Behörden Spiegel März 2017

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20. Europäischer Polizeikongress

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Behörden Spiegel / März 2017

“Zukunftspreis Polizeiarbeit” verliehen

Maßnahmen notwendig

Sechs Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlern mit insgesamt 5.000 Euro prämiert

Gefängnisse als terroristischer Rekrutierungspool

(BS/Marco Feldmann) Acht Absolventen der Fachhochschulbereiche Polizei, Justizvollzug und Sicherheitsmanagement sowie Angehörige kriminologischer Institute von Universitäten können sich über insgesamt 5.000 Euro freuen. Ihre Bachelor- und Master-Arbeiten wurden beim “Zukunftspreis Polizeiarbeit” prämiert. Mit dieser Auszeichnung, die in diesem Jahr bereits zum 6. Mal verliehen wurde, wird der polizeiliche Nachwuchs für innovative und zukunftsweisende Abschlussarbeiten ausgezeichnet.

(BS/mfe) Justizvollzugsanstalten sind ein idealer Ort für terroristisch motivierte Personen. Schließlich hätten sie dort sehr viel Zeit, um neue Anschläge zu planen. Auf diese Gefahr wies Orit Adato vom International Institute for Counter-Terrorism hin.

Damit wird auch die Exzellenz der polizeilichen Ausbildung gewürdigt, die angesichts der sich komplexer gestaltenden Sicherheitslage wichtiger denn je ist. Im Bereich der Bachelor-Arbeiten wurden Louisa Reeger und Judith Morgner von der Akademie der Polizei Hamburg auf den ersten Platz gewählt. Für ihre Abhandlung zum Nachweis von Blut- und DNASpuren nach thermischer Einwirkung mithilfe von Luminol erhielten sie eine Trophäe und ein Preisgeld in Höhe von 1.300 Euro. Die beiden Kommissarinnen konnten im Rahmen ihrer Arbeit zeigen, dass DNA-Spuren auch noch bei Temperaturen von 1.000 Grad Celsius nachgewiesen werden können. Diese Erkenntnis widerspricht der bisher einschlägigen Literatur zu dem Thema und könnte künftig die Erfolgschancen zur Aufklärung sogenannter Vortaten bei Verdeckungsbränden erhöhen. Die Geehrten auf den Plätzen zwei und drei – Nina Hagner von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und Christian Stockmann sowie Gerit Korb von der Hochschule der sächsischen

Louisa Reeger (l.) und Judith Morgner von der Polizei Hamburg wurden mit dem ersten Preis in der Kategorie “Bachelor-Arbeiten” ausgezeichnet. Neben einer Trophäe erhielten sie 1.300 Euro Preisgeld für ihre Abhandlung zum Nachweis von Spuren mithilfe von Luminol.

Lars Mechler von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen wurde Erster in der Kategorie “Master-Arbeiten”. Er bekam 1.500 Euro für seine Ausarbeitung zu Möglichkeiten der Dateienwiederherstellung unter dem Dateisystem HFS Plus, das von Apple verwendet wird.

Polizei – erhielten 1.000 beziehungsweise 600 Euro. Der Platz zwei wurde dabei für die Arbeit “Lässt sich anhand der “Bloodstrain Pattern Analysis” ein Tatwerkzeug ermitteln?” ausgewählt. Hagner konnte durch die Auswertung von 689 Blutabwurfspritzfeldern zeigen,

dass sich anhand der Blutspurenmusteranalyse zwar kein Tatwerkzeug ermitteln lässt. Gleichwohl existierten eindeutige Differenzen hinsichtlich der zuvor festgelegten Werkzeugkategorien “stumpfe Gewalt”, “halbscharfe Gewalt” und “scharfe Gewalt”.

