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Berufe in der virtuellen Welt hautnah erleben

BERUFE VR. Die Wirtschaftskammer hat ein innovatives Virtual Reality Projekt zum Thema Berufsorientierung umgesetzt, das bereits online verfügbar ist. Das Know-how dafür stammt von zwei Tiroler Firmen.

Corona ist auch in Bezug auf die Berufsorientierung ein Spaßkiller . „Viele Betriebsbesichtigungen und Schnuppertage sind aufgrund der Pandemie derzeit nicht möglich“, erklärt der Leiter für Berufsorientierung am Bildungsconsulting der WK Tirol, Markus Abart . Die Wirtschaftskammer hat dafür eine innovative Lösung parat: „Berufe VR“ . Hinter diesem Kürzel verbirgt sich ein österreichweites Projekt, das mittels modernster Virtual Reality Technologie ein Eintauchen in verschiedene Berufe ermöglicht . „Damit haben Jugendliche auch in Zeiten von Physical Distancing die Möglichkeit, sich ein realistisches Bild verschiedener Berufsfelder zu machen“, erklärt Abart . Die Umsetzung selbst erfolgte durch die beiden Tiroler Hightech-Firmen Mediasquad und VRme .

Mittendrin statt nur dabei Die Benutzer von „Berufe VR“ surfen „mittendrin statt nur dabei“ in 3D durch unterschiedliche Arbeitswelten: Ob morgens um fünf in der Backstube, hoch oben mit den Dachdeckern, bei der Arbeitsplattenherstellung in der Firma Egger in St . Johann oder der Montage von Wärmepumpen bei der Firma iDM Energiesysteme in Matrei in Osttirol – knapp 80 erlebbare Berufsbilder, davon bisher 21 mit 3D 360° Video, laden dazu ein, im wahrsten Sinne des Wortes den Horizont in Bezug auf eine anstehende Berufswahl zu erweitern . „Berufe VR“ funktioniert auf allen Endgeräten von der VR-Brille über den Laptop bis hin zum Tablet und dem Smartphone . Damit lässt sich die virtuelle Berufsorientierung auf Berufsmessen und in Berufsinformationszentren genauso erleben wie zuhause auf der Couch . Bei der Nutzung per Laptop, Tablet oder Smartphone können die virtuellen Betriebsbesucher Videos liken, als Favoriten abspeichern und sich detaillierte Informationen über die Berufe vom Tiroler Berufsorientierungsportal berufsreise . at per Mail zuschicken lassen .

Realistischer Blick ins Arbeitsleben „Berufe VR“ bietet damit Jugendlichen und Arbeitsbzw . Ausbildungssuchenden eine barrierefreie Möglichkeit, sich Berufe und ihren Ausbildungsweg in Form eines virtuellen Blicks über die Schulter anzusehen und aus erster Hand – von Lehrlingen der betreffenden Firmen – zu erfahren, wie ein Tag im jeweiligen Beruf aussieht . Für den Lehrlingskoordinator der WK Tirol, David Narr, ist damit in kürzester Zeit ein Angebot geschaffen worden, das den derzeitigen Anforderungen exakt entspricht: „Mit „Berufe VR“ gelingt es, Jugendlichen und deren Eltern trotz der Corona-Beschränkungen einen realistischen Blick mitten ins Arbeitsleben zu verschaffen“, gibt sich Narr begeistert . Die Plattform wächst ständig weiter und wird laufend durch neue Videos und Informationen ergänzt . „Berufe VR“ ist so aufgesetzt, dass es jederzeit möglich ist, spezifische Inhalte zu kreieren und diese punktgenau auf aktuelle Bedürfnisse abzustellen“, so Narr .

REIFEGRADE DIGITALER BERUFSORIENTIERUNG

klar & informativ

sachlich & trocken umfassend & hilfreich

unvollständig & verwirrend individuell & begeisternd

Je nach Qualität der digitalen Berufsorientierung gelingt es von Stufe zu Stufe besser, die Teilnehmer intensiv in verschiedene Berufswelten eintauchen zu lassen . Einerseits wird mit höher werdendem Reifegrad die fachliche, pädagogische und technische Umsetzung immer professioneller, anderseits steigen Motivation und Begeisterung bei den Jugendlichen .

Programmiert für verschiedene Endgeräte Von allen Endgeräten ist mit Sicherheit das Erlebnis per VR-Brille am spektakulärsten . Der Nutzer ist ab der ersten Sekunde mitten im Geschehen . Mittels Augenbewegungen kann er aus verschiedenen Sparten wählen und immer weiter in einzelne Berufsfelder vordringen . Die Kurzvideos werden von Lehrlingen der jeweiligen Firmen vorgestellt, die User können den 360-Grad-Blick selbst steuern und hautnah erleben, wie es „in Echt“ im Berufsleben zugeht . Die VR-Brille eignet sich für den Einsatz in Schulen genauso wie für die Berufsberatung am WK-Bildungsconsulting . Im Schnitt beträgt die Nutzungsdauer der VRBrille fünfzehn Minuten . In dieser Zeit bietet „Berufe VR“ den Jugendlichen ein intensives Erlebnis und ermöglicht das Eintauchen in bis zu zehn Berufsfelder .

