Aktuelles Öffentlicher Dienst
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Auf Platz zehn
Behörden Spiegel / Februar 2022
KOLUMNE
Wertschätzung – mehr als reine Methode!
Korruptionsregeln für Abgeordnete sollen geschärft werden
(BS) Mitarbeitende wollen gese-
(BS/Büsra Tasdemir) Quo vadis, Deutschland? Nirgendwohin. Im globalen Korruptionsindex von Transparency International (TI) steht Deutschland hen, wahr- und ernstgenommen mit 80 von 100 Punkten gut da; was die Korruptionsbekämpfung betrifft, tut sich allerdings seit Jahren ziemlich wenig. Im internationalen Korrup- werden. Kunden wollen Kommutionsranking von TI belegt Deutschland Platz zehn von 180 und steht weiterhin hinter den Spitzenreitern Dänemark, Neuseeland und Finnland. nikation auf Augenhöhe und vor Transparency International veröffentlicht jährlich einen Index und ist der weltweit bekannteste Korruptionsindikator. Die Organisation vergleicht international die in Wirtschaft, Politik, und Verwaltung wahrgenommene (nicht zahlen- oder fallbasiert) Korruption im öffentlichen Sektor auf einer Skala von null (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption). Ganz weit unten auf dem Index stehen fragile und autoritär regierte Staaten wie Somalia und Syrien. Staaten, die rechtsstaattliche und demokratische Institutionen beschneiden und Menschenreche verletzen, erleben eine steigende Korruptionswahrnehmung, heißt es in dem Bericht. Bemerkenswert sei jedoch auch, dass etablierte demokratische und rechtsstaatliche Länder, die jahrelang als internationale Vorreiter im Kampf gegen Korruption in Erscheinung getreten seien, in den vergangenen Jahren signifikante Rückschritte im Index gemacht hätten, wie z. B. Australien und Kanada. Beide stehen noch immer auf vorderen Plätzen, haben im Verlauf der vergangenen Jahre jedoch beide insgesamt zwölf bzw. zehn Punkte verloren.
Kritik an deutscher Korruptionsbekämpfung Was Deutschland betrifft, sieht die Organisation “massive Defizite” in vielen Bereichen. Besonders in der Politik und Verwaltung. “Seit sechs Jahren hat sich die Punktzahl Deutschlands nicht verbessert. Das zeigt, dass wir bei der Korruptionsbekämpfung leider kaum vorankommen. Nach einer Maskenaffäre war der Druck letztes Jahr zwar endlich hoch genug, um das Lobbyregister einzuführen und die Regeln zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu verschärfen”, erklärte Hartmut Bäumer, Vorstandsvorsitzender von Transparency Deutschland. Doch damit nicht genug. TI fordert nach der Maskenaffäre schärfere Regeln gegen die Bestechung von Abgeordneten. Auch Vorfälle wie die Aserbaidschan-Affäre ließ die Organisation nicht ohne ein kritisches Urteil. Beide Vorfälle hätten ein bedenkliches Schlupfloch hinterlassen: “Trotz der enormen Empörung nach Bekanntwerden der Fälle persönlicher Bereiche-
Transparency hat den jährlichen Korruptionswahrnehmungsindex veröffentlicht. Die Organisation sieht massive Defizite vor allem in der Politik und Verwaltung.
rung konnten die betroffenen Abgeordneten am Ende strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden”, erklärte Bäumer weiter. Laut TI ist es mehr als unverständlich, dass Regeln für Beamte bisher schärfer seien als für Abgeordnete. Aufgrund dessen sollten schärfere Gesetz gelten bzw. bestehende Gesetze nachgeschärft werden, da das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung bislang wirkungslos sei. So fordert die Organisation, dass es in vergleichbaren Fällen auch tatsächlich zu Verurteilungen kommen müsse. Die derzeitige Situation schüre nur die Politikverdrossenheit der Menschen. Der Druck, das Lobbyregister einzuführen und die Regeln zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu verschärfen, sei nach der Maskenaffäre hoch gewesen. Doch grundsätzlich seien in vielen gesellschaftlichen Bereichen Defizite zu beobachten, z. B. in der Verwaltung. Dort gelte noch immer der Grundsatz des Amtsgeheimnisses, was dazu führe, dass die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen noch immer nicht ganz geregelt und Hinweisgeber nicht ausreichend geschützt seien. Diese Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Unternehmen verhindere häufig die Aufklärung korrupter Verdachtsfälle, so die Organisation.
