Dominik Wagner & Aaron Pilsan | 07.05.2024

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Bass in

Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung Bewegung

7. MAI 2024 STARS VON MORGEN IX SAISON 2023/24

Elisabeth Leonskaja | Klavier

Jonathan Berlin | Sprecher

Lawrence Foster | Dirigent

Karten und Infos: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerhaus.at KOMMENDE HIGHLIGHTS SAISON 2023/24

DI

21 MAI

19:30

GROSSER SAAL

SO 26 MAI

18:00

GROSSER SAAL

PETR POPELKA & RUNDFUNK SINFONIEORCHESTER PRAG

Der 2. Walzer aus Schostakowitschs Suite für Varietéorchester wurde zum Hit. Walzer klingen auch in Brittens Klavierkonzert und in Rachmaninoffs Sinfonischen Tänzen an.

ELISABETH LEONSKAJA UND MARTIN NÖBAUER

Von Schumanns ‚Schmetterlingstänzen‘ über Brahms’ Ungarische und Dvořáks Slawische Tänze bis Liszts Mephisto-Walzer wird die ganze emotionale Bandbreite des Tanzes ausgelotet.

SO 9 JUN 18:00

MITTLERER SAAL

DO 20 JUN

19:30

GROSSER SAAL

JONATHAN BERLIN

LIEST VASLAV NIJINSKY

Der Schauspieler Jonathan Berlin und das Klavierduo Shalamov begeben sich auf die Spuren des legendären Tänzers und Choreografen Vaslav Nijinsky.

LAWRENCE FOSTER & BRUCKNER

ORCHESTER LINZ

Ein Konzert im Zeichen von Richard Strauss’ Don Quixote (das Cellosolo spielt Christoph Heesch), mit Werken von Viktor Ullmann und Jacques Ibert

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Petr Popelka | Dirigent

Bass in Bewegung

Dienstag, 7. Mai 2024, 19:30 Uhr

Mittlerer Saal, Brucknerhaus Linz

Dominik Wagner | Kontrabass

Aaron Pilsan | Klavier

Saison 2023/24 – Stars von morgen IX 9. von 10 Konzerten im Abonnement

Brucknerhaus-Debüt

Programm

Giovanni Bottesini (1821–1889)

Introduzione e Gavotta A-Dur (o. J.)

Rêverie (o. J.)

Allegretto capriccio fis-Moll (o. J.)

Bolero a-Moll (o. J.)

Adolf Míšek (1875–1955)

Sonate für Kontrabass und Klavier Nr. 2 e-Moll op. 6 (1910)

I Con fuoco

II Andante cantabile

III Furiant. Allegro energico – Trio. Molto tranquillo

IV Finale. Allegro appasionato

– Pause –

Frank Proto (* 1941)

A Carmen Fantasy (1991)

Andrés Martín (* 1981)

Temperamental (2017)

Astor Piazzolla (1921–1992)

Le Grand Tango (1982)

Konzertende ca. 21:30

Brucknerhaus-Premiere

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alla breve

Das Programm auf einen Blick

„Ich bedaure, meine Herren, so falsch gespielt zu haben, aber wenn ich erst einmal weiß, wohin ich meine Finger setzen muss, wird mir das nicht mehr passieren!“

Mit diesen Worten entschuldigte sich der vierzehnjährige Giovanni Bottesini nach seiner – letztlich erfolgreichen – Aufnahmeprüfung für die Kontrabassklasse Luigi Rossis am Mailänder Konservatorium im Jahr 1835. Nur wenige Jahre später galt er als einer der führenden Virtuosen auf seinem Instrument, dessen bis dahin nur sporadische solistische Verwendung er mit der Komposition zahlreicher Kammermusikwerke und Konzerte entscheidend vorantrieb. Dass der Kontrabass tatsächlich weitaus mehr ist als das gravitätisch-sonore Fundament im Streichersatz eines Orchesters, macht das heutige Konzert mit einer Auswahl von Werken deutlich, die den leichtfüßigen, bisweilen ausgelassen tänzerischen Charakter dieses nur scheinbar schwer fälligen Instruments in den Vordergrund stellen.