Kopfschutz von zentraler Bedeutung Streifenpolizisten sind oftmals die ersten Kräfte, die an einem Tatort eintreffen. Gleichzeitig verfügen diese Beamten meistens über die wenigsten Infor-

Die frühere Militärangehörige im Range eines Generalleutnants warnte: “Gefängnisse sind ein Rekrutierungspool für Terroristen.” Um dieser Gefahr angemessen begegnen zu können, seien mehrere Maßnahmen notwendig, so Adato. Zum einen komme es darauf an, alle Gefangenen gleich zu behandeln und den terroristischen Ideen anhängenden Häftlingen so die Rolle eines angeblichen Anführers wegzunehmen. Zum anderen müssten gegen solche Gefangenen bei Regelverstößen sofort Sanktionen ausgesprochen und Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Personalisierte Klassifizierung erforderlich

Den Herausforderungen und Problemen beim Umgang mit wegen Terrordelikten inhaftierten Personen widmete sich Orit Adato vom International Institute for CounterTerrorism. Sie plädierte dabei für individuelle Klassifizierungen solcher Gefangener.

Darüber hinaus müsse das Bewacherpersonal – zumindest einige Mitarbeiter – in den Gefängnissen besser im Hinblick auf interkulturelle Kompetenzen geschult werden, forderte die ehemalige Soldatin. Ebenso komme es darauf an, terrorexponierte Häftlinge jeweils persönlich zu klassifizieren, da diese von Terrororganisationen – etwa zur Informationsbeschaffung – auch während Freigängen genutzt

würden. Des Weiteren müssten die Gefangenen professionell und dauerhaft überwacht und terroranfällige Häftlinge schnellstmöglich identifiziert werden. Bei ihrer Resozialisierung käme es schließlich darauf an, die Unterstützung moderater muslimischer Gruppen zu gewinnen, meinte Adato.

(BS/ckö/jf/mfe/stb) Wie sähe es aus, wenn Microsoft ein Polizeifahrzeug entwickeln würde? Welche Helme schützen Polizeibeamte auch vor Beschuss mit ballistischen Projektilen? Und wie können Videoüberwachungs- und Gesichtserkennungssysteme im Zusammenspiel miteinander zu einem Gewinn an Sicherheit beitragen? All diesen Fragen und noch vielen weiteren gingen die Industrievertreter auf dem diesjährigen Europäischen Polizeikongress nach.

Diebstahl und Produktpiraterie könnten in Zukunft wesentlich erschwert werden, denn auch Eigentumsnachweise oder Nutzungsrechte ließen sich in der Blockchain transparent und sicher nachweisen, unterstrich Baptist.

S

o stellte zum Beispiel Jamie Wylly, Worldwide Public Safety and National Security von Microsoft, Planungen seines Unternehmens zur Konstruktion eines intelligenten Streifenwagens vor. Das Auto beobachtet mit Sensoren und Kameras seine Umwelt und gleicht alle Beobachtungen permanent über die Cloud mit Datenbanken ab. Auf diese Weise kann es automatisiert Kennzeichen auslesen. Zudem warnt es den Fahrer, wenn sich Personen auffällig annähern, kann eine Drohne für 360Grad-Aufnahmen über das Auto fliegen lassen und erfasst über biometrische Sensoren, wie es dem Polizisten gerade geht. Auch die Body-Cam des Beamten ist automatisiert und schaltet sich etwa an, wenn die Waffe gezückt wird oder das Ansteigen des Pulsschlages auf eine bedrohliche Situation hinweist. “Das Potenzial der neuen Technologien für die Strafverfolgungsbehörden ist sehr groß”, sagte Wylly voraus.

