xavier-Laurent Petit: Der Sohn des Ursars. Knesebeck Verlag, 240 Seiten, 15 €, ab 12 J.

"FFFFATZ. Juuuuiiiiiiiiiiii ... Whump. Der Aufprall kommt schnell, aber ich bin schneller."

Lena Havek: Paulas Papier-Labyrinth. Thienemann-Esslinger Verlag, 176 Seiten, 12 €, ab 10 J.

"'Noch mal, Anastasia!' Wenn ich die Wörter "nochmal" und "Anastasia" nur noch ein einziges Mal zusammen in einem Satz höre, könnte das der Moment sein, in dem ich endgültig ausflippe."

Hannah Grace: Icebreaker, LYX Verlag, 560 Seiten, 14,90 €, ab 16 J.

"Wenn die Kuh am Himmel schwirrt, hat sich die Natur geirrt."

Moni Port & Philip Waechter: Wenn die Kuh am Himmel schwirrt. Klett Kinderbuch Verlag, 48 Seiten, 10 €, ab 5 J.

"Das Schicksal rief. Paisley Fitzwilliam hielt seine schriftliche Einladung in der Hand."

Anneliese Avery: Nachtsilber - Die dunkle Drachenhüterin. Loewe Verlag, 336 Seiten, 15,95 €, ab 10 J.

"Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner wispernder Regen. Noch viele jahre später musste Meggie bloß die Augen schließen und schon hörte sie ihn, wie winzige Finger, die gegen die Scheibe klopften."

Cornelia Funke: Tintenherz. Dressler Verlag, 576 Seiten, 23 €, ab 12 J.

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Die schönste erste Seite:

Erich Kästner: Der kleine Mann und die kleine Miss

Illustration:

Liebe Kinder, gestern hatte ich überraschenden Besuch. Es klingelte. Ich öfnete. Und wer stand draußen? Der Schüler Jakob Hurtig aus der Kickelhahnstraße 17, Erdgeschoss links. "Unverhoft kommt oft", erklärte er vergnügt.

"Treten Sie näher, Herr Unverhoft", sagte ich, und dann marschierten wir erst einmal in die Küche. Denn dort steht der Eisschrank. "Du bist ja schon wieder gewachsen", stellte ich fest.

Was bleibt einem jungen Menschen weiter übrig?", fragte er. "Das bisschen Schule, die paar Hausaufgaben, die kleinen Besorgungen für die liebe Mutter, die englische Privatstunde, der Turnverein, das Zähneputzen, das Schuheputzen, das Naseputzen, das Füßewaschen, das Nägelschneiden, das Haarekämmen, was ist das schon? Was, um alles in der Welt, soll man in der übrigen Zeit tun? Da ist Wachsen noch das Gescheiteste." "Freilich." Ich nickte. "Außerdem hat man's dann hinter sich. Aber Wachsen macht hungrig. Wie wär's mit einem Sülzkotlett? Oder bist du satt?"

Jakob schielte kurz zum Eisschrank hinüber. Anschließend blickte er mir fest in die Augen und sagte: "Man soll nicht lügen."

Horst Lemke Entnommen aus: Erich Kästner: Der kleine Mann und die kleine Miss. Atrium Verlag, 208 Seiten, 14 €

Buch aufgeklappt - und schon in Afrika gelandet?

Kann man einen ganzen Kontinent in einem Kinderbuch darstellen? Natürlich nicht. Aber natürlich auch nicht in einem Buch für Erwachsene ... Was man aber machen kann, ist einen Einblick zu geben, in die große, große Vielfalt dieses Kontinents. Zu Anfang des Buchs gibt es einen Überblick über Gesamt-Afrika, danach werden fünf Regionen ausführlich vorge-stellt (Nord-, Zentral-, Ost-, West- und südliches Afrika). Jedes Gebiet wird erläutert u.a. mit seiner Geschichte, den Menschen und Kulturen, die dort zu finden sind, und der Natur und den Landschaften. Besonders spannend waren für mich z.B. auch die Seiten zu den "Schlüsselfiguren und Vorbildern", auf denen bedeutende Persönlichkeiten vorgestellt werden oder auch die "Schnappschüsse", wo ich z.B. erfahre, dass Algerien sich zu einem der führenden Produzenten grüner Energie entwickelt, oder dass es in Botswana eine lebendige Heavy-Metal-Community gibt. Dieses Buch macht neugierig! Es ist spannend, im Buch zu blättern, die Illlustrationen zu bewundern und zu staunen. Ganz schnell will man dann gleich das ganze Buch lesen.

Kim Chakanetsa, Mayowa Alabi: Afrika. Gerstenberg Verlag, 96 Seiten, 26 €, ab 10 Jahre

Mia ist mit der kleinen Meerjungfrau Molly befreundet. Beste Freunde sind sie sogar. Doch wie das so ist, kann Mia als Mensch nicht lange unter Wasser bleiben und Molly als Meerjungfrau, nicht lange an Land. Zum Glück gibt es da das jährliche magische Mondfest, an dem alle Meereslebewesen eine Nacht lang an Land durwch die Luft schweben können. Molly muss nur rechtzeitig zurück, bevor der Mond wieder im Meer untergeht. Mia und Molly haben eine tolle Zeit, doch als ein Unglück passiert, müssen beide eine schwere Entscheidung treffen. Wer "Emmas Einhorn" kennt, weiß wie schön diese Bilderbuch illustriert ist: Tolle Blautöne erwecken nicht nur das Meer, sondern auch das Dorf bei Vollmond mit schwebenden Meerestieren zum Leben. Besonders die Spielerei mit Licht sticht auf fast jeder Szene heraus, seien es einfach Lichterketten an Marktständen oder der Mondschein zwischen den Baumwipfeln. Briony May Smith schafft es abermals keine der Figuren kitschig aussehen zu lassen und stattdessen Emotionen in jedes Gesicht zu zaubern. Mega schön! PS: Wer genau hinguckt findet vielleicht eine oder zwei Anspielungen auf "Emmas Einhorn".

Briony May Smith: Mia und die kleine Meerjungfrau.Thienemann-Esslinger Verlag, 40 Seiten, 15 €, ab 4 Jahre

Bu c h t ipp

So und so hat ein Junge sich zu benehmen? Unsinn!

Wikinger waren echte Männer: Die haben alles kurz und klein gehauen. Piraten waren echte Männer: Die haben geraubt und stanken. Spartaner waren echte Männer: Die haben hart trainiert und waren tapfer. Echt jetzt? Das ist, was ein Mann sein soll? Stinkig und gefährlich? Oft genug sind Männer das leider noch immer, aber Scott Stuart sagt: “Nein, Jungs, es muss einen Wandel geben, ein ganz neues Bild von einem Mann. Ganz neue Wege, sein Leben zu leben.”

Tims

Scott reimt all den kleinen und größeren Jungs vor, wie die echten Männer sind und wie wohl alle Männer sein könnten. Sie helfen, geben Fehler zu und sie zeigen Gefühle. Sie sind fair zu sich und zu anderen. Ein Aufruf an alle die, die echte Jungs sein wollen, zu sich selbst zu stehen. Ein humorvoll erzähltes und illustriertes Bilderbuch nicht nur für Jungs, sondern für die ganze Familie.