Neben Stücken von Bottesini steht dabei die 2. Sonate für Kontrabass und Klavier von Adolf Míšek auf dem Programm, ein zu Lebzeiten des Komponisten außerordentlich populäres Werk, stilistisch in der Nachfolge von Johannes Brahms und Antonín Dvořák angesiedelt. Dezidiert tänzerisch wird es in der zweiten Hälfte mit der auf Melodien von Georges Bizets gleichnamiger Oper basierenden Carmen Fantasy des US-Amerikaners Frank Proto, Andrés Martíns hochvirtuos-temperamentvollem Stück Temperamental und schließlich Le Grand Tango vom Meister des Tango Nuevo persönlich: Astor Piazzolla.

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Die „manngroße

Violine“

Die Historie des Kontrabasses beginnt vor mehr als 500 Jahren: Die „manngroße Violine“, die 1493 erstmals erwähnt und kurz nach 1500 bildlich in unterschiedlichen Kontrabassformen dargestellt wird, entsteht in Oberitalien und damit in der gleichen Gegend wie viele andere Streichinstrumente. Innerhalb dieser Instrumentenfamilie gibt es allerdings keines, das über die Geschichte hinweg in so vielen verschiedenen Bauweisen, Größen, Stimmungen und Begrifflichkeiten vorliegt, sodass selbst heutzutage keine gänzlich einheitliche Form vorherrscht. Der Hauptgrund dafür liegt in der Konzeption des Kontrabasses: Während sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch bestimmte Unterscheidungsmerkmale wie Größe oder Register die beiden Grundtypen der Viola da gamba (Großgeigen) und der Viola da braccio (Kleingeigen) herausformen, steht der Kontrabass als variantenreiche Mischform genau dazwischen. Auch wenn diese Tatsache zwangsläufig zu abweichenden Auffassungen in Hinblick auf die Familienzugehörigkeit und Klangidentität geführt hat, lässt sich generell festhalten, dass die dominierenden Merkmale der Gamba-Familie (wie die innere Baustruktur oder die abfallenden Schultern) im Vergleich mit den Formelementen der Braccio-Familie (wie den F-Löchern) überwiegen und somit eine Zuordnung zum Gambeninstrumentarium verlangen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts löst sich die „Violone contrabasso“ allerdings Schritt für Schritt aus dem Gambenstimmwerk: Der Komponist Michael Praetorius bezeichnet die, wie er sie nennt, „welsche Violone“ als einen eigenständigen und von den Gamben getrennten Instrumententyp.

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Die „manngroße Violine“ Die Geschichte des Kontrabasses

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Frau mit Kontrabass, Ölgemälde von Suzanne Valadon, 1908

Die „manngroße Violine“

Auch wenn der Kontrabass in dieser Zeit bereits zwei unterschiedliche Anwendungsbereiche findet – hauptsächlich als Begleitinstrument (zum Beispiel „Contrebasso al Cembalo“), aber auch vereinzelt als Soloinstrument (zum Beispiel „contrebasses concertantes“) –, hat er im Orchester noch keinen festgelegten Platz. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts wird er Teil der weltbekannten Vingt-quatre Violons du Roy, der 24 Streicher des Königs, am französischen Hof, bevor er um 1700 in das gängige Opernorchester aufgenommen wird.

Bald schon setzt sich die Praxis durch, die Bassstimme gemeinsam von Violoncello und Kontrabass in der Unteroktave spielen zu lassen, wodurch diese inzwischen zur Tradition gewordene Instrumentenkombination sich als Fundamentalbass etabliert. Erst in der Musik Ludwig van Beethovens schafft es der Kontrabass, sich allmählich vom Violoncello zu lösen, um im anschwellenden Orchester der Romantik in seiner Bassfunktion von den tiefen Blasinstrumenten wie der Bassklarinette oder dem Kontrafagott unterstützt zu werden. Diese Emanzipation führt auch zu einer immer stärker wachsenden solistischen Verantwortung. Der damit einhergehenden Forderung nach zunehmendem Ambitus und Klangtiefe war sich bereits Praetorius bewusst: „Je tieffer die Baßgeigen gestimbt seyn, je gravitetischer unnd prechtiger sie einher prangen“.

