Phil 2023/24 – Heft 3

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Heft 3 2023/24

Das Magazin der Berliner Philharmoniker

La dolce vita Beim Barock-Wochenende im Februar dreht sich alles um die Pracht und Dekadenz des italienischen Barock Außergewöhnlich normal Eine Begegnung mit dem Klavierduo und Brüderpaar Lucas und Arthur Jussen Schwarzwaldmelodien Die elfte Ausgabe der Osterfestspiele Baden-Baden wartet mit einem exquisiten Programm auf


Seit mehr Seit mehr als 30 alsJahren 30 Jahren arbeiten arbeiten die Deutsche die Deutsche BankBank und die undBerliner die Berliner Philharmoniker Philharmoniker in einer in einer engen engen und und lebendigen lebendigen Partnerschaft Partnerschaft zusammen. zusammen. Gemeinsam Gemeinsam wollen wollen wir Musik wir Musik von Weltklasse von Weltklasse fördern fördern und und Menschen Menschen jedenjeden Alters Alters für Musik für Musik und Kultur und Kultur begeistern. begeistern. DennDenn Musik Musik inspiriert, inspiriert, verbindet verbindet Menschen Menschen und überwindet und überwindet Grenzen. Grenzen. db.com/kultur db.com/kultur


Musik verbindet #PositiverBeitrag

© Stephan Rabold



Foto: Monika Rittershaus

als Antonio Vivaldi 1727 seine Oper Orlando furioso beendet hatte, notierte er über eine der Partiturseiten: »Wenn dir das nicht gefällt, höre ich auf, Musik zu schreiben.« Leider wissen wir nicht, an wen sich dieser ironische Vermerk richtete, doch offensichtlich muss die neue Komposition der unbekannten Person gefallen haben, denn Vivaldi schrieb noch viele weitere Werke. Heute erscheinen Instrumentalkonzerte wie etwa die berühmten Vier Jahreszeiten als Inbegriff italienischer Barockmusik. Was liegt also näher, als Vivaldi ein ganzes Konzert innerhalb unseres BarockWochenendes im Februar zu widmen? Doch damit nicht genug, erklingen in den fünf Konzerten des Kurzfestivals innige Mariengesänge ebenso wie sinnliche Opernarien. Man denkt an prunkvolle Kathedralen und Opernhäuser, an den Taumel des Karnevals und an die Magie Venedigs. Das Abschlusskonzert wird von Il Giardino Armonico unter der Leitung von Giovanni Antonini gestaltet; die Mandoline spielt Avi Avital. Holger Schmitt-Hallenbergs Beitrag in diesem Heft gibt Gelegenheit, die Epoche des italienischen Barock, die seit Jahrhunderten die Fantasie der Menschen beflügelt, neu zu entdecken. Zu den Jubilaren des Jahres 2024 gehört Anton Bruckner. Aus Anlass seines 200. Geburtstags führen die Berliner Philharmoniker über zwei Spielzeiten verteilt seine sämtlichen Symphonien auf. Dabei erklingen mit der »Studiensymphonie« und der »Nullten« auch zwei Werke, die nur selten gespielt werden. Das sind echte Entdeckungen, die uns Christian Thielemann am Pult der Berliner Philharmoniker präsentieren wird. Anselm Cybinski zeichnet in seinem aufschlussreichen Essay nach, wie Bruckners Aufstieg vom oberösterreichischen Dorfschullehrer zum Schöpfer musikalischer Weltliteratur verlief. In unserer Klavierreihe debütieren die Brüder Lucas und Arthur Jussen mit einem Programm, das von Wolfgang Amadeus Mozart bis zu unserem Composer in Residence Jörg Widmann führt. Bjørn Woll stellt uns die charismatischen Musiker vor. Die Freundinnen und Freunde des Jazz dürfen sich schließlich auf Magnus Lindgren und die SWR Big Band freuen, die Charlie Parker, dem Schöpfer des Bebop, ein musikalisches Denkmal setzen. Oliver Hochkeppel kennt die Hintergründe. Darüber hinaus finden Sie in dieser Ausgabe von Phil Beiträge etwa zu Franz Liszts Symphonischer Dichtung Les Préludes oder über den exzentrischen Komponisten Karol Szymanowski, dessen Erstes Violinkonzert mit unserer Artist in Residence Lisa Batiashvili auf dem Programm der Berliner Philharmoniker steht. Ich wünsche Ihnen wie immer eine anregende Lektüre Ihres Phil und viele unvergessliche Konzerte mit den Berliner Philharmonikern. Herzlich Ihre

Andrea Zietzschmann, Intendantin der Stiftung Berliner Philharmoniker

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Willkommen

Liebes Publikum,


Inhalt

• Barock-Wochenende

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La dolce vita Das Barock-Wochenende der Berliner Philharmoniker führt nach Italien.

• Klavierduo

Außergewöhnlich normal Die Brüder Lucas und Arthur Jussen gastieren im Kammermusiksaal. Phil stellt uns die sympathischen Musiker vor.

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• Jazz

16 • Debüt

Overture to Bird

Seitenblicke mit Geige

Magnus Lindgren und die SWR Big Band feiern mit Charlie Parker den Schöpfer des Bebop.

Die französische Geigerin Amandine Beyer liebt die Musik von Antonio Vivaldi.

• Anton Bruckner Foto, linke Seite: (oben) Heribert Schindler, (unten) Marco Borggreve. Rechte Seite: plainpicture/Anja Weber-Decker.

20 • Osterfestspiele

Der Erfinder seiner selbst

Schwarzwaldmelodien

Christian Thielemann und die Berliner Philharmoniker führen zwei selten gespielte Symphonien Anton Bruckners auf.

Die Osterfestspiele in Baden-Baden präsentieren unter anderem Richard Strauss’ Oper Elektra.

• Weltmusik

Die musikalische Seele Portugals Sinnlich, melancholisch, elegant: Im März widmen wir dem Fado ein Konzert.

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26 Rubriken Philharmonische Momente Karol Szymanowski führte ein Leben, wie es im Buche steht.

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Gefährten Franz Liszts symphonische Dichtung Les Préludes hat eine schwierige Geschichte.

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Wenn ich nicht Musiker wäre … 46 Wenzel Fuchs tauschte einst die Skistöcke gegen die Klarinette ein.

Aktuelles CDs Konzertkalender Februar – März 2024 Impressum

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La dolce vita


»Pracht und Dekadenz des italienischen Barock«: Unter diesem Titel laden wir Sie vom 23. bis 25. Februar 2024 zu einem prunkvollen Wochenende in die Philharmonie Berlin ein. Zu erleben ist die verschwenderische Schönheit einer sinnenfrohen Epoche, präsentiert von herausragenden Musikerinnen und Musikern.

Foto: Heribert Schindler

Von Holger Schmitt-Hallenberg Wie eine kostbare Perle wird Venus, die Göttin der Liebe, in Sandro Botticellis berühmtem Gemälde aus einer Muschel geboren. Doch Perlen symbolisieren auch die Reinheit der Jungfrau Maria. So sind sie im Auge des Betrachters entweder Symbol für Sinnlichkeit und Fruchtbarkeit oder für Unschuld und Frömmigkeit. Ist eine Perle verformt, schief und ungleichmäßig, bezeichnen Juweliere sie als »barock« – ein Begriff, mit dem die Periode in der Kunstgeschichte benannt ist, die in der Musik um 1600 mit der Entstehung des Generalbasses begann und um 1750 mit dem Tod Johann Sebastian Bachs in die Vorklassik mündete. »Pracht und Dekadenz des italienischen Barock« ist das Motto des Barock-Wochenendes der Berliner Philharmoniker. In fünf Konzerten werden diese Begriffe des barocken Lebensgefühls beleuchtet, die in Kunst, Architektur und Musik so deutlichen Ausdruck fanden: im repräsentativen Prunk von Kirchen und Schlössern; in der intensiven Lebenslust im ständigen Angesicht des Todes, die in den lateinischen Begriffspaaren »Carpe Diem« (Nutze den Tag) und »Memento Mori« (Bedenke, dass du sterben musst) so prägnant zusammengefasst ist; in der tiefen Religiosität einer von Klerus und Adel gesteuerten Gesellschaft.

La Serenissima Auf kaum eine Stadt passt das Motto so gut wie auf Venedig – La Serenissima, die mythische freie Stadt auf dem Wasser, als Adelsrepublik und Handelsimperium weitgehend selbstbestimmt, der Willkür und den Eigeninteressen eines Potentaten entzogen. Seinen deutlichsten Ausdruck fand diese Freiheit im Karneval, einem Spektakel, währenddessen die Lagunenstadt bereits zu Zeiten des Barock von Touristen aus ganz Europa überschwemmt wurde. Allerdings galt die berühmte Freizügigkeit mehr für zugereiste Gäste als für die eher sittsamen und frommen Einwohner Venedigs, die vom Dogen und dem Rat der Zehn deutlich strenger behandelt wurden und die dem wilden Treiben der Besucher sicherlich oft kopfschüttelnd 7

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zusahen. Das Tragen von Masken und verhüllenden Umhängen war penibel geregelt, um Verbrechen und Prostitution in Schach zu halten, der Kontakt zwischen venezianischen Bürgern und aristokratischen Gästen war unerwünscht.

Erbauung und Zerstreuung »Eine kleine Messe am Morgen, ein wenig Spiel am Nachmittag, eine junge Frau am Abend«, lautete eine Devise für die Gäste der Stadt. Der Besuch von Spielhallen war genauso populär wie der von Opernhäusern, einige Theater finanzierten ihren Betrieb sogar hauptsächlich mit Glücksspiel. Doch am Abend war meist die Oper das Ziel des vergnügungssüchtigen Publikums. Das Theater war für die Menschen des Barock weit mehr als nur Unterhaltung. Durch die »Commedia dell’arte« war es allgegenwärtig und ging alle Gesellschaftsstände an, denn die Bühne symbolisierte die Welt. Shakespeare hatte es in seinem Stück Wie es euch gefällt griffig formuliert: »All the world’s a stage, and all the men and women merely players.« Nach diesem Weltbild ist es letztendlich Gott, der das Spiel der Menschen beurteilt und es entweder belohnt oder bestraft. Das barocke Theater ist in all seiner Sinnlichkeit höchst moralisch, entsprechend sollte das pralle Leben in seinem drastischen Realismus gezeigt werden: das Schöne und das Hässliche, das Gute und das Schlechte, Moral und Zügellosigkeit. Auch in den Bühnenwerken von Claudio Monteverdi, Francesco Cavalli oder Giovanni Legrenzi finden sich all diese Elemente – das Ensemble Les Épopées präsentiert in seinem Konzert einige »schamlose« Szenen aus venezianischen Opern unter dem Motto »Lust«.

Oper als Geschäft Obwohl Florenz als Geburtsstadt der Oper gilt, war es Venedig, wo die neue Kunstform entscheidende Impulse erhielt. Wegen der exorbitanten Kosten des Mu-


siktheaters waren Vorstellungen üblicherweise für den Adel und ein rein höfisches Publikum reserviert. Doch mit dem Teatro San Cassiano, das 1637 in Venedig als erstes öffentliches Opernhaus Europas seine Pforten öffnete, wurde die Oper ein Vergnügen für die Allgemeinheit und traf zum ersten Mal auf ein bezahlendes und engagiertes Publikum. Schon bald kämpften vier weitere venezianische Opernhäuser um die Gunst des Publikums. Gespielt wurde, was gefällt, und Stücke, die kein Publikum fanden, wurden sofort ausgetauscht. Dies führte zu einer unerhörten Massenproduktion an »drammi per musica«, was die Popularisierung wie auch die musikalische Entwicklung des Musiktheaters entscheidend vorantrieb. Das venezianische Modell, Eintrittskarten für mehr oder weniger privat finanzierte und allgemein zugängliche Vorstellungen zu verkaufen, blieb im europäischen Zusammenhang jedoch die Ausnahme und lag in der politischen Struktur der Stadt begründet. In Deutschland gab es nur in den freien Hansestädten Hamburg und Leipzig ein ähnliches System öffentlicher Theater.

Literarische Ideale Um 1600 entstand die Oper mit dem Ziel, die Dramen der griechischen Antike wieder zu beleben. Doch, wie zahllose Librettisten beklagten, wurde das Erreichen dieses hehren literarischen Ideals durch die Beteiligung von Musik beträchtlich erschwert. Denn diese nahm schon bald in weit höherem Maße als der Text die Aufmerksamkeit des Publikums in Anspruch. Bereits zur Mitte des 17. Jahrhunderts führte das zu einer immer deutlicheren Trennung von Rezitativ und Arie: Während die eigentliche Handlung im nur vom Generalbass begleiteten Sprechgesang abläuft, steht die Zeit in der Arie, in der die Figur das Geschehen in einem inneren Monolog reflektiert, still. Der zunehmende Fokus von Komponisten und Publikum auf die Arien führte dazu, dass diese länger und komplexer wurden, zumal sich die dreiteilige Da-capo-Form immer mehr durchsetzte, bei der der erste Teil wiederholt und mit improvisierten Ornamenten kunstvoll ausgeschmückt wird.

Reformen Und so war es nach etwa Hundert Jahren Zeit für die erste große Reform der Oper. Die Wiener Hofpoeten Apostolo Zeno und sein Nachfolger Pietro Metastasio eliminierten weitgehend alle heiteren Elemente und komischen Figuren, die ausufernden Textbücher wurden von vulgären Elementen befreit, die Handlung verschlankt und die Personengalerie standardisiert: An der Spitze der Hierarchie stand ein König, darunter 8

zwei adlige Liebespaare. Mit der heroischen »Opera seria« zog also eine neue Ernsthaftigkeit ins Theater ein, während die Komödie in der »Opera buffa« ihre eigene Form fand. Die ernste Oper zeigte nun weniger das volle Leben, sondern war Abbild und Bestätigung des feudalen Gesellschaftssystems. Kein Wunder, waren es doch in aller Regel Fürsten, die das Spektakel an ihren Höfen finanzierten. Dennoch ist auch hier, um mit Schiller zu sprechen, die »Schaubühne eine moralische Anstalt«: Im typischen Konflikt der Barockoper steht der Regent zwischen Liebe und Staatsräson, und stets sind es die sinnlichen Verlockungen, denen es zum Wohle des Reiches zu entsagen gilt.

Händels Affekte Doch wie so oft wurde das theoretische weltanschauliche Konzept von der Realität vollständig überrollt. Als Georg Friedrich Händel seine Opern für die Londoner Bühnen schrieb, verschwendete wohl niemand mehr metaphysische Gedanken an Symmetrie, Dreieinigkeit, den moralischen Zeigefinger und die Beherrschung der Natur – die zentralen Gedanken im Wertesystem des Barock wie auch im intellektuellen Überbau der Oper. Die Arie war längst zu einem Vehikel für die equilibristische Gesangskunst berühmter Sängerinnen und Sänger geworden. Deren Wünschen hatten sich auch die Komponisten unterzuordnen; von Händel, der recht stur sein konnte, sind zahlreiche Anekdoten über Auseinandersetzungen mit seinen Musikern überliefert. Die Hauptfiguren (»prima donna« und »primo uomo«) bekamen in der Regel sieben Arien pro Oper zu singen, in denen sie unterschiedliche Gemütszustände (Affekte) darstellten – von ergreifenden Lamenti bis hin zu wütenden Koloraturfeuerwerken – und natürlich auch die Facetten ihrer Kunst demonstrieren konnten. Einem Meisterpsychologen wie Händel gelang es, seine Helden – und vor allem seine Heldinnen – musikalisch derart zu charakterisieren, dass das scheinbar abstrakte Konzept der barocken Affekte verblüffend modern bleibt. Denn eine Barockoper ist mit ihren potenziell unendlichen Verwicklungen im Prinzip dann zu Ende, wenn die Hauptfiguren alle emotionalen Zustände durchlaufen haben, und das Publikum daher mit einem erstaunlich vielschichtigen, komplexen Menschen konfrontiert wird, mit dem es sich oft besser identifizieren kann als mit einer Bühnenfigur späterer Epochen. Vielleicht ist diese parataktische, zeitlose Struktur der Barockoper ein Schlüssel zum Verständnis ihrer Renaissance. Händels einfühlsame Porträts von starken Frauen stehen im Mittelpunkt des Eröffnungskonzertes unseres Barock-Wochenendes mit der Sopranistin Mary Bevan und der Academy of Ancient Music.


Foto: akg-images (oben), akg-images / De Agostini Picture Library (mitte), Getty Images / iStockphoto / fazon1 (unten)

Blick auf den Dogenpalast in Venedig, Gemälde von Gaspar van Wittel (1697)

Bühnenbild La Deidamia von Francesco Cavalli. Gemälde von Giacomo Torelli (1650)

Die Rialtobrücke am Canale Grande 9

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Konzerthinweis 23. bis 25. • Februar 2024 Barock-Wochenende Das detaillierte Programm finden Sie im Kalendarium am Ende dieses Heftes sowie auf  berliner-philharmoniker.de/ barock

Theatralische Inszenierungen Die sinnliche und oft als dekadent empfundene Weltlichkeit der Oper mit all ihren Eitelkeiten wurde von der Kirche selbstverständlich kritisch beobachtet. Gleichzeitig waren die Rituale eines Gottesdienstes theatralischen Inszenierungen nicht fern. Auch der Kastratenkult wäre ohne die Kirche nicht entstanden – war sie es doch, die Frauen aus der Kirche verbannte, auf starke Sopranstimmen aber nicht verzichten wollte. Die Kastration von jungen Knaben zur Bewahrung ihrer hohen Stimme schien eine praktische Lösung dieses Dilemmas, wenngleich die Kirche diese Praxis offiziell nur in »medizinisch notwendigen Fällen« erlaubte. Dass nun tausende von Jungen mit der vagen Hoffnung auf eine Opernkarriere dieser grausamen Prozedur unterzogen wurden, war natürlich nicht im Sinne der Kirche. Dennoch konnte sich die geistliche Musik dem überwältigenden Einfluss des modernen Opernstils nicht entziehen. Das Vokalensemble Voces Suaves stellt in seinem Konzert expressive römische Mariengesänge vor und macht den Übergang von der Chorpolyfonie der Renaissance hin zur virtuosen Monodie des Frühbarock faszinierend nachvollziehbar.