Scott Stuart: Echte Jungs wie du und ich. Coppenrath Verlag, 16 €, ab 5 Jahre

Sonjas t i p p
t i p p
Eine Meerjungfrau besucht das Festland
Alwins

Von kleinen und großen Veränderungen

"Alte Zachen" ist jiddsch und während wir Deutschen wahrscheinlich kein Probleme haben, uns den Ausdruck zu übersetzen, klingen die Worte in New York, wo die Graphic Novel spielt, vielleicht eher fremd. Fremd erscheint auch "Bubbe" (Oma) Rosa die Stadt, durch die sie mit ihrem Enkel Benni geht, um für das Shabbes Essen am Freitagabend einzukaufen. Wo sind die alten Geschäfte hin? Warum haben so viele Menschen Tattoos? Und alles ist so teuer geworden. Ein bisschen ruppig läßt Bubbe Rosa die Welt an ihrem Mißfallen teilhaben. Aber auch an ihrer Geschichte. Denn Rosa ist als junges Mädchen von Berlin nach Palästina und Anfang der Fünfziger Jahre nach New York emigriert, wie so viele europäische Juden und Jüdinnen. Die Sprache der Einwander:innen war jiddisch. Ihre Geschäfte auch. Koscheres Fleisch und traditionelles Gebäck hielten in den Straßen von New York Einzug und gaben den Verlorenen eine Heimat. Mit etwas strengem schwarz-weißem Strich und wenig Worten (aber sehr vielen jiddschen Ausdrücken), wird in der Geschichte ein Bogen geschlagen. Der Enkel Benni erklärt seiner Oma das "neue" New York und steht für eine Generation, in der sich das Alte und das Neue vermischen. In der jüdische Indentität anders gelebt wird, die Wurzeln aber noch da sind. Sogar die schimpfende Bubbe erscheint durch Bennis Blick eher liebevoll. "Alte Zachen" ist ein Buch, was mich trotz seiner Einfachheit (oder gerade deswegen) sehr bewegt hat.

Ziggy Hanaor, Benjamin Philips: Alte Zachen. Hatje Cantz Verlag, 72 Seiten, 22 €

Bitte alle einsteigen!

Wann immer ein Dorfkind mich in Berlin besucht, gibt es eine "Attraktion", die unbedingt besucht werden muss. Etwas, was in mir im besten Fall ein müdes Lächeln, im schlimmsten Fall pure Aggression hervorruft.Die Rede ist natürlich vom U-Bahn fahren! Was lustig ist, denn in anderen Städten, London zum Beispiel, ist die U-bahn auch für mich eine aufregende Sache. Zum Glück gibt es jetzt das Buch "Alle Eisteigen!" Dort wird endlich mal geklärt, wie dankbar wir für das ausgeklügelte Transportsystem unter der Erde sein können. Und nicht nur das: Das Buch schlägt einen großen Bogen von der Erfindung der Fahrzeuge überhaupt (Stichwort: Dampfmaschine), über andere Transportmöglichkeiten auf und unter der Erde, bis es schließlich zur Enstehung und dem Bau der ersten U-Bahnen übergeht (soviel sei schon mal verraten: Natürlich war Berlin ein Vorreiter!). Auch Beispiele aus anderen Teilen der Welt sind abgebildet. Das Alles wird erklärt in genau der richtigen Länge an Infotext und supertollen - zum Teil wimmeligenBildern. Sogar ein paar Seiten zum Ausklappen verstecken sich in der Mitte. Ich muss sagen, dass den Verfassern ein wirklich tolles und sehr infomatives Buch gelungen ist. Auch erwachsene Bahnfans können dem Buch durchaus noch etwas abgewinnen; denn das Infospektrum ist wirklich groß. Ein Buch also, für die ganze Familie, zum Lesen, Vorlesen und immer wieder angucken.

Alexandra Litwina: Alle einsteigen! Die Geschichte der U-Bahn. Gerstenberg Verlag, 48 Seiten, 24 €, ab 10 Jahre

Alwins

Altes Märchen, neuer Look!

Diese durchgehend farbig illustrierte Graphic Novel basiert ursprünglich auf einem norgwewegischen Volksmärchen, das schon vor 150 Jahren erzählt wurde. Die ursprüngliche Fassung ist mittlerweile etwas angestaubt und Maja Lunde (bekannt durch "Die Geschichte der Bienen" etc.) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte neu zu erzählen. Inmitten einer erntevernichtenden Dürre macht die neugierige Bäuerin Liv Bekanntschaft mit allerlei Waldtieren. Und einem Eisbär. Der ja eigentlich gar nicht in den Wald gehört, eine goldene, filigrane Krone auf seinem Haupt trägt und dann auch noch offenbart, dass er sprechen kann! Liv nimmt das Angebot des Eisbären an und folgt ihm und seinem düsteren Geheimnis. Die Graphic Novel erzählt die Geschichte meist im Comic-Panel-Stil, aber regelmäßig gibt es seitenübergreifende Illustrationen. An den Stil der Grafiken musste ich mich kurz gewöhnen, aber mit jeder Seite passten die dynamischen, farbenvollen Bilder immer mehr zum Märchen. Für alle angehenden Prinzessinnen und Prinzen.

Maja Lunde: Der Eisbärprinz. cbj Verlag, 232 Seiten, 22 €, ab 8 Jahre

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Miß
T i p p
zwei Ti p p s von Jud i t h s

Auf Wohnungssuche in Berlin!

Wohnungssuche in Berlin - für fast alle ein Graus! So auch für Zahra und ihre Mutter, die neu in Berlin sind und dringend eine Bleibe suchen. Die Schlangen vor den Häusern erscheinen endlos und auf eine Absage folgt die nächste. Es ist zum Verzweifeln und die Lage scheint aussichtlos. Bis Zahra, während sie auf ihre Mutter wartet, die eine Wohnung besichtigt, auf Nike trifft. Nike ist völlig anders als sie, trotzdem sind beide gleich auf einer Wellenlänge und es entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden. Und aufeinmal flattert, wie durch einen Zauber, eine Zusage für die Wohnung herein. Wenn Nike da mal nicht ihre Finger im Spiel hatte ...

"Rappel im Karton" ist eine tolle Geschichte über die Freundschaft zwischen zwei Mädchen , die zeigt, dass Unterschiede auch verbinden können! Begleite Zahra und Nike bei ihrem witzigen, spannenden und außergewöhnlichem Abenteuer!

Kleine Knolle, großes Abenteuer

Bree Paulsen ist Autorin und Künstlerin. Sie hat Animation am Laguna College of Art and Design studiert. Ihr Debüt "Knobi und der Vampir" landete direkt auf den Kinderbuchempfehlungslisten der New York Public Library und der Vereinung unabhängiger Buchhandlungen IndieBound. Und auch mich hat die Geschichte gleich in ihren Bann gezogen: Hexe Agnes hat einen Gemüsegarten. Und zwar keinen gewöhnlichen, sondern einen, in dem einige Gemüsesorten über magische Talente verfügen. Es gibt verzauberte Karotten, Kürbisse und Kartoffeln - und die kleine Knobi, die zum jungen Gemüse zählt und eher schüchtern und ängstlich ist. Umso blöder wird das für sie, als ausgerechnet ein blutrünstiger Vampir in das nahe gelegene Schloss hinter dem dunklen Wald einzieht und Knobi als Knoblauch den besten Schutz bieten kann. Knobi muss sich also der Herausforderung stellen und den mysteriösen Vampir treffen, um die Gefahr zu bannen! Dieser Comic ist gruselig und witzig, leicht zugänglich und so, so schön und süß illustriert!

