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Biotech-Branche: Was ginge besser? Neue KAS-Studie

Biotech-Branche: Was ginge besser?

Im Lichte des Erfolges der maßgeblich von deutschen Biotech-Unternehmen entwickelten mRNA-Vakzinetechnologie hat die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gefragt: Was behindert die Entwicklung des Sektors hierzulande verglichen mit dem Life-Sciences-Musterland USA? Die Situationsanalyse wird die unionsnahe Stiftung im Dezember veröffentlichen.

von Thomas Gabrielczyk

In der Biopharma-Branche weiß man es schon lange und hat Jahr auf Jahr wieder darauf hingewiesen: „Die öffentlich geförderte bio- und gentechnologische Grundlagenforschung in Deutschland hat ein qualitativ hohes Niveau und ist international wettbewerbsfähig. Defzite gibt es bei der wirtschaftlichen

Umsetzung Durch eine Optimierung der Rahmenbedingungen könnte die

Biotechnologie-Branche in Deutschland wesentlich leistungsfähiger werden “

So heißt es jetzt auch in einem Policy Paper der unionsnahen Konrad-Adenauer-

Stiftung (KAS), das in diesem Jahr erscheinen wird

Für die aktuelle Situation fndet die KAS klare Worte: Vor allem fehle es in Deutschland an einer ausreichenden Finanzierung, die über die Gründungsphase von Biotech-Start-ups hinausgeht. Deutliche Defzite weise das Finanzierungsökosystem von der Wachstumsphase an auf Dies beinhalte klinische Studien bis zum Konzeptbeweis, die aber notwendig sind, damit die Unternehmen Investoren für Eigenkapital fnden, oder Pharmapartner, die bereit sind, das der Arzneimittelentwicklung immanente Entwicklungsrisiko mitzutragen Es brauche daher konkrete Verbesserungen für Investoren Dazu kämen zähe administrative Abläufe, die die Biotech-Unternehmen bremsen und Innovationen hemmen Hier müsse Deutschland endlich international konkurrenzfähig werden Konkrete Empfehlungen lägen vor, allein es fehle die Umsetzung

Abb.: ©MAURO - stock.adobe.com Milliardenschweres Umsatzpotential

Der Studie zufolge habe die Corona-Pandemie den Blick der Öffentlichkeit, von Politikern und Investoren für die deutsche Biotechnologie-Branche geschärft Grund sei der Erfolg der Mainzer Biotechnologiefrma Biontech und deren Partner

Pfzer bei der weltweiten Vermarktung der mRNA-basierten COVID-19-Vakzine Comirnaty. Unlängst hat Pfzer seine Umsatzprognose mit dem Produkt von 33,5 Mrd US-Dollar auf 36 Mrd US-Dollar im Jahr 2021 angehoben Ein Jahresumsatz, der den des bisher erfolgreichsten Biotech-Medikamentes aller Zeiten, des von BASF-Knoll Pharma einlizenzierten Rheumamittels Humira der US-Biotech-Firma Abbvie Inc , von durchschnittlich 12 Mrd US-Dollar pro Jahr bei weitem übertreffe Biontech erzielte zu Spitzenzeiten mit einem einzigen Produkt am Markt eine Kapitalisierung von stolzen rund 100 Mrd US-Dollar Zwar werden die Umsätze für Comirnaty in den nächsten Jahren wahrscheinlich zurückgehen Gleichwohl schreiben Experten der mRNA-Technologie großes Marktpotential im Bereich Krebs, Impfstoffe und nicht zuletzt dem Zukunftsmarkt Gen- und Zelltherapie zu, so das KAS-Papier Biontech zeige also das große Potential der Biotechnologie in Deutschland Es sei bedauerlich, dass die Rahmenbedingungen nicht ausgereicht hätten, das Unternehmen statt in New York in Deutschland an die Börse zu bringen

Rund 36 Mrd Euro Umsatz will die Pfzer Inc durch die Vermarktung des in Deutschland entwickelten COVID19-mRNA-Impfstoffes Comirnaty von Biontech allein in diesem Jahr erzielen Der zusammen maßgeblich von Biontech und Curevac entwickelten mRNAImpfstofftechnologie schreibt die Analyse milliardenschweres Umsatzpotential im Impfstoffmarkt zu, etwa bei der bereits angekündigten Entwicklung eines Malariaimpfstoffs (geschätztes jährliches Umsatzvolumen weltweit: 81 Mrd US-Dollar), als Krebsimpfstoff (geschätzter globaler Umsatz im Jahr 2021: 4,2 Mrd US-Dollar)] sowie im Zukunftsmarkt Gentherapie (geschätzter globaler Umsatz im Jahr 2020: 2,26 Mrd US-Dollar) Für die Politik stellt sich im Licht dieser deutschen Erfolgsstory die Frage, wie dieses Momentum und das erstmals