Bis etwa Mitte des 18. Jahrhunderts werden Kontrabässe zumeist dreisaitig konzipiert. Für einen kräftigeren Klang und einen klareren sowie durchsetzungsfähigeren Ton wird ein geringerer Umfang in der Tiefe in Kauf genommen. Eine akustische Entscheidung, welche Orchesterkompositionen bis in die 1830er-Jahre prägen wird. Bis Ende des Jahrhunderts existieren die wieder eingeführten viersaitigen Kontrabässe und die Dreisaiter parallel, bis sich das weichere, schwächer klingende, aber eben vor allem in der tiefen Lage variablere Instrument behauptet. Der ‚dünnere‘ Klang wird sowohl durch eine größere Besetzung ausgeglichen, als auch durch die Kopplung mit neuen Blasinstrumenten abgefedert.

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Die Geschichte des Kontrabasses

Für den solistischen Gebrauch sind die Klangeigenschaften des dreisaitigen Instruments dennoch klar vorzuziehen. Dabei beschränkt sich die Sololiteratur für den Kontrabass zunächst hauptsächlich auf Italien, England, Frankreich und Spanien. Hier ist es Domenico Dragonetti, der am Ende des 18. Jahrhunderts durch sein Improvisationstalent und seine Virtuosität als erster Kontrabassist europaweite Bekanntheit erlangt. Ihm folgt ein Musiker nach, der die öffentliche Wahrnehmung des Instruments grundlegend zu ändern vermag und der den Kontrabass ein für alle Mal als Solo-Virtuoseninstrument in die großen italienischen Theater bringen wird: Giovanni Bottesini.

Als der italienische Schriftsteller und Komponist Bruno Barilli 1930 sein Buch Il paese del melodramma (Das Land des Melodramas) veröffentlicht, scheint die Ansammlung von Geschichten, die allesamt von mit Barilli befreundeten Künstlern handeln, vor allem eines zu sein: eine Verteidigungsschrift für Guiseppe Verdi gegen die damals „abgehobenen und feindseligen Intellektuellen“. Sobald man jedoch seinen Blick über diese Kontroverse hinweghebt, wird die nahezu malende Sprache des Autors sofort sichtbar: Bei Barilli denken Dinge, dass sie Musik sind – Menschen sind Landschaften und Ereignisse sind Themen. Giovanni Bottesini wird hier mit den folgenden Worten beschrieben:

„Er war eines der künstlerischen Genies des Verdi-Jahrhunderts, der phantasievollste unter den Virtuosen. Es gelang ihm, dem komplizierten Mechanismus seines Instruments etwas Geistiges zu entlocken und auf dem Höhepunkt seiner Karriere gab dieser große Künstler lebhafte Interpretationen von Paganini auf dem Kontrabass wider“.

Kurioserweise ist es mehr oder weniger Zufall, der Bottesini zum Kontrabass führt: In seiner Jugend betätigt er sich als Chorknabe, Paukist und Violinist, ehe er sich 1835 für einen Ausbildungsplatz am Mailänder Konservatorium zwischen zwei freien Stellen entscheiden muss — für das Fagott oder den Kontrabass. Aufgrund seiner Erfahrung auf der Violine entscheidet er sich für den Kontrabass, mit

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Giovanni Bottesini Werke für Kontrabass und Klavier
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Giovanni Bottesini Werke für Kontrabass und Klavier Giovanni Bottesini, um 1865

welchem er vier Jahre später, immer noch als Jugendlicher, seine nie wirklich endende Reisekarriere beginnt – von Europa über Lateinamerika und in die USA. Neben seiner Arbeit als Solist wirkt Bottesini auch als Dirigent und Komponist, wobei die Leitung der Uraufführung von Giuseppe Verdis Aida und seine Kompositionen für den Kontrabass in diesen Bereichen seine größten Erfolge werden sollen.

