Behörden Spiegel Februar 2024

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Bund

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Ein Realitätscheck

I

n der heutigen Zeit, geprägt von raschen Veränderungen und einem stetigen Wandel der Arbeitswelt, ist der effektive Umgang mit Wissen von entscheidender Bedeutung. Durch die umfangreiche Einführung von Homeoffice und die damit einhergehende dezentrale Zusammenarbeit hat Wissensmanagement einen noch höheren Stellenwert erreicht. Zur Aufgabenerledigung nutzt die öffentliche Verwaltung Wissen als zentrale Ressource. Daher sollte Wissensmanagement längst im Alltag deutscher Behörden angekommen sein. Doch trotz der offensichtlichen Notwendigkeit sind die Behörden zögerlich, wenn es um die Umsetzung geht. Ein Hauptgrund für die Dringlichkeit von Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung ist der ständige Mitarbeiterabgang. Durch Pensionierungen, berufliche Veränderungen und demografischen Wandel geht den Behörden wertvolles Wissen verloren. Dieser Verlust an Erfahrung und Fachkenntnissen kann ernsthafte Auswirkungen auf die Effizienz und Qualität der Verwaltungsprozesse haben. Die Frage ist also nicht, ob Wissensmanagement benötigt wird, sondern wie es erfolgreich implementiert werden kann. Leider zeigt sich in vielen Verwaltungen eine enorme Diskrepanz zwischen der Ernsthaftigkeit, mit der das Thema betrachtet wird, und der tatsächlichen Umsetzung von Wissensmanagement. Einer der Hauptgründe ist die mangelnde Handlungsfähigkeit und die Geschwindigkeit, mit der die öffentliche Verwaltung agiert. Projekte und Veränderungen benötigen Zeit, die oft nicht zur Verfügung steht. Zudem verlangsamen bürokratische Strukturen und die Abwehrhaltung gegenüber Veränderungen den Implementierungsprozess erheblich. Ein weiteres Hindernis ist das FehAntonia Börner ist als Dipl.-Verwaltungswirtin bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) tätig, Absolventin des Studiengangs „Master of Public Administration“ (Universität Kassel) und beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit den Anforderungen virtueller Teams an das Wissensmanagement in der Foto: BS/privat öffentlichen Verwaltung.

Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung (BS/Antonia Börner) Wissen stellt die Basis aller Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung dar. Die Anerkennung von Wissen als strategische Ressource hat den Grundstein für den managementbasierten Umgang mit Wissen gelegt. Das Wissensmanagement spielt demnach für die Dienstleistungsqualität und die Effizienz der öffentlichen Verwaltung eine zentrale Rolle. Doch warum ist Wissensmanagement noch nicht im deutschen Behördenalltag angekommen?

Behörden benötigen gutes Wissensmanagement, doch es scheitert oft an der Umsetzung. Foto: BS/Treecha, stock.adobe.com

len von Fachwissen in den Behörden, wenn es um die konkrete Umsetzung von Wissensmanagement geht. Viele Mitarbeitende erkennen die Notwendigkeit von Wissensmanagement in ihrem Alltag, jedoch fehlt es an einem klaren Leitfaden und der notwendigen Expertise, um Wissensmanagement effektiv zu etablieren. Das Thema erscheint oft zu groß und zu komplex, um es in Angriff zu nehmen, und so verbleibt es auf der To-do-Liste, ohne tatsächlich in die Praxis umgesetzt zu werden.

sen führen, die vermieden werden könnten, wenn es klare Standards für das Wissensmanagement gäbe. Es ist bemerkenswert, dass trotz der drängenden Notwendigkeit und der offensichtlichen Gefahren viele Geschäftsführungen in der öffentlichen Verwaltung das Thema Wissensmanagement nicht als ihre Aufgabe betrachten. Es kommt zu einem Teufelskreis: Wenn in der obersten Leitungsebene das Bewusstsein und die Verantwortung für Wissensmanagement nicht vorhanden sind, springen Teamleite-

rinnen und Teamleiter oft ein und managen das Wissen auf ihrer Ebene. Dies führt zu einer fragmentierten und inkonsistenten Umsetzung von Wissensmanagementpraktiken, was letztendlich nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen kann. Viele Teamleitungen haben längst erkannt, dass ihre Teams ohne Wissensmanagement nicht mehr arbeitsfähig sind. Daher nutzen sie bei fehlender Wissensmanagementstrategie neben informellen Besprechungen zum Wissensaustausch auch eigene Ablagestrukturen und bauen individuelle und zugangsbeschränkte Datenbanken auf. Alle Auswirkungen sind bereits jetzt im Alltag der Behörden spürbar. Täglich kämpfen engagierte Mitarbeitende gegen den Wissensverlust und entwickeln oft instinktiv eigene Wissensmanagementstrategien, um die negativen Auswirkungen abzuwenden.

