März 2017

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VORSPIEL — NACHRICHTEN

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H E R Z SCH L AG: D IE PHILHARMONISCHEN SCH L AG Z E UG E R Viele Jahre wurde das Schlagzeug in der europäischen Kunstmusik eher stiefmütterlich behandelt. Denn obwohl Pauken, Trommeln, Becken und Triangel im Orchester an markanten musikalischen Höhepunkten von Zeit zu Zeit spektakulär auftrumpfen durften, fristeten sie sonst eher ein Schattendasein – oft zu bloßen Taktgebern degradiert. »Bis vor 100 Jahren waren Schlagzeuger hauptsächlich für Klangeffekte oder rein rhythmische Zusatzelemente zuständig«, erklärt Raphael Haeger, Schlagzeuger der Berliner Philharmoniker. »Erst im 20. Jahrhundert haben sie sich einen entsprechenden Platz im Orchester und in der Kammermusik erobert.« »Schließlich«, ergänzt sein Kollege Simon Rössler, »bildet das Schlagzeug vor allem in der neueren Orchesterliteratur den Herzschlag des musikalischen Geschehens.« Diese Neubewertung der Schlag­instrumente ging mit einer

rapiden Entwicklung der Spieltechnik und einem enormen Anwachsen der Schlagwerkliteratur einher. Kein Wunder also, dass Schlagzeuger heute – allen voran die der Berliner Philharmoniker – wahre Allroundtalente sind. Denn im Gegensatz zu allen anderen Orchestermusikern müssen sie nicht ein Instrument, sondern sehr viele Instrumente beherrschen: diverse Trommeln aller Art sowie Tamburin, Klanghölzer, Schlagstöcke, Holzblöcke, Kastagnetten, Peitsche, Ratsche, Triangel, Schellen, Zymbeln, Becken, Gongs, Kuhglocken, Tamtam, Singende Säge und Flexaton bis hin zu den sogenannten Stabspielen wie Xylofon, Marimbafon und Glockenspiel. Neben Simon Rössler, der zusätzlich zu seiner Orchestertätigkeit in diversen Jazz- und Popformationen musizierte, ist auch Franz Schindlbeck Mitglied der philharmonischen Schlagzeugsektion und Jazzliebhaber, der bereits während seines Studiums in zahlreichen Bands spielte. Jan Schlichte wiederum, einst Schüler von Franz

Schindlbeck an der philharmonischen Orchester-Akademie, spielte ursprünglich Klavier, bis er sich für den Farbenreichtum der Schlaginstrumente begeisterte. Anders als er ist Raphael Haeger dem Klavier bis heute treu geblieben: Bevor der Schlagzeuger Mitglied der Berliner Philharmoniker wurde, hatte er u. a. zwei Jazzkonzertreihen betreut und als Pianist eine CD mit eigenen Jazzkompositionen veröffentlicht. Doch damit nicht genug, denn seit seiner absolvierten OrchesterleiterAusbildung im Jahr 2002 tritt Raphael Haeger auch immer wieder als Dirigent in Erscheinung. Am 13. März 2017 präsentieren die philharmonischen Schlagzeuger unter dem Motto »But what about the noise …?« die Vielseitigkeit ihres Instrumentariums. Und das verfügt über eine außergewöhnliche Bandbreite an sinnlichen Ausdrucksmöglichkeiten – von eruptiven Klangkaskaden der Drums bis hin zu zart verklingenden Glockentönen. HH

Fotos: Sebastian Hänel

Raphael Haeger (l.o.) Franz Schindlbeck (r.o.) Simon Rössler (l.u.) Jan Schlichte (r.u.)


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