Krankenhäuser als Musikschulen Die Kirche war nicht nur der Ort für würdige musikalische Erbauung und Sorge für das Seelenheil, sondern sie sorgte in einer Gesellschaft ohne finanzielle Schutznetze auch für Menschen in Not. Im 17. Jahrhundert gab es allein in Venedig vier »Ospedali Grandi« (ursprünglich Krankenhäuser), in denen sich hauptsächlich Nonnen der Erziehung von Waisen- und Findelkindern annahmen. In den Außenmauern der »Ospedali« gab es Babyklappen, in denen Neugeborene anonym abgegeben werden konnten. Etliche uneheliche Kinder wurden dort abgeliefert, nicht selten gezeugt von 10

europäischen Adligen auf ihrer Grand Tour und Prostituierten. Knaben erhielten eine Handwerksausbildung und mussten die Institution mit 14 Jahren verlassen. Mädchen durften ihr ganzes Leben lang, oder bis zu ihrer Heirat, in diesen Heimen bleiben. Dort wurden sie zu exzellenten Sängerinnen und Instrumentalistinnen ausgebildet. Die Konzerte dieser Frauenensembles wurden zu Attraktionen und gehörten zum Pflichtprogramm jedes Touristen, auch wenn die Musikerinnen hinter Gittern verborgen blieben. Mit den Spenden der Konzertbesucher konnte der Betrieb der Heime finanziert werden. Viele Komponisten arbeiteten als Musiklehrer und Kapellmeister an der berühmtesten dieser Institutionen, dem »Ospedale della Pietà«, doch keiner ist stärker mit ihr verknüpft als Antonio Vivaldi. In den über 30 Jahren seines dortigen Wirkens schrieb er für deren legendäre Solistinnen fast alle seine virtuosen Instrumentalkonzerte und geistlichen Werke. Einige von Vivaldis besonders prächtigen und reich instrumentierten Konzerten für ein oder mehrere Soloinstrumente sind im Konzert von Amandine Beyer und Gli Incogniti zu hören. Auch das Abschlusskonzert des Barock-Wochenendes mit Il Giardino Armonico und dem Mandolinisten Avi Avital widmet sich der Orchestermusik, mit Solokonzerten für Blockflöte und Mandoline von Telemann, Bach und Paisiello. So tauchen wir mit unserem Kurzfestival in die Kultur eines Landes ein, das seit Jahrhunderten die Fantasie der Europäer beflügelt – und vielleicht auch die des Berliner Publikums an einem kalten, dunklen Februarwochenende.  Holger Schmitt-Hallenberg ist freier Musikwissenschaftler, Berater und Musikverleger.

Foto: Christoph Köstlin / DG

Avi Avital


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Außer

gewöhnlich

normal


Die Brüder Lucas und Arthur Jussen verkörpern die neue, junge Generation des Klavierduos – dynamisch, virtuos, mitreißend. Darüber hinaus verfügen die beiden über Entertainer-Qualitäten, die ihre Auftritte zum Ereignis werden lassen. Mitte Februar sind sie im Kammermusiksaal zu Gast. Ein Porträt.

Foto: Marco Borggreve

Von Bjørn Woll Es gibt ein Foto des Künstlerfotografen Marco Borggreve, das im wahrsten Sinne des Wortes »sinnbildlich« für das Klavierduo Lucas und Arthur Jussen steht: Dezent und doch stylish im schwarzen Rollkragenpullover verschmelzen die beiden Brüder am Klavier optisch zu einem Organismus mit zwei Köpfen und vier Händen. Treffender lässt sich ein Klavierduo, die vermutlich innigste Formation in der klassischen Musik, nicht in ein Bild gießen. Als Klavierduo rückt man sich auf die Pelle, muss sich, körperlich und mit den Händen, nahekommen, ohne sich dabei in die Quere zu kommen. Wenig überraschend also, dass die allermeisten Klavierduos Ehe- oder Geschwisterpaare sind. Wenn die Jussen-Brüder bei Konzerten vierhändig spielen, stellen sie die Klavierhocker gerne mit der schmalen Seite nach vorn, damit sie noch enger beieinandersitzen können. Denn »wenn man als Duo zusammen musiziert, geht es darum zu antizipieren, was der andere spielt«, sagt Arthur Jussen – und so klingen sie dann auch: Kein Blatt passt zwischen die Töne der beiden, während sie das Klavier wunderbar zum Singen bringen. Immer ist da eine direkte, unverstellte Emotion in ihrem Spiel wahrzunehmen. 2019 erschien zum Beispiel ein Album mit Werken von Johann 13

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Sebastian Bach für zwei Klaviere. Mit einem wundersam feinen Spiel und ihrer höchst differenzierten Dynamik arbeiten die Jussens hier das polyfone Geflecht der Einzelstimmen vorbildlich heraus. Für das Label und den gesamten Klassikbetrieb sind Lucas und sein dreieinhalb Jahre jüngerer Bruder Arthur ein Glücksfall. Weil sie den Glamour von Popstars mit der Ernsthaftigkeit der klassischen Musik verbinden. Wer als Künstler heute erfolgreich sein will, muss nicht nur ein Meister seines Instruments sein, sondern ebenso virtuos die sozialen Medien bespielen. »Reichweite« nennen das die YouTuber und Influencer, die mit Memes und Reals auf Instagram oder TikTok die Follower an ihrem Leben teilhaben lassen. Auch das beherrscht das Brüderpaar par excellence, postet Bilder von einer gemeinsamen Achterbahnfahrt im Tivoli vor einem Konzert mit Mendelssohn oder albert beim Abendessen mit Snapchat-Filtern herum. Das funktioniert vor allem deswegen so gut, weil das Ganze nicht aufgesetzt, sondern total authentisch wirkt. Als Klassikkünstler sind die beiden nahbar, dazu schlagfertig und immer auch zu Scherzen aufgelegt. Auf YouTube gibt es ein Video des Jugendformats »Das Verhör« von BR-Klassik, bei dem

man unweigerlich schmunzeln muss. Oft wirkt es peinlich, wenn Klassikkünstler gezwungen »cool« sein wollen, Lucas und Arthur nimmt man es ohne Weiteres ab. Und wenn die beiden davon erzählen, dass sie sich schon als Kinder super verstanden haben, glaubt man ihnen auch das aufs Wort. Von der Tradition einer gemeinsamen Wintersportwoche erzählen sie im Interview oder von Familienurlauben im Sommer. Aber »natürlich hat jeder auch sein eigenes Leben. Wir haben beide eine Freundin, die wären ganz schön eifersüchtig, wenn sie uns immer mit dem anderen teilen müssten.« Diese unverfälschte Art kommt an, vor allem beim jüngeren Teil des Publikums. Bei wenigen Klassikkonzerten begegnet man derart vielen jungen Leuten und sogar Kindern im Publikum wie bei den Auftritten von Lucas und Arthur Jussen. Dass die beiden mit ihren sportlichen Figuren und perfekt gestylten Haaren auch noch blendend aussehen, schadet natürlich auch nicht. Sie legen Wert auf ihr Äußeres, wissen um die Wirkung von Auftreten und Gesten. Ihre Konzerte sind also auch eine perfekt inszenierte Show, der Künstler als Entertainer sozusagen. Und das ist überhaupt nicht negativ gemeint, denn der Fokus ist klar gesetzt: »Es muss immer um die Musik gehen!


»Es muss immer um die Musik gehen! Aber es ist natürlich auch schön, wenn uns die Leute sagen, dass wir schöne Anzüge tragen.« Lucas und Arthur Jussen

Aber es ist natürlich auch schön, wenn uns die Leute sagen, dass wir schöne Anzüge tragen.« Die werden übrigens immer noch von dem gleichen Designer maßgeschneidert, der die Brüder schon als Jugendliche eingekleidet hat. Konzerte von Lucas und Arthur Jussen sind aber nicht nur ein visueller, sondern vor allem ein musikalischer Genuss. Es sei, als würde man zwei BMWs gleichzeitig fahren, hat der Dirigent Michael Schønwandt einmal über das Duo gesagt. Diesem Drive und sozusagen sportlichen Aspekt begegnet man zum Beispiel, wenn die beiden Strawinskys Sacre du printemps in der Fassung für zwei Klaviere spielen. Es ist ein urwüchsiges Stück, voller komplexer Rhythmen und horrender Herausforderungen für die Interpreten. Mit explosiver Energie stürzt sich das Duo, auswendig ohne Noten spielend, in die Partitur, hämmert die Töne in die Tastatur, aber auch der kantable, innig-berührende Ton gehört zu ihrem Ausdrucksspektrum. Wer den Primo- und wer den Secondo-Part übernimmt, entscheiden die beiden bei jedem Werk übrigens per Münzwurf. »Das machen wir wirklich so. Wir mögen diese Abwechslung, weil es langweilig wäre, wenn jeder immer die gleiche Rolle spielen würde. Auch 14

wenn wir mit zwei Klavieren spielen, wechseln wir eigentlich immer ab.« Auch hier herrscht also totales geschwisterliches Einvernehmen. Dann aber sitzt jeder erstmal allein an seinem Instrument, denn »zu 90 Prozent übt jeder für sich, erst für die letzten 10 Prozent setzen wir uns zusammen ans Klavier. Wenn jeder seinen eigenen Part gut kennt, geht die Zusammenarbeit ziemlich schnell. Dann kann man über Musikalität oder Nuancen reden, dafür muss aber jeder in seinem Teil absolut sicher sein. Wenn man zusammen spielt, dann muss man sich in jeder Sekunde anpassen, muss aufmerksam zuhören und adaptieren, was der andere macht. Eigentlich ›höre‹ ich schon, was Lucas spielen will, bevor er überhaupt angefangen hat. Als Duo ist es wichtig, dass man das fühlt. Erst dann kann Musik lebendig werden, im spontanen Reagieren aufeinander.« Es ist genau dieses unsichtbare Band an Aufmerksamkeit und Verständnis für den anderen, das die beiden miteinander aufs Engste verbindet, selbst wenn sie an zwei Klavieren weiter auseinandersitzen. Mittlerweile wohnen sie zwar nicht mehr im selben Haus, aber nur einen Steinwurf voneinander entfernt, einander gegenüber in derselben Straße. »Wenn wir die Fenster öffnen, könnten wir theoretisch

zusammenspielen«, scherzt Arthur Jussen. Und auch die Eltern wohnen nicht weit weg in Hilversum, wo der Vater Pauker im Radiophilharmonieorchester ist und wo zwei Flügel stehen. »Das ist ideal für uns, weil wir dort in Ruhe üben können und keine Miete zahlen müssen. Und manchmal können wir auch einen Beutel schmutziger Wäsche mitnehmen«, ergänzt Lucas Jussen mit einem Augenzwinkern. Für ihr Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin haben sie ein typisches Jussen-Programm zusammengestellt, das von Mozart und Schumann bis zu Rachmaninow und Debussy reicht: »Wir mögen abwechslungsreiche Programme mit vielen Facetten. Selbst wenn Menschen im Publikum ein Stück nicht so mögen, finden sie vielleicht etwas anderes im Programm, das ihnen gefällt.« In der Mitte dieses Sandwiches aus Repertoireklassikern steht ein zeitgenössisches Stück von Jörg Widmann, das dieser eigens für Lucas und Arthur Jussen geschrieben hat, ein »unglaubliches Geschenk«, wie die bekennenden Widmann-Fans betonen. Zudem schafft das 2022 für das KlavierFestival Ruhr entstandene Werk spannende Bezüge im Berliner Programm. Denn nicht nur der Titel Bunte Blätter verweist auf den gleichnamigen Mini-Zyklus von


Foto: Marco Borggreve

Die Brüder Lucas und Arthur Jussen

Konzerthinweis Robert Schumann, auch die Musik des ersten Satzes erinnert an den Romantiker. Der letzte Satz enthält hingegen Anklänge an Widmanns eigenen Opernerfolg Babylon, ein Stück, das Lucas und Arthur Jussen besonders fasziniert, wie sie dem Komponisten im Vorfeld erzählt haben. Ohnehin versucht das Duo immer wieder zeitgenössische Komponisten zu neuen Werken für Klavierduo anzuregen. Fruchtbar ist zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say, der bereits mehrfach für die beiden komponiert hat. Neben dem Auftragswerk Night etwa das Klavierkonzert Anka kuşu zu vier Händen, ein energiegeladenes Stück mit Jazzelementen, viel Perkussion und arabischen Anklängen. Auf der Wunschliste des Duos steht außerdem der schottische Komponist James McMillan, an dessen Musik sie die intime und emotionale Komponente ebenso bewundern 15

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wie den oft spirituell-religiösen Hintergrund, »obwohl wir selbst gar nicht religiös sind. Aber wir verstehen, was er meint. Außerdem ist er ein großer Fußballfan, so wie wir auch«. Und da ist es wieder: die vermeintliche Hochkultur Hand in Hand mit einem Gesellschaftsphänomen wie dem Fußball. Ganz so wie die beiden Künstler selbst: In dem einen Moment ernsthafte Interpreten im Dienste der klassischen Musik, im anderen ganz normale Menschen und Pragmatiker des Alltags: »Wenn wir verreisen, hat der eine die Schuhe, Socken und Hemden, der andere die Anzüge. Wenn dann mal ein Koffer verloren geht, müssen wir nicht alles neu kaufen.«  Bjørn Woll ist freier Musikjournalist und Redakteur beim Magazin OPER.

14.02.24 20 Uhr • Mi Kammermusiksaal Serie Klavier Lucas & Arthur Jussen Klavierduo Wolfgang Amadeus Mozart Sonate für Klavier zu vier Händen C-Dur KV 521 Robert Schumann Andante mit Variationen für zwei Klaviere op. 46 Jörg Widmann Bunte Blätter für zwei Klaviere Claude Debussy Six Épigraphes antiques für Klavier zu vier Händen Sergej Rachmaninow Suite Nr. 2 für zwei Klaviere op. 17


Overture to Bird

Von Oliver Hochkeppel


Foto: plainpicture/noa-mar

Magnus Lindgren und die SWR Big Band präsentieren Bird Lives bei Jazz at Berlin Philharmonic live. Die während der Pandemie entstandene Hommage an Charlie Parker wurde bereits mit einem Grammy ausgezeichnet. Das dürfen Sie sich nicht entgehen lassen.

In der Klassik wie im Jazz wäre 2020 ein Jahr großer Feierlichkeiten gewesen. Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag stand ebenso auf allen Programmzetteln wie der 100. Geburtstag von Charlie Parker. Der liebevoll »Bird« genannte, mit 34 Jahren so früh Verstorbene wurde in seiner kurzen Blütezeit zum Mitbegründer des Bebop, zum kühnen Improvisator und bis heute prägenden Interpreten, und seine Musik blieb bei aller Intensität immer zugänglich und klangschön. Die Pandemie aber machte fast allen Planungen den Garaus, unter anderem auch dem Vorhaben der SWR Big Band, am 29. August, eben Parkers Geburtstag, ihr Projekt Bird Lives in der legendären Hollywood Bowl uraufzuführen. Frühzeitig war klar, dass daraus – wie auch aus weiteren Konzerten – nichts werden würde. Trotzdem waren die treibenden Kräfte des bereits weit gediehenen Projekts nicht bereit, ihre Hommage an den neben John »Trane« Coltrane wichtigsten Saxofonisten des 20. Jahrhunderts ad acta zu legen. Allen voran der Saxofonist, Flötist, Komponist und Arrangeur Magnus Lindgren, der seit 2018 Artist in Residence der SWR Big Band ist und Bird Lives initiiert hatte. Der 1974 in Västerås geborene Magnus Lindgren begann mit 13 Jahren Saxofon zu lernen, und tourte schon im Alter von 18 Jahren mit dem Peter Johannesson Quintett und Herbie Hancock. Sein Debütalbum Way Out wurde 1999 sogleich für den schwedischen Grammy nominiert, zwei Jahre später bekam er ihn dann für das Big-Band-Album Paradise Open mit der Swedish Radio Jazz Group. Im selben Jahr wurde Lindgren zum besten schwedischen Jazzmusiker des Jahres gewählt, 2006 folgte der schwedische Django d’Or als »Contemporary Star of Jazz«. Nicht nur mit seinem eigenen Quartett hat sich Lindgren diese Meriten erworben, sondern auch als Begleiter der Opernsängerin Barbara Hendricks oder von skandinavischen Kollegen und internationalen Größen wie 17

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Bob Mintzer, James Ingram oder Jim McNeely. Von Anfang an gehörte er außerdem zu Nils Landgrens Funk Unit, die dem schwedischen Jazz entscheidend die Tür zur internationalen Szene öffnete. Mehr und mehr hat er schließlich seine Arbeit als Komponist und Arrangeur für Orchester intensiviert, ob als musikalischer Leiter der Nobelpreis-Verleihung 2003, in der Zusammenarbeit mit Symphonieorchestern wie dem Opernorchester Malmö (»Music for the Neighbours«) oder für das Big-Band-Album Brasil Big Bom mit Lina Nyberg 2007. Für das Bird Lives-Projekt holte Lindgren den amerikanischen Pianisten, Komponisten und Big-Band-Leader John Beasley als Co-Arrangeur mit ins Boot. Auch der 63-jährige, aus einer Musikerfamilie stammende Beasley war früh erfolgreich. Obwohl oder vielleicht auch weil er sich gegen ein Musikstudium und stattdessen für die Arbeit als Studiomusiker und als Begleiter von Sérgio Mendes entschieden hatte. Mit 24 komponierte und arrangierte er für Fernsehshows der großen amerikanischen Sender. Nach sechs Jahren in der Band von Freddie Hubbard holte ihn 1989 Miles Davis in seine Band. Eine Visitenkarte, mit der er danach bei Stars der verschiedensten Genres und Stile gefragt war. So tourte er unter anderem mit Steely Dan, Carly Simon, Barbra Streisand, Queen Latifah, Chaka Khan, James Brown, Christian McBride oder John Patitucci, und war auf Alben von Al Jarreau, Chick Corea, Wayne Krantz, Tania Maria oder Kyle Eastwood zu hören. Was ihn aber in den Augen von Lindgren und der SWRBig-Band-Musiker besonders für Bird Lives prädestinierte, waren Beasleys langjährige Erfahrungen mit seiner eigenen Big Band, dem MONK’estra. Hier hatte er sich als überragender Könner darin erwiesen, die Musik des Modern-Jazz-Genies und Stil-Gründers Thelonious Monk in die Gegenwart zu überführen.