Abb.: ©Bert - stock.adobe.com

für eine breite Öffentlichkeit sichtbar gewordene Potential biotechnologischer Verfahren im aktuellen Hauptanwendungsgebiet der Medizin genutzt werden könne Kann die Position der deutschen Biotechnologie-Unternehmen dauerhaft im internationalen Vergleich gestärkt werden? Diese Potentiale zu nutzen, heißt also, besser auf den Biotechnologie-Sektor zugeschnittene Rahmenbedingungen zu schaffen, die die biotechnologische Wertschöpfung am Standort Deutschland halten und sie im Vergleich zu führenden Biotech-Nationen, wie den USA oder Großbritannien, ausweiten In den vergangenen 15 Jahren habe sich indes der Vorsprung dieser Nationen bei Finanzierung und Wertschöpfung gegenüber Deutschland signifkant vergrößert.

Erfolgsfaktor Geld

Der wirtschaftliche Erfolg der meist als Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen entstandenen Biotechnologie-Unternehmen ist aufgrund der durchschnittlich zwölf Jahre langen und hunderte Millionen Euro teuren Entwicklungsphase für Arzneimittel grundsätzlich abhängig vom Zugang zu Eigenkapital Die Finanzierung übernehmen in der Regel kapitalstarke Pharmafrmen – aber erst, wenn Daten aus fortgeschrittenen klinischen Versuchen darauf hinweisen, dass der neuartige Wirkstoff zulassungsfähig ist und sich lukrativ vermarkten lässt Oder die Kapitalbeschaffung erfolgt über einen Börsengang, in der Regel in den USA, oder einen Trade Sale Da die Entwickler bis zur Partnerschaft meist keine nennenswerten Umsätze erzielen, gibt es für Unternehmen, die die Gründungsphase hinter sich gelassen haben und sich nicht in einem Land mit funktionierendem Finanzierungsökosystem befnden, eine Durststrecke, so die KAS.

Die USA, in denen gentechnische Verfahren und damit die Entwicklung der kommerziellen Biotechnologie 15 Jahre früher vorangetrieben wurden als in der Bundesrepublik, sind dem Standort Deutschland in Sachen Gründungs- und Folgefnanzierung durch kapitalstarke Privatpersonen, Family Offces, Beteiligungskapitalfonds und technologieaffne Börsensegmente weit voraus. Dort fossen allein im Jahr 2020 99,4 Mrd. US-Dollar in die Finanzierung von Biotechnologie-Unternehmen Rund 14 Mrd US-Dollar davon waren Beteiligungskapital, von dem rund die Hälfte in US-Neugründungen investiert wurde In Deutschland gibt es kein derart gut funktionierendes Finanzierungsökosystem für Biotech-Gründer und -unternehmen in der Wachstumsphase Zwar meldet EY bei der Kapitalaufnahme durch deutsche Biotechnologie-Unternehmen 2020 einen Rekord: 55% der 2020 aufgenommenen knapp 3,1 Mrd Euro Kapital (immerhin das Dreifache des Vorjahres, davon 0,8 Mrd. Beteiligungskapital) entfelen indes auf die COVID-19-Impfstoffentwickler Biontech und Curevac Rechnet man noch das von den Arzneimittelentwicklern Morphosys und Evotec eingeworbene Kapital hinzu, entfallen 74% auf vier von insgesamt 710 deutschen BiotechUnternehmen im Jahr 2020 Demnach stehe dem großen Rest der Branche und insbesondere den Neugründungen deutlich weniger Geld zur Verfügung als in den USA Allerdings bedeutet der Rückstand in der Finanzierung und damit im Technologietransfer gegenüber den USA oder auch Großbritannien (wo 2020

Während das intakte Finanzierungsökosystem der USA für Biologika-Entwickler genügend Geld bereitstellt, entwickeln deutsche Biotechnologie-Unternehmen aufgrund fehlender Geldmittel wesentlich langsamer als solche in den USA Die Lücke vergrößert sich 1,1 Mrd US-Dollar Beteiligungskapital eingeworben wurden) nicht, dass die Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland oder die molekularbiologische Forschung fachlich nicht gut wären – im Gegenteil: sie sind leistungsfähig und innovativ Das Problem ist, dass sie kaum die Möglichkeit haben, aus eigenen Kräften die teure, lang dauernde und risikoreiche Produktentwicklung voranzutreiben und zu wachsen Zwar zeigen große Risikokapitalfonds, wie der von TVM mit mehr als 478 Mio US-Dollar und der von Wellington Partners mit 210 Mio Euro, das Interesse an der deutschen Biotechnologie Auf der anderen Seite stehen aber Standortnachteile, die institutionelle Anleger vor einem Engagement zurückschrecken lassen