MELDUNG
Ungleichgewicht bei Spitzenbeamten im Bund (BS) 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind Spitzenbeamtinnen und -beamte aus den neueren Bundesländern nach wie vor unterrepräsentiert. Das belegt eine neue Studie der Universität Kassel. Unter den Staatssekretären und Abteilungsleitern finden sich kaum Menschen mit Wurzeln aus Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In der letzten Legislatur unter Bundeskanzlerin Angela Merkel lag der Anteil bei rund einem Prozent. Aktuell gebe es nur eine Staatssekretärin, die in den genannten Bundesländern aufgewachsen sei: Die gebürtige Rostockerin Antje Draheim, Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Silvia Veit, Fachgebiet Public Management der Universität Kassel, aus dem Forschungsprojekt “Neue Eliten – etabliertes Personal”. An den Kabinettstischen sei das
Verhältnis etwas besser. In den vergangenen Legislaturen habe der Anteil von Bundesministerinnen und -ministern aus den neueren Bundesländern bei rund neun Prozent gelegen. Allerdings sei dieser Wert deutlich geringer als in den Legislaturen nach 1990. Aktuell gebe es mit Clara Geywitz und Steffi Lemke zwei Ministerinnen und mit Reem Alabali-Radovan, Carsten Schneider und Michael Keller drei weitere Personen unter den Beauftragten und parlamentarischen Staatssekretären / Staatsministern und damit weniger als neun Prozent. Das Team um Prof. Veit untersuchte 3.600 Karriere-Biographien von Regierungsmitgliedern und hohen Beamtinnen und Beamten in den Ministerien von der Kaiserzeit bis ins gegenwärtige Deutschland. Kern des 2017 gestarteten Forschungsprojektes ist die Frage, inwiefern Spitzenpersonal in zentralstaatlichen Ministerien nach politischen Umbrüchen beibehalten oder ausgetauscht wurde.
Foto: BS/clareich, pixabay.com
Klare Forderungen, mehr Transparenz Transparency Deutschland fordert, dass das Handeln eines Abgeordneten grundsätzlich strafbar werden sollte, wenn er seine Stellung als Mandatsträger zum eigenen Vorteil missbrauche. Die Strafbarkeit sollte am Umstand der Vorteilsannahme bei mandatsbezogenem Handeln greifen – und nicht nur im engeren Sinn bei der
Wahrnehmung des Mandats. Zudem sollte das Abgeordnetengesetz künftig auch private Provisionsgeschäfte mit dem Staat verbieten. Bereits im April letzten Jahres hatten die große Koalition sowie die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, die Transparenzregeln für Abgeordnete strenger zu fassen und auch kleinere Einkünfte aus Nebentätigkeiten und geringere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften dann öffentlich zu machen. Nun plane die Ampel bereits eine Verschärfung: “Außerdem sollten das Lobbyregister nachgeschärft und die Kontakte von Lobbyisten in Bundesministerien veröffentlicht werden”, kündigte der SPD-Abgeordneter Johannes Fechner an. Es sei unumstritten, dass bestehende Grauzonen eingeschränkt werden müssten, sagte Bäumer. Er kritisiert außerdem, dass für eine strafrechtliche Relevanz eine dokumentierte Absprache erforderlich sei. “So dumm ist niemand, dass man das noch schriftlich festhält.” Wie die Ampel sich auf weiter gehende Schritte zu mehr Regeln und Transparenz beim Lobbyismus einigt, wird sich in der nächsten Zeit zeigen.
allem dort abgeholt werden, wo sie stehen. Gerade in Zeiten der Veränderung bekommt das menschliche Miteinander eine noch höhere Bedeutung. Reine Mechanik oder methodisches Handeln kann – wenn es als solches entlarvt wird, sogar kontraproduktiv wirken. Nur allzu gut ist mir noch in Erinnerung, als mein früherer Chef nach dem Besuch eines Führungsseminars mich überschwenglich lobte und ich innerlich kochte. Denn die Aktion, um die es ging, war eher Marke “einfaches kopieren und anwenden”. Der Effekt? Ich traute ihm nicht mehr über den Weg und war sehr enttäuscht. Und dabei ist es eigentlich ganz einfach. So fängt es bei Mitarbeitenden- oder Kundengesprächen schon mit aktivem Zuhören an. Eigenes Zurücknehmen, neugieriges Nachhaken und Wiedergeben des Gehörten zeigen dem Gegenüber, dass die Meinung gefragt ist und in die Entscheidung mit einbezogen wird. Das bedeutet jedoch nicht, zu allem “Ja und Amen” zu sagen! Bei Digitalisierungsprojekten reicht methodisch gut durchgeführtes Projektmanagement alleine ebenfalls nicht aus. Nur mit breit angelegtem und intensivem Veränderungsmanagement können Ängste und
Beate van Kempen ist IT-Architektin beim LVR Infokom. Foto BS/privat
Verharrungsmomente auf Kunden- oder Mitarbeitenden-Seite erkannt und aufgelöst werden. Das braucht viel Kommunikation und ernsthaften Umgang mit den jeweiligen Bedenken und Rückmeldungen. Das bedeutet, dass Entscheidungen einen thematischen Anker zu diesen Rückmeldungen erhalten. Was wurde berücksichtigt, was, am besten auch: warum nicht? Hier hilft nur ein offener und ehrlicher Dialog. Besonders schwierig, wenn langjährige Prozesse angepasst oder individualisierte Lösungen standardisiert werden sollen. Konsens ist hier nicht immer möglich. Echte Wertschätzung kann ihre Wirkung dann entfalten, wenn der Mensch wirklich im Mittelpunkt steht. Schauen wir also genau hin und sorgen bewusst für Gespräche auf echter(!) Augenhöhe.