Magnus Lindgren

Seine Alben Monk’estra vol. 1 und Monk’estra vol. 2 wurden beide für den Grammy nominiert. Wie weise es war, Beasley bei Bird Lives einzubinden, bestätigte sich nachträglich und indirekt auch dadurch, dass er 2021 nicht nur für den Grammy nominiert war (für sein Arrangement des Albums Holy Room: Live At Alte Oper der Sängerin Somi), sondern den Preis auch gewann (für die Latin-Version von Donna Lee seines MONK´estra). Lindgren und Beasley machten sich also an die Arbeit, den grundlegenden Score für die große Charlie-Parker-Geburtstags-Hommage für die SWR Big Band zu schreiben, sozusagen den Daimler unter den JazzOrchestern. Das aus dem 1951 von Erwin Lehn gegründeten Südfunk-Tanzorchester hervorgegangene Ensemble gehört seit Jahrzehnten zu den besten Big Bands der Welt und teilte die Bühne mit Jazz-Stars wie Miles Davis, Chick Corea, Astrud Gilberto, Chet Baker, Pat Metheny, Gary Burton, Ivan Lins, Roy Hargrove und vielen, vielen mehr. Seit den Neunzigerjahren holt sich dieses virtuose Solistenensemble je nach Projekt und Musikstil die passenden Dirigenten. Etliche der daraus hervorgegangenen Projekte wurden in aller Welt preisgekrönt. 18

Selten freilich musste man unter schwierigeren Bedingungen arbeiten als bei Bird Lives. Nachdem Lindgren und Beasley ihre Vorarbeiten getan hatten und der Score fertig war, ging es im November 2020 zwei Wochen lang ins Funkstudio des SWR in Stuttgart, wo man das Album unter schwierigsten Corona-Bedingungen einspielte. Schwierig überdies, weil die Band auch noch durch zehn Streicher und einige Gaststars verstärkt wurde. Allein fünf amerikanische WeltklasseSaxofonistinnen und -Saxofonisten verbeugten sich mit vor dem Saxofon-Revolutionär Charlie Parker: Chris Potter, Joe Lovano, Miguel Zenón, Tia Fuller und Charles McPherson. Dazu stießen auch noch zwei Perkussionisten sowie Camille Bertault, der junge Gesangsstar der französischen Jazzszene. Das im November 2021 erschienene Ergebnis klingt wie ein mächtiger Film-Score, der Charlie Parkers Vermächtnis zu neuem Leben erweckt. Keine »Anbetung der Asche, sondern ein Weiterreichen des Feuers«, um ein (gerne Gustav Mahler zugeschriebenes) Zitat von Jean Jaurès zu verwenden. »Wir wollten neue Generationen an Bird heranführen, aber wir wollten auch, dass Bird-Fans die Musik auf eine frische neue


Konzerthinweis 22.02.24 20 Uhr • Do Großer Saal

»Wir wollten neue Generationen an Bird heranführen, aber wir wollten auch, dass Bird-Fans die Musik auf eine frische neue Art und Weise hören.«

Jazz at Berlin Philharmonic SWR Big Band Magnus Lindgren Leitung John Beasley Klavier Bird Lives – Tribute to Charlie Parker

Magnus Lindgren und John Beasley

Foto: Mats Lefvert

Art und Weise hören«, erklären denn auch Lindgren und Beasley. Dazu diente bereits die Auswahl der Stücke: Neben Originalkompositionen von Parker wie dem vor Bebop platzenden Scrapple from the Apple auch Standards, die zu seinen Favoriten gehörten, ein in clubbige Ambient-Sounds getauchtes Summertime beispielsweise. Oder gelungene Mashups wie beim Einstieg mit Cherokee/Koko und beim großen Finale mit der Overture to Bird.

Bands The Jakob Manz Project und Groove Connection, im Duo mit Johanna Summer oder an der Seite von Größen wie Randy Brecker oder Simon Oslender für Furore. Mit fast unerklärlich reifer und virtuoser Technik, gnadenlosem Groove und einem Energielevel, für den auch Charlie Parker berühmt war. Als Schwabe hat er natürlich bereits des Öfteren mit der SWR Big Band zusammengearbeitet, für ihn ist es gewissermaßen ein Heimspiel.

Der Schlüssel zu dieser so ungemein frischen ParkerBlutauffrischung sind aber vor allem die großartigen Arrangements, die den klassischen Big-Band-Stärken und Parkers genialer Musik gleichermaßen Respekt erweisen, sie aber mit modernen Elementen bis hin zum Funk (Confirmation) anreichern. Dass das Projekt gelungen ist, belegen insgesamt drei Nominierungen für die Grammy-Verleihung 2023 – John Beasley durfte dann im Februar den Preis für das Beste Arrangement für seine Bearbeitung von Scrapple from the Apple auch tatsächlich entgegennehmen. Fehlt also nur noch die letzte Krönung: die Live-Aufführung im großen Rahmen – denn gerade der Jazz ist Musik aus dem Moment für den Moment, und ein Tonträger in letzter Konsequenz nur ein Notbehelf.

Sogar noch ein Jahr jünger ist die britische Tenorsaxofonistin Emma Rawicz, die nächste große Entdeckung aus der boomenden Londoner Jazzszene. Die Vielseitige, die mit Geige und Klavier begann, auch Flöte und Bassklarinette spielt und erst vor sechs Jahren zu ihrem Hauptinstrument fand, hat gerade auf ihrem internationalen Albumdebüt Chroma mit druckvollem, knochentrockenem und hochintelligentem Jazzrock bewiesen, dass sie ebenfalls zu den herausragenden Talenten der europäischen Szene zählt. Und schließlich ist auch ein Gast vom Album erhalten geblieben: Camille Bertault, die man hier fast als weitere Saxofonstimme deklarieren könnte, wird sie doch vor allem mit furiosen Vokalisen in der Art ihrer verblüffenden Scat-Version von Coltranes Giant Steps glänzen, mit der ihre Karriere vor ein paar Jahren Fahrt aufnahm.

Nun aber ist es soweit, und die SWR Big Band ist zusammen mit den Arrangeuren John Beasley und Magnus Lindgren am 22. Februar bei Jazz at Berlin Philharmonic im Kammermusiksaal zu Gast. Und wie schon auf dem Album, so sind auch jetzt wieder erlesene Gäste mit von der Partie, die sich auf ihre Art in Charlie Parkers Welt versetzen. Da ist zum einen Jakob Manz, eines der derzeit weit über Deutschland hinaus größten jungen Saxofontalente. Erst 22, hat er doch schon diverse Wettbewerbe gewonnen und sorgt seit gut fünf Jahren mit seinen 19

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Alles zusammen ergibt ein mehr als würdiges Geburtstagsgeschenk für Charlie Parker. Erfüllt sich mit Bird Lives doch nicht zuletzt der wegen seines frühen Todes nie verwirklichte Traum einer großen Orchesterproduktion. Und das auf eine Art und Weise, die seine Musik nicht museal, sondern auf der Höhe der Zeit erklingen lässt.  Oliver Hochkeppel ist Kulturjournalist bei der Süddeutschen Zeitung.


Der Erfinder

seiner selbst


Anton Bruckners Aufstieg vom oberösterreichischen Dorfschullehrer und Organisten zum Schöpfer musikalischer Weltliteratur entspricht in gewisser Weise dem Plot des vom sprichwörtlichen Tellerwäscher sich emporarbeitenden Selfmademans. Am Beginn dieser Entwicklung stehen zwei Symphonien, die nur selten gespielt werden: die »Studiensymphonie« und die »Nullte«. Eine faszinierende Entdeckung, die Christian Thielemann und die Berliner Philharmoniker nun präsentieren.

Foto: Heribert Schindler

Von Anselm Cybinski Aller Anfang ist schwer, für Anton Bruckner offenbar besonders schwer. Bruckners langer Weg zur Symphonie zeigt die unerbittliche Selbstoptimierung eines Menschen, der bereits da, wo er das Ziel noch gar nicht vor Augen sieht, vom festen Glauben an das eigene Potenzial und den Wert höchster Anstrengung geleitet wird. Bruckners Aufstieg führt durch eine hierarchisch organisierte Gesellschaft – von der ländlichen Peripherie über die Provinzhauptstadt Linz in die Metropole Wien. Schritt für Schritt überwindet der stämmige Mann aus Ansfelden enorme ästhetische Niveaustufen und begibt sich dabei in Milieus, zu denen sein Habitus des gottesfürchtigen Untertanen aus der Provinz nicht recht passen mag. Viele der in zahllosen Anekdoten überlieferten Seltsamkeiten von Bruckners Sozialverhalten in Wien rühren von einer mangelnden Angepasstheit eines in ganz anderen Gegebenheiten aufgewachsenen Bürgers her: Während seine Kindheit noch von den ländlichen Strukturen des Spätabsolutismus des 18. Jahrhunderts geprägt ist, findet er sich um 1870 in einer dynamischen 21

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Beinahe-Millionenstadt wieder, die mit der Anlage der Ringstraße soeben ihr imposantes modernes Gesicht bekommen hat.

Entfesselung der Energien »In gewissen noblen Kreisen fanden Künstler mit schrulligen Marotten mehr Anklang als mit weltmännischem Auftreten«, gibt Felix Diergarten in seiner neuen Bruckner-Biografie zu bedenken. Der Komponist muss sich seiner Wirkung durchaus bewusst gewesen sein, er richtete sich in der Rolle des Sonderlings ein, kultivierte eine betont lebhafte Mimik, und wählte sogar den oft verspotteten altmodisch-untertänigen Ton gegenüber einflussreichen Personen mit Bedacht, argumentiert der Biograf. Bruckner ist außergewöhnlich ehrgeizig, keine Frage. Was ihn letztlich antreibt, ist jedoch weniger das Streben nach Wohlstand und sozialem Prestige als die Entfesselung ungeheuer starker kreativer Energien und deren möglichst selbstbestimmte Gestaltung – und zwar weitgehend unbeeinflusst von existierenden Vorbildern. Dass Beethovens

Leistungen, die einige der besten Komponisten des 19. Jahrhunderts so sehr eingeschüchtert haben, Bruckner irgendwie gehemmt haben sollten, ist nicht erkennbar. Paradoxerweise gilt das Streben des frommen Katholiken gerade nicht der geistlichen Musik, sondern der Symphonie, der repräsentativen Gattung weltlicher Konzertmusik. Und noch etwas erstaunt: Entscheidende musikalische Inspirationen verdankt Bruckner seinem Idol Richard Wagner – dem Meister des Musikdramas, der die »absolute« Instrumentalmusik nach Beethovens Neunter Symphonie doch eigentlich für geschichtlich erledigt hält.

Musikalische Lehrmeister Seiner Herkunft entsprechend strebt Bruckner zunächst den Beruf des Schullehrers an, den vor ihm schon sein Großvater und sein Vater ausgeübt haben. Das Amt des Lehrers ist in Österreich zu jener Zeit mit dem des Kirchenmusikers verbunden, deshalb beginnt Anton schon als Knabe mit dem Orgelspiel und erhält ersten Generalbassunterricht. Nach dem frühen Tod des Vaters


Foto: Stephan Rabold

Zusammen einzigartig. Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker live erleben. berliner-philharmoniker.de


Foto: Manuel Cohen/akg-images

Eigene Pläne

Anton Bruckner

kommt er 1837 als Sängerknabe ans Augustiner-Chorherrenstift St. Florian, eine der bedeutendsten Barockanlagen Österreichs. Bruckner lernt hier eine intensive Musikpflege kennen, wobei ihn der Klang der imposanten Stiftskirchen-Orgel besonders tief beeindruckt. 1840/41 durchläuft er in Linz die zehnmonatige sogenannte Präparandenausbildung zum Schulgehilfen und sammelt anschließend erste Berufserfahrungen in teilweise abgelegenen kleinen Orten. Neben seinen schulischen Aufgaben hat der junge Musiker in der Landwirtschaft und im Haushalt des Lehrers zu helfen, im Gottesdienst spielt er die Orgel und verrichtet Ministrantendienste, abends wirkt er als Geiger bei der Tanzmusik mit. Die Lebensumstände sind kümmerlich, doch Bruckner trifft immer wieder auf gründliche musikalische Lehrmeister. 1845, nachdem er beim bischöflichen Konsistorium in Linz die Lehrerprüfung abgelegt hat, kehrt er als 23

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Schulgehilfe nach St. Florian zurück, wo er erneut Orgelunterricht nimmt und erst zum provisorischen, von 1851 an dann zum ersten Stiftsorganisten befördert wird. St. Florian ist ein weitläufig vernetztes Zentrum klösterlicher Bildung, das Bruckner neue geistige und intellektuelle Horizonte eröffnen kann. Verständige Förderer erkennen sein Talent und unterstützen seine professionellen Ambitionen. Als er 1855 das Probespiel im Alten Dom zu Linz gewinnt und sein Amt als Domorganist antritt, hat sein Fernunterricht bei Simon Sechter, dem strengen Meister in Kontrapunkt und Satztechnik, dem einstigen Lehrer Franz Schuberts, bereits begonnen. Über Jahre betreibt Bruckner intensive nächtliche Studien und schickt seine Übungsarbeiten per Post zur Korrektur nach Wien. Dass die Ausbildung auf strikten Regeln fußt und rein handwerklich ausgerichtet ist, mag die kreativen Energien des werdenden Komponisten besonders mächtig angestaut haben.

Bruckner hat eigene Pläne. Purcell und Mozart, Franz Schubert oder Lili Boulanger, sie alle haben das Lebensalter, in dem Bruckner seine Symphonien zu komponieren beginnt, nicht einmal erreicht. Bruckner ist ein ausgesprochener Spätentwickler: Noch mit 38 Jahren vertröstet der Linzer Domorganist einen interessierten Freund, er könne vorerst keine eigenen Partituren vorzeigen, »da ich noch studiren muß«. Was er bis dahin geschrieben hat, sind Gelegenheitskompositionen, zumeist geistliche Werke für den liturgischen Gebrauch. Erst im Januar 1863 macht er sich an die »Studiensymphonie« in f-Moll, mit der er seine insgesamt achtjährige, überaus gründliche Ausbildung in Satztechnik und Komposition abschließen wird. Von seinem letzten Lehrer Otto Kitzler, dem deutlich jüngeren Kapellmeister am Linzer Theater, der ihn in Formenlehre und Instrumentation unterrichtet hat, erbittet sich Bruckner zu diesem Anlass eine regelrechte Freisprechung nach Art eines Handwerkslehrlings. Obwohl er die während der letzten Studienjahre entstandenen Partituren, darunter ein Streichquartett und eine Ouvertüre, allesamt als »Schularbeiten« einstuft, ist er stolz auf den ersten Versuch in seinem späteren Kerngeschäft – und entsprechend gekränkt, als sein Lehrer eher reserviert darüber urteilt. Es dauert bis ins Frühjahr 1866, ehe Bruckner, nun schon jenseits der 40, die offiziell Erste Symphonie in c-Moll vollendet, das eigentliche Debüt in diesem Genre. Knapp zwei Jahre lang beschäftigt er sich anschließend vor allem mit der Komposition der drei Messen. Die erste in d-Moll, ein enorm ambitioniertes Werk von rund 45 Minuten Dauer, bringt den Durchbruch seines unverkennbar eigenen Stils, die Uraufführung im Linzer Dom beschert ihm seinen ersten großen Erfolg.


Konzerthinweis 20 Uhr • FrDo 29.02.24 01.03.24 20 Uhr Sa 02.03.24 19 Uhr Großer Saal

Anton Bruckner Symphonie f-Moll »Studiensymphonie« Symphonie d-Moll »Nullte«

Doch die Vertonung des Messetexts zwingt Bruckners Expansionsstreben auf die Dauer in ein allzu enges Korsett. Mit der Übersiedlung von Linz nach Wien Ende 1868 nimmt die Symphonie endgültig den zentralen Platz in seinem Schaffen ein. Ganz direkt verläuft der Weg anfangs noch nicht: Die kühne d-Moll-Symphonie, die bis September 1869 entsteht, scheidet Bruckner später aus seinem Werkkatalog aus; wichtige Elemente daraus übernimmt er in die Dritte. Bruckner »annulliert« diese Symphonie – was zu der irreführenden Zählung als »Nullte« geführt hat. Chronologisch gesehen wäre sie die zweite Symphonie – und künstlerisch bildet sie ein wichtiges Zwi-

schenglied in Bruckners Entwicklung als Orchesterkomponist. Von Oktober 1871 an ist er fortwährend mit der Komposition neuer oder der Revision älterer Symphonien befasst. Als die Universität Wien im Herbst 1891 schließlich die Ehrenpromotion des mittlerweile 67-Jährigen vorbereitet, da legt der Meister großen Wert darauf, auf der Urkunde als »Symphoniker« tituliert zu werden. Es sind jene Wochen, da er die für längere Zeit unterbrochene Arbeit an seiner »Neunten« wieder aufgenommen hat. »Ich bin ja doch nur ausschließlich Symphoniker, dafür habe ich mein Leben eingesetzt, u. auch meine Auszeichnungen erhalten«, schreibt er dazu.

Wagners Schatten

Christian Thielemann

Ein ganzes Leben für die Symphonie? In der Rückschau erweist sie sich tatsächlich als die »von langer Hand angezielte Zentralgattung« von Bruckners Schaffen, wie HansJoachim Hinrichsen formuliert – im Grunde gar als zentraler Lebensinhalt des Komponisten. Was noch fehlt? Das Erlebnis Wagners. Der erwähnte Otto Kitzler, dem sich Bruckner nach Ende der Studien bei Simon Sechter anvertraut, kennt Richard Wagner aus seiner Heimatstadt Dresden. 1863 sorgt er für die Linzer Erstaufführung des Tannhäuser. Mit seinem Chor, der Liedertafel »Frohsinn«, studiert Bruckner dafür den Pilgerchor ein. Während er nun in rascher Folge wichtige Werke von Wagner und Franz Liszt kennenlernt, hört er Beethovens »Neunte« erst 1867 im Konzert. Ein Nachteil ist das nicht. Den bald so stabilen Bauplan seiner Symphonien muss er ohnehin ganz allein entwickeln.  Anselm Cybinski ist Gesamtdramaturg beim Heidelberger Frühling.