Wissensmanagement ist Führungsaufgabe Es ist somit festzuhalten, dass Wissensmanagement eine Führungsaufgabe darstellt. Die oberste Leitungsebene muss die Verantwortung für die Implementierung und

Aufrechterhaltung von effektivem Wissensmanagement übernehmen. Dies erfordert nicht nur ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas, sondern auch die Bereitschaft, Ressourcen und Fachkenntnisse dafür zur Verfügung zu stellen. Die Einführung von Feedback- und Evaluationsschleifen stellt neben der Zusammenführung von Tools, der Integration von Personalentwicklungsstrategien in das Wissensmanagementzielbild und einem gezielten Change-Management-Prozess einen wichtigen Handlungsschritt dar. Es geht nicht nur darum, Wissen zu speichern, sondern es aktiv zu managen, zu teilen und weiterzuentwickeln, um den ständigen Veränderungen gerecht zu werden. Um den Teufelskreis zu durchbrechen und Wissensmanagement erfolgreich in der öffentlichen Verwaltung zu implementieren, müssen klare Leitlinien erarbeitet und Schulungen für die Führungsebene angeboten werden. Es ist entscheidend, dass die oberste Führung das Bewusstsein für die Auswirkungen des Wissensmanagements auf die Effizienz, Qualität und Innovationsfähigkeit schärft. Nur wenn die Führung das Thema aktiv vorantreibt, können die notwendigen Veränderungen in den Strukturen und Prozessen implementiert werden. Es liegt in der Hand der Führungsebene, diesen Wandel einzuleiten und sicherzustellen, dass die öffentliche Verwaltung nicht nur wissensbasiert denkt, sondern auch handelt.

Gefährliche Auswirkungen Die Gefahren, die mit dem Versäumnis der Umsetzung von Wissensmanagement einhergehen, sind beträchtlich. Eine der Hauptgefahren ist die sogenannte Silobildung von Wissen. Wenn Informationen und Fachkenntnisse nicht systematisch erfasst und geteilt werden, entstehen in den verschiedenen Abteilungen isolierte Wissensinseln. Dies führt nicht nur zu Ineffizienzen, sondern behindert auch die Zusammenarbeit und den Informationsfluss zwischen den Abteilungen und innerhalb von Teams. Ein weiteres Problem ist das Fehlen eines einheitlichen Vorgehens beim Umgang mit Wissen. Jedes Team entwickelt seine eigenen Methoden und Tools, was zu einer Fragmentierung und Inkompatibilität von Informationen führt. Dies kann nicht nur die Arbeit behindern, sondern auch zu Fehlern und Missverständnis-

Konzepte für heute und morgen Damit Public Corporate Governance gelingt (BS/akh) Zeitnah auf Veränderungen reagieren und gleichzeitig langfristig, zukunftsgerichtet und proaktiv Weichen stellen – das ist eine Herausforderung, der sich öffentliche Unternehmen stellen müssen. Es gilt, das eigene Unternehmen kompetent zu steuern und Chancen für Städte und Kommunen sowie Bund und Länder auszuschöpfen. Unternehmen finden sich häufig in einem Spannungsfeld zwischen politischem Wollen und haushalterischem Können wieder. Besonders betroffen sind, die vielfältigen Unternehmen der öffentlichen Hand. Zunehmende Regulierungen grenzen den Handlungsspielraum der Unternhemen immer stärker ein. Eine gute Public Corporate Governance ist gefragt. Sie erfordert zukunftsträchtige Konzepte und Ideen, die es den verantwortlichen Akteuren ermöglichen, Veränderungen zügig zu begegnen und gleichzeitig zukünftige Ereignisse zu antizipieren. Mit der Leitung und Steuerung öffentlicher Unternehmen befasst sich die elfte Speyerer Tagung zu

Behörden Spiegel / Februar 2024

Public Corporate Governance. Auf der Agenda stehen u. a. die Nachhaltigkeitsberichterstattung für öffentliche Unternehmen mit Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), softwaregestützte Beteiligungssteuerung sowie Compliance-Anforderungen für öffentliche Unternehmen und ihre Umsetzung. Die Tagung findet am 15. und 16. April an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer statt. Der Behörden Spiegel ist Partner der Veranstaltung. Mehr Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sie unter www.uni-speyer.de/weiterbildung/ weiterbildungsprogramm-/-onlineanmeldung