Dabei ist es Bottesini selbst, der die Technik seines Instruments entscheidend weiterentwickelt. Ob durch die Verbreitung der sogenannten französischen Bogenführung, also mit der Handfläche nach unten, oder die Etablierung eines neuen, wendigeren Kontrabassbogens –Bottesini passt sein Instrument seiner eigenen Spielweise an, die von rasanten Läufen und Verzierungen sowie von Passagen in höchsten Lagen geprägt ist. Relativ früh in seiner Karriere entscheidet er sich, seinen dreisaitigen Bass höher zu stimmen – anstelle der Töne A1, D und G, die Domenico Dragonetti noch benutzt, stimmt Bottesini sein Instrument einen Ganzton nach oben, also H1, E und A. Diese sogenannte Solostimmung, die durch die Verwendung dünnerer Saiten einen brillanteren Klang erreicht, wird bis heute von den allermeisten Vir tuos*innen für die Wiedergabe des Kontrabass-Solorepertoires bevorzugt. Bottesini weiß, dass dadurch vor allem der Einsatz des Flageoletts – das sind obertonreiche Töne, die durch die reine Berührung der Saite an bestimmten Punkten erzeugt werden – deutlich an Klangwirkung gewinnen und er seinen Tonumfang in der Höhe auf diese Weise stark erweitern kann. Den musikalischen Effekt, den diese Spielweise auf einem schwerfälligen Instrument wie dem Kontrabass erzielte, beschreibt der Musikkritiker Giuseppe Depanis wie folgt: „Unter seinem Bogen stöhnte, seufzte, gurrte, sang der Kontrabass, bebte, brüllte – ein Orchester für sich mit unwiderstehlicher Kraft und dem süßesten Ausdruck.“

Dass Bottesini letztendlich eine Vielzahl an Kompositionen für das zu der damaligen Zeit noch sehr außergewöhnliche Soloinstrument komponiert, hängt mit zwei großen Faktoren zusammen. Zum einen wird von einem Virtuosen erwartet, seine instrumentalen Fähigkeiten anhand eigener Werke zu demonstrieren. Zum anderen kann Bottesini

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Giovanni Bottesini Werke für Kontrabass und Klavier

die Praxis anderer Virtuosen etablierterer Soloinstrumente (wie zum Beispiel Klavier oder Violine), welche berühmte Melodien einfach für ihr Instrument umschreiben, aufgrund des mangelnden KontrabassRepertoires nicht kopieren.

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Adolf Míšek, um 1940

Adolf Míšek Sonate für Kontrabass und Klavier Nr. 2 e-Moll

Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass Bottesini die Chance wahrnimmt, zumindest die Stimmungen bekannter Komponisten und deren Kompositionen einzufangen, wenn er die Möglichkeit dazu hat. So ist das Allegretto capriccio fis-Moll ein Walzer, der in der Edition des ungarischen Komponisten Rudolf Malaric mit dem Untertitel „à la Chopin“ bezeichnet wird und die spielerische Stimmung einiger Klavierstücke des polnisch-französischen Komponisten übernimmt. Die Rêverie für Kontrabass und Klavier geht nach einer kurzen Einleitung in einen kontrastierenden Mittelteil über, in dem das Klavier die Melodie übernimmt, während im Kontrabass eine neue Gegenmelodie dazu erklingt. Wurde die ursprüngliche Gavotte für die Introduzione e Gavotta A-Dur wahrscheinlich erst später um die Einleitung und die Coda erweitert, so besteht der Bolero a-Moll aus zwei Sätzen: einer langsamen Einleitung und dem pulsierenden Tanzsatz selbst. Die erste bekannte Aufführung fand am 18. März 1886 im Rahmen eines Konzerts der Philharmonic Society in London statt, in welchem der Bolero im Konzertprogramm, dem Charakter der Sätze entsprechend, als Introduzione e Bolero aufgeführt wurde.