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Foto: Stephan Rabold

Berliner Philharmoniker Christian Thielemann Dirigent


Woman to Go, seit 2005 © Mathilde ter Heijne Sammlung Deutsche Bank Foto: Frederike van der Straeten

Mathilde ter Heijne im Green Room der Berliner Philharmonie

Die wiedergefundene Geschichte „Heroes“ lautet das diesjährige Saisonthema der Berliner Philharmoniker. Als langjähriger Partner des Orchesters hat die Deutsche Bank diesen Schwerpunkt zum Anlass genommen, eine Installation von Mathilde ter Heijne aus ihrer Sammlung im Green Room der Philharmonie vorzustellen. Die niederländische Künstlerin variiert in diesem Projekt, an dem sie seit 2005 arbeitet, das Thema „Helden“, indem sie sich vergessenen „Heldinnen“ der Vergangenheit und Lebensgeschichten von Personen, die als Frauen identifiziert wurden, widmet. Fast lebensgroße Porträtaufnahmen an den Wänden des Green Rooms ergänzen hunderte Postkartenmotive, die in Rondels den Gästen zum Mitnehmen angeboten werden. Gerade diese Karten laden zum Nachund Neudenken ein. Auf der Vorderseite sind Fotografien unbekannter Personen zu sehen, entstanden zwischen 1839 und 1920. Viele der Bilder haben Forscher oder Missionsangestellte aufgenommen, oft dokumentieren sie bestimmte Stereotypen. Über die porträtierten Frauen* ist nichts bekannt, ihre Biografien wurden in einer männerdominierten Zeit einfach vergessen. Dagegen lehnt sich Mathilde ter Heijne auf, indem sie den Porträtierten kurzerhand neue Lebensläufe zuordnet. So finden sich auf den Rückseiten der Karten jeweils Biografien aus derselben Epoche, die aber offensichtlich nichts mit den Fotografierten zu tun haben. Es sind dies Lebensläufe außergewöhnlicher Frauen* aus der ganzen Welt – Künstlerinnen, Teehändlerinnen, Piratinnen, Schriftstellerinnen, Forscherinnen, Partisaninnen und Suffragetten. Indem ter Heijne die Porträts vervielfältigt und in Umlauf bringt, wertet sie deren Geschichte ganz gezielt auf und spielt mit einer alternativen, weniger männlich geprägten Wahrnehmung und Konstruktion von Vergangenheit. Sie selbst unterstreicht, dass es bei Woman to Go „um das Verhältnis zwischen Ohnmacht und Macht geht, darum, dass Geschichte noch immer oft aus der Perspektive einer einseitigen, patriarchalischen Weltsicht wahrgenommen wird. Das Patriarchat beruht auch auf dem systematischen Auslöschen oder dem Überschreiben von weiblichen Biografien, die durch die herrschenden Machthaber marginalisiert werden. Diese Realität kann man aber auch ändern. Und zwar indem man sich seine eigene, andere Konstruktion der Geschichte macht. Die Postkarten von Woman to Go sind ein Vorschlag dazu.“

Artist Talk im Green Room Ein Gespräch zwischen Mathilde ter Heijne und Britta Färber, Global Head of Art & Culture, Deutsche Bank Termin: 2. Februar 2024, 18:30 Uhr, Eintritt frei

Mathilde ter Heijne, Unknown Woman, #21, 2013 © Mathilde ter Heijne, Sammlung Deutsche Bank


Die musikalische Seele

Portugals


Sinnlich, melancholisch, einschmeichelnd: António Zambujo ist ein echter »Fadista«. Mit seiner dunklen, samtenen Stimme kreiert er jene unverwechselbare Atmosphäre von Sehnsucht, Entsagung und Einsamkeit, die so typisch für den Fado ist. Im März ist dieser zeitlos eleganten Musik in unserer Reihe World ein ganzer Abend gewidmet.

Foto: plainpicture/Anja Weber-Decker

Von Reinhard Köchl Für Portugiesen gehört Leidensfähigkeit zu den wertvollsten Tugenden des Menschen. Im Fado verkörpert sich eine besondere Form von Melancholie, die ihre Kraft aus der übergroßen Sehnsucht nach Glück und Größe schöpft. Deshalb erzählt er auch eher die traurigen Geschichten des Lebens. Er ist nichts weniger als der Nationalgesang eines ganzen Volkes, der tief in der Seele entsteht und über diese auch nach außen getragen wird, durch Leiden, durch Liebe. Er nährt sich von den Narben auf der Seele und jeder, der Fado singt, reißt diese Narben wieder auf. Das tut weh und gut zugleich. Und dabei entsteht Magie, etwas, das man am besten fühlen und eigentlich nur schlecht beschreiben kann. Eines vorweg: Fado wird nicht getanzt – ganz im Gegensatz zu seinem argentinisch-uruguayischen Vetter Tango. Fado hört man an. Er beginnt mit dem ruhigen Vierviertel-Rhythmus der viola baixa, der Bassgitarre, dann begleitet die stahlbesaitete guitarra portuguesa wie in einem Duett den Gesang. Im spontanen Fado vadio erzählt er Alltagsgeschichten und im konzertanten Fado professional trägt er mitunter Gedichte von Camões oder Pessoa vor. Die Sängerinnen 27

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oder Sänger heißen Fadista. Die Guten begeben sich ganz hinein in das komplexe Gefühl der Geschichte, verbrennen darin und stehen aus der Asche neugeboren wieder auf. Fado bringt die dunkle Seite des Lebens, vor der man gerne die Augen verschließt, ans nächtliche Licht. Fado, das ist wie Fäden ziehen: Schmerz und Wohltat zugleich.

zeitig halten sich auch Spekulationen, das Ganze hätte sich aus der im 18. und 19. Jahrhundert populären Modinha entwickelt und sei mit dem aus Angola stammenden Lundu verschmolzen. Doch warum eigentlich etwas strukturieren, dem das Geheimnisvolle sowieso viel besser bekommt?

Bittersüße Gesänge

Relativ gesichert lässt sich behaupten, dass der Terminus Fado dem Lateinischen entstammt und so viel wie »Schicksal« bedeutet. Das hat seinen Charakter geprägt. Fado kann man nicht einfach in die Kategorie »Easy Listening« einordnen, nur weil er aus einem mediterranen Urlaubsland stammt. Dafür sind die Themen zu schwer und zu ernsthaft: starke Gefühle, Liebeleien, das Ende der Liebe, Verrat, Eifersucht, Rache und Unglück. Aber Fado muss nicht zwingend traurig sein, er kommt mitunter auch frech und bohemienhaft daher und spiegelt die Seele und den Geist seines Volkes wider.

Wer nach Lissabon oder Coimbra reist, der kann dem Fado eigentlich nicht ausweichen. Der bittersüße Sehnsuchtsgesang tönt aus Autoradios, schaut von Plakatwänden und klingt nachts aus den Fadohäusern der historischen Lissaboner Stadtviertel Bairro Alto, Mouraria und Alfama. Dem Fado auf den Grund zu gehen, ist aussichtslos. Man würde sich nur in widersprüchlichen Quellen und Zeitangaben verlieren, um am Ende dann doch keine Spur zu finden. Zum einen existiert die These, er sei aus den arabischen Gesängen der Menschen entstanden, die nach der christlichen Reconquista das Stadtviertel Mouraria gründeten. Andere wiederum behaupten, dass er das mittelalterliche »Chanson de geste« ablöste, und gleich-

Lissabon als Wiege

Als gesichert gilt, dass er im Herzen Lissabons seinen Ursprung fand und als Frucht einer kulturellen Vermählung von Mauren und Seeleuten entstand. Trotz seines


António Zambujo

volkstümlichen Charakters verführte das Lied der Stadt auch die aristokratische Boheme. So wurde der Mythos der Liebesbeziehung zwischen dem wegen ihres Gesangstalents angesehenen Freudenmädchens Maria Severa Onofriana (1820–1846) und dem Grafen von Vimioso zu einem Teil der Geschichte des Fado. Viele Texte haben diese Legende aufgegriffen, es gibt sogar ein Roman darüber. Dann existiert da noch der »Fado des Matrosen«, der als Vorbild für alle anderen diente. Aus dieser gemeinsamen Wurzel entstanden unterschiedliche Stile: der traditionelle Fado der typischen Viertel Lissabons (Fado castiço), der aristokratische Fado (Fado aristocrato), der heitere Fado (Fado corrido) und der Bohemien-Fado (Fado boémio).

Goldene Zeiten Ursprünglich war der Fado ein Kind der Improvisation, der spontanen Auftritte in kleinen 28

Tavernen, die oft aus dem Nichts heraus entstanden und ganze Sturzbäche der Leidenschaft bei Zuhörern und Musikerinnen und Musikern auslösten. Heute gedeiht das Lied Lissabons überwiegend in darauf spezialisierten Lokalen, eine Bewegung, die in den 1930erJahren vor allem im Stadtteil Bairro Alto ihren Lauf nahm. Anfang des 20. Jahrhunderts datieren die ersten Fado-Schallplattenaufnahmen – ein überschaubares Phänomen, das allenfalls auf nationaler Ebene für Aufsehen sorgte. Dies sollte sich allerdings mit Beginn der goldenen Phase des Fado in den 1940erJahren ändern. Bis in die 1960erJahre hinein drängten pausenlos Talente aus allen Teilen des Landes in die Öffentlichkeit, allen voran Amália Rodrigues, die Größte ihrer Zunft, die Diva do Fado. Sie selbst beschrieb sich als enttäuscht, traurig von Natur aus, verbittert und unzufrieden. All diese Eigenschaften, gepaart mit überreichem Talent und immenser Empathie, machten aus ihr eine Botschafterin

des Fado, die der portugiesischen Kultur maßgeblich ihren Stempel aufdrücken sollte – sage und schreibe sechs Jahrzehnte lang. Seit Amálias Tod 1999 haben die aktuellen Vertreterinnen und Vertreter des Genres ihre Leitfigur und Mutter verloren. Erst ganz allmählich beginnen Künstlerinnen und Künstler wie Cristina Branco, Mísia, Ana Moura, Madredeus, Camané, António Pinto Basto, Mariza, Dulce Pontes und António Zambujo das ehedem feste Repertoire von etwa 300 Fadostücken zu vergrößern und mit Eigenkompositionen eine zeitgemäße Note einzubringen.

Liebe zur Tradition Jede und jeder dieser Fadista verfügt über einen ganz eigenen Stil. Cristina Branco etwa gilt als sanfte Reformerin, die bekanntere Mísia setzt für ihren modern arrangierten Fado ungewöhnliche Instrumente wie etwa Trompeten ein. Ana Moura erweitert ihr Spektrum in Richtung Jazz und Pop und erschließt so neue Horizonte und stand bereits mit den Rolling Stones, Prince, Gilberto Gil, Omara Portuondo oder Herbie Hancock auf der Bühne, was dem gesamten Genre und ihr selbst enorme Popularität verschafft hat. Der sonor auftrumpfende Camané gilt nach Carlos do Carmo als der wohl anerkannteste männliche Fadosänger Portugals und Mariza neben Dulce Pontes als dessen weibliches Pendant. Was António Zambujo von anderen Fado-Sängern


Foto: Kenton Thatcher

Was António Zambujo von anderen Fado-Sängern unterscheidet, ist sein instinktives Gespür, die Liebe zur Tradition mit dem unbedingten Willen zur Innovation in eine stimmige Balance zu bringen.

unterscheidet, ist sein instinktives Gespür, die Liebe zur Tradition mit dem unbedingten Willen zur Innovation in eine stimmige Balance zu bringen. Mit seinem erlesenen Quartett und dem argentinischen Tenor Francisco Brito kreiert er Musik, die sanft dahinfließt, angereichert von seiner kraftvollen Stimme. Zambujo, der in Alentejo im südlichen Portugal das Licht der Welt erblickte und von Kindesbeinen an von der portugiesischen Volksmusik geprägt wurde, durchdringt die Saudade, die Wehmut und Melancholie, mit Sanftheit und Sehnsucht, aber auch mit eleganten Bossa-Elementen und einem Hauch von Cool Jazz. Auf diese Weise hat er im Laufe der Jahre eine eigene Version des Neo-Fado erschaffen.

Spiegelbild der Gesellschaft Im Prinzip gab und gibt es keine festen Regeln und Gesetze für den Fado. Der Grund ist so einfach wie verblüffend: Bis dato kam niemand auf die Idee, eine eigene Schule zu eröffnen, nicht einmal Amália. Also lernen die Protagonisten den Fado auf den Straßen oder in den Tavernen. Sie fragen nicht, wie man ihn singt, weil sie keine verbindlichen Antworten darauf bekommen würden. Sie hören nur zu, lassen sich inspirieren und legen einfach los. So entsteht eine bunte, mitunter verwirrende kulturelle Diversität, ein Spiegelbild der portugiesischen Gesellschaft, die 29

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nicht zwanghaft jedem Trend folgt, gleichwohl aber den Zeitgeist stets im Auge behält, ohne dabei die Vergangenheit außer Acht zu lassen. Bis in die 1980er-Jahre hinein galt der Fado freilich noch als die Musik alter Leute. Niemand sonst mochte ihn, weil er das Stigma mit sich herumschleppte, eine Art Soundtrack zu dem Regime von António de Oliveira Salazar zu sein, der am längsten andauernden Diktatur Westeuropas, die im April 1974 mit der sogenannten Nelkenrevolution ihr Ende fand. Heute ist das wie weggewischt und der Fado gedeiht auf dieselbe Weise wie sein Ursprungsland – in Freiheit, modern und offen. Und die Menschen identifizieren sich mit ihm. Seit 2011 steht er deshalb auf der Liste des immateriellen Weltkulturerbes. Besucher Portugals können in einem eigenen Fado-Museum in Madragoa in diese wundersame Welt eintauchen. Das Haus, in dem einst Amália lebte, vermittelt alles über die Geschichte dieses faszinierenden Genres und seiner Besonderheiten. Dass Amália auch die Mode der Fadista prägte, lässt sich dort anhand einer markanten Hinterlassenschaft der großen Sängerin bestaunen: das klassische schwarze Kleid und ein unauffälliger, aber perfekt darauf abgestimmter Schal. Zeitlose Eleganz.  Reinhard Köchl ist Autor für das Feuilleton von ZEIT Online, der Augsburger Allgemeinen sowie für Jazz thing.

Konzerthinweis 21.03.24 20 Uhr • Do Kammermusiksaal Serie World António Zambujo Fado-Sänger Francisco Brito Tenor Bernardo Couto Portugiesische Gitarre João Moreira Trompete João Salcedo Klavier Ein Fado-Abend


Seitenblicke mit Geige Von Christoph Vratz


Wenn es um barockes Violinrepertoire geht, fällt schnell der Name der französischen Geigerin Amandine Beyer. Ihre Interpretationen der Musik Antonio Vivaldis haben Referenzstatus, denn so frei und zugleich natürlich atmend hört man die Werke des venezianischen Meisters selten. Ende Februar sind Amandine Beyer und das Ensemble Gli Incogniti beim Barock-Wochenende im Kammermusiksaal zu erleben – selbstverständlich mit Musik von Vivaldi.

Foto: Oscar Vazquez

Die Töne kommen langsam aus der Tiefe gekrochen. Fast nebulös. Mehrfach nehmen sie Anlauf, schwingen sich schließlich ganz nach oben und landen kurz danach einsam auf dem tiefsten Ton. Dann erst hebt eine melancholische Melodie an. Es ist der Beginn von Mozarts d-Moll-Fantasie für Klavier. »Das war meine erste Berührung mit klassischer Musik«, erzählt Amandine Beyer, »zumindest die erste in meiner Erinnerung. Meine Schwester Laurence hat dieses Stück am Klavier gespielt.« Doch Beyers eigene Affinität zu diesem Instrument blieb im Keimstadium stecken. »Meine Schwester hat versucht, mir das Spiel an den Tasten beizubringen.« Doch für mehr als einige Basiskenntnisse reichte es nicht. Heute treten sie manchmal als Duo auf, Laurence an den Tasten, Amandine an der Geige. Beyer stammt aus dem südfranzösischen Aix-en-Provence. Dort hat sie ihre ersten musikalischen Schritte unternommen. Mit vier Jahren erlernt sie das Spiel auf der Blockflöte und gerät glücklicherweise an einen sensiblen Lehrer, der ihrer Mutter den Rat gibt: »Ihr Kind besitzt ein ungewöhnlich feines Gehör.

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Wie wäre es mal mit einem anderen Instrument?« So wechselt Beyer zur Geige, als sie sieben Jahre alt ist. Und wieder hat sie Glück: Ihre Lehrerin heißt Aurelia Spadaro, sie vermittelt ihr die Reize klanglicher Vielfalt und die Liebe zur Vokalität der italienischen Musik. Auch das wird ihren weiteren Weg prägen. Wenn Amandine Beyer heute auf ihre musikalische Kindheit und wichtige Impulse zurückschaut, so erwähnt sie die »Dalcroze-Methode«. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der Schweizer Musikpädagoge Émile Jaques-Dalcroze diese neue Art der Musikvermittlung entwickelt – Musik zu erleben in Verbindung mit Rhythmik und dem eigenen Körper, vor allem in Form von Bewegungen. Von diesen Erfahrungen profitiert Beyer bis heute. Wer sie beim Spiel mit ihrer Geige beobachtet, merkt schnell, dass sie fast immer ein Lächeln auf den Lippen trägt, ein Zeichen von innerer Hingabe an die Musik, von Bereitwilligkeit und Herzlichkeit. »Musik ist für mich keine Arbeit«, sagt sie, auch wenn die äußeren Umstände, die vielen Reisen und die selbst auferlegte Art von Heimatlosigkeit sicher zu Risiken und Nebenwirkungen ihres Berufes zählen. Neben dem Lächeln sind es ihre wachen Augen, die ihr eigenes Musizieren begleiten. Wenn sie mit ihrem Ensemble Gli Incogniti auftritt, so braucht sie kaum den Bogen als verlängerten Arm, sie dirigiert mit den Augen. Beyer spricht von sich als »Participatrice«, jemand, der gern Anteil an dem nimmt, was die Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne gerade machen. Sie ist Kammermusikerin durch und durch, sie gibt Impulse und nimmt Impulse auf. Aus dieser Spontaneität heraus entwickelt sich die ganz besondere Qualität der Eindringlichkeit ihrer Auftritte. »Tempo, Zeit und Klangfarbe variieren wir ganz spontan, wobei einer den anderen beeinflussen kann.«