Den dritten Platz erhielt der Prototyp einer Polizei-App ehemaliger Studenten der Hochschule der sächsischen Polizei. Bei den Masterarbeiten wurde nur eine Arbeit prämiert. Lars Mechler, der sein Studium an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen vollständig selbst finanzierte, erhielt für seine Arbeit zu Untersuchungen am von Apple genutzten Dateisystem HFS Plus eine Trophäe aus den Händen des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger (SPD) und ein Preisgeld von 1.500 Euro. Mechler gelang es, aufzuzeigen, wie sich auch unter diesem Dateisystem gelöschte Dateien rekonstruieren lassen. Und das, obwohl dieser Schritt in HFS Plus eigentlich als äußerst schwierig gilt. Jeweils 300 Euro zur Anerkennung ihrer Leistungen erhielten Patrick John Eitelbuss und Marco Siegert von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Sie wurden von der Jury für ihre Masterarbeiten zur Analyse und Auswertung von Mobilfunkgeräten beziehungsweise zum Entwurf eines forensischen Reverse Engineering, einem Teilgebiet der digitalen Forensik belobigt.

Fotos: BS/Dombrowsky

Die Polizei der Zukunft Hersteller präsentieren zahlreiche Ideen und Innovationen

mationen und müssen auf alles vorbereitet und entsprechend geschützt sein. Deshalb ist gerade der Schutz des Kopfes von besonderer Bedeutung. Dabei müssten Helme gegen Schläge, Messerattacken, schwere Hiebund Stichwaffen und gegen brennende Flüssigkeiten schützen, erläuterte Alexander Scharpenack aus dem Bereich Business Development & Marketing Ulbrichts Protection der Ulbrichts Witwe GmbH.

Titan bietet besseren Schutz Doch schützen Helme, die diese Schutzeigenschaften nicht besitzen, nicht vor ballistischen Projektilen. In der Vergangenheit verfügten ausschließlich Helme für Soldaten über diese Schutzeigenschaft. Allerdings wurde als Projektil hauptsächlich von einem Granatsplitter ausgegangen. Aber: Die Helme verhindern zwar das Eindringen eines Projektils, allerdings können damit einhergehende Ver-

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Praxisseminare im April/Mai:

Innere Sicherheit

04. – 05. April 2017, Hannover

Vergabe von Rettungsdienstleistungen 03. Mai 2017, Bonn

Traumatisierten und belasteten BOS-Einsatzkräften begegnen 16. – 17. Mai 2017, Berlin

Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Bildnachweis: Digitoxin, cc by 2.0, flickr.com

Soziale Medien bei Polizei, Feuerwehr und BOS

formungen zu solchen Schäden des Schädels führen, dass der Träger dennoch an den Folgen stirbt. Anders bei den Titan-Helmen von Ulbrichts Witwe. Diese weisen deutlich höhere Schutzwerte aufgrund des Materials auf. Bleibt die Frage nach dem Visier. Im Einsatz, zum Beispiel beim Gebrauch von Maschinenpistolen, kann dieses, etwa beim Zielen über Kimme und Korn, eher hinderlich sein – je nach Schutzgrad. Die Firma bietet daher vier unterschiedliche Visierarten. Neben einem Schlag- und Splitterschutzvisier eine Variante zum Schutz vor 9x19mm-Pistolengeschossen sowie zwei Varianten zum Schutz gegen Maschinenpistolen. Entweder flächenreduziert oder als Vollschutz.

Mit Gesichtserkennung zur sicheren Stadt Wie das Zusammenspiel von Videoüberwachung und Gesichtserkennung zur Sicherheit beitragen kann, erläuterte wiederum Akif Ekin, Präsident von Ekin Technology. Das Unternehmen arbeitet an einer umfassenden Sicherheitslösung für Städte. Ziel sei, so Ekin, dass alle relevanten Systeme miteinander kommunizierten, damit zukünftig alle Bewegungen von Personen, Fahrzeugen und Objekten erkennbar würden. Kern des Konzepts sei ein Betriebssystem, über das alle stationären Kameranetzwerke einer Stadt sowie mobile Überwachungssysteme von Streifenwagen sowie Body-Cams der Beamten zusammengeführt würden. So sollen schnelle Reaktionen in Gefahrenlagen ermöglicht werden. Ekin beschrieb ein mögliches Anwendungszenario: Kameras filmen einen herrenlosen Koffer an einem öffentlichen Ort und Analysesoftware registriert automatisiert eine Gefahrenlage.