Bree Paulsen: Knobi und der Vampir. Knesebeck Verlag, 160 Seiten, 16 €, ab 8 Jahre

entnommen aus:

Bree Paulsen: Knobi und der Vampir. Knesebeck Verlag, 160 Seiten, 16 €, ab 8 Jahre

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30 31 Aber falls du eine Pause brauchst, etwas Neues suchst oder ein kleines Abenteuer … … darfst du das jederzeit tun. Neee, Abenteuer sind nix für mich. Ganz, wie du magst. Ha, ha … Schön und sicher. Ich liebe den Garten. Vielleicht wirst du eines Tages selbst Knollen verzaubern. Moment glaubst du, ich könnte das? … aber nicht lebendig zaubern! Ich will ihnen beim Wachsen helfen … HEu uuu uuL
Mandy Schlundt: Rappel im Karton. Fischer Sauerländer, 208 Seiten, 15 €, ab 10 Jahren
zwei Ti p p s von Elsa s

Lieber Jaron, wir warten auf dich.

Jaron ist drei Jahre alt und liebt es, wenn ihm seine Schwester Mara aus ihrem Tagebuch vorliest. Und am liebsten hört er von ihr, wie sie auf ihn gewartet hat, damals, als er noch nicht geboren war. Sehnsüchtig und ungeduldig hat sie ihr erstes Aufeinandertreffen herbeigesehnt, mit dem Gefühl, ihn schon vor der ersten Begegnung zu kennen. Sie beschreibt in ihren Einträgen die Vorfreude darauf, bald Zeit mit ihrem Bruder verbringen zu können und berichtet von den Vorbereitungen, die sie trifft, um ihm den Einzug so schön wie möglich zu machen, bis hin zum Gefühl, Jaron das erste Mal von ihrer Mutter in den Arm gelegt zu bekommen. Ein wunderschön illustriertes und herzerwärmendes Buch voller Dankbarkeit und über Geschwisterliebe. Ein besonderes Bilderbuch über die Vorfreude, wenn man einen neuen Menschen im Leben willkommen heißen darf.

Sonja Danowski: Die Tage, bevor Jaron kam. Bohem Verlag, 48 Seiten, 24 €, ab 3 Jahren

sagenhafte Geschichten von starken Frauen

Benjamin Lacombe hat es wieder geschafft. Manchmal sind Bücher so schön, dass man sie direkt besitzen will, egal um was es geht. Wie schon mit “Japanische Geister und Naturwesen” und “Geistergeschichten aus Japan” verzaubert Lacombe auch mit diesem Band wieder mit faszinierend schönen Illustrationen. Diesmal geht es um heldenhafte Kriegerinnen aus der japanischen Volkskultur. Hierfür hat er mit Sébastien Perez historische Überlieferungen und Geschichten gesammelt und in diesem Band zusammengeführt. Sie erzählen von der Kaiserin Jingu über Tomoe Gozen, die für ihren Geliebten Yoshinaka bis zu dessen Untergang kämpfte, von Ohori Tsuruhime, der berühmten Kriegerin des 16. Jahrhunderts, und Nakano Takeko, der »letzten Samurai-Kriegerin«, und noch von weiteren unglaublich mutigen Kriegerinnen. Die Geschichten sind natürlich verkürzt und höchstwahrscheinlich auch an eine westliche Leser:innenschaft angepasst, aber mit diesem Wissen im Hinterkopf trotzdem für Japan Fans und Interessierte zum Eintauchen und Staunen genau das Richtige.

Sébastien Perez: Geschichten von Samurai-Frauen. Jacoby&Stuart Verlag, 184 Seiten, 49 €

Verhexte Vorstellungsrunde

Es ist, es ist wie verhext, Hexen sind relaaaxt. Würde zumindest Bibi Blocksberg singen, denn diese hippen Hexen sind ganz zauberhaft in der Moderne angekommen. Samt Tierbegleiter versteht sich. Auf jeder Seite lernen wir eine von ihnen in Reimform kennen: Da wären zum Beispiel die fliegende Musikhexe Izara und ihr musikalisches Schuppentier, der rote Krebs, der immer eine helfende Hand für die Meerjungfrauhexe Morgana hat, und Regenwaldhexe Priya, die auf einer mindesten 1000 m langen Anakonda lebt (so cool!). Der Text ist für Erwachsene mindestens genauso witzig wie für Kinder und die Illustrationen von April Suddendorf sind auch ganz herzallerliebst. Die Hexen sind allesamt kreativ-knuffig-kunterbunt gestaltet und passen perfekt in diese magische Welt, in der es gefühlt nur runde Ecken gibt (von den Spitzen der Zauberhüte mal abgesehen natürlich). Und was das Lieblingstier der Autorin ist, wird am Ende auch noch verraten.

April Suddendorf: Hippe Hexen und ihre zauberhaften Tiere. NordSüd Verlag, 48 Seiten, 17 €, ab 4 Jahren

Ein Tip p von Alwin
Jans Ti p p
Franzis t i pp

Verlagsvorstellung Zuckersüß

Wenn die Kommentare dort beantwortet und die Zähne geputzt sind, wird noch etwas vorgelesen.

Seit 2022 bietet ihr mit dem Katalyst Verlag auch Literatur für Erwachsene an. Kannst du uns auch kurz etwas über den Katalyst Verlag erzählen? Für welche Bücher steht der Verlag?

Der Zuckersüß Verlag wurde 2019 von dem Ehepaar Anna und Lukas Kampfmann gegründet. Nach der Geburt ihrer Zwillinge fingen sie an sich die Fragen zu stellen, mit denen sich alle jungen Eltern beschäftigen: Wie können wir unsere Kindere bereit machen für diese Welt? Seitdem finden und übersetzen die beiden ganz besondere Kinderbücher aus aller Welt. Wir durften Lukas Kampfmann ein paar Fragen stellen und er hat euch auch gleich seine aktuellen Lieblinge mitgebracht:

Welche Kinderbücher haben dich und deine Liebe zu Büchern beeinflusst?

Ganz sicher „Wo die wilden Kerle wohnen“, „Ferdinand, der Stier“ und „Der kleine Wassermann“. Die Bücher sind bis heute im Regal.

Kannst du uns von einem typischen Tag im Zuckersüß Verlag erzählen?

Mittlerweile gehen unsere Kinder in die Kita, da haben wir also fast sowas wie Routine entwickelt. Wir starten gemeinsam mit einem Kaffee um 9 Uhr und planen den Tag. Dann sortieren wir unsere Inbox und probieren alles Dringende schnell zu erledigen, bevor wir auf „Pause“ drücken. Dann kommen keine neuen E-Mails mehr bei uns an und wir können uns den wichtigen Themen widmen: Programmplanung, Marketing, Logistik. Ab 15 Uhr gehört der Tag der Familie, nur ab und an steht abends noch ein Post auf Instagram an.

Der Katalyst Verlag macht Bücher für Menschen ab 14, die wir uns selbst in jungen Jahren gewünscht hätten, vor allem rund um die Themen Identität, Liebe oder Familie. Wie auch bei Zuckersüß legen wir großen Wert darauf, vielfältige Bücher zu machen, in denen Autor*innen zu Wort kommen und Figuren vorgestellt werden, denen bisher noch keine große Aufmerksamkeit zuteilwurde. Momentan zeigt sich das in einem starken Fokus auf queere Romane.

Die Verlage haben deine Frau und du gemeinsam gegründet. Ihr lebt zusammen und arbeitet zusammen. Wie schafft ihr es, dass das gut funktioniert? Gibt es einen Geheimtipp, der unbedingt befolgt werden muss? Teilt ihr euch die Arbeit auf oder macht ihr alles gemeinsam?