Zum Studium wechselt Beyer nach Paris ans Conservatoire national supérieur de musique, später in die Schweiz an die Schola Cantorum Basiliensis. Obwohl Amandine Beyer heute fest in der Alten Musik verwurzelt scheint, so liebt sie doch immer wieder den Blick über Epochenränder hinaus. Als Vorbild für die Kunst des Rubato nennt sie das Trompetenspiel von Miles Davis: »Ich habe nie Jazz gespielt, aber viel zugehört.« Eine ihrer Abschlussarbeiten hat Beyer über Karlheinz Stockhausen geschrieben: »Er hatte vor meiner Zeit in Basel dort gelehrt, aber es gab noch eine Menge an Material, Schriften und Partituren«, erklärt Beyer. »Das hat mich fasziniert, seine Welt ist sehr interessant, er inspirierte viele von uns, sich für die Musik auch anderer Länder und Völker zu engagieren.« Auch Stockhausens Satz, »Sie müssen nach dem Rhythmus Ihrer Körperzellen spielen«, ist Beyer im Gedächtnis geblieben. Nicht nur das ist bis heute ihr Motor, natürlich auch »meine Neugierde. Ich liebe auch zeitgenössische Musik, denn mit den Komponisten kann ich sprechen«. Sie verweist auf einige Freunde, die »sehr daran interessiert sind, für historische Instrumente zu komponieren«. Aufmerksamkeit erregt Beyer erstmals 1997, als sie mit Chiara Banchinis Ensemble 415 auf der Bühne steht, weitere Projekte mit Koryphäen der Alte-Musik-Szene wie Jordi Savall und Giuliano Carmignola schließen sich an. 2006 ruft Beyer dann ein eigenes Ensemble ins Leben, Gli Incogniti. »Der Name geht auf die Accademia degli Incogniti in Venedig zurück. Die hat wirklich existiert.« Diese »Akademie der Unbekannten« hatte sich Anfang des 17. Jahrhunderts zusammengefunden und agierte, wie der Name andeutet, vornehmlich hinter den Kulissen. Adelige, Literaten, Intellektuelle trafen sich im Verborgenen und diskutierten lebhaft miteinander, lasen einander Texte vor und forcierten auch die Gründung eines eigenen Theaters. »Ich mag nicht nur den Namen«, gesteht Amandine Beyer, »sondern vor allem den Geist, der dahinter steht, dieses Lebendige, diese Lust am SichAustauschen.« Im Laufe der letzten Jahre hat sich Gli Incogniti unterschiedlichen Projekten zugewandt. Die Zahl der Mitglieder variiert demnach. Mal treten sie in Kleinbesetzung auf, mal in der Größe eines klei32

nen Kammerorchesters. »Wir legen großen Wert auf den instrumentalen Dialog, danach wählen wir auch unsere Werke aus: Musik, bei der wir alle einander auf Augenhöhe begegnen.« Das Erfolgsgeheimnis? »Wir spielen bereits lange zusammen und haben viel Erfahrung im Aufeinander-Eingehen.« Das gilt auch für Beyers zweites Ensemble, das Kitgut Quartett. Schon nach ihrer ersten Begegnung 2015 stand für die vier Streicher fest, dass sie weiterhin gemeinsam auftreten wollen. Ihr Credo: »Dialog, Freude und Spontaneität.« Das Repertoire umfasst Musik von Purcell und Locke, von Mozart und Haydn, Bekanntes und Kuriositäten, die entdeckt werden wollen. Amandine Beyer liebt die Seitenblicke, abseits des Erwartbaren. Daher ist sie begeistert, als sie 2013 ihren Horizont in eine neue Richtung erweitern kann. Mit der Choreografin und Tänzerin Anne Teresa De Keersmaeker und dem Tänzer Boris Charmatz tourt sie rund um den Erdball, »Partita 2« heißt ihr gemeinsames Projekt: »Ich bin dankbar, dass ich in diese Welt eintreten und so eine ganz andere Perspektive einnehmen konnte.« Sich im immer gleichen Trott zu bewegen, liegt ihr fern. Alles, was in den Verdacht von Routine gerät, hat bei Beyer keine Aussichten auf ein langes Haltbarkeitsdatum. Frisch muss es sein, lebendig, authentisch. Immer wieder tauchen in ihrem Wortschatz Begriffe auf wie Freiheit, Schwung, Geist, Enthusiasmus. Ihre Vertrautheit mit der deutschen Sprache hat sie übrigens schon früh erworben: »Deutsch habe ich bereits in der Schule in Aix-en-Provence gelernt, und zwar als erste Fremdsprache.« Außerdem stammt ihre Familie, der Name deutet es an, aus dem Elsass. Neben den Konzertauftritten widmet sich Amandine Beyer intensiv dem Unterrichten, als Professorin in Porto, als »Dozentin für Violine in alter Mensur« in Basel. Dabei nimmt sie die Probleme der Nachwuchsgeneration in einem sich ständig und gefühlt immer schneller wandelnden Musikbetrieb sehr genau wahr: »Es ist heutzutage besonders schwer für Menschen, die sehr sensibel sind, sich in diesem ›Markt‹ zu behaupten. Allerdings sehe ich meine Aufgabe ja nicht darin, Studenten beizubringen, wie man sich gut vermarktet.«


Die Berliner Philharmoniker spielen Unsuk Chin Die Musik Unsuk Chins ist ein Zauberreich: Ständig eröffnen sich neue Perspektiven, mal gibt es Labyrinthe aus neuartigen Klängen, dann wieder Momente überirdischer Schönheit. Ihr verblüffender Einfallsreichtum, der unterschiedliche Kulturräume durchdringt, verleiht jedem Werk einen individuellen Charakter. Unsere neue Edition vereint herausragende Momentaufnahmen der fruchtbaren Zusammenarbeit, die die Berliner Philharmoniker seit 2005 mit der Komponistin verbindet.

Unsuk Chin Violinkonzert Nr. 1 · Sir Simon Rattle, Christian Tetzlaff Cellokonzert · Myung-Whun Chung, Alban Gerhardt Le silence des Sirènes · Sir Simon Rattle, Barbara Hannigan Chorós Chordón · Sir Simon Rattle Klavierkonzert · Sakari Oramo, Sunwook Kim Rocaná · Daniel Harding Auf 2 CD und Blu-ray

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RICHARD STRAUSS: „ELEKTRA“ AM 23., 26. UND 31.3. www.osterfestspiele.de


Foto: Francois Sechet

Amandine Beyer sucht lieber nach dem Wesentlichen, dem Kern von Musik. Stilistik beruht bei ihr auf Vielseitigkeit, wer nur puren Schönklang erwartet, wird enttäuscht sein. Denn ihr Klang ist nie einlullend, sondern lebendig. Mal subtil und silbrig, mal erzeugt sie auf ihrer Andrea-Amati-Geige mit ihren verschiedenen Bögen durchaus auch schroffe Klänge, derb, dunkel, wuchtig und rau. Und sie setzt auch auf Arrangements. Denn Vivaldi, Händel oder Bach haben fremde oder eigene Kompositionen immer wieder umgetopft, ganz legal und ohne die Sorgen, juristisch für mögliche Plagiate belangt zu werden. Diese Bearbeitungen fügen sich in Beyers künstlerisches Anspruchsdenken, Musik immer wieder neu und von verschiedenen Seiten her zum Leuchten zu bringen. Am liebsten würde sie all jene Vivaldi-Konzerte spielen, die noch nie aufgeführt worden sind, bemerkt sie schmunzelnd, nennt aber gleichzeitig eine Reihe von Namen aus dem Mittelalter, die sie interessieren, Matteo da Perugia etwa oder Paolo da Firenze. »Ich stehe in einer Tradition des Wiederlesens von Werken, die Jahrhunderte alt sind. Zwar wissen wir etwas über Stile, Rhythmik, Stimmführung, Verzierungen. Aber letztlich müssen wir diese Musik heute neu zum Leben erwecken.« Und das gehört sicher zur Motivation von Amandine Beyer, die ständige Suche nach Wahrhaftigkeit.  Christoph Vratz ist freier Musikjournalist für verschiedene ARD-Anstalten und Printmedien.

Konzerthinweis 24.02.24 19 Uhr • Sa Kammermusiksaal Barock-Wochenende Serie Originalklang Gli Incogniti Amandine Beyer Violine und Leitung Il mondo al rovescio – Die Welt steht kopf Antonio Vivaldi Concerto C-Dur RV 556 »Per la solennità di S. Lorenzo« Concerto für zwei Oboen, Streicher und Basso continuo a-Moll RV 536 Concerto für Violine, zwei Oboen, zwei Hörner, Fagott, Streicher und Basso continuo F-Dur RV 571 Concerto g-Moll RV 576 Concerto für Violine, Streicher und Basso continuo A-Dur RV 344 Concerto F-Dur RV 572 »Il Proteo o sia Il mondo al rovescio« Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo e-Moll RV 432 Concerto D-Dur RV 562 »Per la solennità di San Lorenzo«

Amandine Beyer 35

Phil — Heft 3 2023/24


Karol Szymanowski führte ein Leben, wie es im Buche steht. Glänzende Erfolge und bittere Niederlagen, Reichtum und Armut, Exzesse und Krankheiten lösten einander ab. Die Berliner Philharmoniker spielten Szymanowskis hymnisch-schwärmerisches Erstes Violinkonzert bereits 1926 – es entwickelte sich daraufhin zu einem Klassiker der Moderne. Jetzt steht es unter der Leitung von Chefdirigent Kirill Petrenko erneut auf dem Programm. Solistin ist unsere Artist in Residence Lisa Batiashvili.

Der Hexer


Rubrik • Philharmonische Momente

Von Volker Tarnow

Foto: ullstein bild – Roger-Viollet / Boris Lipnitzki

Es gibt über ihn unendlich viele Anekdoten – sie alle sind wahr. Karol Szymanowski könnte einem Roman entsprungen sein, allerdings ist es selbst Polens großen Schriftstellern wie Jarosław Iwaszkiewicz oder Ignacy Witkiewicz (beide waren mit dem Komponisten eng befreundet) trotz wiederholter Versuche nicht gelungen, eine ähnliche Figur zu erschaffen. Nein, dieser Mann ist nur als Produkt jener sonderbaren, fantastischen Verhältnisse denkbar, wie sie um 1900 unter den Landadligen der polnischen Diaspora herrschten, fernab der Kulturhochburgen Europas, irgendwo in der tiefsten Ukraine. Die Familie besaß das einträgliche Gut Tymoszówka und Häuser in Jelisawetgrad (heute Kropywnyzkyi), wo man abwechselnd die Sommer und Winter verbrachte. Karol Szymanowski und seine vier Geschwister führten das Leben hedonistischer Müßiggänger: Lesen, Musizieren, Tennis, Kricket, gut essen und noch besser trinken. Karol oder Katot, wie er liebevoll genannt wurde, behielt den aristokratischen Habitus bis zu seinem Tode bei, obwohl die Familie vor der Revolution nach Warschau geflohen und über Nacht verarmt war. Fortan lebte er, zeitweilig recht fürstlich, von staatlichen Renten und privaten Mäzenen. Drohte der Bankrott, pumpte er Freunde an, vorzugsweise seinen größten Interpreten Arthur Rubinstein. Szymanowski beherrschte sechs Fremdsprachen, Alkohol und Nikotin beherrschten ihn. Er liebte Reisen, sie führten von Russland nach Amerika, ins Maghreb und durch alle europäischen Metropolen. Das kostete, ebenso wie die permanenten Festivitäten und seine bedeutend jüngeren Liebhaber, viel Geld – Geld und Zeit. Komponiert wurde nur vormittags, das Instrumentieren größerer Werke langweilte ihn, Klavierübungen hasste er. Die Entstehung des Balletts Harnasie zog sich über zehn Jahre hin. Nur wenn er Hilfe bekam, ging es schneller voran, sie war unausgesetzt vonnöten. So überließ er es dem Dirigenten und Widmungsträger Grzegorz Fitelberg, seine Zweite Symphonie umzuarbeiten, ohne sich selbst im Geringsten für das Resultat zu interessieren. Die erste Fassung war von Fitelberg 1911 mit den Berliner Philharmonikern aufgeführt worden. Bereits 1905 hatten Szymanowski und seine Mitstreiter Paweł Kochański, Ludomir Różycki und Grzegorz Fitelberg in Berlin den Vereinsverlag »Junges Polen« gegründet. Sie hofften sich so im Westen etablieren zu können, Warschau war ihnen zu 37

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provinziell und konservativ. Der Maßstab hieß Richard Strauss. Sonst zählten für ihn nur Bach, Beethoven, Wagner und Chopin; in einer bemerkenswerten rhetorischen Volte erklärte Szymanowski, nie »irgendwelche homosexuellen Verirrungen zur Musik von Leuten wie Puccini, Massenet oder Mascagni« gehabt zu haben. Bei dem impressionistischen Ersten Violinkonzert assistierte ihm 1916 der Geiger Paweł Kochański, weswegen es in nur zwölf Tagen fertiggestellt war. Die Schwierigkeiten begannen erst mit der Uraufführung. Sie sollte in Petrograd stattfinden, doch konnte der Komponist krankheitshalber nicht anreisen, weswegen man das Konzert auf die nächste Saison verschob. Aber die nächste Saison gehörte den Bolschewisten. Erst 1922 konnte Józef Ozimiński das Werk in Warschau aus der Taufe heben. Der Widmungsträger Kochański musste bis 1924 warten, er spielte es unter Leopold Stokowskis Leitung in Philadelphia und New York. Im Vorjahr hatte es Nathan Milstein in Moskau vorgetragen, begleitet von Wladimir Horowitz, der den Orchesterpart am Klavier imitierte. Zum großen Champion des Violinkonzertes entwickelte sich der legendäre Bronisław Huberman, der damit im November 1926 in Wien auftrat und einen Monat später in Berlin; die Philharmoniker dirigierte Grzegorz Fitelberg, von dessen ekstatischer Deutung wiederum eine Tonkonserve erhalten blieb, allerdings aus dem Jahre 1948, das Philharmonia Orchestra London agierte damals gemeinsam mit Eugenia Umińska – es war zugleich die erste Schallplattenaufnahme eines Orchesterwerkes von Szymanowski. Die Geigerin, die während der Besatzungszeit nur im Untergrund musizieren und sich durch Flucht ihrem Abtransport zur Zwangsarbeit entziehen konnte, spielte das Violinkonzert, abermals mit Fitelberg, bereits 1949 wieder in Berlin. Eugenia Umińska stand auf vertrautem Fuße mit Szymanowski, sie traten öfter als Duo auf, auch im Dezember 1934 beim Berliner Rundfunk. Wenige Tage vorher hatte das philharmonische Konzert stattfinden sollen, bei dem Szymanowski – wie in anderen großen Kulturzentren – seine Vierte Symphonie für Klavier und Orchester präsentieren wollte. Aber aufgrund der sogenannten Hindemith-Affäre, also Furtwänglers Konflikt mit Hitler, der zu seiner Demission von allen Ämtern führte, entfiel das Konzert und folglich – besonders dramatisch für Szymanowski – auch das dringend benötigte Honorar. Umińska hat eine Szene


Konzerthinweis 14.02.24 20 Uhr • Mi Do 15.02.24 20 Uhr

Fr 16.02.24 20 Uhr Großer Saal

Artist in Residence Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko Dirigent Lisa Batiashvili Violine Franz Liszt Les Préludes, Symphonische Dichtung Nr. 3 Karol Szymanowski Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 op. 35 Richard Strauss Symphonia domestica op. 53

überliefert, die für den Hypochonder Szymanowski sehr bezeichnend ist: Als sie ihn im Hotel am Kurfürstendamm aufsuchte, betrachtete er gerade deprimiert sein Spiegelbild und lehnte es ab, das Zimmer zu verlassen. »Meine ganze Visage ist schief, schrecklich, ich sehe aus wie eine Karikatur, so kann ich doch nicht unter die Leute gehen.« Tatsächlich sah er so gut aus wie immer, aber der Einwand interessierte ihn nicht. Szymanowski war es gewohnt, sich elegant zu kleiden, mit Cremes und Parfums zu verwöhnen, wie ein Grandseigneur aufzutreten. Er wirkte unwiderstehlich auf Frauen und Männer, sein charmantes Lächeln, seine dunkel raunende Stimme, der geheimnisvolle Glanz seiner graugrünen Augen – reine Hypnose! Dieser gewinnenden Art kontrastierten sein Snobismus, seine Egozentrik und Wehleidigkeit. In Freundeskreisen hieß er »der eingebildete Kranke«, und daran hatte selbst ein renommierter Psychiater, der ihn jahrelang betreute, nichts ändern können. Seit frühester Jugend gewohnt, dass ihm Mutter und Geschwister alles einigermaßen Mühsame abnahmen, konzentrierte sich Katot ganz auf seine Musik und seine kostspieligen Leidenschaften. Es ist nicht bekannt, ob er sich allein die Schnürsenkel binden konnte, aber mit der Bartpflege funktionierte es hervorragend; Szymanowski zelebrierte seine Morgentoilette gern öffentlich und empfing Besucher am liebsten im »Bristol«, Warschaus teuerstem Hotel, um ihnen sein britisches Rasierbesteck vorzuführen. Überhaupt die Freunde! Sie übernahmen im Laufe der Zeit die Aufgaben der Familienangehörigen, kümmerten sich um alles Mögliche und Unmögliche. Szymanowski machte sie fast 38

ausnahmslos zu devoten Bewunderern. Fotografen und Maler konnten genauso wenig wie Schriftsteller seine magische Aura festhalten; sie teilt sich uns nur durch seine Musik mit. Als angehender Musiker war er glücklicherweise nicht dem Ratschlag Emil Młynarskis gefolgt, lieber die väterliche Farm zu leiten. Eine Kränkung, die er dem herausragenden, oft mit Arthur Nikisch verglichenen Dirigenten nie verzieh, auch wenn der Gründer der Warschauer Philharmonie und Operndirektor später beharrlich Szymanowski aufs Programm setzte. Von seinem Lebenswandel zugrunde gerichtet, verbrachte Szymanowski die letzten Jahre häufig in kostspieligen Sanatorien, wofür der polnische Staat aufkam. Die Diagnose lautete wenig überraschend Kehlkopftuberkulose. Er soll kein Gran seiner magischen Aura eingebüßt haben, als er im März 1937 in Lausanne starb. In Berlin, wo seine internationale Laufbahn begonnen hatte, erregte er das letzte Mal eine Woche danach Aufsehen: Am Anhalter Bahnhof stand sein Sarg in einem offenen Waggon, sodass Musikliebhaber und Abgeordnete der deutschen Regierung feierlich von ihm Abschied nehmen konnten. Zwei Jahre später verboten die Nazis seine Musik. Karol Szymanowskis Herz, das man wie im Falle Chopins und Reymonts separat in einem Schrein bestattete, verbrannte 1944 beim Warschauer Aufstand.  Volker Tarnow ist Musikkritiker für Berliner Morgenpost, Opernwelt und Fono Forum.

Foto: Stefan Höderath

Lisa Batiashvili ist die Artist in Residence der Berliner Philharmoniker. Mitte Februar ist sie als Solistin in Karol Szymanowskis Konzert für Violine und Orchester zu erleben.


24.8. 24.8.