Wie wichtig ein ausreichender Geldzufuss für die Gründung und nachfolgende Entwicklung von Biotech-Firmen ist, zeigt die Finanzierung von Biontech durch das Family Offce Athos und von Curevac durch Divieni Hopp. Biontech erhielt von Beginn der Entwicklung der mRNA-Vakzine-Technologie an ähnlich hohe Geldbeträge wie US-Biotech-Neugründungen, unter anderem eine 150 Mio Euro-Seed-Finanzierung Das sei aber in Deutschland die große Ausnahme Der Erfolg von Firmen wie Biontech, aber auch von US-Biotech-Unternehmen wie Biogen, Amgen, Genentech oder der Pharmafrma Abbvie zeige, wie wichtig es sei, die fnanziellen Bedingungen so zu verbessern, dass ein schneller und effektiver Transfer von Forschungsergebnissen in die medizinische Anwendung gelingt

Bisherige Förderstrategien in Deutschland konzentrierten sich besonders darauf, Ausgründungen von Biotechnologie-Unternehmen aus medizinischen Spitzenforschungseinrichtungen und den frühen Technologietransfer (vorklini-

sche Arzneimittelstudien/Erprobung im Tiermodell) vor allem durch staatliche Fördermaßnahmen zu unterstützen Die 1995 im Zuge des BioRegio-Wettbewerbs angestoßene Bildung von Firmengründungen in Biotech-Clustern, in denen akademische Forschergruppen, Unternehmen und Biotech-Financiers eng zusammenarbeiten, hat zu einer stetigen Zunahme innovativer Biotechnologiefrmen geführt, die durch Förderprogramme, wie die bis 2018 durchgeführte Gründeroffensive Biotechnologie, und eine Vielzahl von Wettbewerben, wie etwa die Exzellenzcluster im Rahmen der Exzellenzinitiative beziehungsweise der Exzellenzstrategie, gefördert wurden Von 2005 bis 2018 betrug die Zahl der Neugründungen rund 30 Unternehmen pro Jahr Nach Erhebungen des Biotechnologie-Industrieverbandes BIO Deutschland und von EY ist die Biotech-Gründungsaktivität in Deutschland seitdem rückläufg, während die Zahl von etwa 6 600 Biotech-Unternehmen in den USA seit Jahren auf deutlich höherem Niveau konstant ist und kontinuierlich Neugründungen hervorbringt Der Vergleich zeigt, wie wichtig eine marktseitige Finanzierung ist Unterentwickelt wie in Deutschland führt sie zu einer Schwächung der BiotechBranche

Ein weiterer Trend ist laut KAS die Abwanderung von mit deutschen Steuergeldern gefördertem Know-how an Standorte, in denen eine international konkurrenzfähige Entwicklung von biotechnologischen Innovationen durch eine gesicherte Anschlussfnanzierung besser möglich ist. Ein Beispiel dafür sei das mit einer Erstrundenfnanzierung von 60 Mio. US-Dollar vom MaxPlanck-Institut für Molekulare Zellbiologie in den USA gegründete Unternehmen Dewpoint Therapeutics, das zum Ziel habe, krankheitsrelevante Fehler in der DNA-Transkription zu korrigieren und auf diesem neuartigen Weg Krankheiten zu heilen. Ein weiteres Beispiel sei die Krebszelltherapiefrma T-knife. Dieses Unternehmen, das mit 66 Mio Euro Kapital gefördert wurde, hat seinen Sitz von Berlin in die USA verlegt und erhielt dort unlängst weitere 110 Mio USDollar Offenbar sahen die Firmengründer bessere Chancen für ihr Unternehmen in den USA als in Deutschland Im Gegensatz zu den USA, wo ein einziger professionell gemanagter Biotechnologiefonds wie Flagship Pioneering fast 30 Mrd Euro in junge US-Biotech-Firmen investiert, ist die Risikokapitallandschaft hierzulande unterentwickelt Von den 6,2 Mrd Euro, die nach KAS-Recherchen 2019 in Start-ups in Deutschland investiert wurden, fossen nur etwa 1,5 Prozent jungen Biotech-Unternehmen zu