1890, also nur vier Jahre später, beginnt der gerade einmal 15-jährige Adolf Míšek sein Kontrabassstudium in Wien. Im tschechischen Modletín geboren – die tschechische Kontrabassschule ist bereits seit dem 18. Jahrhundert eine der größten und bedeutendsten Schulen in Europa –, kehrt Míšek erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Neugründung des tschechischen Staates dauerhaft in seine Heimat zurück. Davor lebt er in Wien, zunächst als Mitglied des Hofopernorchesters, später als Solokontrabassist der Wiener Philharmoniker. In dieser Zeit komponiert er, mittlerweile einer der bekanntesten und einflussreichsten Kontrabassvirtuosen seiner Zeit, nahezu all seine Werke, darunter auch die Sonate für Kontrabass und Klavier Nr. 2 e-Moll op. 6, die 1911 erstmals veröffentlicht wird.

Die großen Ereignisse seiner Zeit – die beiden Weltkriege und die ‚Gründung‘ seines Heimatlandes – hinterlassen ihre Spuren in Míšeks musikalischem Schaffen, was sich exemplarisch an seinen Sonaten zeigen lässt: Während die Form der ersten Sonate einer klassischen

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Sonate

dreisätzigen Sonate sehr ähnelt, besitzt die zweite, viersätzige Sonate einen völlig anderen, ja tiefromantischen musikalischen Charakter. Die komplexen Kompositionstechniken des ersten Satzes (Con fuoco) folgt ein Andante cantabile, das mit seinen langen melodischen Linien an Rachmaninoff erinnert. Nach dem Tanz im dritten Satz (Furiant. Allegro Energico) greift der letzte Satz (Finale. Allegro Appasionato) das musikalische Material des ersten Satzes am Schluss wieder auf. Der tschechische Kontrabassist und Pädagoge Miloslav Gajdoš beschrieb Míšeks Musik wie folgt:

„Er hat in seinen Kompositionen für Kontrabass einen großen Beweis für seine Meisterschaft als Spieler hinterlassen, darüber hinaus gehören vor allem seine Sonaten als einige der wenigen tschechischen Kontrabasskompositionen zur Weltliteratur dieses Instruments“.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts fordern die immer weiter anwachsenden Orchesterdimensionen in nahezu allen Instrumentengruppen neue Möglichkeiten im Spiel- und Klangbereich. Neben neuen Spieltechniken oder bauspezifischen Modifikationen (wie beispielsweise die von John Cage eingeführte Technik des speziell präparierten Klaviers) gilt es auch, die bereits vorhandenen Möglichkeiten bis auf das Äußerste auszureizen. Dafür muss allerdings der durch den Dreisaiter beschränkte Stimmumfang wieder zurückerobert werden. Die Entwicklung geht sogar so weit, dass für die Aufführung einiger Werke nun sogar fünfsaitige Bässe notwendig werden. Für die vermehr ten sanglichen Soli und die Beteiligung des Kontrabasses in der Kammermusik gibt es mehrere Gründe, die wichtigsten sind allerdings der Anstieg des technischen Niveaus, die massive Produktion neuer Kontrabassliteratur und die Popularisierung des Instruments durch die wachsende Zahl von Kontrabassvirtuosen.

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Frank Proto & Andrés Martín

A Carmen Fantasy & Temperamental

Als sich Frank Proto 1963 seinem Abschlusskonzert im Rahmen seines Kontrabassstudiums nähert, sieht er sich mit dem nicht untypischen Problem eines Kontrabassisten konfrontiert: Die Konzertliteratur ist, vor allem im Vergleich mit anderen Instrumenten, immer noch mehr als dürftig. Proto programmiert Barockmusik, romantische Musik und eine Avantgarde-Komposition mit elektronischem Tonband, mit dem eigentlichem Ziel, eine zeitgenössische Komposition mit einem amerikanischen Gestus zu finden. Da ihm das nicht gelingt, beschließt er, autodidaktisch ein eigenes Werk zu schreiben – die Sonata 1963 für Kontrabass und Klavier. Die erste Komposition Protos wird in Folge weltweit hunderte Male aufgeführt und gilt heute als Standardwerk für den Kontrabass.