17.9.2024 17.9.2024 A Auussggeew wääh hllte K Koonnzzeerrtte te bbeerreeits e it im VVoorrvverks im erkaau uff

In Zusammenarbeit mit mit In Zusammenarbeit

Sa, 24.8. Sa, 24.8. Eröffnungskonzert Eröffnungskonzert São Paulo Symphony São Paulo SymphonyOrchestra Orchestra* * Thierry Fischer, Thierry Fischer,Leitung Leitung Ives / Villa-Lobos // Ives / Villa-Lobos Ginastera / Varèse Ginastera / Varèse Sa, 24.8. Sa, 24.8. São Paulo BigBand Band São Paulo Big ** / Jobim / Pixinguinhau.u.a.a. GilGil / Jobim / Pixinguinha Mo, 26.8. Mo, 26.8. The ClevelandOrchestra Orchestra The Cleveland Franz Welser-Möst,Leitung Leitung Franz Welser-Möst, Loggins-Hull / Adams/ Prokofjew / Prokofjew Loggins-Hull / Adams

Fr, Fr,30.8. 30.8. Gustav GustavMahler MahlerJugendorchester Jugendorchester Ingo IngoMetzmacher, Metzmacher,Leitung Leitung Wagner Wagner//Nono Nono//Bruckner Bruckner Sa, Sa,31.8. 31.8. Jordi JordiSavall Savall&&Friends* Friends* Un Unmar marde deMusicas Musicas So,1.9. 1.9. So, OsloPhilharmonic Philharmonic Oslo KlausMäkelä, Mäkelä,Leitung Leitung Klaus Rautavaara / Saariaho Rautavaara / Saariaho // Schostakowitsch Schostakowitsch

Mi, 28.8. Mi, 28.8. Kansas City Symphony Kansas City Symphony Matthias Pintscher, Leitung Matthias Pintscher, Leitung Ives / Gershwin / Copland Ives / Gershwin / Copland

Di,3.9. 3.9. Di, Symphonieorchesterdes des Symphonieorchester BayerischenRundfunks Rundfunks Bayerischen Sir Simon Rattle, Leitung Sir Simon Rattle, Leitung Hindemith//Zemlinksy Zemlinksy//Mahler Mahler Hindemith

Do, 29.8. Do, 29.8. Filarmonicadella dellaScala Scala Filarmonica Riccardo Chailly,Leitung Leitung Riccardo Chailly, Berio / Rihm / Ravel Berio / Rihm / Ravel

So,15.9. 15.9. So, WienerPhilharmoniker Philharmoniker Wiener ChristianThielemann, Thielemann,Leitung Leitung Christian Schumann / Bruckner Schumann / Bruckner * Vorverkauf startet am 19.1.2024 * Vorverkauf startet am 19.1.2024

Das vollständige Programm wird am 8. April 2024 veröffentlicht Das vollständige Programm wird am 8. April 2024 veröffentlicht Servicetelefon Tickets: +49 30 254 89 100 täglich 11:00 – 17:00 Servicetelefon Tickets: +49 30 254 89 100 täglich 11:00 – 17:00 Gefördert von Gefördert von

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Rubrik • Gefährten

Welten entfernt Franz Liszts symphonische Dichtung Les Préludes gehörte einmal zu den Evergreens im Repertoire der Berliner Philharmoniker. Seit der Gründung des Orchesters wurde das Werk 94 Mal aufgeführt. Doch nachdem die Nationalsozialisten es für ihre Zwecke missbraucht hatten, verschwand es nahezu vom Spielplan. Im Februar stehen die Préludes nun unter der Leitung von Kirill Petrenko wieder auf dem Programm.


Foto: plainpicture/Andreas Süss

Von Wolfgang Stähr Am Ende seines rastlosen Virtuosendaseins zog sich Franz Liszt nach Weimar zurück. Und er wechselte die Rollen, vom Pianisten zum Dirigenten. In seinem neuen Amt als Großherzoglicher Hofkapellmeister konnte er ab 1848 mit einem kleinen, aber feinen Orchester arbeiten – und fortan auch für Orchester komponieren, kenntnisreich und praxiserprobt. Die Idee der »verborgenen Verwandtschaft« zwischen den Künsten gab den schöpferischen Impuls für die von ihm sogenannten Symphonischen Dichtungen. Deren berühmteste, an der er jahrelang formte und feilte, ehe sie 1854 in Weimar uraufgeführt wurde, trägt zwar ein Gedicht des französischen Lyrikers und Diplomaten Alphonse de Lamartine im Namen: Les Préludes. Doch dieses Orchesterstück war ursprünglich als Ouvertüre zu einem unveröffentlichten Chorwerk über die vier Elemente bestimmt. Lamartines weitschweifiges Poem kam erst später ins Spiel und inspirierte Liszt zu einem nachgetragenen Programm: »Was anderes ist unser Leben als eine Reihenfolge von Präludien zu jenem unbekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt?« Mit dieser Frage, die zugleich den Titel erklärt, fängt es an. Einen Gedanken aber aus diesem Geleitwort sollte man keineswegs übersehen, einen Satz, mit dem Liszt die auffallend martialische Themenreprise seiner Préludes begründet: »Krieg ist überall und in allem, und der Mensch entrinnt ihm nicht, er wird von ihm zermalmt, wenn nicht er ihn bändigt.«

gie aus schwelgerischen und schmissigen Partien waren sie einmal so populär wie die Wilhelm Tell-Ouvertüre von Rossini oder das Vorspiel zu Wagners Rienzi, und zwar vollkommen unbelastet von größenwahnsinnigen Untergangs- oder Unterwerfungsfantasien. Die gerade erst gegründeten und noch keineswegs krisenfest etablierten Berliner Philharmoniker spielten die Préludes zum ersten Mal am 14. November 1884, also noch zu Lebzeiten des Komponisten. Der Dirigent war Karl Klindworth, ein Liszt-Schüler, um nicht zu sagen Liszt-Jünger des elitären Weimarer Kreises, dessen Adoptivtochter Winifred Williams später den Wagner-Sohn Siegfried heiraten und als getreue Hitler-Freundin die Bayreuther Festspiele dem nationalsozialistischen Wagnerkult verschreiben sollte. Insofern scheint die ganze fatale Geschichte bereits symbolträchtig in diesem ersten Konzert zu lauern. Besagter Siegfried Wagner setzte die Préludes seines Großvaters (Liszts Tochter Cosima war seine Mutter) auf die Programme seiner Gastdirigate bei den Philharmonikern, 1914 und noch einmal 1922, und kombinierte sie mit eigenen Werken und Kompositionen seines Vaters zum Drei-Generationen-Familienporträt. Auch Richard Strauss, der mit seinen Tondichtungen zwar nicht genetisch, aber doch künstlerisch zu Liszts Nachfahren zählt, brachte Les Préludes mit dem Philharmonischen Orchester zur Aufführung, »obgleich seine Art, zu dirigiren der schneidigen Bestimmtheit entbehrt«, wie ein Kritiker 1894 reklamierte.

Missbrauch durch die Nazis

Chefsache Liszt

Als hätte er es geahnt. Ausgerechnet Les Préludes wurden für den Vernichtungsfeldzug der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion ab 1941 als »Russland-Fanfare« missbraucht: als Siegeshymne in Rundfunk und Wochenschau. Dem Weltbürger und Menschenfreund Franz Liszt konnte kein größeres Unrecht geschehen als diese postume propagandistische Pervertierung seiner Musik durch die Nationalsozialisten. Gerade für Russland und die Musiker der Neuen Russischen Schule hatte er sich in seinen späten Jahren begeistert. Seine Internationalität, seine Weltoffenheit und sein Kosmopolitismus stehen in schroffstem Gegensatz zur germanischen Staatsdoktrin der Nazis.

Von Anfang an waren die Préludes bei den Philharmonikern Chefsache – weshalb Kirill Petrenko mit seinen Konzerten im Februar 2024 einer alten, allerdings lange unterbrochenen Tradition folgt, die 1892 mit Hans von Bülow begann, einem anderen ehemaligen Liszt-Schüler und obendrein einstigen Liszt-Schwiegersohn. Vor allem aber war es, allein schon statistisch betrachtet, der Ungar Arthur Nikisch, der Les Préludes als eines seiner Leib- und Magenstücke andauernd auf den Spielplan setzte und am liebsten auf Konzertreisen quer durch Europa dirigierte. Er schwärmte regelrecht für Liszt, den er als junger Mann in Weimar besucht hatte, und offenbar beruhte die Zuneigung auf Gegenseitigkeit, denn Liszt rühmte ihn als den »Auserwählten unter den Auserwählten«. Wilhelm Furtwängler hingegen waren mit den Préludes keine Triumphe beschieden. Zumindest musste er sich 1929 nach einem langen und ziemlich zusammenhanglosen Konzert vom Rezensenten der Berliner Tribüne abkanzeln lassen: »Dass ein Mann vom künstlerischen Format Furtwänglers nur zwei Arten

Ein Kassenschlager Doch schon lange vor diesem Fall von Massenmanipulation gehörten Les Préludes zu den »Schlagern« im Konzertsaal (Liszts sprach deshalb scherzhaft von seiner »Gartenmusik«). Mit ihrer attraktiven Kontrastdramatur41

Phil — Heft 3 2023/24


Krieg ist in allem. Dieser historische Fluch lastete fortan auf Liszts misshandelter Musik. Herbert von Karajan dirigierte die Préludes nur ein einziges Mal in seinem Leben in aller Öffentlichkeit, 1942 mit der Staatskapelle Berlin. Auch wenn er sie später für die Schallplatte aufzeichnete, mit dem Philharmonia Orchestra und zwei Mal mit den Berliner Philharmonikern, im Konzertsaal ließ er die Finger von der kontaminierten Partitur. Die hatte noch wenige Wochen vor Kriegsende, am 12. März 1945, der belgische Komponist Hendrik Diels mit den Philharmonikern im apokalyptischen Berlin musiziert (Diels wurde nach dem Krieg in seiner Heimat wegen »kultureller Kollaboration« zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt). Dann verschwand Franz Liszts symphonische Dichtung unaufhaltsam aus dem aktiven Repertoire der Philharmoniker. Noch ein paar vereinzelte Aufführungen, zuletzt 1958 mit André Cluytens – bevor sich für bald drei Jahrzehnte der Vorhang senkte über der verwüsteten »Gartenmusik«.

von Programmen kennt, nämlich konventionelle und geschmacklose, ist als bedauerliche Tatsache schon oft verbucht worden. In seinem dritten diesjährigen Konzert ist er nun glücklich bei einer Spielfolge angelangt, deren Buntscheckigkeit jedem Gartenkonzert Ehre machen würde.« Nach einer Aufzählung und Kommentierung der dargebotenen Werke von Haydn, Rameau, Saint-Saëns, Debussy und Reznicek schließt die Kritik mit der sarkastischen Bemerkung: »Es folgen endlich die ›Préludes‹ von Liszt. Ober, noch ein großes Helles. Die Kapelle spielt jetzt Nummer 7.«

Nachkriegszeit Zwar nahmen sich auch die interimistischen Chefdirigenten Leo Borchard und Sergiu Celibidache der Préludes an, doch dem in Moskau geborenen Borchard, der sich im »Dritten Reich« am Widerstand gegen die Nazis aktiv beteiligte, wurde das Werk nach seiner Deformation zur Wehrmachtshymne schier unerträglich, wie seine Lebensgefährtin, die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich, 1941 in ihrem Tagebuch schreibt: »Siegesmeldungen als Jahrmarktsrummel … Alle fünfzehn Minuten Fanfarenstöße. Eine Handvoll Takte aus den Préludes von Liszt, Sondermeldung … Sondermeldung … Sondermeldung. Wir halten uns die Ohren zu. Wir wollen nichts mehr hören. Es ist geschmacklos, das Bluten und Sterben unzähliger Menschen zur Sonntagsbelustigung aufzuputzen.« 42

Späte Ehrenrettung Erst im Liszt-Jahr 1986 kehrten die Préludes zurück, im Silvesterkonzert: Daniel Barenboim unternahm einen ersten Versuch, das Werk zu rehabilitieren, oder besser gesagt, von seinem verheerenden Nachruhm zu befreien, oder noch besser gesagt, klarzustellen, dass die Musik dieses Komponisten, eines europä­ ischen Künstlers, dessen geistiger Horizont Bach und die Bibel, Dante und den italienischen Belcanto, die Wiener Klassik und die Grand Opéra einschloss, rein gar nichts mit völkischem Denken und aggressivem Nationalismus zu tun hatte. Dennoch blieben Aufführungen der Préludes bei den Philharmonikern, anders als in den frühen Jahrzehnten, auch weiterhin äußerst seltene und isolierte Ereignisse (Mariss Jansons 2004 und Christian Thielemann 2012). Nur – wie lassen sich die einstmals so beliebten »Präludien« aus der historischen Sackgasse herausholen, ohne einfach bloß auf Vergesslichkeit, Gleichgültigkeit und den Generationenwechsel im Publikum zu setzen? Man könnte sie als ein Werk der hellen, literarisch inspirierten, ritterlichen und eleganten Romantik wiederentdecken, um Welten entfernt von Kriegskult und Blutdunst. Und man kann die bösen Geister auch mit Humor bannen.

Brillanter Humor Mit einem subversiven Humor, wie ihn kaum jemand so hintersinnig auszuspielen wusste wie Hans von Bülows Nachkomme Bernhard-Viktor, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Loriot. Als das Orchester 1982 sein hundertjähriges Gründungsjubiläum neben Festkonzerten auch mit einer »Philharmonischen

Foto: akg-images

Franz Liszt (1811–1886), Porträt von Miklos Barabas, 1847


Konzerthinweis

Revue« feierte, trat Loriot als »Heimdirigent« auf das Podium der Philharmonie, mit Fliege, Oberhemd und Strickjacke als bürgerliches Subjekt alter Schule ausgewiesen. Er legte Les Préludes auf den Schallplattenteller (live synchronisiert von den im Halbdunkel verborgenen Philharmonikern) und betrachtete sich beim expressiv gestikulierenden Dirigat im Spiegel. Aber wann immer der Ausbruch der berüchtigten »Fanfare« anstand, kam etwas dazwischen: Das Telefon klingelte, Loriot musste die Musik leise stellen; eine Putzfrau platzte herein, Loriot stoppte den Plattenspieler; und schließlich ließ ein Stromausfall die Musik dröhnend in den Orkus stürzen. Vielleicht war dieser doppelbödige Spaß Loriots persönliche Abrechnung mit dem »Russlandfeldzug«, in den er als junger Mann hineingezwungen worden war. »Für den schauerlichen deutschen Beitrag zur Weltgeschichte werde ich mich schämen bis an mein Lebensende«, bekannte Loriot im hohen Alter. Aber für Franz Liszt muss sich niemand schämen. Seine Musik überstrahlt noch den finstersten Abgrund, in den die Menschheit je geblickt hat.  Wolfgang Stähr lebt als freier Musikautor in Berlin und schreibt seit 1988 für die Berliner Philharmoniker.

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14.02.24 20 Uhr • Mi Do 15.02.24 20 Uhr

Fr 16.02.24 20 Uhr Großer Saal

Artist in Residence Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko Dirigent Lisa Batiashvili Violine Franz Liszt Les Préludes, Symphonische Dichtung Nr. 3 Karol Szymanowski Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 op. 35 Richard Strauss Symphonia domestica op. 53


Schwarzwaldmelodien

Von Nicole Restle

Die Osterfestspiele in Baden-Baden präsentieren in der Zeit vom 23. März bis zum 1. April ein exquisites Programm aus Opernaufführungen, Symphoniekonzerten und Kammermusik. 44


Foto: Monika Rittershaus (2)

Nach der Zauber- und Geisterwelt in Die Frau ohne Schatten im vergangenen April gibt es in BadenBaden bei den diesjährigen Osterfestspielen nun ein packendes Psychodrama: Mit Elektra bringen die Berliner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Kirill Petrenko eine weitere Oper von Richard Strauss auf die Bühne des Festspielhauses. Die von Hass und Rache getriebene Titelheldin verkörpert Nina Stemme, eine der führenden, dramatischen Sopranistinnen unserer Zeit. Seit 2015 gehört die Elektra zu ihren Glanzrollen, mit der sie unter anderem auch an der Wiener Staatsoper und der New Yorker Met Erfolge feierte – weil es ihr gelingt, auch die menschliche Seite der Figur zu zeigen: ihre Einsamkeit, ihre Frustration und den Konflikt mit ihrer Mutter Klytämnestra. Deren Rolle übernimmt die Altistin Michaela Schuster, die das BadenBadener Publikum in der letztjährigen Opernproduktion als Amme erleben konnte. Elektras Schwester Chrysothemis singt Elza van den Heever, auch sie war 2023 – als Kaiserin – dabei. Als Orest hören wir Bassbariton Johan Reuter. Regie führt Philipp Stölzl, der für seine Inszenierungen bei den Bregenzer und Salzburger Festspielen, der Ruhrtriennale oder an der Deutschen Oper Berlin bejubelt wurde und auch als Regisseur von Musikvideos und Kinofilmen gefragt ist.

Lisiecki, der Ludwig van Beethovens Drittes Klavierkonzert spielt. Zu den Stammgästen des Festivals gehört natürlich das Patenkind der Berliner Philharmoniker, das Bundesjugendorchester. Auch in dessen Konzertprogramm kommt Richard Strauss zu Wort, mit der Tondichtung Also sprach Zarathustra.

Schubert und die Zweite Wiener Schule Während der Osterfestspiele ist nicht nur das Festspielhaus, sondern ganz Baden-Baden voller Musik, denn an verschiedenen Orten der Kurstadt – vom Casino bis zum Weinbrennersaal – finden Kammermusikkonzerte mit Mitgliedern und Ensembles der Berliner Philharmoniker statt. Thematischer Schwerpunkt dabei ist in diesem Jahr die Musik Franz Schuberts und der Zweiten Wiener Schule. Ein Motto, das spannende Programmzusammenstellungen verspricht, die zeigen, wie sehr sich die als revolutionär empfundenen Kompositionen von Arnold Schönberg, Anton Webern und Alban Berg mit der von Schubert mitgeprägten Wiener Musiktra-

dition auseinandersetzen. Von Trio über Quartett und Quintett bis hin zu größeren Besetzungen erklingen Schlüsselwerke der Komponisten. So fehlen weder Schuberts Streichquartett Der Tod und das Mädchen noch seine Streichtrios, das Forellenquintett oder sein Oktett. Die Zweite Wiener Schule ist mit Streichtrios und Quartetten von Schönberg und Webern, Bergs Lyrischer Suite oder Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 vertreten. Als Interpreten treten zum Beispiel das Philharmonische Streichtrio, das Venus Quartett, das Scharoun Ensemble, das Brahms Ensemble oder das Philharmonische Streichquartett auf. Und dann gibt es auch noch unsere Education-Veranstaltungen, sie finden unter anderem auf der transportablen VeloStage, einer Lastenfahrradbühne, an unterschiedlichen Plätzen Baden-Badens statt und runden das Festspielprogramm ab.   berliner-philharmoniker.de/ osterfestspiele Nicole Restle ist Redakteurin des Magazins Phil.

Wagner, Bruckner, Sibelius Zudem können sich die Musikfans auf konzertante Aufführungen mit Chefdirigent Kirill Petrenko freuen, beispielsweise den ersten Akt von Wagners Walküre oder Jean Sibelius’ Violinkonzert mit unserer Artist in Residence Lisa Batiashvili als Solistin. Weitere Stargäste sind der Dirigent Tugan Sokhiev, der Bruckners Siebte Symphonie leitet, und der Pianist Jan 45

Phil — Heft 3 2023/24

Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker sind bei den Osterfestspielen in Baden-Baden mit Opernaufführungen, Symphoniekonzerten und Kammermusik zu erleben.



Rubrik • Wenn ich nicht M ­ usiker wäre …

Wenzel Fuchs – der Klarinettist, der einst die Skistöcke gegen die Klarinette eintauschte. In dieser Rubrik stellen wir Berliner Philharmoniker und ihre außermusikalischen Leidenschaften vor.

