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Personalpsychologie: Bauchgefühl ist zu wenig

Das so genannte „Bauchgefühl“ bringt keine befriedigenden Ergebnisse in der Personalauswahl und -entwicklung. Mit dem Einsatz strukturierter Verfahren lassen sich hingegen typische Schwachstellen in der Personalarbeit vermeiden.

Sehr viele Betriebe – auch größere – gehen bei der Personalsuche und -entwicklung zu wenig professionell vor . Eine Studie aus Deutschland zeichnet ein deutliches Bild: 60 Prozent der Firmen legen bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen und beim anschließenden Gespräch keine Kriterien an . Offenbar gehen viele Firmenchefs und Personalverantwortliche davon aus, dass man „gute Menschen“ intuitiv erkennen kann und verlassen sich auf ihr „Bauchgefühl“ . Doch Menschenkenntnis wird überschätzt – diese gibt es in der Psychologie nicht . Die getroffenen Entscheidungen sind somit extrem subjektiv und nicht vergleichbar . Es braucht eine kritische Distanz zur intuitiven Urteilsfindung.

Zur professionellen Auswahl benötigt es strukturierte Verfahren mit klaren Kriterien . Besonders in Zeiten akuten Fachkräftemangels sinkt die Zahl an Bewerbern – und damit die mögliche Trefferquote - ohnehin automatisch . Diese Investition in eine valide Personalauswahl rechnet sich – es kommt auf lange Sicht viel teurer, Mitarbeiter zu beschäftigen, die nicht richtig zum Unternehmen passen .

Strukturierte Verfahren – bessere Ergebnisse Professionell und strukturiert bedeutet aber nicht gleichzeitig wissenschaftlich und theoretisch . Auch für mittelständische Unternehmen lassen sich die Ergebnisse bei der Personalsuche und –auswahl massiv steigern, wenn einige grundlegende Regeln beachtet werden . Das heißt für typische KMU, schon ganz am Anfang einen klassischen Fehler zu vermeiden und bei der Vorauswahl nicht viel zu streng auszusieben . Gerade bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen wird zu hart gefiltert, obwohl Unterlagen speziell über die Erfahrung oder Fachliches zu wenig aussagen . In diesem Stadium sollte liberal vorgegangen werden . Genau an diesem Punkt gilt es auch, kritisch mit dem eigenen Urteilsvermögen umzugehen, um klassische Fehler zu vermeiden . Attraktivität, Ähnlichkeit und maskuliner Körperbau führen zu einer Überschätzung der Bewerber, ausländische Namen, Akzent und Übergewicht zu einer Unterschätzung. Doch diese Äußerlichkeiten sagen nichts darüber aus, ob ein Bewerber für eine bestimmte Aufgabe qualifiziert ist oder nicht.

Angesicht der Vielfalt der Fehler überrascht es nicht, dass unstrukturierte Interviews nachweislich kaum besser abschneiden als ein Münzwurf, wenn es um die Prognose der beruflichen Leistung geht. Je länger eine Firma schlechte Auswahlverfahren durchführt, desto größer ist die Überzeugung, richtig zu handeln . Die Realität in vielen Firmen bei der Personalauswahl ist immer noch: Es gibt weder Klarheit über die Anforderungen noch festgelegte Fragen noch ein Bewertungssystem – das bringt objektiv betrachtet unbefriedigende Ergebnisse . Es ist nicht nur für Großbetriebe, sondern auch für für KMU zumutbar und erfolgversprechend, eine gewisse Struktur einzuhalten . Dazu gehören: eine Anforderungsanalyse; mehrere Entscheider bzw . Interviewer; mehrere Fragen pro Anforderung; ein festgelegter Interviewleitfaden; die Protokollierung der Antworten; ein Punktesystem zur Bewertung der Antworten; eine regelgeleitete Integration der Befunde und schließlich der Vergleich mit Anforderungsprofil.