Bauklötze und Beamte staunen lassen Mit LEGO® SERIOUS PLAY® Problemlösungen effektiv angehen (BS/Björn Unte) Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn in der Welt der Verwaltung nicht nur die Gesetze und Vordrucke, sondern auch die LEGO® -Steine regieren würden? Klingt absurd? Tatsächlich könnte die, zumindest in deutschen Amtsstuben, ungewöhnliche Methode namens LEGO® SERIOUS PLAY® genau das fehlende Element sein, um die Verwaltung aus dem manchmal grauen Alltag zu befreien und mit bunten Ideen zu füllen. Große, erfolgreiche Unternehmen tun dies bereits weltweit, aber auch Behörden in Großbritannien, Skandinavien oder in der Türkei. Im Behördenalltag, der oft so ernst und strukturiert ist wie eine LEGO®-Bauanleitung, kommt eine Prise Kreativität oft zu kurz. Doch was passiert, wenn wir den Konferenztisch mit Bauplatten bedecken und die Mitarbeitenden auffordern, mit bunten Klötzchen ihre Gedanken zu gestalten? Voilà, LEGO® SERIOUS PLAY® entfaltet seine zauberhafte Wirkung! Stellen Sie sich vor, Ihre nächste Besprechung wäre nicht von endlosen PowerPoint-Folien geprägt, sondern von einem Meer bunter Steine, die auf kreative Art und Weise die Herausforderungen Ihrer Behörde repräsentieren. Die Welt der Verwaltung wird plötzlich zum Spielfeld und die Mitarbeitenden zu Baumeisterinnen und Baumeistern ihrer eigenen Lösungen, Denken mit den Händen wird Realität. Trotz der sehr haptischen Ausrichtung der Methode sind auch Onlineworkshops durchführbar, in Zeiten mobiler und flexibler Arbeitsmodelle nicht unwesentlich. Das Geniale an LEGO® SERIOUS PLAY® liegt in seiner Fähigkeit, steife Strukturen aufzubrechen, eine lockere, spielerische Atmosphäre zu schaffen und alle aktiv zu beteili-

„Baut ein gemeinsames Modell, das widerspiegelt, wofür euer Team in zwölf Monaten berühmt sein wird“, so lautete die Aufgabe für das SERIOUS PLAY® von Björn Untes Team. Foto: BS/Unte

gen. Während sonst die Hierarchie oft wie ein riesiger Turm erscheint, bei dem die obersten Steine den Ton angeben, ermöglicht diese Methode eine demokratische Baustellenatmosphäre. Hier sind die Führungskräfte genauso im Einsatz wie der Praktikant – und jeder LEGO®-Stein trägt dazu bei, eine einzigartige Perspektive auf die Probleme der Verwaltung zu bieten. Eine einheitliche Workshop-Etikette wie auch ein immer wiederkehrender klarer Prozess (Aufgabe stellen, bauen, teilen, reflektieren) erleichtern den Teilnehmenden das Vorgehen. Apropos Teilnehmende: sechs–acht aktiv beteiligte Menschen bilden die ideale Größe eines jeden Workshops, wobei immer der Grundsatz „Jeder baut, jeder teilt“ gilt. Aber Vorsicht – LEGO® SERIOUS PLAY® ist keine kindische Ablenkung, sondern eine ernsthafte Methode zur Förderung von Kreativität, Kommunikation und Teamarbeit. Es erfordert Mut, die

gewohnten Denkmuster zu durchbrechen und sich auf eine Welt voller bunter Möglichkeiten einzulassen. Wichtig ist, immer eine ausgebildete Person als Facilitator zu haben, die durch den Prozess leitet. In einer Zeit, in der die Verwaltung oft als trocken und überbürokratisch wahrgenommen wird, könnte LEGO® SERIOUS PLAY® ein Teil der Lösung in Form eines kreativen Bauklötzchen-Wunders sein. Also, liebe Leserinnen und Leser des Behörden Spiegel, lassen Sie uns gemeinsam die LEGO® -Steine der Kreativität zum Rollen bringen und die Verwaltung zu einem Ort machen, an dem nicht nur Gesetze, sondern auch Ideen regieren. Björn Unte ist Teamleiter in der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin. Foto: BS/privat


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