Der Geheimtipp ist eigentlich wie bei jeder Beziehung: Je mehr gesprochen wird, desto besser läufts. Und weil wir das gleiche Ziel haben, können wir wunderbar über den Weg dorthin diskutieren. Dabei setzen wir beide unsere jeweilige Stärke ein und ergänzen uns so wunderbar. Anna hat ein unglaubliches Gespür für die richtigen Bücher und Themen und meine Aufgabe ist es, diese Bücher dann auch zu verkaufen. Aber am Ende treffen wir alle wichtigen Entscheidungen nur gemeinsam.

Woran erkennt man ein gutes Kinderbuch? Woran erkennt man ein gutes Buch für Erwachsene?

Gute Bücher, ob für Kinder oder Erwachsene, erkennt man daran, dass man durch sie etwas Neues lernt – und zwar auf eine Art und Weise, die begeistert.

Wenn du nochmal Kind sein könntest, was würdest du anders machen? Oder versuchen, bewusster wahrzunehmen?

Ich glaube, man muss erst selbst Kinder haben, um wirklich zu verstehen, was alle Eltern eigentlich Tag für Tag leisten – und auch die eigenen Eltern geleistet haben. Da ist also bei mir eine ganz neue Wertschätzung entstanden.

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Die beiden haben uns auch ihre liebsten Titel aus dem kommenden Zuckersüß Programm verraten und natürlich auch zwei Empfehlungen aus dem Katalyst Verlag:

Eine Familie wie unsere

Alle Familien sind einzigartig - und doch haben sie viel gemeinsam Groß, klein, aus Verwandten oder Freunden bestehend: Es gibt viele Arten von Familien. Und jede ist ein wenig anders. Was sie verbindet? Wir Menschen! In unserem Familien-Leben erfahren wir Zusammenhalt, Geborgenheit und Liebeegal in welcher Zusammenstellung. In diesem Kinderbuch gibt es ganz viele unterschiedliche Arten der Familie zu entdecken - bestimmt findet jedes Kind die, die ihm am besten gefällt und gut tut!

Alice Lee, Frank Murphy: Eine Familie wie unsere. Zuckersüß Verlag, 40 Seiten, 24, 90€, ab 3 Jahren

Verborgen

Finn hat superschlechte Laune und sitzt als Deckenhäufchen auf dem Bett. Opa möchte darüber reden, aber das Deckenhäufchen weigert sich beharrlich. Mit Mühe lässt Finn sich zu einem Spaziergang durch den Wald überreden. Dort wird nach und nach klar, dass sich „darunter“ oft mehr verbirgt, als es zunächst den Anschein hat. Die preisgekrönte Kinderbuch-Autorin und Illustratorin Cori Doerrfeld nimmt in diesem Bilderbuch Kinder ab vier Jahren mit in die Natur. Opa und Finn entdecken dort viele Beispiele dafür, dass es unter der Oberfläche oft verborgene Welten gibt. So erkennt Finn, dass sein Großvater ihn besser versteht als gedacht.

Cori Doerrfeld: Verborgen. Zuckersüß Verlag, 40 Seiten, 24, 90 €, ab 3 Jahren

Der schwarze Flamingo

Michael ist ein schwuler Teenager mit Schwarzem Vater und weißer Mutter, der in London aufwächst. Sein ganzes Leben lang hat er sich damit auseinandergesetzt, was es bedeutet, griechisch-zypriotisch und jamaikanisch zu sein. Aber er sitzt zwischen allen Stüh-

len und ist den einen nicht griechisch genug und den anderen nicht Schwarz genug. Als er älter wird, ist Michaels Coming-out nur der Anfang, um zu herauszufinden, wer er ist und wo er hingehört. Als er die Drag Society entdeckt, begreift er endlich, wo sein Zuhause ist – und der Schwarze Flamingo wird geboren. Erzählt mit roher Ehrlichkeit, erstaunlicher Beobachtungsgabe und zugänglicher Lyrik erforscht dieses Debüt die Identitätsschichten, die uns zu dem machen, was wir sind – und uns glänzen lassen.

Dean Atta: Der schwarze Flamingo. Katalyst Verlag, 370 Seiten, 22 €, ab 14 Jahre

Ich wünsch dir nur das Beste

Als Ben De Backer sich gegenüber den Eltern als nicht-binär outet, wird Ben aus dem Haus geworfen und hat keine andere Wahl, als bei der entfremdeten älteren Schwester einzuziehen. Ben kämpft mit einer Angststörung, die durch die Ablehnung der Eltern noch verstärkt wird, und offenbart sich nur einer Handvoll von Menschen. Aber Bens Versuche, unbemerkt die letzte Hälfte des Abschlussjahres zu überstehen, werden vereitelt, als Nathan Allan, ein lustiger und charismatischer Mitschüler, beschließt, Ben unter seine Fittiche zu nehmen. Während die Freundschaft von Ben und Nathan wächst, entwickeln sie Gefühle füreinander, und was als Katastrophe begann, entpuppt sich nun als Chance, ein glücklicheres neues Leben zu beginnen.

Mason Deaver: Ich wünsch dir nur das Beste. Katalyst Verlag, 390 Seiten, 22 €, ab 14 Jahre

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MURPHY LEE HARREN V Frank Murphy un A e Lee Il tr et von K y a Harren EINE FAMILIE wie UNSERE Wir alle brauchen Familie. Denn Familie ist ein Ort, an dem wir uns geliebt und stark fühlen können. An dem wir weinen und lachen, lernen und wachsen dürfen. Es gibt Familien, die wir hineingeboren werden, und solche, die wir uns mit der Zeit aufbauen. Und dabei ist jede Familie so einzigartig, wie du selbst es bist! Dieses Buch feiert diese vielfältigen, wundervollen Familien. Besonders deine eigene. Denn die Welt braucht eine Familie wie deine! wie Unter der Oberfläche versteckt sich so viel mehr, als du von außen sehen kannst. Cori Doerrfeld Was man nur mit dem Herzen sieht Cori Doerrfeld MASON DEAVER ES SIND NUR DREI WÖRTER: ICH BIN NICHTBINÄR. ABER DAS GENÜGT, UM ALLES ZU VERÄNDERN. Als Ben De Backer sich gegenüber den Eltern als nichtbinär outet, wird Ben aus dem Haus geworfen und hat keine andere Wahl, als Abschlussjahres zu überstehen, werden vereitelt, als Nathan Allan, ein lustiger und charismatischer Mitschüler, beschließt, Ben unter „Ich wünsch dir nur das Beste“ ist ein Roman, der abwechselnd Freundschaft und Liebe und ein leuchtendes Zeichen der Hoffnung DEAN ATTA DAS IST DIE GESCHICHTE VON MICHAEL. Michael ist ein schwuler Teenager mit Schwarzem Vater und weißer Mutter, der in London aufwächst. Sein ganzes Leben sitzt er zwische allen Stühlen: Den einen ist er nicht griechisch genug und den anderen nicht Schwarz genug. Als er älter wird, ist Michaels Coming-out nur der Anfang, um herauszufinden, wer er ist und wo er hingehört. Und als er die Drag Society entdeckt, begreift Michael endlich, wo sein Zuhause ist – und der Schwarze Flamingo wird geboren. Erzählt mit roher Ehrlichkeit, erstaunlicher Beobachtungsgabe und zugänglicher Lyrik erforscht dieses Debüt die Identitätsschichten, die uns zu dem machen, was wir sind und uns glänzen lassen. »ICH HABE JEDES WORT GELIEBT« – MALORIE BLACKMAN »EIN SEHR MODERNES MEISTERWERK« – JUSTIN MYERS, THE GUYLINER »ICH WÜNSCHTE, ICH HÄTTE DIESES BUCH GEHABT, ALS ICH JÜNGER WAR« – TRAVIS ALABANZA