Made in Tyrol Die beiden führenden Firmen bei diesem Projekt sind die Tiroler Firmen VRme und Mediasquad, beide Spezialisten auf dem Gebiet der Virtuellen Realität . Inhaber und Gründer der Innsbrucker Firma VRme Valentin Sysel gründete 2007 eine klassische Filmproduktion – brennweit medienproduktion – mit dem Focus Imagefilm. Beim ersten Aufsetzen eines Prototyps moderner VR-Brillen sah Valentin Sysel ungeheures Potential und beschloss, mit Partnern nicht nur 360° Filme zu drehen, sondern ganze „Experiences“ umzusetzen . VRme inszenierte bisher unter anderem Marken wie Mercedes-Benz, Nikon, Obergurgl/ Hochgurgl, St . Anton am Arlberg sowie gemeinsam mit Mediasquad Alpbachtal/Seenland, EGLO Leuchten und Novartis . Mediasquad brennt für Virtual Reality und Augmented Reality . Mit viel Liebe zum Detail, perfektem User-Experience-Design und gewürzt mit einer Prise Gamification werden dort virtuelle Präsentationen, Trainings, 3D Schauräume und Assessments erstellt . Deshalb vertrauen internationale Unternehmen wie BRP-Rotax, EGLO Leuchten, INNIO Jenbacher, Novartis und Swarovski auf die Expertise und Kreativität von Mediasquad, wenn es um ihre VR/AR Tools geht . Unter der Führung von Geschäftsführer Christoph Sitar konnte Mediasquad unter anderem 2017 den Tiroler Innovations- preis mit dem Projekt „Sandoz Virtual Reality Line- Clearance Training“ und 2020 den internationalen VR Award in der Kategorie „VR Enterprise Solution of the Year“ gewinnen .

Die beiden Unternehmen VRme und Mediasquad haben etwa zeitgleich 2015 ihre Geschäftsfelder auf Virtual Reality erweitert . Das Erfolgsrezept: Storytelling-Power aus Film und Fernsehen trifft Experience Design aus Gaming und 3D Visualisierung . Bei „Berufe VR“ kommen diese Potenziale voll zur Geltung .

IN ARBEITSUMGEBUNGEN EINTAUCHEN

Valentin Sysel (VRme) und Christoph Sitar ( Mediasquad) im Kurzinterview über Möglichkeiten und Vorteile von „Berufe VR“ .

Inwiefern hat Corona die Entwicklung von „Berufe VR“ beeinflusst? Sysel: Die Jugendlichen sind derzeit aufgrund der Kontaktbeschränkungen mit einer Unterbrechung in ihrer Orientierungsphase konfrontiert . „Berufe VR“ kommt jetzt genau richtig und schafft eine Möglichkeit, wie Schülerinnen und Schüler kontaktlos und trotzdem sehr plastisch in Berufswelten eintauchen und damit die Grundlage für ihre Berufs- und Bildungsentscheidung legen können .

Welchen Stellenwert hat das Stichwort „Gamification“ bei diesem Projekt? Sitar: Unsere Projekte beinhalten immer einen gewissen Grad an spielerischen Elementen . Der Anwender wird dadurch motiviert, die Aufgabe mit Spaß zu lösen . Dieser Mehrwert führt dazu, dass speziell Jugendliche „Berufe VR“ mit Begeisterung nutzen .

Was zeichnet die aktuelle VR-Lösung für Betriebsbesichtigungen aus? Sysel: Wir schaffen es mit einer für den jeweiligen Benutzer sehr einfachen Menüführung in kürzester Zeit verschiedenste Arbeitswelten zu erleben . Wichtig war uns eine realistische Darstellung und keine Hochglanz-Bilder .

In diesem Zusammenhang ist folgender Begriff wichtig: Experience. Was steckt hinter diesem Wort? Sitar: Die virtuelle Betriebsbesichtigung verläuft für jeden Nutzer anders . Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich zu entscheiden, in welche Welt man eintauchen will . Dadurch wird „Berufe VR“ für jeden zu einem ganz individuellen .

Welche Überlegungen stecken hinter dem Button „auf gut Glück“? Sysel: „Auf gut Glück“ lässt sie in eine zufällig ausgewählte Berufswelt eintauchen . Das kann durchaus wertvoll sein . Etwa bei Mädchen, die sich aufgrund ihrer Sozialisation normalerweise nicht typische Männer-Berufe ansehen und so möglicherweise draufkommen, dass das genau das Richtige für sie wäre .

Unterscheiden sich das Erlebnis per VR-Brille und die Webversion sehr? Sysel: Nicht für den Nutzer . Wir haben versucht, die beiden Welten im Erleben ähnlich zu gestalten . Folglich gibt es große Übereinstimmungen in der Bildsprache und den Wahlmöglichkeiten . Technisch handelt es sich um zwei völlig verschiedene Konzepte, die dahinterstehen .

Was raten Sie Jugendlichen: Per VR-Brille oder per Web einzusteigen? Sitar: Jeder Kanal hat seine Vorteile . Die VR-Brille vermittelt ein extrem realistisches Bild und lädt geradezu zu einer Entdeckungsreise ein . Da VR-Brillen nur bei Institutionen verfügbar sind, die sich mit Berufsorientierung befassen und oft Schulklassen daran teilnehmen, entsteht ein starkes Gemeinschaftserlebnis, über das die Schülerinnen und Schüler auch im Nachhinein diskutieren . In diesem Umfeld ist auch eine direkte Beratung möglich . Die Webversion hat andere Voraussetzungen: „Berufe VR“ lässt sich zu Hause auf der Couch konsumieren. Das kann ein Vorteil für Jugendliche sein, die für ihre Entscheidungsfindung eine ruhige Umgebung und den Einstieg zu jeder Tages- und Nachtzeit bevorzugen .

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