Marktpotential

Abb.: Technische Hochschule Nürnberg Im Jahr 2020 betrug der Anteil biotechnologisch hergestellter Arzneimittel in Deutschland laut vfa bio mit 14,6 Mrd Euro (+14% im Vergleich zu 2019) 30,8% des Umsatzes rezeptpfichtiger Arzneimittel – Tendenz steigend. 45% der Arzneimittelneuzulassungen in Deutschland waren biotechnologische Innovationen Der globale Markt für Biologika verzeichnete im Jahr 2020 einen Umsatz von knapp 303 Mrd US-Dollar Marktstudien zufolge werde er bis 2026 die Marke von 500 Mrd US-Dollar überschreiten Prof. Dr. Dirk Honold

Leiter Arbeitsgruppe Finanzen BIO Deutschland e V

Was hat den Impfstofferfolg der deutschen Biontech SE möglich gemacht?

„Die Gründungsfnanzierung von 150 Mio. Euro durch das Family Offce Athos, eine der größten Biotech-Finanzierungsrunden überhaupt in Deutschland, war gerade – neben der Forschung und dem unternehmerischen Handeln – ein wichtiger Grundstein für Biontechs Erfolg. Als die Zulassungsstudie und Vermarktung anstand, fanden die Biotech-Unternehmer mit Pfzer einen potenten Pharmapartner.“

KAS-Recherchen zufolge erscheint es fachfremden Investoren oftmals zu riskant, in die komplexe Entwicklung von Biologika zu investieren, solange keine hinreichenden Daten aus präklinischen und frühen klinischen Studien vorliegen. In der Regel stünden diese Daten erst bei der Drittrundenfinanzierung (Serie B- oder Wachstumsfinanzierung) zur Verfügung, das heißt nach der in Deutschland gut entwickelten Anschub- oder Gründungsfinanzierung. Es gibt also eine Finanzierungslücke nach der staatlichen Gründungshilfe, bevor Investoren in die Unternehmensfinanzierung einsteigen. Die Auswahl geeigneter Investitionsprojekte erfordert hohe fachliche Expertise und industrielle Managementerfahrung, wie sie in den USA verbreitet, in Deutschland aber selten vorhanden ist. Der Biontech-Investor Athos der Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann, die langjährige Branchenerfahrung vorweisen können, ist hier eine Ausnahme.

Stärken und Schwächen: Empfehlungen

Die bisherige Fokussierung auf die Gründungsfinanzierung und den frühen Technologietransfer bis zum Beginn klinischer Studien hat die Bundesregierung mit dem Start des Zukunftsfonds I aufgegeben. Der im April 2021 bekanntgemachte Zukunftsfonds soll künftig 10 Mrd. Euro unter Regie der Staatsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) gemanagte Steuergelder für Technologiefirmen in der kapitalintensiven Wachstumsphase (theoretisch also auch bis zum Konzeptbeweis der klinischen Phase IIb) über zehn Jahre bereitstellen und Investitionen von 30 bis 50 Mrd. Euro an privatem Kapital und von institutionellen Anlegern anziehen.

Abb.: Uni Bremen

Von der KAS befragte Experten monieren indes bei staatlich gemanagten Fonds, wie etwa dem im April 2021 lancierten EIC-Fonds auf europäischer Ebene – der ähnlich wie das deutsche Pendant SPRIND sogenannte Sprunginnovationen identifizieren und finanziell fördern soll – undurchsichtigere Vergabekriterien und Managemententscheidungen im Vergleich zu Fonds institutioneller Anleger, fachlich kompetenter Family Offices oder Business Angels wie Divieni Hopp. Wichtig sei es auch, die Rahmenbedingungen zu verändern, so dass besser international qualifiziertes Personal für das Fonds-Management sowie für das Management von Biotechnologie-Unternehmen gewonnen werden könne.