A Carmen Fantasy von 1991 beruht auf der bekannten Oper von Georges Bizet, die eine Fülle zeitloser Melodien enthält, die sich für Interpretationen in verschiedensten Stilen eignen. Proto verarbeitet diese Musik mehrmals, das erste Mal 1976 für ein achtköpfiges Jazzensemble. Das Material für die Carmen-Fantasie wählt er mehr oder weniger nach dem Zufallsprinzip aus – in einer Mischung aus bekannten und unbekannten Textstellen – und konzipiert das Werk als Überraschung für seinen befreundeten Kontrabassisten François Rabbath. Als die beiden die Komposition am 5. Juli 1991 im CollegeConservatory of Music der Universität von Cincinnati uraufführen, ist die Rezeption dermaßen positiv, dass Rabbath sofort darum bittet, das Werk zu orchestrieren – die Carmen-Fantasie für Kontrabass und Orchester wird schließlich im Juli 1992 fertiggestellt.

Die Umstände, unter denen Musiker zu ‚ihrem‘ Instrument finden, können in manchen Fällen – wir erinnern uns an Bottesini – geradezu zufällig anmuten. Der aus Buenos Aires stammende Andrés Martín beginnt seine musikalische Laufbahn im Alter von sechs Jahren zunächst mit der Gitarre. Der Umschwung zum Kontrabass ist dabei eine zunächst rein praktische Entscheidung, die vor allem von Martíns Vater beeinflusst wird: Die Aussicht auf eine sichere Anstellung und die stimmtechnischen Ähnlichkeiten der beiden Instrumente führen dazu, dass Martín mit dem Kontrabass beginnt, „mehr oder weniger,

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Le Grand Tango

um nicht gescholten zu werden“. In Hintergedanken bleibt aber zunächst eine andere Idee: Martín hat als Heranwachsender auch Erfolg als Rockgitarrist und er „spielte weiter [s]eine E-Gitarre, weil [er] ein Rockstar werden wollte, wie jedes andere Kind auch“. Im Laufe der Zeit gibt er dennoch das Gitarrenspiel auf und konzentriert sich gänzlich auf den Kontrabass. Heute arbeitet Martín als Solist, Kammermusiker und Komponist. Sein Concerto Nr. 1 für Kontrabass (2012) wurde zu einem Standardwerk des Kontrabass-Repertoires, das in mehr als 25 Ländern auf der ganzen Welt aufgeführt wurde. Mit Temperamental komponierte er 2017 ein Werk, das seine Quintessenz bereits im Namen trägt: eine „virtuose dynamische Reise für den Kontrabass“.

Kaum ein Komponist ist wohl so untrennbar mit einer einzigen musikalischen Gattung verbunden wie Astor Piazzolla mit dem Tango. Der Begründer des Tango Nuevo, einer Weiterentwicklung des traditionellen Tango Argentino, komponiert im Laufe seines Lebens über 300 Tangos sowie Musik für fast 50 Filme und spielt rund 40 Schallplatten ein. Dabei haben Piazzollas Tangos nicht mehr wirklich viel mit dem Ursprung gemein: Im Gegensatz zum traditionellen Tango sind Piazzollas Kompositionen nicht zum Tanzen gedacht, sondern vielmehr moderne Kunstmusik. Er benutzt Kontrapunkt und Polyphonie genauso wie musikalische Gestaltungsmittel der Avantgarde und neuartige Spielweisen der Instrumente. Zwar komponiert er Tangos, also Musik mit einem Tanz-Hintergrund, geht allerdings weit darüber hinaus – genau wie es auch Béla Bartók oder Heitor Villa-Lobos gemacht haben.