Geschwisterliebe auf dem Prüfstand

Manchmal ist Karl einfach nur genervt. Ständig muss er auf Mo aufpassen, seinen um 3 Minuten älteren Zwillingsbruder. Bei der Geburt hatte Mo zuwenig Sauerstoff bekommen und deswegen braucht Mo besondere Aufmerksamkeit. Was ist mit den Eltern? Die Mutter arbeitet viel, der Vater ist im Ausland. Wer bleibt? Karl! Und er kümmert sich an vier Tagen die Woche um Mo. Karl liebt seinen Bruder; er liebt seine Ehrlichkeit, seine Direktheit und man kann super mit Mo herumalbern. Aber manchmal wird es zu viel. Gegenüber Freunden, gegenüber Nachbarn, in der Schule, auf dem Fußballplatz. Oliver Scherz schafft es sehr gut die Ambivalenz von Karls Gefühlen kindgerecht darzustellen. Karl liebt seinen Bruder, er ist aber mit ihm überfordert und das macht ihn unter anderem wütend. Trotz hoffnungsvollem Ende passieren in der Geschichte einige traurige und tragische Ereignisse, daher ist die Altersempfehlung ab 11 Jahren sinnvoll. Die Geschichte um Mo und Karl ist eine bewegende Geschichte um zwei Brüder, gleichzeitig aber auch Kritik an unserer Gesellschaft.

Oliver Scherz: Sieben Tage Mo. Thienemann Verlag, 176 Seiten, 16 €, ab 11 Jahren

Es funkelt, glitzert und leuchtet!

Kennst du Vampirtintenfische? Oder Zigarren-Haie? Oder sagt dir der Samtbauch-Laternenhai etwas? Wie kann man sich einen Nacktnasenwombat vorstellen? Und was für eine Pilzart verbirgt sich hinter dem Namen "Dunkler Ölbaumtrichterling"? Antworten auf all diese Fragen findest du in "Glow - Das wundersame Leuchten der Natur"! Das Buch erforscht, wie bestimmte Tiere und Pflanzen Licht erzeugen und was wir von ihnen lernen können. Erforsche die Tiefsee und tauche nach den unheimlichen und spektakulären Bewohner:innen des Meeres. Das Buch ist etwas ganz Besonderes für unser Auge und das erste Kindersachbuch zum spannenden Naturphänomen der Biolumineszenz. Ein Kinderbuch in extra-großem Format für ein extra-spannendes Leseerlebnis!

Jennifer N.R. Smith: Glow-Das wundersame Leuchten der Natur. cbj Verlag, 40 Seiten, 20 €, ab 8 Jahren

Illustration entnommen aus: André Bouchard: Ein Tag im Leben einer Fee. Schaltzeit Verlag, 40 Seiten, 15, 50€, ab 4 Jahren

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Sonjas t i p p Elsas T i p p

Wer hat die größten Augen der Welt?

In diesem Atlas tummeln sich Sage und Schreibe nach über 280 Tiere. Von manchen hast du ganz sicher schon einmal etwas gehört, andere widerrum sind bislang noch unbekannt. Lies spannende und erstaunliche Geschichten über die verschiedenen Tierarten und finde den winzig kleinen Krill, der sich auf allen Seiten versteckt. Auf jeder Seite wird ein Kontinent vorgestellt und mit ihm die Tiere, die auf ihm leben sowie deren Besonderheiten.Gedruckt wurde dieses liebevoll illustrierte Kinderbuch auf Recyclingpapier und mit Ökofarben in Deutschland. Es hat dadurch eine tolle Habtik und eine angenehm unaufdringliche Optik. Eine absolute Empfehlung für alle kleinen Entdecker:innen und Tierliebhaber:innen, die die Welt der Tiere genauestens unter die Lupe nehmen möchten! Ach, und die Antwort auf die Frage am Anfang möchten wir dir nicht vorenthalten: Das Tier mit den größten Augen der Welt ist der Koloss-Kalamar! Wenn du aber wissen magst, wo du diesen antreffen kannst, dann schau einfach in diesem schlauen Buch nach!

Katrin Wiehle: Mein großer Tieratlas. Beltz Verlag, 16 Seiten, 16 €, ab 3 Jahre

Wo ist denn bloß die torte hin?

2006 hieß es beim Moritz Verlag zum ersten Mal "Die Torte ist weg". Das wimmelige Buch ist längst Kult in den Kinderzimmern der Welt. Im neuesten Werk der Torten-Reihe heißt es ganz inklusiv "Torte für alle!". Das Konzept ist aber das Gleiche geblieben. Ein Raubvogel klaut die Picknickdecke und mit ihr alles, was das Picknick schön gemacht hätte: Den Fußball, einen Strohhut, diverse Spielzeuge und eben auch die Torte. Jetzt ist es am Leser, oder eher gesagt am Gucker - denn das Buch kommt traditionell ganz ohne Worte aus - den Handlungsstrang selbst zu bestimmen: Man kann den einzelnen Figuren im Laufe der Geschichte folgen oder den Gegenständen. Oder man wimmelt sich eine Geschichte aus verschiedenen Ereignissen zusammen. Fest steht: Das Buch wird niemals langweilig, weil es soviel zu entdecken gibt. Für Kinder ab 2 Jahren fördert es spielerisch die Sprachentwicklung und Eltern, die nicht zum 50. Mal dasselbe Buch vorlesen möchten, sind dankbar für die Abwechslung. Und Torte gibt es am Ende natürlich auch.

Thé Tjong-Khing: Torte für alle. Beltz Verlag, 32 Seiten, 15 €, ab 4 Jahre

Ein Fall für die Mystery Crew!

Wer liebt sie nicht, die klassische Abenteuergeschichte?

In Lenny Hunter und die magische Sanduhr ist eigentlich alles mit dabei: Drei junge Freunde - Lenny, Cleo und Marvin - werden von Lennys kauzigen Großvater in den Urwald nach Südamerika geschickt. Eine berüchtigte Gangsterbande hat es auf eine Uhr abgesehen, mit der sich die Zeit zurückdrehen lässt.

Was dann passiert, ist Unterhaltung pur: Einstürzende Tempelwände, Düsenflieger, steile Kletterwände, ein Gangsterboss und ein Ende, in dem die Klügeren, nicht die Stärkeren sich durchsetzen. Die Geschichte selbst wird dabei in altersadäquater Sprache spannend und kurzweilig erzählt, so dass große und kleine Leser:innen mitfiebern und miträtseln können. Für Kids, die schon früh in das Bermuda-Dreieck zwischen Indiana Jones, Kim Possible und Studio Ghibli aufbrechen wollen. AUßerdem ist die Aufmachung des Buches ein richtiger Hingucker: Illustrator Silvio Neuendorf ist den meisten wohl dank Käpt'n Sharky bekannt, und steuer auch hier wieder detailreiche und farbenfrohe Bilder bei.

THiLO: Lenny Hunter. Coppenrath Verlag, 40 Seiten, 16 €, ab 3 Jahre

Jans Ti p p
Elsas T i p p Jud i t h s TiPP

Die B wie Berlin Lernkarten sind ein echter Hingucker und wir haben uns mit der Gründerin Alyssa getroffen und sie gefragt wie sie auf die tolle Idee kam, was hinter dem Verlag steckt und ob da noch mehr in Planung ist.