Als eine regulatorische Hürde, die dem Ziel der Akquisition privaten Kapitals für den Zukunftsfonds I entgegensteht, nennt EY die 2020 novellierte Außenwirtschaftsverordnung. Die Regelung fordert eine vom Bundeswirtschaftsministerium auszufertigende Unbedenklichkeitsbescheinigung für nicht in der EU ansässige Investoren, die sich mit mehr als 10% an deutschen Arzneimittelinnvoatoren, darunter Biotechnologie-Unternehmen, beteiligen wollen. Die Schwelle wurde nach Protesten der Industrie auf 20% angehoben. Auch bei einer normalen Finanzierungsrunde durch einen Beteiligungskapital-Fonds stellt die zwei Monate dauernde Investitionsprüfung, die ursprünglich dazu gedacht war, feindliche Übernahmen strategisch wichtiger Industrieunternehmen zu vereiteln, eine erhebliche Hürde für die Finanzierung dar, da deutsche Biotechnologie-Unternehmen in der Wachstumsphase zu 90% auf externen Kapitalzufluss, in der Regel aus den USA, angewiesen sind. Dazu kommt, dass viele europäische oder schweizerische Venture-Capital-Fonds steueroptimiert an Standorten außerhalb der EU angesiedelt sind. Mit Schutzrichtlinien wie der Außenwirtschaftsverordnung steht die Bundesregierung nicht allein, aber andere Länder setzen solche Richtlinien besser um: Eine auch vom US-Unternehmensverband BIO stark kritisierte ähnliche Neuregelung in den USA im Zuge der Corona-Krise werde nach Experteneinschätzung wesentlich zügiger durchgeführt und hat daher keinerlei negativen Effekt auf die Finanzierung von US-Biotech-Unternehmen, so die KAS-Studie. Den skizzierten Problemen könnte nach Ansicht von Experten der Konrad-Adenauer-Stiftung durch eine europäische Kapitalmarktunion entgegengewirkt werden.

Darüber hinaus: Als positiver Anreiz für institutionelle oder private Investoren könne der bereits in Österreich und den USA verwirklichte zeitlich unbegrenzte Verlustvortrag genannt werden, der es Investoren ermöglicht, Verluste aus erfolglosen Investments abzuschreiben, und so das Investitionsrisiko verringern hilft.

Zwar sollen kapitalschwache, forschende Biotech-Unternehmen in Deutschland durch ein Aufstocken der Forschungsprämie auf 8 Mio. Euro für Personalkosten ihre Forschungsausgaben steuerlich absetzen können. Doch wird die Forschungsprämie andernorts ungedeckelt auf Auftragsforschung und Forschungsprojekte angewandt und führt so de facto zu einem halbjährlichen Barkapitalzufluss für die Unternehmen, denen dadurch mehr Geld für die Produktentwicklung zur Verfügung steht.

Gerade in Pandemiesituationen hat sich die deutsche Ministerialbürokratie im Vergleich zur US-Gesundheitsbehörde NIH als gründlich, aber zu langsam und strukturell schlechter aufgestellt erwiesen Eine Nachjustierung könnte hier helfen Während die NIH/BARDA von Beginn der Pandemie an, 12 Mrd US-Dollar an öffentlichem Geld für die Entwicklung von COVID-19-Vakzinen und davon 3,5 Mrd US-Dollar in COVID-19-Therapien investiert hat, wurden in Deutschland öffentliche Mittel in Höhe von 300 Mio Euro für die Therapieentwicklung erst ein Jahr, nachdem die NIH in den USA das klinische Förderprogramm ACTIV gestartet hatte, aus dem Bundeshaushalt ausgeschrieben. Die Identifzierung geeigneter therapeutischer Arzneimittelkandidaten in Deutschland nach dem derzeit schnellsten einstufgen Ausschreibungsmechanismus dauert mindestens vier bis fünf Monate, die NIH benötigt für diese Aufgabe ungefähr zehn Wochen Aus Expertensicht hängt das schnellere Verfahren in den USA mit der „bereits jahrzehntelang“ aufgebauten indikationsspezifschen Förderstrategie und entsprechend vorhandener fachlicher Expertise zusammen

Aus dem ACTIV-Programm der US National Institutes of Health sind bereits im vergangenen Jahr erste notfallzugelassene virusneutralisierende Antikörpertherapien (RegenCov, Regeneron) hervorgegangen Diese Wirkstoffe aus den USA wurden auch von der Bundesrepublik bestellt – für 400 Mio Euro Dabei wäre die Entwicklung von Antikörpertherapien auch in Deutschland möglich – bei Verminderung des bürokratischen und regulatorisch-administrativen Aufwandes für Biotechnologie-Unternehmen

Das Policy Paper „Biotech-Branche in Deutschland Erfolgs-, Gründungs-, Wachstumsfaktoren und wirtschaftliches Potential“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin kann nach Erscheinen im Dezember 2021 unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.kas.de/en/analysen-und-argumente/detail/-/content/biotechbranche-in-deutschland ›

Bindung von Pfzers zusammen mit dem AIDSMittel Ritonavir verabreichten Hemmstoff PF-07321332 der Main-Protease von SARSCoV-2 Die oral verabreichte rznei verhinderte in klinischen Studien mit symptomatischen COVID-19-Patienten 89% der Krankenhauseinweisungen Die Wirkstoffmenge für einen 5-Tage Behandlungszyklus lässt sich für rund 20 US-Dollar herstellen und gestattet die gezielte Behandlung Infzierter.

Abb.: Felix Klatt | BIOCOM