FUTUR: STURKTURIET, PRAXISNAH, EFFEKTIV

Das vom Bildungsconsulting entwickelte Modell „FUTUR – Fähigkeiten der Zukunft“ erweist sich geradezu als „Missing Link“, um Defizite der Personalarbeit mit einem effektiven, einfachen und wirksamen Instrument zu beseitigen . FUTUR bietet sich für Betriebe aller Größenordnungen an .

Im Zentrum stehen Kompetenzen und deren Entwicklung . Dafür hat FUTUR einen Raster entwickelt, der Übersicht bringt und dabei hilft, die für einen Betrieb bzw . eine Arbeitsstelle wesentlichen Anforderungen zu definieren.

FUTUR ergänzt in optimaler Weise Ansätze aus dem Mitarbeitergespräch bzw . einer strategischen Personalplanung . Damit erreicht das Modell des Bildungsconsultings ohne überschießenden Aufwand eine klare Strukturierung bei der Personalsuche, -auswahl und -entwicklung . Die Begleitung des Prozesses wird vom Team des Bildungsconsultings der Tiroler Wirtschaftskammer übernommen . Die Expertise wird in Form von Beratungen, Coachings, Moderationen und Publikationen angeboten .

„Die große Stärke von FUTUR besteht darin, dass modernste Erkenntnisse in ein Modell eingeflossen sind, das ausschließlich auf die Praxisanwendung ausgerichtet ist“, bringt der Leiter des Bildungsconsultings, Wolfgang Sparer, den Nutzen auf den Punkt .

www .bildungsconsulting .at Erfolgsfaktor Intelligenz Teil dieser Strukturiertheit sind auch Intelligenztests – die in der Praxis nur sehr selten genutzt werden, ganz im Gegensatz zu Amerika . Laut Forschungsergebnissen ist Intelligenz ein Erfolgsfaktor, besonders für Tätigkeiten, in denen Arbeitnehmer sich neues Wissen erarbeiten oder komplexe Probleme lösen müssen . Über alle Berufsgruppen hinweg macht Intelligenz etwa 25 Prozent der beruflichen Leistung aus . Bei Management-Positionen korreliert der IQ mit der erbrachten Leistung zu 45 Prozent . Es ist daher besonders bei Führungsaufgaben sinnvoll, IQ-Tests als einen Teil des Gesamtbildes zu absolvieren .

Bei vielen Personalmanagern spielt die Einbeziehung von Social-Media-Kanälen der Bewerber eine wichtige Rolle . Doch deren Analyse wird häufig überbewertet. Wenn sich Personaler etwa die Facebook-Profile von Bewerbern ansehen und daraus eine Einschätzung der Persönlichkeit ableiten wollen, so zeigen Studien, dass dabei nicht mehr als Stereotype heraus kommen . Die Social-MediaAktivitäten haben nur eine sehr geringe Auswirkung auf die reale berufliche Leistung. Selbst wenn Social-Media-Verläufe wissenschaftlich untersucht werden, ergeben sich daraus nur geringe Prozentsätze, die zum Gesamtbild einer Persönlichkeit beitragen . Firmen sollten daher nicht zu viel Energie in die Auswertung von Social-Media stecken, da die Aussagekraft gering ist . Das zahlt sich allenfalls bei Positionen aus, die stark in der Öffentlichkeit stehen oder für die ein bestimmtes Image vorausgesetzt wird .

Umgekehrt ist es für Firmen sehr wohl sinnvoll, ihre digitalen Kanäle gezielt zu betreiben . Speziell jüngere und gebildete Personen schätzen und nutzen den Internet-

auftritt von Unternehmen inklusive der SocialMedia-Kanäle und machen sich gerne vor der Bewerbung damit ein Bild über die Firma . Die Stellensuche muss auf jeden Fall auch über das Internet erfolgen . Diese Schiene ist die ideale Möglichkeit, Informationen über eine ausgeschriebene Position zu geben, die über ein Stelleninserat in Printmedien hinausgeht . Dabei sollte Personalmarketing nicht mit Werbung verwechselt werden: Potenzielle Bewerber wollen hier keine Hochglanzfotos und glatte Inhalte, sondern bodenständige, authentische und detaillierte Informationen über eine Arbeitsstelle . Es geht nicht darum, möglichst viele Menschen zu einer Bewerbung zu bewegen, sondern die richtigen .