Foto: Stefan Hoederath (Porträt), Adobe Stock (Hintergrund), privat (Skirennen)

Von Oliver Hilmes »Was wäre, wenn …?« Vermutlich haben die meisten Menschen schon einmal überlegt, wie sich das eigene Leben wohl entwickelt hätte, wenn das eine oder andere Ereignis nicht eingetreten wäre. Der besondere Reiz solcher Gedankenspielereien besteht darin, dass sie völlig spekulativ sind. So auch im Fall von Wenzel Fuchs: Was wäre geschehen, wenn er an jenem Wintertag 1977 nicht mit seinem Ski in einem Loch auf der Piste hängen geblieben wäre? Doch greifen wir der Geschichte nicht vor ... Solange Wenzel Fuchs denken kann, steht er auf Skiern. Kein Wunder, schließlich gehört seine Heimatgemeinde Brixen im Thale mit ihren breiten und abwechslungsreichen Pisten zu den bekanntesten österreichischen Wintersportgebieten. Auf halber Strecke zwischen Salzburg und Innsbruck gelegen, betrieb seine Mutter dort auch einige Sportgeschäfte, wo bekannte Skirennläufer wie Toni Sailer und Ernst Hinterseer ein- und ausgingen. Doch für Wenzel Fuchs war der Skisport schnell mehr als eine bloße Freizeitbeschäftigung: Kinderrennclub, Jugendkader, Skigymnasium lauten die Stationen seiner sportlichen Karriere. Im Gymnasium in Neustift im Stubaital drückten er und seine Mitschüler vormittags die Schulbank, nachmittags ging es auf die Piste. Die Tage waren lang, denn am Abend mussten noch die Hausaufgaben erledigt werden. Last, but not least durfte auch die Musik nicht zu kurz kommen. Seit seinem neunten Lebensjahr spielt Wenzel Fuchs Klarinette und er trat bereits früh mit seinem Vater und seinen Brüdern in der Brixner Blasmusik auf. Lange war nicht klar, ob der Sport oder die Musik sein Leben bestimmen würde. Dann ereignete sich der Unfall. Wenzel Fuchs kann sich noch genau an den Moment vor über 45 Jahren erinnern, als er in das Ziel einfuhr und plötzlich mit der Spitze seines Skis in einem Loch 47

Phil — Heft 3 2023/24

hängen blieb. Von hundert auf null in weniger als einer Sekunde. Er war damals 14 Jahre alt, als er einen vierfachen Splitterdrehbruch erlitt und mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden musste. Damit war seine Karriere als Skirennfahrer beendet. Etwa zu jener Zeit machte der Oboist Jürg Schaeftlein, Mitglied der Wiener Symphoniker, in Brixen Urlaub. Ob er sich den Junior einmal anhören würde, bat Wenzel Fuchs’ Mutter den berühmten Musiker. »Ich spielte ihm im Geschäft meiner Eltern vor und er meinte, ich müsse nach Wien kommen. Ich fuhr hin.« In der Donaumetropole begann sein zweites Leben, das seither der Musik gewidmet ist. »Ich kam an die Musikhochschule zu einem Oboenlehrer«, erinnert sich Wenzel Fuchs. »Aber ich habe meine wahre Liebe nicht vergessen, nebenbei Klarinette geübt und nach neun Monaten mit Tränen in den Augen gebeten, Klarinette studieren zu dürfen. Peter Schmidl wurde mein Lehrer.« So tauschte Wenzel Fuchs die Skistöcke gegen die Klarinette ein. Seine Laufbahn begann er als Soloklarinettist an der Wiener Volksoper und beim ORF Radio-Symphonieorchester, bevor er 1993 in gleicher Position nach Berlin wechselte. Ski läuft er heute nur noch etwa zweimal jährlich im Urlaub. Darüber hinaus joggt er, spielt Tennis und fährt mit dem Fahrrad gerne auf den Teufelsberg. »Für einen gebürtigen Tiroler ist das natürlich allenfalls ein Hügel«, sagt Wenzel Fuchs schmunzelnd. »Doch wenn ich dort oben stehe und auf die Stadt blicke, fühle ich mich ein ganz klein wenig wie in den Bergen.« Nur mit dem Schnee hapert es in Berlin ja meistens.  Oliver Hilmes ist Chefredakteur des Magazins Phil. Links im Bild: Der junge Wenzel Fuchs am Anfang seiner Rennkariere beim Kinderskirennen Kitzbühel, 1968.


Aktuelles 48

Auf Tour in Südkorea und Japan Wiedersehen in Asien Endlich! Im November 2023 konnten die Berliner Philharmoniker nach Corona-bedingt langer Pause für 13 Konzerte wieder nach Südkorea und Japan reisen. Ein ganz besonderes Wiedersehen, immerhin unternahm das Orchester zum ersten Mal eine Asien-Tournee mit Chefdirigent Kirill Petrenko. Ein weiteres Highlight war das Mitmach-Projekt Be Phil Orchestra Japan.

um als Solist in Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 aufzutreten. Danach reisten die Berliner Philharmoniker weiter nach Japan, zu Konzerten in sechs Städten. Von Takamatsu, wo das Orchester zuletzt 1966 zu Gast gewesen war, ging es über Nagoya, die historische Stadt Himeji (zum ersten Mal), Osaka und Kawasaki nach Tokio, wo eine einwöchige Residency in der Suntory Hall einen krönenden Abschluss der Tournee bildete.

Mit überschwänglicher Begeisterung bejubelten die Fans in Südkorea und Japan die Berliner Philharmoniker nach vier Jahren Abwesenheit. Nach jedem Konzert riefen sie Chefdirigent Kirill Petrenko zum Einzelapplaus zurück auf die Bühne und warteten bei den Autogrammstunden geduldig in langen Schlangen, um Musikerinnen und Musiker persönlich zu treffen.

Im Rahmen dieser Woche konnten die Berliner Philharmoniker ein Herzensprojekt verwirklichen. Rund 100 Amateurmusikerinnen und -musiker – das Be Phil Orchestra Japan – probten und studierten eine Woche lang mit Kirill Petrenko und den Philharmoniker-Mitgliedern Werke von Brahms und

Im musikalischen Gepäck hatten die Philharmoniker neben Werken von Mozart und Berg auch Richard Strauss’ Ein Heldenleben und Brahms’ Vierte Symphonie. Ausgangspunkt der Reise war die südkoreanische Hauptstadt Seoul, innerhalb von 40 Sekunden waren die Tickets für die zwei Konzerte dort vergriffen. Starpianist Seong-Jin Cho begleitete das Orchester in sein Heimatland,


Foto: Monika Rittershaus (8)

Prokofjew. Das Ziel: die Begegnung mit den Fans vor Ort, die Weitergabe von Erfahrungen und Wissen und ein abschließendes gemeinsames Konzert in der Suntory Hall. Alle Beteiligten waren sich einig: Das Projekt war ein voller Erfolg und ein unvergessliches Erlebnis.

der Suntory Hall trendeten in der japanischen Version von X (ehemals Twitter) die Hashtags #BerlinPhil und #Heldenleben. Und zum letzten Konzert in Tokio erschien sogar das japanische Kaiserpaar – eine ganz besondere Ehre!

Die Konzerte der Tour waren allesamt restlos ausverkauft. Die Presse sprach von einer Reise, die »alle Erwartungen übertroffen« habe, die Hauptnachrichten in beiden Ländern berichteten. Auch auf Social Media wurden die Berliner Philharmoniker von den Fans gefeiert. Nach dem ersten Konzert in

Auf unserem Tour-Blog finden Sie weitere Informationen zur Asien-Tournee, außerdem exklusive Backstage-Bilder und Video-Interviews.  berliner-philharmoniker.de/blog

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Künstlerinnengespräch Vergessene Heldinnen: Künstlerinnengespräch mit Mathilde ter Heijne Die Künstlerin, deren Werk Woman to Go derzeit im Green Room zu sehen ist, wird im Februar in der Philharmonie zu erleben sein. Aus Anlass des diesjährigen Saisonthemas Heroes zeigt die Deutsche Bank als Teil ihrer Partnerschaft mit den Berliner Philharmonikern die Installation der niederländischen Video- und Konzeptkünstlerin. Zu sehen sind fotografische Porträts von nicht identifizierten »Heldinnen« kombiniert mit Biografien ungewöhnlicher Frauen aus der ganzen Welt: Teehändlerinnen, Piratinnen, Schriftstellerinnen, Forscherinnen, Partisaninnen, Suffragetten. Mathilde ter Heijne wird mit Britta Färber, Leiterin Kunst & Kultur der Deutschen Bank, über die Installation und ihre Hinter­ gründe sprechen. Auch das Publikum wird die Möglichkeit haben, der Künstlerin Fragen zu stellen. Das Gespräch findet in deutscher Sprache statt. Fr 02.02.24 18.30 Uhr Green Room Einlass: ab 18 Uhr Dauer: ca. 45 Min. Eintritt frei

Nachruf Heinz Ortleb 1932 – 2023

Die Berliner Philharmoniker trauern um Heinz Ortleb, der dem Orchester über 30 Jahre als Geiger angehörte. Geboren 1932 in Berlin, studierte er ab 1949 an der Musikhochschule seiner Heimatstadt und wurde 1957 Mitglied des RadioSymphonie-Orchesters Berlin, ab 1960 als Stimmführer der 2. Violinen. Im August 1966 wechselte Heinz Ortleb zu den 2. Violinen der Berliner Philharmoniker. Darüber hinaus engagierte er sich 50

auf unterschiedliche Weise für seine Kolleginnen und Kollegen: als Mitglied des Fünferrats und des Personalrats wie auch im Medien­management. Im Dezember 1997 ging er in den Ruhestand. Als Kammermusiker gehörte Heinz Ortleb dem Westphal-Quartett, dem Ensemble Berliner Harmoniker sowie, als Bratscher, dem Philharmonischen Klavierquartett an. Auch außerhalb der Musik hatte er vielfältige Interessen. Als die Honorarzahlungen des Orchesters auf EDV umgestellt wurden, programmierte er selbst die erforderliche Software; als bildender Künstler schuf er Metallplastiken, die unter anderem in der Phil­ harmonie Berlin ausgestellt wurden. Am 6. Oktober 2023 ist Heinz Ortleb im Alter von 91 Jahren gestorben.

Foto, oben: Frederike van der Straeten. Unten: Archiv Berliner Philharmoniker.

Aktuelles


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CD-Tipps

Heimat in der Schönheit

Die Berliner Philharmoniker und Chefdirigent Kirill Petrenko präsentieren mit ihrer dritten gemeinsamen Edition eine Hommage an Sergej Rachmaninow zu seinem 150. Geburtstag.

Von Susanne Ziese »Ich fühle mich wie ein Geist, der in einer ihm fremd gewordenen Welt umherwandert«, so Sergej Rachmaninow, »ich kann die alte Art zu schreiben nicht ablegen und kann mir die neue nicht aneignen. Trotz der Katastrophe, durchleben zu müssen, was dem Russland, in dem ich meine glücklichsten Jahre verbracht habe, widerfahren ist, habe ich stets das Gefühl, dass meine eigene Musik und meine Reaktionen auf alle Musik auf spiritueller Ebene dieselben geblieben sind, unendlich dienstbar im Bemühen darum, Schönheit zu erschaffen.« Das Leben des Komponisten war geprägt von der Spannung zwischen der Sehnsucht nach einer sicheren Heimat einerseits und den politischen und persönlichen Umwälzungen andererseits. Letztere erforderten, sich für Veränderungen zu öffnen. Einen Anker setzte sich Rachmaninow selbst in seiner Musik – in Werken von hyperromantischer Emotionalität, angetrieben 52

von einem bedingungslosen Ausdruckswillen und dem Bekenntnis zu einer unzeitgemäßen Schönheit. In ihrer dritten gemeinsamen Edition würdigen die Berliner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Kirill Petrenko den russischen Komponisten im Jahr seines 150. Geburtstags. »Die Musik von Rachmaninow hat für mich eine überdimensionale Bedeutung«, sagt Kirill Petrenko in einem Gespräch für die Digital Concert Hall, »wann immer ich sie höre, ist das ein Stück Heimat«. Schon lange zählt zu seinen Herzenswerken die Zweite Symphonie, die er nicht nur bei seinem philharmonischen Debüt 2006 dirigierte, sondern auch 2021 in einem Konzert, das zu einem historischen Ereignis werden sollte: Fünf Monate musste die Philharmonie Berlin aufgrund der Pandemie für das Publikum geschlossen bleiben – Konzerte fanden vor gespenstisch leeren Rängen


Foto, linke Seite: Thomas Struth (Editions-Design). Rechte Seite: Stephan Rabold.

Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko Kirill Gerstein Klavier und den Kameras der Digital Concert Hall statt. Im März 2021 war es dann erstmals im Rahmen eines besonderen Pilotprojekts wieder möglich, dass 1000 Gäste ein Konzert im Großen Saal der Philharmonie verfolgen konnten. Schon als das Orchester und Kirill Petrenko die Bühne betraten, verlieh das Publikum seiner Wiedersehensfreude überwältigenden Ausdruck – eine Freude, die auch vonseiten der Musikerinnen und Musiker nicht größer hätte sein können. Die besondere Emotionalität des Anlasses fand ihren unmittelbaren Widerhall in der Interpretation von Rachmaninows drängend-sehnsüchtiger Zweiter Symphonie: »Das Orchester funkelte«, schrieb der Tagesspiegel, und Kirill Petrenko wusste »dieses Meisterwerk der Melancholie zum strahlenden Triumph zu führen. Danach langes Jubeln«. Nicht nur Kirill Petrenko, auch die Berliner Philharmoniker verbindet eine direkte Linie mit dem Jubilar: 1903 führten sie sein Zweites Klavierkonzert auf, 1908 debütierte Rachmaninow selbst als Pianist beim Orchester mit diesem Werk. Das Stück, das bis heute zu den populärsten des Komponisten zählt, vereint, was die Unmittelbarkeit seiner Tonsprache ausmacht: üppige Harmonik, pianistische Brillanz und der Mut, Gefühlen schier grenzenlosen Ausdrucksraum zu bieten. Die in der Edition enthaltene Aufnahme mit dem Pianisten Kirill Gerstein entstand in der knisternden Sommerabend-Atmosphäre des Waldbühnenkonzerts 2022. Mit der Tondichtung Die Toteninsel und den Symphonischen Tänzen präsentiert die Edition zwei weitere bedeutende Werke Rachmaninows. Verbunden sind sie durch das wiederholt zitierte Dies Irae-Motiv aus der Totenliturgie, das der Russe geradezu obsessiv in seinem kompositorischen Schaffen verwendete. Rastlos und bedrohlich schwankt die von Arnold Böcklins gleichnamigem Bild inspirierte Toteninsel im Fünfermetrum – ein eindringlich düsteres Tongemälde. Der stramme Marschgestus im ersten der Symphonischen Tänze wiederum lässt festen Boden unter den Füßen vermuten. Doch schon das entrückt schöne Saxofon-Solo offenbart die nostalgische Stimmung, die Rachmaninow – fast 70 und bereits tödlich an Krebs erkrankt – im amerikanischen Exil bedrückte. »Indem ich die Heimat verlor, verlor ich mich selbst«, bekannte er. Doch nicht nur die 53

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Entfernung zu seinem Geburtsland mag Rachmaninows Gefühl der Entwurzelung ausgelöst haben, sondern auch die fehlende Akzeptanz des amerikanischen Publikums für seine einer anderen Zeit verhafteten Musik. In den Symphonischen Tänzen blickt Rachmaninow in vielsagenden Anspielungen wehmütig auf eigene und fremde Werke zurück, kleidet seine Tonsprache aber zugleich in ein modernisiertes Gewand im Big-Band-Stil. Der dritte und letzte Tanz – eingeleitet von zwölf schicksalhaften Glockenschlägen – paraphrasiert wiederholt das Dies Irae-Thema. Dessen Gegenpart führt Rachmaninow erst in der Coda ein: ein freies Zitat aus dem neunten Satz seiner Ganznächtlichen Vigil – einer Musik, die liturgisch vor dem Ostermorgen und Christi Auferstehung platziert ist. Deutet Rachmaninow hier in seinen Symphonischen Tänzen einen hoffnungsvollen Ausblick an, das Erschließen einer spirituellen Heimat in der »fremd gewordenen Welt«? Vielleicht. Der Komponist äußerte sich nicht zu seinem bewegenden Opus ultimum, mit dem die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko ihre Hommage an Rachmaninow beschließen.

Sommerkonzert der Berliner Philharmoniker mit Chefdirigent Kirill Petrenko im Juni 2022 in der Waldbühne Berlin.

Sergej Rachmaninow Symphonie Nr. 2 e-Moll op. 27 Die Toteninsel op. 29 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 c-Moll op. 18 Symphonische Tänze op. 45 Auf 2 CD und Blu-ray Editions-Design von Thomas Struth


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CD-Tipps

Johannes Brahms: Klaviertrio Nr. 1 op. 8 Ernst Krenek: Trio-Fantasia op. 63 Feininger Trio Avi-Music 8553525

Jazz at Berlin Philharmonic XIII: Veneziana Iiro Rantala

Stefan Schulz (Bassposaune) sowie zahlreiche weitere Mitwirkende

Mitglieder der Berliner Philharmoniker ACT

Jazz at Berlin Philharmonic XIV: KOMEDA Joachim Kühn New Trio Atom String Quartet, Chris Jennings, Eric Schaefer ACT

SCHULZ Record (erhältlich im Shop der Philharmonie)

Das 2005 von Adrian Oetiker (Klavier) sowie den Berliner Philharmonikern Christoph Streuli (Violine) und David Riniker (Violoncello) gegründete Feininger Trio hat mit dramaturgisch durchdachten Programmen von sich reden gemacht. Namenspatron ihres Ensembles ist der Maler, Grafiker und Mitbegründer des Bauhauses, Lyonel Feininger, dessen Berliner Atelier sich unweit des Probenortes des Ensembles im Stadtteil Zehlendorf befand. Mit der vorliegenden CD schließen die drei Musiker nun einen Brahms-Zyklus ab, der dessen drei Trios in Beziehung setzt zu Werken der jüngeren Wiener Komponistengeneration. Neben Brahms’ erstem Klaviertrio erklingt Ernst Kreneks Trio-Fantasia op. 63: neoromantische Musik, die von einer intensiven Beschäftigung mit Franz Schubert zeugt. Das einsätzige knapp 12-minütige Werk besteht aus einer elegischen Einleitung und einem bewegten Allegro-Teil, der wiederum leise verklingt. Alles in allem dokumentiert dieses Album ein Musizieren, das man sich eleganter und klangschöner nicht vorstellen kann.