„Der Tango wird im Jahre 1882 in Buenos Aires geboren, […] es ist eine anmutige, lebhafte Musik; sie spiegelt die gute Laune und die Beredtheit der Französinnen, Italienerinnen und Spanierinnen wider, die in den Bordellen von Buenos Aires leben […]. Um 1930 ist der Tango die Musik der Cafés. Er wird musikalischer, ja auch romantischer und verändert sich auf radikale Weise: die Bewegungen werden langsamer […]. Um 1960 ist der Tango die Musik der Nightclubs. Brasilianer und Argentinier

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Astor Piazzolla Le Grand Tango Astor Piazzolla, Fotografie von Guido Schiefer, 1987

Astor Piazzolla Le Grand Tango

treffen sich in Buenos Aires; Bossa Nova und neuer Tango sind Teil eines gemeinsamen Kampfes […]. Heute trifft sich der Tango in vielen Punkten mit der Neuen Musik. Auf der Basis des alten Tango finden wir Reminiszenzen an Bartók, Strawinsky u. a. Dies ist der Tango von heute, der Tango von morgen.“

In diesem bereits außergewöhnlichen Umfeld kommt Piazzollas Le Grand Tango eine besondere Rolle zu: Die charakteristische kammermusikalische Besetzung des Tango Nuevo – wie beispielsweise Bandoneon, Violine, Klavier, Kontrabass und E-Gitarre – weicht einem Violoncello und einem Klavier, einer völlig neuen Besetzungsvariante. Gewidmet ist das Stück dem weltberühmten Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, uraufgeführt wurde es jedoch erst 1990; wahrscheinlich, weil Rostropowitsch Piazzolla zu diesem Zeitpunkt nicht kannte und sich deshalb mit der Komposition nicht eingehender beschäftigte.

Mittlerweile hat es sich im Konzertrepertoire vieler Cellist*innen und auch Bratschist*innen etabliert und ist ein weiteres Zeugnis dafür, dass Piazzolla aus der einstmals belächelten und verachteten Tanzmusik eine eigene und große Form zeitgenössischer Kunst geschaffen hat.

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Dominik Wagner

Kontrabass

Der gebürtige Wiener Dominik Wagner hat sich zum Ziel gesetzt, sein Instrument aus dem Schattendasein zu befreien. Er arbeitet unermüdlich an der Erweiterung seines Repertoires, sei es über Kompositionsaufträge oder die Wiederentdeckung älterer Musik. Als Stipendiat der Anne-Sophie Mutter Stiftung und ECHO Klassik-Preisträger präsentiert er den Kontrabass stets in neuen Facetten. Nach Studien in Wien und Nürnberg – seit 2023 hat er an der dortigen Hochschule für Musik selbst eine Professur – trat der vielprämierte Musiker mit Orchestern wie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem WDR Sinfonieorchester und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in Konzertsälen wie dem Musikverein Wien, dem Wiener Konzerthaus, der Elbphilharmonie in Hamburg und dem Konzerthaus Berlin auf. Zudem ist er ein leidenschaftlicher Kammermusiker, woraus unter anderem das Jazzduo mit Georg Breinschmid entstand.

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Biografie

Aaron Pilsan

Mit nur 29 Jahren hat sich der österreichische Pianist Aaron Pilsan bereits international einen Namen gemacht, indem er zahlreiche Preise gewann und in wichtigen Konzertsälen wie der Carnegie Hall in New York, der Wigmore Hall in London und dem Wiener Konzerthaus aufgetreten ist. 2014 wurde er von der European Concert Hall Organisation (ECHO) zum „Rising Star“ erkoren. Er tritt oft mit dem Cellisten Kian Soltani auf, mit dem er auch CDs aufnahm. Seine Einspielung des ersten Teils von Bachs Wohltemperiertem Klavier wurde vom Magazin Gramophone als eine der besten Aufnahmen 2021 ausgewählt.

Aaron Pilsan glaubt an die Kraft der Musik und daran, Menschen mit Musik zu verändern, weshalb er am 4. Juni 2022 einen Bach-Marathon für die Ukraine in der Philharmonie in Stettin spielte. Er studierte bei Karl-Heinz Kämmerling und Lars Vogt in Hannover, wichtige Mentoren waren Sir András Schiff, Maria João Pires und Daniel Barenboim.