B wie Berlin fing mit deinen Lernkarten an. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Ich bin 2020, mitten in der Corona-Zeit, auf die Idee gekommen, als ich mit meinen beiden Kindern zuhause saß. Der Große war in der Schule, die Kleine in der Kita. Mein Sohn hat seine Home-Learning-Aufgaben von Zuhause aus machen müssen und Malaika hat das mitbekommen und wollte mit ihm zusammen lernen. Dann habe ich mir gedacht, dass es das einfachste wäre, mit dem Alphabet anzufangen und ihr dieses beizubringen. Zuhause hatten wir ein großes Tier-Alphabet-Poster, was bestimmt die meisten kennen: A wie Affe, E wie Elefant und so weiter. Und meine Tochter kannte die Hälfte der Tiere nicht, beispielsweise stehen dort auch Tiere wie Q wie Qualle oder Y wie Yak oder N wie Nachtigall. Mir ist dann aufgefallen, dass Berliner Kinder eigentlich kaum Berührungspunkte haben mit den meisten Tieren, dabei ist es für Kinder viel einfacher, etwas zu lernen, wenn sie Bezug zu etwas haben. So bin ich online auf die Suche gegangen und habe geschaut, ob es so etwas auch für Berlin gibt, bin aber nur vereinzelt auf Bücher gestoßen. Ich hatte aber eher an Flashcards gedacht, im englischsprachigen Raum sind diese als Lernmethode recht bekannt. Da ich keine gefunden habe, habe ich mich selbst ans Werk gemacht. Die Karten habe ich gemeinsam mit meiner Schwester, meiner Illustratorin Nour Abdallah und meinem Sohn entwickelt, der mir gesagt hat, was ihm aus unserer Stadt als erstes einfällt, wenn er an den jeweiligen Buchstaben denkt. Ähnlich als würden wir Stadt-LandFluss spielen. Für mich wichtig war auch, dass wir nicht ausschließlich das Alphabet besprechen, sondern auch Berlins Kultur und Geschichte den Kindern näher bringen und darüber hinaus, politisch bilden. Deswegen habe ich Begriffe wie Protest, Wende etc. mit eingebaut und ganz viele kleine weitere Details, zu denen man auch als erwachsene Menschen weiter recherchieren kann.

Ist B wie Berlin allein dein Unternehmen

oder wird dir von anderen auch etwas an dem ganzen Prozess abgenommen?

Die Idee kam allein von mir, aber ich hatte im ersten Jahr viel Unterstützung von meinen Schwestern und arbeite eng mit meinen Illustratorinnen zusammen. Nour Abdallah hat die Berlin-Karten illustriert und Karina Rehrbehn das Hamburg ABC. Einmal die Woche haben meine Schwestern und ich einen Call gemacht und Ideen gesammelt. Am Ende habe ich das Ganze umgesetzt und finanziert, habe die Verantwortung und die Entscheidungen übernommen, aber ohne die Hilfe meiner Familie wäre es schwierig geworden, da ich lieber mit anderen zusammen arbeite. Außerdem hat eine meiner Schwestern Erfahrungen im Online-Retail und meine andere Schwester hatte große Lust auf einen Product-Launch. Beide haben Fähigkeiten, die ich nicht hatte, da ich bisher immer nur non-profit gearbeitet habe. Ich bin eine One-WomanShow, habe mittlerweile auch ein Lager und arbeite mit einem Logistikunternehmen, das den Versand übernimmt. Eineinhalb Jahre habe ich die Karten selbst mit dem Fahrrad an die Buchhandlungen ausgeliefert. Mein allererster Kunde war übrigens Hannes aus der BUCHBOX! in der Kastanienallee. Den hatte ich auf einer Verlagsparty kennengelernt und er hat mir gleich 50 Stück abgenommen.

Wie bewertest du die Spiel- und Lernmaterialien, die derzeit vertrieben werden? Findest du, es besteht Verbesserungsbedarf?

Ich finde, wir in Deutschland sind sehr hinterher, vor allem was Diversity angeht. Es wird sich seit circa zwei, drei Jahren mehr darum bemüht, verschiedene Lebensformen darzustellen, trotzdem bisher aber einfach viel zu wenig und ungenügend. Es gibt zu viele Kinder, die sich in ihren Lernmaterialien nicht wiederfinden können und dadurch keinen Zugang zu den Themen finden. Auch im Jahr 2023 finden wir noch rassistische und erschreckende Abbildungen und Inhalte in Schulbüchern. Es ist dringend erforderlich, das zu kontrollieren und zu überarbeiten. Ich bespreche das mit meinen Kindern, vermittle ihnen, dafür sensibel zu sein und gewisse Dinge nicht “als in Ordnung” hinzunehmen und zu hinterfragen. Nicht selten habe

ich mich bei der Schule beschwert, aber es kommt einfach trotzdem noch viel zu häufg vor, dass die Inhalte nicht korrekt sind oder Lehrer:innen sich diskriminierend äußern.

Das Motto lautet bei dir “Spielen, Lernen und Spaß haben”. Wie wichtig sind Spielen und Spaß beim Lernen?

Ganz ganz wichtig. Für mich war Schule toll, ich hatte das Privileg, viele richtig gute Schulen besuchen zu dürfen. Ganz oft haben Erwachsene in Deutschland eine negative Assoziation zu Schule. Das fnde ich schade und traurig. Ich bin in Ländern aufgewachsen, in denen Kinder unbedingt in die Schule gehen möchten und mit Eltern, die alles dafür tun, ihren Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. In Deutschland ist Bildung einfach für alle kostenfrei! In so vielen Ländern, in denen ich aufgewachsen bin, wie Niger oder Burkina Faso, kostet der Schulbesuch viel Geld, Schule können sich so viele nicht leisten. Es ist ein Privileg, dass alle Kinder in Deutschland in die Schule gehen können und deswegen sollte es, meiner Meinung nach, auch Spaß machen. Auch Arbeit bei Erwachsenen wird häufg als anstrengende Pficht gesehen und es wird sich nur auf das Wochenende gefreut. In den Kitas hier wird meist nur gespielt. Sie beginnen dann erst damit, zu lernen, wenn sie in die Schule kommen. Das bedeutet eine krasse Veränderung und fällt vielen Kindern nicht leicht. In vielen afrikanischen Ländern lernen Kinder viel früher erste Buchstaben zu schreiben, mit 3, 4 Jahren. Kinder sind zwar vom Typ her alle unterschiedlich, aber viele haben schon in der Kita Interesse und Lust am Lernen, was, meiner Meinung nach, unbedingt gefördert werden muss. Es ist schade, dass ihnen dann vermittelt wird, dass mit der Schule der "Ernst des Lebens" anfängt und der Spaß vorbei ist. Leider glaube ich, dass viele Eltern ihre Angst und negative Einstellung Schule gegenüber an ihre Kinder weitergeben. Ja, es gibt sehr viel Verbesserungsbedarf in unserem Bildungssystem. Prinzipiell sollten wir unseren Kindern vermitteln, dass es TOLL ist, in die Schule zu gehen!

Das Logo “Diversity” steht auf deinen Karten. Was hat es damit auf sich?