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Stefan Schulz ist seit 2002 Bassposaunist der Berliner Philharmoniker und ein wahrer musikalischer Tausendsassa. Anlässlich seines 50. Geburtstags hat der gebürtige Berliner ein Album mit dem Titel Passion Project auf die Beine gestellt, für das er eine beeindruckende Gruppe von Weggefährten, Kollegen und Freunden aus aller Welt zusammengeführt hat. Unter den knapp 20 Mitwirkenden befinden sich so herausragende Künstler wie Daniel Barenboim, Christian Brückner, Daishin Kashimoto und Emmanuel Pahud. Entstanden ist eine unkonventionelle Veröffentlichung unter dem Motto »Musik soll Freude bereiten«, eine leidenschaftliche Liebeserklärung an die Musik und das Leben. Über alle Genregrenzen hinweg schaffen Stefan Schulz und seine Mitstreiter mit einer Vielzahl von Instrumenten, Gesang und unerwarteten künstlerischen Elementen eine Atmosphäre, die die Hörerinnen und Hörer unmittelbar in ihren Bann zieht. Man höre und staune.

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Der finnische Pianist Iiro Rantala gehört zu den wenigen Künstlern, die sich in Jazz und Klassik gleichermaßen sicher und erfolgreich bewegen. Und er ist nicht nur einer der vielseitigsten Pianisten seines Fachs, sondern auch einer der produktivsten Komponisten – von Solo-Klavierstücken bis zur großen Oper. All diese Leidenschaften klingen in Veneziana an, Rantalas musikalischer Hommage an Venedig – auf dem Album spielt er gemeinsam mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker. Venedig ist eine Metropole für Kunst und Musik, ein kreativer Schaffensplatz für Künstler aller Art. Und ein bezaubernder Sehnsuchtsort voller Schönheit und Mysterien. Dieser Faszination ist auch Siggi Loch, Kurator der Reihe Jazz at Berlin Philharmonic, seit Langem verfallen. Und so beauftragte er Iiro Rantala mit einer Komposition über die Stadt. Entstanden ist ein Werk für Klavier und 10-köpfiges Kammerensemble. Rantalas musikalischer Blick auf Venedig ist ein ungewöhnlicher: Er erzählt acht fiktive, musikalische Geschichten, die sich im Venedig seiner Fantasie zugetragen haben könnten – reich an Einfällen und voller Farben und Stimmungen.

Der Pianist Joachim Kühn zählt dank seiner beeindruckenden Technik, einer enormen stilistischen Bandbreite und einer schier grenzenlosen musikalischen Freiheit zu den wenigen deutschen Jazzmusikern von internationalem Renommee. Auf der vorliegenden CD tritt er zusammen mit seinem New Trio und dem polnischen Atom String Quartet in ein imaginäres Zwiegespräch mit Pianist Krzysztof Komeda, einem der einflussreichsten Musiker des europäischen Jazz. Komeda gilt vielen als wichtigster Impulsgeber des Jazz seines Heimatlandes Polen. Weltberühmt wurde seine Musik in Soundtracks für Filmklassiker wie Tanz der Vampire oder Rosemaries Baby. Kuhn und Komeda haben sich 1965 persönlich kennengelernt. Es sind die Liebe zur Freiheit, der weite musikalische Horizont und die großen Kontraste (von berührenden Melodien bis zu düsteren, schroffen Klanggebilden), die die beiden Künstler über die Neuinterpretationen in diesem Konzert zu Brüdern im Geiste werden lassen. Wenige Wochen vor dem Konzert bei Jazz at Berlin Philharmonic im Oktober 2022 verstarb Joachim Kühns Bruder Rolf. Die Zugabe My Brother Rolf widmet Kühn ihm, der nicht nur persönlichen, sondern auch musikalischen Einfluss auf ihn hatte.


Konzerte

Februar

31.01.24 20 Uhr • Mi Do 01.02.24 20 Uhr

Fr 02.02.24 20 Uhr Großer Saal

Berliner Philharmoniker Daniele Gatti Dirigent Arnold Schönberg Verklärte Nacht (Fassung für Streichorchester von 1943) Richard Strauss Tod und Verklärung op. 24 Richard Wagner Tristan und Isolde: Vorspiel und Isoldes Liebestod Drei Werke der Spätromantik von Schönberg, Strauss und Wagner, die existenzielle Momente und Menschen in Ausnahmesituationen schildern.

14.02.24 20 Uhr • Mi Do 15.02.24 20 Uhr

Fr 16.02.24 20 Uhr Großer Saal

Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko Dirigent Lisa Batiashvili Violine Franz Liszt Les Préludes, Symphonische Dichtung Nr. 3 Karol Szymanowski Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 op. 35 Richard Strauss Symphonia domestica op. 53 Innig, leidenschaftlich, geheimnisvoll – Karol Szymanowskis Erstes Violinkonzert, interpretiert von Lisa Batiashvili, gilt als heimliche Liebeserklärung an den Geiger Paul Kochanski. Tickets: 37 bis 103 €

Tickets: 26 bis 80 €

04.02.24 14 Uhr • So Philharmonie Berlin Familienführung: Familienbande In dieser Führung lernen Familien die Philharmonie Berlin, mit ihren berühmten Konzertsälen, sowie die Schätze des benachbarten Musikinstrumentenmuseums kennen. Eintritt: frei Altersempfehlung: 6–10 Jahre Dauer: ca. 70 Minuten Karten: Kostenlose Tickets erhalten Sie online oder per Telefon unter +49 (0) 30 254 88-999 Treffpunkt: Künstlereingang Großer Saal (Zugang Potsdamer Straße)

13.02.24 20 Uhr • DiAusstellungsfoyer Kammermusiksaal

Philharmonischer Diskurs Unser Philharmonischer Diskurs behandelt Themen, die bewegen und berühren. Tickets: 10 €

14.02.24 20 Uhr • Mi Kammermusiksaal Lucas & Arthur Jussen Klavierduo Wolfgang Amadeus Mozart Sonate für Klavier zu vier Händen C-Dur KV 521 Robert Schumann Andante mit Variationen op. 46 (revidierte Fassung für zwei Klaviere) Jörg Widmann Bunte Blätter für zwei Klaviere Claude Debussy Six Épigraphes antiques für Klavier zu vier Händen Sergej Rachmaninow Suite Nr. 2 für zwei Klaviere op. 17 Die Brüder Lucas und Arthur Jussen verkörpern die neue, junge Generation des Klavierduos und besitzen EntertainerQualitäten, die ihre Auftritte zum Ereignis werden lassen. Tickets: 21 bis 48 €

17.02.24 14 Uhr • Sa Sa 17.02.24 15.30 Uhr Familienführung: Unser Klangschiff Die Philharmonie Berlin ist ein einzigartiges Klangschiff, das wir selbst zum Klingen bringen. Eintritt: Kinder/Schüler frei, Erwachsene 10 €, ermäßigt 5 € Altersempfehlung: ab 4 Jahren Dauer: ca. 45 Minuten Karten: Tickets erhalten Sie ausschließlich online Treffpunkt: Künstlereingang Großer Saal (Zugang Potsdamer Straße)

18.02.24 15.30 Uhr • So Kammermusiksaal Philharmonischer Salon Michael Maertens Sprecher Berliner Barock Solisten Krzysztof Polonek Violine und Leitung Cordelia Höfer Hammerklavier Götz Teutsch Programmgestaltung Hommage an eine große Persönlichkeit des Wiener Musiklebens, die Mozart, Haydn und Beethoven ideell und finanziell unterstützte. Gottfried Freiherr van Swieten – Diplomat, Musiker und Mäzen Tickets: 16 bis 37 €

22.02.24 20 Uhr • Do Großer Saal Jazz at Berlin Philharmonic SWR Big Band Magnus Lindgren Leitung John Beasly Klavier Bird Lives – Tribute to Charlie Parker Die Musik der Jazzlegende Charlie Parker lebt weiter, wie das Projekt Bird Lives der SWR Big Band zeigt. Unter der Leitung von Magnus Lindgren erstrahlt Parkers Musik im neuen, orchestralen Sound. Kuratiert von Siggi Loch Tickets: 22 bis 69 €

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Barock-Wochenende

Barock-Wochenende

Barock-Wochenende

Academy of Ancient Music Laurence Cummings Dirigent Mary Bevan Sopran

Voces Suaves Concerto Scirocco

Il Giardino Armonico Giovanni Antonini Dirigent Avi Avital Mandoline

23.02.24 20 Uhr • FrKammermusiksaal

24.02.24 22 Uhr • Sa Kammermusiksaal

Handel’s Heroines Arien von Georg Friedrich Händel

Mariengesänge von Alessandro Scarlatti, Agostino Steffani und Alessandro Melani

Vorhang auf für faszinierende Frauengestalten, die Georg Friedrich Händel in seinen Opern und Oratorien zu großartiger Musik, zu Arien voller Virtuosität und Emotion inspirierten.

Tickets: 11 bis 28 €

Tickets: 21 bis 48 €

24.02.24 19 Uhr • Sa Kammermusiksaal Barock-Wochenende Gli Incogniti Amandine Beyer Violine und Leitung Il mondo al rovescio – Die Welt steht kopf Antonio Vivaldi Concerto C-Dur RV 556 »Per la solennità di S. Lorenzo« Concerto für zwei Oboen, Streicher und Basso continuo a-Moll RV 536 Concerto für Violine, zwei Oboen, zwei Hörner, Fagott, Streicher und Basso continuo F-Dur RV 571 Concerto g-Moll RV 576 Concerto für Violine, Streicher und Basso continuo A-Dur RV 344 Concerto F-Dur RV 572 »Il Proteo ò sia Il mondo al rovescio« Concerto für Flöte, Streicher und Basso continuo e-Moll RV 432 Concerto D-Dur RV 562 »Per la solennità di San Lorenzo«

Spirituell, schwerelos, strahlend – das Schweizer Vokalensemble Voces Suaves und Concerto Scirocco kultivieren ein ganz besonderes Klangideal.

25.02.24 15.30 Uhr • So Kammermusiksaal Barock-Wochenende Les Épopées Stéphane Fuget Cembalo und Leitung »Lust« – Venezianische Opernarien des 17. Jahrhunderts Werke von Francesco Cavalli, Claudio Monteverdi, Domenico Freschi, Antonio Sartorio und weiteren Komponisten Das französische Ensemble Les Épopées huldigt den sinnlichen, erotischen Momenten des Lebens, wie sie in den frühen venezianischen Opern besungen wurden. Tickets: 11 bis 28 €

Vivaldis Konzert Il Proteo ò sia Il mondo al rovescio (Proteus oder die Welt steht kopf), das diesem Programm seinen Titel gab, wirkt wie ein musikalisches Vexierbild an Effekten und Klangfarben. Tickets: 16 bis 37 €

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Phil — Heft 3 2023/24

25.02.24 19 Uhr • So Kammermusiksaal

Francesco Durante Concerto g-Moll Emanuele Barbella Konzert für Mandoline, Streicher und Basso continuo Georg Philipp Telemann Konzert C-Dur für Blockflöte, Streicher und Generalbass TWV 51:C1 Johann Sebastian Bach Konzert BWV 1060 (Fassung für Blockflöte, Mandoline, Streicher und Basso continuo) Giovanni Paisiello Concerto für Mandoline, Streicher und Cembalo Es-Dur Johann Sebastian Bach Konzert BWV 1052 d-Moll (Fassung für Mandoline, Streicher und Basso continuo) Meister der Mandoline: Avi Avital mit Originalkonzerten für sein Instrument und raffinierten Arrangements von Werken Johann Sebastian Bachs. Tickets: 21 bis 48 €

27.02.24 20 Uhr • DiKammermusiksaal Leonkoro Quartett Joseph Haydn Streichquartett C-Dur op. 33 Nr. 3 Hob. III:39 Wolfgang Rihm Streichquartett Nr. 9 Robert Schumann Streichquartett A-Dur op. 41 Nr. 3 Das Leonkoro Quartett gehört zu den spannendsten Newcomern der Kammermusikszene. Tickets: 11 bis 28 €

29.02.24 20 Uhr • Do Fr 01.03.24 20 Uhr Sa 02.03.24 19 Uhr Großer Saal

Berliner Philharmoniker Christian Thielemann Dirigent Anton Bruckner Symphonie f-Moll »Studiensymphonie« Symphonie d-Moll »Nullte« Anton Bruckner auf dem Weg zu sich selbst: Christian Thielemann präsentiert mit der »Studiensymphonie« in f-Moll und der sogenannten »Nullten« zwei kaum bekannte Symphonien des Komponisten. Tickets: 37 bis 103 €


Konzerte

02.03.24 22 Uhr • Sa Großer Saal

Familienführung: Familienbande

Late Night

In dieser Führung lernen Familien die Philharmonie Berlin, mit ihren berühmten Konzertsälen, sowie die Schätze des benachbarten Musikinstrumentenmuseums kennen.

Junge Deutsche Philharmonie John Storgårds Dirigent Leila Josefowicz Violine

März

Mitglieder der Berliner Philharmoniker Jörg Widmann Dirigent und Klarinette Sarah Aristidou Sopran Annika Treutler Klavier Jörg Widmann Drei Schattentänze für Klarinette solo Franz Schubert Der Hirt auf dem Felsen D 965 Jörg Widmann Labyrinth V – Vokalisen für Koloratursopran Freie Stücke für Ensemble Eine Late Night mit unserem Composer in Residence. Freuen Sie sich auf spannende Entdeckungen zu nächtlicher Stunde. Tickets: 20 €

03.03.24 11.30 Uhr • So PalaisPopulaire Konzertfrühstück im PalaisPopulaire Mitglieder der Berliner Philharmoniker »Werkstatt.Dialog.Musik« Mitglieder der Berliner Philharmoniker zu Gast im PalaisPopulaire. Fragen und ein Dialog mit dem Publikum sind ausdrücklich erwünscht! Tickets: 15 € erhältlich ab 15.01.2024 über palaispopulaire.db.com

03.03.24 14 Uhr • So Philharmonie Berlin

Eintritt: frei Altersempfehlung: 6–10 Jahre Dauer: ca. 70 Minuten Karten: Kostenlose Tickets erhalten Sie online oder per Telefon unter +49 (0) 30 254 88-999 Treffpunkt: Künstlereingang Großer Saal (Zugang Potsdamer Straße)

05.03.24 20 Uhr • DiKammermusiksaal Feininger Trio Franz Schubert Klaviertrio Es-Dur D 897 »Notturno« Alexander Zemlinsky Trio d-Moll op. 3 (Bearbeitung für Violine, Violoncello und Klavier) Konstantia Gourzi Apollon, Trio für Klavier, Violine und Violoncello op. 101 Johannes Brahms Klaviertrio c-Moll op. 101 Das Feininger Trio besticht durch seine warme, expressive Klanggestaltung, durch Raffinement und Nuancenreichtum. Tickets: 11 bis 28 €

16.03.24 14 Uhr • Sa Sa 16.03.24 15.30 Uhr Familienführung: Unser Klangschiff Die Philharmonie Berlin ist ein einzigartiges Klangschiff, das wir selbst zum Klingen bringen. Eintritt: Kinder/Schüler frei, Erwachsene 10 €, ermäßigt 5 € Altersempfehlung: ab 4 Jahren Dauer: ca. 45 Minuten Karten: Tickets erhalten Sie ausschließlich online Treffpunkt: Künstlereingang Großer Saal (Zugang Potsdamer Straße)

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19.03.24 20 Uhr • DiGroßer Saal

Béla Bartók Der wunderbare Mandarin Sz 73 Matthias Pintscher mar’eh für Violine und Orchester Jean Sibelius Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 43 Eine musikalische Reise von der Spätromantik über die klassische Moderne zur Gegenwart. Solistin ist die Geigerin Leila Josefowicz. Tickets: 8 bis 32 €

21.03.24 20 Uhr • Do Kammermusiksaal World António Zambujo Fado-Sänger Francisco Brito Tenor Bernardo Couto Portugiesische Gitarre João Moreira Trompete João Salcedo Klavier Ein Fado-Abend Fado ist die melancholische Stimme Portugals. Lassen Sie sich von diesen Klängen verzaubern. Tickets: 35 €


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Impressum

Cover, Foto: Heribert Schindler

Herausgegeben von der Berliner Philharmonie gGmbH für die Stiftung Berliner Philharmoniker Direktorin Kommunikation, Marketing und Vertrieb: Kerstin Glasow Leiter Redaktion: Tobias Möller (V. i. S. d. P.) Herbert-von-Karajan-Straße 1, 10785 Berlin redaktion@berliner-philharmoniker.de Chefredakteur Dr. Oliver Hilmes Redaktion Dr. Nicole Restle Mitarbeit Stephan Kock, Laura Obenhaus, Hendrikje Scholl, Bettina Wohlert Layout & Satz Sultan Berlin Design Studio Bildredaktion und Produktion Natalie Schwarz Anzeigenvermarktung Tip Berlin Media Group GmbH, Michelle Thiede Telefon +49 (0) 30 23 32 69 610 anzeigen@tip-berlin.de Herstellung Bonifatius GmbH, 33100 Paderborn Auflage 15 000 Entgelt ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. 60

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Diese Broschüre wurde mit Energie aus 100 % Wasserkraft (oder Öko-Strom) und ohne schädlichen Industriealkohol hergestellt. Die Produktion nimmt eine Druckerei vor (Bonifatius GmbH), die ein Qualitäts- und Umweltsystem aufgebaut hat, das alle Anforderungen der DIN EN ISO 9001 und DIN EN ISO 14001 sowie die Vorgaben des Eco-Management and Audit Scheme (EMAS) der Europäischen Union erfüllt.


SCHUTZ SCHENKEN Ob in der Ukraine, den Hochebenen Afghanistans oder dem Nahen Osten – der Winter in der Fremde mit Schneestürmen und Minusgraden bringt Flüchtlinge auf der ganzen Welt in Gefahr. Als musikalische Botschafter unterstützen die Berliner Philharmoniker die UNO-Flüchtlingshilfe in ihrer Mission, Flüchtlingen in diesem Winter lebensrettenden Schutz zukommen zu lassen.

HIER SPENDEN

uno-fluechtlingshilfe.de/berliner-philharmoniker-winter

#WITHREFUGEES Spendenkonto: IBAN: DE78 3705 0198 0020 0088 50 BIC: COLSDE33 Stichwort: Berliner Philharmoniker Winter


Musik verbindet Seit mehr als 30 Jahren arbeiten die Deutsche Bank und die Berliner Philharmoniker in einer engen und lebendigen Partnerschaft zusammen. Gemeinsam wollen wir Musik von Weltklasse fördern und Menschen jeden Alters für Musik und Kultur begeistern. Denn Musik inspiriert, verbindet Menschen und überwindet Grenzen. db.com/kultur

© Madlen Krippendorf

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