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Biografie
Klavier

VOM 4. SEPTEMBER BIS 11. OKTOBER 2024

ANTON BRUCKNERS SINFONIEN ALS ORIGINALKLANGZYKLUS

Eine Entdeckungsreise in elf Konzerten

Beim Internationalen Brucknerfest Linz 2024 werden erstmals alle elf Sinfonien Anton Bruckners in ihrer Originalklanggestalt aufgeführt. Dieses einzigartige Konzertprojekt bietet ein besonderes Hörerlebnis und wird von weltweit gefeierten Orchestern und Dirigenten präsentiert.

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Weltsensation!Alle elf Bruckner-Sinfonien im Originalklang

Alle elf Konzerte des Originalklangzyklus online entdecken: brucknerhaus.at/originalklang

Highlights:

DI, 10 SEP, 19:30

GROSSER SAAL

PHILIPPE HERREWEGHE & ORCHESTRE DES CHAMPS­ÉLYSÉES

Übersteigern – Bruckners 8. Sinfonie

DO, 12 SEP, 19:30

GROSSER SAAL

JORDI SAVALL & LE CONCERT DES NATIONS

Experimentieren – Bruckners „Annullierte“

SO, 6 OKT, 18:00

GROSSER SAAL

JÉRÉMIE RHORER & LE CERCLE DE L’HARMONIE

Befreien – Bruckners 7. Sinfonie

DI, 8 OKT, 19:30

GROSSER SAAL

ÁDÁM FISCHER & THE ORCHESTRA OF THE AGE OF ENLIGHTENMENT

Anbeten – Bruckners 5. Sinfonie

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Ádám Fischer Jérémie Rhorer Jordi Savall Philippe Herreweghe

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Karten und Infos: +43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at

**ausgenommen Gastveranstaltungen, Kinder- und Jugendveranstaltungen, Kooperationen, Veranstaltungen mit Catering, Konzerte der Reihe ShowTime sowie von der Geschäftsführung ausgewählte Konzerte.

Mit freundlicher Unterstützung der

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VORSCHAU : Stars von morgen in der Saison 2023/24

Roman Borisov

„Grazien- und Koboldstänze“

Dienstag, 4. Juni 2024, 19:30 Uhr

Mittlerer Saal, Brucknerhaus Linz

Werke von Sergei Prokofjew, Robert Schumann, Ludwig van Beethoven

Roman Borisov | Klavier

Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerhaus.at

Herausgeberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

CEO: René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer LIVA

Redaktion: Andreas Meier | Texte: David Meier, Andreas Meier (S. 5)

Biografien & Lektorat: Romana Gillesberger | Gestaltung: Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte: Mag. Jan David Schmitz

Abbildungen: K. Baalbaki (S. 2 [1. v. o.]), M. Borggreve (S. 2 [2. v. o.]), P. Bünning (S. 2 [3. v. o.]), M. Ginot (S. 2 [4. v. o.]), Petit Palais Musée des Beaux Arts de la Ville de Paris (S. 7), privat (S. 10 & 13), G. Schiefer/Alamy Stock Foto (S. 17), J. Wesely/Wiener Konzerthaus (S. 20), H. Hoffmann (S. 21), M. Hendryckx (S. 23 [1. v. o.]), D. Ignaszewski (S. 23 [2. v. o.]), C. Doutre (S. 23 [3. v. o.]), N. Lund (S. 23 [4. v. o.] & 26) Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten

LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

Alexander Schimpf

Werke von Mozart, Beethoven, Skrjabin und Rachmaninoff

C.BECHSTEIN KLAVIERABEND

16.Mai 2024 · 19:30 Uhr

VERANSTALTUNGSORT UND KARTEN

Brucknerhaus Linz · Untere Donaulände 7 · 4010 Linz +43 (0) 732 77 52 30 · kassa@liva.linz.at

C.Bechstein Centrum Linz / Klaviersalon Merta GmbH

Bethlehemstraße 24 · A-4020 Linz · +43 (0) 732 77 80 05 20

linz@bechstein.de · bechstein-linz.de

Foto: Irène Zandel
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