Es geht um Treffsicherheit Es geht somit immer um Treffsicherheit, die nicht nur im Bereich der Personalauswahl, sondern auch in der Personalentwicklung eine große Rolle spielt . In Deutschland werden pro Jahr 40 Milliarden für Weiterbildungsmaßnahmen ausgegeben – aber die Überprüfung der Effektivität fehlt weitgehend . Kritische Stimmen gehen davon aus, dass 90 Prozent der Kurse, Seminare und Trainings wirkungslos sind, Optimisten reden von 50 Prozent . Das bedeutet: Mindestens 20 Milliarden Euro verpuffen in Deutschland für Personalentwicklung, die am Ziel vorbei geht . Die absoluten Zahlen sind in Österreich natürlich geringer, doch die Relationen sind vergleichbar. Ähnlich verhält es sich bei Einstellungen: In Deutschland werden jährlich 3,5 Millionen Stellen neu besetzt . Im ersten Jahr verursachen diese Neueinstellungen 150 Milliarden Euro an Lohnkosten . Die in der Praxis verwendeten Auswahlverfahren sind aber sehr mangelhaft und haben bestenfalls eine Treffsicherheit von 20 Prozent . Das bedeutet, dass über 100 Milliarden Löhne per Zufallsprinzip ausgezahlt

STRUKTURIERUNGSGRAD BEI DER PERSONALAUSWAHL

Allgemeine Fragensammlung

Analyse der Anforderungen mit Interviewleitfaden

Kompetenzbasiertes Interview

Spontanes Interview Bewertungssystem zu zukünftigen Anforderungen

Auf den Strukturierungsgrad kommt es an. Während unstrukturierte, spontane Auswahl- und Entscheidungskriterien im Personalmanagement nur schlechte Ergebnisse bringen, steigt die Trefferquote für die „richtigen“ Mitarbeiter mit der Verfeinerung der Methoden . Mit dem Modell des Bildungsconsultings, FUTUR, lassen sich mit überschaubarem Aufwand laufende Verbesserungen erzielen .

werden. Das ist definitiv keine vernünftige Basis . Die Potenziale geeigneter Auswahlverfahren sowie der Personalpsychologie werden bei weitem nicht genutzt . Mit etwas mehr Professionalität in der Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitern würden sich wesentlich bessere Ergebnisse erzielen lassen . Und das würde sich unter dem Strich definitiv rechnen.

Die Inhalte stammen aus einem Vortrag von Professor Kanning, den dieser als KeynoteSpeaker im Rahmen des „Expertenforum Personal“ des Bildungsconsultings gehalten hat . Kanning ist Personaldiagnostikexperte und hat sich um die Aufklärung über Pseudowissenschaften in der Personalauswahl und im Personalmanagement verdient gemacht . Er widmet sich Themen wie Führung, Personalauswahl, Soziale Kompetenz, Personalentwicklung und Eignungsdiagnostik . Er ist seit 2009 ist an der Hochschule Osnabrück Professor für Wirtschaftspsychologie .

10 MYTHEN DER PERSONALARBEIT

Mythos 1: Mehr Bewerber seien besser Es kommt nicht darauf an, wie viele Personen sich bewerben, sondern wie viele davon geeignet sind . Gutes Personalmarketing maximiert nicht, es selektiert und schreckt Ungeeignete ab .