Polizeilösung muss datenschutzkonform sein

Alexander Scharpenack aus dem Bereich Business Developement & Marketing Ulbrichts Protection von der Ulbrichts Witwe GmbH erläuterte das ballistische Schutzniveau von Helmen. Dabei lobte er den Kopfschutz aus Titan.

Der Präsident von Ekin Technology, Akif Ekin, präsentierte Möglichkeiten zur Verknüpfung von Videobeobachtungs- und Gesichtserkennungssystemen. Davon verspricht er sich eine deutliche Steigerung des Sicherheitsniveaus.

Aus bevorratetem Filmmaterial wird die Person ermittelt, die den Koffer abgestellt hat. Mittels Gesichtserkennung und sofortigen Abgleichs mit Datenbanken wird sie als gesuchter Terrorist identifiziert. Das System erlaubt nun die Verfolgung der Person in Echtzeit, indem das Gesicht zielgerichtet in allen Videodatenströmen gesucht wird. Gleichzeitig können Ermittler Aktivitäten der Person zurückverfolgen, indem sie gespeichertes Material der vergangenen Tage analysieren. So werden ein möglicher Komplize und sein Fahrzeug identifiziert und ebenfalls in der Stadt ausfindig gemacht und verfolgt. Die Verhaftung der beiden Personen wird exakt geplant und die Durchführung in der Zentrale in Echtzeit überwacht.

tionen schnell, kostengünstig, sicher und absolut zuverlässig machen können. Und tatsächlich: Eine Manipulation dieses “digitalen Grundbuchs” sei kaum möglich, erklärte Bernd Baptist, Head of Consulting Public Sector bei CSC Deutschland. Denn schließlich sei jeder einzelne Transaktionsvorgang über verschlüsselte Prüfsummen mit allen vorherigen und nachfolgenden Vorgängen aller Nutzer des Systems verknüpft. Eine Kompromittierung an einer Stelle würde also immer zu Diskrepanzen mit den anderen Daten des dezentralen BlockchainNetzwerks führen, erläuterte Baptist. Der CSC-Vertreter beschrieb auch die für das Polizeiumfeld interessanten Aussichten, behördliche Register und Datenbanken als Blockchain zu verwalten. So könnten Statusinformationen elektronisch hinterlegter Dokumente sicher und verlässlich verifiziert und bearbeitet werden. Ein Fahrverbot wäre so zum Beispiel direkt wirksam und der Entzug sowie die Rückgabe des physischen Ausweises würden entfallen.

Kompromittierung unmöglich Der sogenannten Blockchain wird das Potenzial nachgesagt, Finanzwirtschaft, Handel sowie Vertrags- und Versicherungswesen zu revolutionieren. Dementsprechend groß sind die Erwartungen. Immerhin soll die Technik die Abwicklung aller möglichen Arten von Transak-

Auf die Anforderungen eines für die Polizeiarbeit geeigneten Messenger-Dienstes ging schließlich Andreas Noack, CEO der heinekingmedia GmbH/stashcat ein. Dabei machte er klar: “Messenger sind heute ein Standard-Kommunikationsmittel.” Und er betonte: “Die Polizei benötigt einen Messenger, der alle Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes erfüllt.” Dies sei bei stashcat® der Fall. Dieses Programm sei unter anderem zum verschlüsselten Austausch von Informationen und Daten zwischen einzelnen Personen und Gruppen geeignet. Außerdem seien damit eine Dateiverwaltung sowie eine sichere Dateiablage möglich. Zudem verfüge der MessengerDienst über eine geschlossene Kontaktdatenbank und sei mit einem verschlüsselten Server verbunden. So sei eines durchgängig gewährleistet: “Die Behörde bleibt immer Herr der Daten.”

Bernd Baptist, Head of Consulting Public Sector bei CSC Deutschland, unterstrich die Fälschungssicherheit der Blockchain-Technologie. Außerdem berichtete er über mögliche Anwendungsfelder der Technik im Bereich der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS).


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