Ich möchte dadurch die Leute darauf hinweisen, dass das mein besonderes Merkmal ist. Davon abgesehen, dass es sowieso keine anderen Berlin-bezogenen Lernkarten gibt, ist bei mir die Besonderheit, dass ich ein Augenmerk darauf lege, Berlin

wirklich so darzustellen, wie die Stadt einfach ist. Ich möchte nichts verfälschen, ich möchte beispielsweise ein buntes Kreuzberg zeigen: Frauen mit Hijab, Kinder im Rollstuhl und so weiter. Es ist einfach wichtig, weil Kinder Fragen stellen wie “Warum sieht der so anders aus?”. Es ist toll, in einer Stadt wie Berlin zu leben, in der so viele unterschiedliche Menschen leben. Ich möchte, dass Vielfalt zelebriert wird und das wird sie bislang zu wenig in Büchern und Lernmaterialien. Häufg wird Diversity problematisiert und nicht als Normalität abgebildet. Ich will, dass Kids sich denken: "Ich bin einzigartig und das ist gut so!". Dass sie zu sich stehen und stolz auf sich sind.

Es gibt inzwischen Malbücher, Sticker, Poster und Postkarten, richtig? Sind noch weitere Produkte geplant?

Ich bekomme sehr viele Anfragen und Ideen, aber als erstes möchte ich mehr Berlin und Hamburg Produkte entwickeln. Ich habe mich noch nicht ganz festgelegt. Gerne möchte ich auch eine weitere Stadt ausprobieren, gerne München als nächstes, weil ich dort geboren bin und Bayern liebe. Inzwischen gibt es außer Berlin schon “H wie Hamburg”, weil das einfach die Stadt war, nach der immer wieder gefragt wurde und die sich die meisten gewünscht haben. So arbeite ich eigentlich am Liebsten: mit meiner Instagram Community und mit meinen Kundinnen zusammen. Mal sehen was sie sich noch so alles wünschen von mir! Nach Köln wurde auch schon viel gefragt, ich würde aber auch sehr gerne Karten für afrikanische Hauptstädte entwickeln: Nairobi, Dakar, Lagos, Accra zb. Und Wien fände ich auch toll. Meine Großmutter war Wienerin. Das würde ich also ihr zu Ehren machen.

Interview: Elsa Stappenbeck

Achtung! Wir verlosen ein Paket, bestehend aus den ABC-Lernkarten und dem Malbuch, dass ihr euch bei uns in der BUCHBOX! abholen könnt. Dafür musst du nur den QR scannen, Alissa bei Instagram folgen, dieses Foto liken und ihr in den Kommentaren deinen Lieblingsort in Berlin verraten. Viel Glück!

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Samantha Shannon: Das Kloster des geheimen Baumes. Penhaligon Verlag, 640 Seiten, 22 €

Rory Power: Burn our Bodies down. Piper Verlag, 336 Seiten, 20 €

Bitter Sweet Books

Wir haben eine neue Abteilung! Vielleicht hast du in letzter Zeit in der Buchbox am Helmholtzplatz ein paar Veränderungen bemerkt. Denn wir haben hier nicht nur die Seiten gewechselt (Kinderbuch ist jetzt rechts und die Belletristik und Sachbücher findest du links) sondern uns auch was Neues einfallen lassen.

In unserer neuen Bitter SweetAbteilung findest du vor allem Bücher, die sich dem Genre Young Adult Fiction (kurz: YA)und New Adult Fiction (NA) zuordnen lassen. Diese Genres werden vorrangig von jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren gelesen. Während in Young Adult-

Romane Coming-of-Age-Geschichten im Vordergrund stehen, handeln New Adult-Romane von jungen Erwachsenen und greifen Themen wie Freundschaft, Sexualität, Drogen, Alkohol, Leben, Intrigen, Tod sowie sexuelle und geschlechtliche Identität auf.

Romantische Unterhaltung und mitreißende Liebesgeschichten, von Fantasy, Science-Fiction und historischen Romanen, hier wirst du auf jeden Fall fündig.

Komm vorbei und such dir deinen Schmöker aus. Oben siehst du eine kleine Auswahl unserer Lieblinge.

Casey McQuiston: Red White & Royal Blue. Macmillan USA, 448 Seiten, 12 € Ali Hazelwood: Love, theoretically. Rütten & Loening Berlin. 537 Seiten, 18 € Hannah Grace: Icebreaker. LYX Verlag, 560 Seiten, 14,90 €
nur
Rebecca Yarros: Fourth Wing. dtv Verlag, 768 Seiten, 24 €
in der Buchbox am Helmholtzplatz

In Verteidigung von BookTok-Büchern

Die Gesellschaft hat diese stressige Tendenz, alles zu hassen, was stereotyperweise Teenagerinnen gut finden. Als ich zum Beispiel dreizehn war, als junger Typ vom Lande, da hatte ich mit Sachen wie Justin Bieber und Twilight eigentlich wenig am Hut, ich wusste nur über kulturelle Osmose, das ich so etwas hassen sollte. TikTok-Literatur ist so etwas wie das Neuste trendige *deragatory* Wort für etwas, das man aus diesem Prinzip scheiße findet. Aber ich lege jetzt einmal meine Hand in die Bresche. Es gibt einige dieser Bücher, die deutlich besser als ihr Ruf sind. Nur läuft man hier im Gegensatz zum dreißigsten autofiktionalen Roman eines Kerls Mitte dreißig darüber, wie sehr er seinen Job hasst, tatsächlich das Risiko, unterhalten zu werden.

Ich empfehle emblematisch Ana Huangs "King of Wrath", weil dieser Roman keine Chance bietet, ihn zu verklären. Nein, hier gibt es nichts über die Natur der Existenz zu lernen, das ist kein wichtiger Roman und besonders tiefsinnig ist er auch nicht. Es geht um die chinesisch-amerikanische Vivian, deren neureiche Eltern sie in Hoffnung auf gesellschaftliche Anerkennung an den italienischen Mode-Milliardär Dante verheiraten wollen. Sie gibt nach, trifft ihn als ein arrogantes, unkommunikatives Arschloch, entdeckt aber schließlich doch eine Seite an ihm, die ihr besser gefällt, als sie zugeben möchte.

Wer schon einmal eine Fan-Fiction gelesen hat, kennt jede einzelne Trope dieses Buchs. Es ist nicht gerade innovativ. Aber es gibt vieles an Ana Huangs Stil, das man positiv hervorheben muss. Es ist direkte, einschlägige, schlanke Prosa, die auf unnötigen Bullshit verzichtet. Es liest sich wirklich mit Sog. Was darauf passiert, ist spicy, bescheuert, unterhaltsam, es ist wish fulfillment. Aber Gott bewahre, dass wir das Lesen als Unterhaltungsmedium begreifen statt nur als intelektuelle Fingerübung. Wie gesagt: Dieses Buch wird alsbald nicht an der Uni diskutiert werden. Aber King of Wrath ist trotzdem (oder gerade deswegen) unverschämt unterhaltsam.

Yanniks t i pp
Ana Huang: King of Wrath. Lyx Verlag, 474 Seiten, 14,90 €
Auch neu bei uns: eine Auswahl aktueller und beliebter Mangas!

Tauche ein in die Welt von Nox!

Eine gute Fantasy-Welt lebt von einer stimmigen Prämisse. Und für einen kindergerechten Schmöker ist die beste Prämisse oft die, die sofort einleuchtet. Ein Leuchten spielt in Die Geheimnisse von Nox durchaus eine Rolle, denn: Die Welt um Fill ist geteilt in die Welt der Taglinge, wo Sonnenball gespielt wird und es nie dämmert, und Nox. Diese beide Reiche sind nicht dazu gedacht, sich untereinander zu vermischen. Tagsüber lebt Fill ein ganz normales Tagling-Leben. Er geht zur Schule, spielt Sonnenball mit seinen Freunden und hilft seinem Vater im Quaschelgarten. Doch mit der Explosion eines magischen Pfannkuchen wird Fill zum Grenzgänger, lernt die mysteriöse Issa kennen und begibt sich auf die Fantasy-Entdeckungsreise, die sich jedes Tagträumer-Herz zu lesen wünscht. Stellt sich nur die Frage ob ihr auch den Gefahren von Nox gewachsen seid? Taucht ein in die wunderschön illustrierte Welt und etndeckt mit Fill die Welt der Nox.