Mythos 2: Bewerber würden sich heute mehr für Werte als für Fakten interessieren Studien zeigen, dass es zwischen Jung und Alt nur marginale Unterschiede gibt . Und: Es gibt keine einzige Studie, die belegt, dass Werte wichtiger wären als Basisbedürfnisse wie Arbeitsinhalte, Bezahlung, Arbeitszeitmodelle etc .

Mythos 3: Bewerber würden durch anspruchsvolle Auswahlverfahren abgeschreckt Folgende Faktoren entscheiden, ob ein Stellenangebot angenommen wird: 20 % Jobmerkmale wie Tätigkeit oder Bezahlung, 13 % Organisationsmerkmale, 10 % das Auswahlpersonal, 28 % die Leistungsmöglichkeiten – und nur zu 18 % der Auswahlprozess selbst . Dieser ist zwar die Visitenkarte eines Unternehmens – von „abschrecken“ durch zu anspruchsvolle Verfahren kann nicht die Rede sein .

Mythos 4: Nur erfahrene Bewerber seien gute Bewerber Die Dauer der Berufserfahrung lässt eine Prognose zu 7 % zu . Dagegen lässt die Vielfalt der Berufserfahrung eine Prognose zu 18 % zu . Erfahrung wird somit überschätzt, besonders Führungserfahrung . Hier zeigen Studien zwischen älteren und jüngeren Führungskräften keine signifikanten Unterschiede.

Mythos 5: Gute Bewerber würde man von allein erkennen Das ist wohl einer der größten und folgeschwersten Irrtümer . Er besagt, dass sich geeignete Bewerber mit „Menschenkenntnis“ und „Bauchgefühl“ erkennen lassen . Doch zahlreiche Studien zeigen: Nur ein strukturiertes Bewerbungsverfahren mit klaren Kriterien bewahrt vor Subjektivität und führt zu guter Prognosequalität .

Mythos 6: Ein gutes Assessment Center könne jeder entwickeln Testverfahren haben nur dann Qualität, wenn sie auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhen . „Selbst gestrickte“ Auswahlverfahren sind meist mangelhaft und ermöglichen keine objektive Vergleichbarkeit .

Mythos 7: Intelligenztests hätten nichts mit dem Leben zu tun Intelligenztests zur Personalauswahl sind bei uns nicht sehr verbreitet (im Gegensatz zu Amerika) – doch zahlreiche Studien belegen einen hohen Zusammenhang von Intelligenz und beruflicher Leistung. Dieser reicht von 20 % bei niedrigen Qualifikationen bis zu 45 % bei Managementaufgaben .

Mythos 8: Motivation sei alles Ja – Motivation hat einen Einfluss auf die Leistung. Laut Studien rund 13 %. Aber: vieles andere ist noch wichtiger – wie zum Beispiel eine valide Personalauswahl und eine treffsichere Personalentwicklung .

Mythos 9: Führungserfolg sei vor allem eine Frage der Persönlichkeit Die in der Psychologie bekannten „Big 5“ (Emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Soziale Verträglichkeit) haben gerade einmal zu 15 % Einfluss auf die Leistung . Viel wichtiger ist es, die richtigen Stellen mit den richtigen Personen zu besetzen und diese kontinuierlich zu entwickeln .

Mythos 10: Zufriedene Trainingsteilnehmer würden auf ein effektives Training hindeuten Die Stufen der Trainingsevaluation lauten: Reaktionen – Lernen – Verhalten – Resultate . In der Praxis werden häufig nur die Reaktionen erfasst („Wie hat ihnen der Kurs gefallen?“). Das hat aber nur 0,01 Prozent Aussagekraft darüber, ob eine Bildungsmaßnahme auch tatsächlich zu besseren Resultaten im Beruf führt .

Mythos 1 bis 3: Personalmarketing Mythos 4 bis 7: Personalauswah Mythos 8 bis 10: Personalentwicklung

QUELLE: Erfolgsfaktor Personalpsychologie von Uwe Kanning

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