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BarCamp Bildung: Zukunftsdialog für Wirtschaft und Schule

ZUKUNFT DER BILDUNG. Das Experiment des ersten BarCamps Bildung in Tirol ist geglückt. In intensivem Austausch zwischen Lehrern, Schülern, Unternehmern und Bildungsinteressierten wurden Impulse für die Weiterentwicklung der Bildung erarbeitet. Eine Fortsetzung ist geplant.

Die Bildungsdirektion, das Bildungsconsulting der Wirtschaftskammer und die Pädagogische Hochschule Tirol veranstalteten am Bildungscampus der Wirtschaft (WIFI) das erste Tiroler BarCamp Bildung . „Das BarCamp bietet offene Workshops, deren Inhalte von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst eingebracht werden . Wissen teilen und gemeinsames Entwickeln lautet die Devise“, so die beiden Initiatoren des BarCamps, Helga Mayr aus dem Büro des Bildungsdirektors und Bildungsconsulting-Leiter Wolfgang Sparer .

Definitionsgemäß ist ein BarCamp das exakte Gegenteil eines Kongresses, der normalerweise durch Frontalvorträge und bestenfalls kurze Diskussionsbeiträge gekennzeichnet ist . Ein BarCamp ist eine „Unkonferenz“, bei der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Thema – wie im konkreten Fall Bildung - ihre Anliegen einbringen . Die Unterthemen dazu werden in einzelnen Sessions vorgestellt und intensiv diskutiert . Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entscheiden selbst, an welcher Session sie wie lange teilnehmen . Am Ende werden die Ergebnisse zusammengetragen (Ernte), daraus Maßnahmen abgeleitet (Aktionsplanung) und umgesetzt (Verankerung) .

Offenes Format BarCamps leben vom Engagement und der Agilität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer . Durch die Offenheit bekommt jeder die Gelegenheit, sich in kreativer Atmosphäre auszutauschen und Ideen zu entwickeln . Der Teilnehmerkreis ist dabei genau so breit gefächert wie die Themenpalette selbst . Zum BarCamp Bildung waren Schülerinnen und Schüler, Lehramtsstudierende, Unternehmerinnen und Unternehmer, Pädagoginnen und Pädagogen, Schulleiterinnen und Schulleiter, Bildungsexpertinnen und -experten aus den Bereichen der formalen Bildung und der Erwachsenenbildung, Personalmanagerinnen und -manager sowie weitere Interessierte eingeladen, um gemeinsam Ideen zur Gestaltung der Zukunft zu entwickeln . „Bildung und Zukunft sind eng miteinander verknüpft“, erklärt Wolfgang Sparer, „Veranstaltungen wie diese helfen dabei, ein klares Bild der Zukunft zu entwickeln und die Rahmenbedingungen daraufhin auszurichten . Die derzeit laufenden Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft machen es nötig, die Jugend auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten und die Schule nach außen zu öffnen .

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich frei für eine dieser sechs Sessions entscheiden . In regelmäßigen Abständen wurden vier Wechsel vollzogen, um die Interessen möglichst breit abzudecken und einen lebendigen Meinungsaustausch zu ermöglichen .

Session 1: Megatrends und nachhaltige Entwicklung Ausgehend von den herrschenden Megatrends wie Globalisierung, Wissenskultur oder New Work wurden drei Herausforderungen im Detail diskutiert: Erstens das nötige Bewusstsein für die herrschenden Neuerungen, zweitens der Mut zur Veränderung und drittens die Entschlossenheit, das Wissen zum Tun zu

verwandeln . Das entscheidende Merkmal von Megatrends ist ihr „Impact“ . Sie verändern nicht nur einzelne Segmente oder Bereiche des sozialen Lebens . Sie formen ganze Gesellschaften . „Die Megatrends spielen in Tirol eine große Rolle, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind“, erklärte die Leiterin dieser Station, Helga Mayr, „wir haben über die Schülerinnen und Schüler die Chance, auch alle anderen Generationen zu erreichen .

Session 2: Die Zukunft der pädagogischen Bildung Die aktuelle pädagogische Bildung hat klare Strukturen und Kriterien . Die laufenden Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft machen es nötig, Bestehendes zu hinterfragen und an neue Gegebenheiten anzupassen . Für die Diskussion an dieser Station wurde der Fokus auf drei Herausforderungen gelegt: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen; Transitionsprozesse und Veränderung würdigen und gestalten; gesellschaftliche Themen und Herausforderungen im Blick haben . Die Verantwortliche an dieser Themenstation, Barbara Benoist, fasste die lebhafte Diskussion zusammen: „Die pädagogische Ausbildung der Zukunft muss weg von der Defizitorientierung hin zur Frage ‚Was brauchst du?‘ . Zudem muss die Schule bürokratische Hürden abbauen und sich öffnen – in Richtung Wirtschaft und generell in Richtung verstärkten Teamworks .