Claudia Scharf, Lisa Forsch: Das geheimnis von Nox Band 1. Carlsen Verlag, 304 Seiten, 14 €, ab 10 Jahre

T i pp

Als Emmas Papa verkündet, dass seine neue Freundin, samt ihrer Zwillinge jetzt plötzlich in das sowieso schon viel zu kleine Haus einziehen, muss Emma ganz schön schwer schlucken. Denn eigentlich hätte sie ja viel lieber einen Hund statt einer neuen Familie, doch bisher konnte sie ihren Vater nicht davon überzeugen. Zum Glück ist ihre neue Familie ziemlich cool und wünscht sich mindestens genauso sehr einen Hund und ihr Vater ist dann doch auch schneller überzeugt als gedacht. Unter einer Bedingung: Der Hund muss aus dem Tierschutz kommen. Aber wer hätte gedacht, dass ein Hund lieber Tomaten frisst statt selbstgebackene Leberwurstkekse und wenn sich dann auch noch Dracula persönlich einmischt, kann da irgendetwas nicht stimmen… Ein super süßes verrücktes Buch zum Vorlesen und Selbstlesen über eine Patchworkfamilie mit viel Herz, einer biestigen Vermieterin, einem etwas seltsamen Hund und Dracula höchstpersönlich. Perfekt zum gemütlichen Einkuscheln in den kommenden Herbsttage und für Fans von “Der kleine Vampir”.

Lotte Schweizer: Das Vampirtier und die Sache mit den Tomaten. dtv Verlag, 128 Seiten, 14 €, ab 7 Jahre

Warum du auf deinen Körper stolz sein kannst!

Verwirrende Gefühle, unreine Haut, die erste Peridode und der Stimmbruch? Hilfe! All das nervt, aber der Körper erledigt während der Pubertät wahre Held:innenarbeit! Nicht auf den ersten Blick ersichtlich, aber hinter diesen zwei bunten Covern verbergen sich Ratgeber zum Thema Pubertät. Das gelbe richtet sich an Jungs, das rote an Mädchen, es wird aber darauf hingewiesen, dass sich die Bücher natürlich auch an die Personen richten, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen und die Leser:innen auch einfach nur das Wissen für sich mitnehmen können, was sie gebrauchen können. Die Bücher beschäftigen sich mit körperlichen Veränderungen, Emotionen, Grenzsetzung, Achtsamkeit und Selbstbewusstsein. Sie laden dazu ein, immer wieder reinzuschauen, Notizen zu machen, zu schmökern und zu staunen! Zwei besondere Sachbücher für ein positives Körperbewusstsein und mehr Selbstliebe!

Barbara Petruszczak: Der Held in dir./Die Heldin in dir. Atrium Verlag, jeweils 16 €, ab 10 Jahren

Tomatensaft statt Hundefutter
Franzis
Yanniks t i pp
T i p p
Davids

Wenn Frauen Frauen lieben und/oder begehren.

Wenn Menschen zwei oder mehr Geschlechter lieben und/oder begehren.

Wenn Menschen andere Menschen unabhängig von deren Geschlecht lieben und/oder begehren.

Menschen, die jenseits von Zweigeschlechtlichkeit leben.

Wenn Männer Männer lieben und/oder begehren.

Menschen, deren angeborene Geschlechtsmerkmale keine eindeutige Geschlechtszuweisung zu der Norm von Jungen/Männern oder Mädchen/ Frauen möglich machen.

Menschen, die keine Lust auf Sex mit anderen haben. Manche kuscheln und/oder küssen gern. Manche nicht. Manche verlieben sich. Manche führen Liebesbeziehungen.

Das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht passt nicht zum gefühlten Geschlecht. Zudem wird häufg Zweigeschlechtlichkeit hinterfragt und aufgebrochen.

Diese Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr soll sie einen Einblick in die Vielfalt der Geschlechter, Identitäten und sexueller Orientierungen geben und einige wichtige Begrifichkeit verständlich machen. Aus dem Buch »Mädchen, Junge, Kind. Geschlechtersensible Begleitung und Empowerment von klein auf« von Daniela Thörner, illustriert von Slinga erschienen im Familiar Faces Verlag © Familiar Faces Verlag

Findest du allle Quallen?

entnommen aus: Michèle Ganser, Michael Stavaric: Faszination Qualle. Leykam: Verlag, 144 Seiten, 26,50 €

Save the Date

SEP

>> 16.

Vorstellung des Delphi Magazins: Büchertisch im Silent Green

>> 17.

Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Babys verstehen und gelassen begleiten: Buchpremiere mit Danielle Graf und Katja Seide im Babylon

>> 20.

Männer töten: Lesung mit Eva Reisinger in der BUCHBOX! in der Kastanienallee

>> 26.

Die Lügnerin: Lesung mit Friedemann Karig in der Backfabrik

>> 28.

Migrantenmutti: Buchpremiere mit Elina Penner in der Backfabrik OKT

>> 3.

Trotz: Buchpremiere von Ronja von Rönne im Babylon Berlin

>> 4.

Das ewige Ungenügend: Eine Bestandsaufnahme des weiblichen Körpers: Lesung mit Saralisa Volm in der Backfabrik

>> 12.

Die Superkraft der liebevollen Führung: Buchpremiere von Dr. Martina Stotz und Kathy Weber in der Backfabrik

>> 23.

Identitätskrise: Buchpremiere mit Alice Hasters im Heimathafen

>> 28.

Lass mal bloggen!: Buchpremiere mit Mirai Mens in der Backfabrik

NOV >> 15.

Mekka hier, Mekka dort: Lesung mit Melina Borčak in der Backfabrik

>> 16.

Liebe & Hass: Lesung und Gespräch mit Şeda Kurt in der Backfabrik

>> 25. & 26.

Musikalische Lesung für Kinder mit Frederik Vahle

Die Illustration auf der Rückseite dieser BOXPOST! wurde von Josephin Ritschel gezeichnet und entstammt aus: Lou Zucker: Eine Frau geht einen trinken. Alleine.Ein verdächtiges Heft. MaroHeft #11, MaroVerlag 2023, 16€,

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Das war die

BOXPOST

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Ein kleiner Rückblick von unserem Bilderbuchfest 2023. Danke, dass ihr alle da wart und mit uns gefeiert habt!

Wir freuen uns schon auf nächstes Jahr!

Impressum

Herausgeber: Buchbox Entertainment UG, Lettestraße 5, 10437 Berlin

Gestaltung: Franziska Schwarz

Lektorat und Bildredaktion: Elsa Stappenbeck und Franziska Schwarz

Verantwortlich: David Mesche

Autor:innen: Janina, Sonja, Laura, Katha, Emil, Stefen, Verena, Tim, Johanna, Judith, Marie, Alwin, Rafael, Cassandra, Jesper, William, Elsa, Yannik, David, Franzi

Coverfoto: Jenny Witt

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Kastanienallee 97 Lettestraße 5 Grünberger Straße 68 Greifswalder Straße 33 English Bookstore Kastanienallee 88
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