Session 3: Innovatives Lernen Neue Anforderungen an die Ausbildung erfordern auch völlig neue Ansätze beim Lernen . Die drei größten Herausforderungen in diesem Bereich bestehen in der Vernetzung der vorhandenen Möglichkeiten, einer dazu geeigneten Führungskultur sowie der konkreten Frage, wie sich diese Innovationen in die Breite bringen lassen . Der Verantwortliche für diese Station, Christoph Schneider, zu den wichtigsten Ergebnissen der Diskussion: „Eigenständigkeit und Selbständigkeit sind Kompetenzen, die in der heutigen Arbeitswelt an Bedeutung gewinnen . Innovatives Lernen ist eine große Chance, mehr Individualisierung zu erreichen und vorhandene Fähigkeiten besser zu fördern . Auf jeden Fall braucht es mehr Austausch und Vernetzung mit der Wirtschaft, um schulische Ausbildungen mit dem Bedarf der Praxis zu synchronisieren .

Session 4: Digitalisierungsoffensive Bildung 4.0 Digitales Lernen eröffnet völlig neue Perspektiven . Doch nicht alles, was machbar ist, ist auch pädagogisch sinnvoll . Daher standen bei diesem Thema folgende drei Herausforderungen im Fokus: Technologie; Pädagogik; Aus-, Fort- und Weiterbildung . Der Leiter der Station, Markus Fillafer baute auf der Digitalisierungs-Landkarte für das Tiroler Bildungswesen auf und betonte, dass Digitalisierung mehr als ein Schlagwort ist: „Digitalisierung findet in allen Branchen statt und ist eine Grundkompetenz für den Arbeitsmarkt . Es ist die Aufgabe der Schulen, den Schülerinnen und Schülern das nötige Rüstzeug für diese Anforderung der Berufswelt mitzugeben .

Session 5: Die Rolle des Bildungsconsultings Ausgehend von den zentralen Leistungen des Bildungsconsultings – Orientierung, Entwicklung und Beratung – drehte sich die Diskussion an dieser Station um die drei Herausforderungen für die Zukunft: Fachkräftesicherung, bedarfsgerechte Ausbildung und Fähigkeiten der Zukunft . „Vernetzung zwischen Schule und Wirtschaft ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren für die Zukunft . Wir haben sehr erfolgreiche Ansätze, müssen aber diesen wechselsei-

tigen Austausch flächendeckend verankern. Es wird in Zukunft noch wichtiger, wirtschaftliches Know-how in allen Bereichen sicherzustellen“, erklärte der Verantwortliche für diese Station, Andreas Zelger, Teamleiter am WK-Bildungsconsulting .

Session 6: Bildungsdirektion für Tirol An der Station der Bildungsdirektion standen folgende drei Herausforderungen im Fokus: Die Qualität der Schule; eine bedarfsgerechte und datenbasierte Ressourcensteuerung; die Umsetzung als „Mischbehörde“ . Der pädagogische Leiter der Bildungsdirektion, Werner Mayr, brachte die lebhafte Diskussion auf den Punkt: „Wir befinden uns mitten im ChangeProzess . Um diesen erfolgreich zu bewältigen, gilt es im Vorfeld eine Frage zu diskutieren und zu klären: Was bedeutet Qualität im Schulbereich? Erst dann können wir den Handlungsrahmen definieren und eine Qualitätssicherung aufbauen . Ganz wichtig ist auch die Frage, wie heutzutage die erforderlichen Grundkompetenzen in den einzelnen Altersstufen aussehen müssen .

Für Bildungsdirektor Paul Gappmaier war das erste BarCamp definitiv ein Erfolg: „Wir brauchen kreative und innovative Lösungen für die zukünftige Entwicklung . Ein BarCamp ist die ideale Plattform für eine breite Beteiligung aller relevanten Gruppen und die Erarbeitung neuer Ansätze im Bildungsbereich.“ Ähnlich sieht das auch der für Bildung zuständige Vizepräsident der WK Tirol, Manfred Pletzer: „Das BarCamp vereint alle mit Bildung befassten Personen in einem Raum und bietet einen agilen Rahmen . Die aktuell größte Herausforderung für die Betriebe, der Fachkräftemangel, lässt sich nur mit einem Schulterschluss Schule-Wirtschaft lösen . Das BarCamp ist ein wichtiger Beitrag dazu .“

REIFEGRADE EINER KONFERENZ

Impuls zur Diskussion

Meinungs- austausch Kongress mit Interaktion

Frontalvortrag BarCamp

Mit jedem Reifegrad steigen die Interaktion und die Intensität einer Konferenz . Ein BarCamp involviert alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer und entwickelt eine kollektive Weisheit mit Aktionsplanung .

DIE (STRENGEN) REGELN FÜR BARCAMPS

1 . Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind an erster Stelle und im Mittelpunkt . 2 . Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind gleich 3 . Es wird eine offene und wertschätzende Kommunikation gelebt . 4 . Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestimmen alle Inhalte vor Ort . 5 . Es gibt keine Zuschauerinnen und Zuschauer, nur Teilnehmende . 6 . Der Rahmen des BarCamps nimmt Einfluss auf die Qualität der Sessions. 7 . Jede und jeder (aus der Zielgruppe) darf teilnehmen . 8 . Die Inhalte sollen über das BarCamp hinaus verbreitet werden . 9 . Durchbrich Gewohntes! 10 . Werte können nur durch Vorleben vermittelt werden . 11 . Ohne die innere Einstellung geht nichts .

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