Mehr Fortschritt wagen Korruptionsbekämpfung: echter Wille oder “Window Dressing”? (BS/Ingo Sorgatz) Die Themen Transparenz, Integrität und Korruptionsbekämpfung finden sich auch auf der Agenda der neuen Bundesregierung. Alles andere wäre nach Masken-, Berater-, Lobbyisten- oder Geldwäscheaffären der jüngeren Zeit auch höchst verwunderlich. Allerdings sollte man nicht – wie in manchen Medien leider immer wieder der Fall – Verwaltung und Politik pauschal über einen Kamm scheren. Was bei Mandatsträgern an Compliance-Verschärfungen geplant ist, gilt für Amtsträger schon längst. Es sind einige wenige “schwarze Schafe”, die gegen Regeln verstoßen und damit die Reputation des öffentlichen Sektors vergiften. Die kleine, sogenannte “petty corruption”, also die Vorteilsannahme, nimmt statistisch gesehen hierzulande kaum Raum ein. Bedrohlich erscheint dagegen der erhebliche Deliktsanstieg bei Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern, was auf die Existenz korruptiver Strukturen hindeutet, die nachhaltig schadhaft wirken. Letztere konsequent zu bekämpfen, erfordert allerdings auch die Ausstattung der Ermittlungsbehörden mit Befugnissen auf der Höhe der Zeit. Gerade an dieser Stelle bezweifeln Expertinnen und Experten aber, ob der angekündigte Fortschritt eingelöst wird.
Schwerpunkt strukturelle Korruption Bei der innerbehördlichen Korruptionsprävention dreht sich nach dem Empfinden vieler Beschäftigter die Diskussion immer wieder um kleine Zuwendungen, um Kalender, um vorweihnachtliche Lebkuchen bis hin zu Abschiedsgeschenken für Lehrer am Schuljahrsende. Es war vollkommen richtig, bei der Frage, wie die Neutralitätspflicht auch nach außen hin gelebt wird, einen Wandel der Compliance-Kultur anzustoßen. Indes treibt die Strafverfolgung zwischenzeitlich gewisse Stilblüten. So bestanden etwa 2019 75 Prozent der auf Nehmerseite (also durch Amtsträger) erlangten Vorteile in der kostenlosen Teilnahme an Veranstaltungen. Dahinter steckt nicht die große, die strukturelle Korruption. Entsprechend gering waren die durch Korruption erlangten Gewinne auf Geberseite, nämlich nur 64 Mio. Euro. 2020 schlug das Pendel umso deutlicher nach der anderen Seite aus. Das BKA vermeldete gegenüber 2019 einen Anstieg der Fälle von Bestechung um 66
Gesamtwert der erlangen Vorteile auf Geberseite* 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0
2016
2017
2018
2019
2020
* in Mio. Euro. Quelle: BKA; Darstellung: Sorgatz
Sehen wir somit vor lauter Awareness-Rising den sprichwörtlichen “Wald vor lauter Bäumen” nicht? Ob Korruptionsprävention in Vergabe-, Genehmigungs- oder Förderverfahren, ob Transparenzgesetze, Wettbewerbs- und Lobbyregister oder EU-Hinweisgeberrichtlinie: Wer hier die Regularien weiter ausbaut (was absolut begrüßenswert ist), der muss allerdings ein sehr hohes Maß an bürokratischem Erfüllungsaufwand mit bereitstellen. Das kann dazu führen, dass die hierfür administrativ einzusetzenden Ressourcen an anderer Stelle fehlen, nämlich dort, wo eigentlich konsequent repressiv vorgegangen werden müsste. Im Bereich polizeili-
Ingo Sorgatz, Erster Kriminalhauptkommissar und Diplomverwaltungswirt (FH), ist nach langer Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Bereich seit mehreren Jahren für Interne Revision und Korruptionsprävention zuständig. Foto: BS/privat
Prozent und von Bestechlichkeit um 46 Prozent, gepaart mit einer inkriminierten Gewinnsumme von 460 Mio. Euro, was einen Anstieg von 618 Prozent bedeutet. Während also einerseits in Bezug auf die Masse der Beschäftigten ein Wandel zu mehr Awareness und Integrität vollzogen wurde, sehen wir uns andererseits mit gewaltigen Auswüchsen bei der strukturellen Korruption konfrontiert. Zumal das Dunkelfeld, das in diesem Deliktsbereich auf bis zu 90 Prozent geschätzt wird, in die Statistik gar nicht eingepreist ist.
Die “Quadratur des Kreises” Während Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen schon seit vielen Jahren erhebliche Ressourcen in die Korruptionsprävention investieren, scheinen an anderer Stelle die Kartelle besser denn je zu funktionieren.
cher Ermittlungsbefugnisse scheint sich eine offene Flanke zu bilden. Die FAZ beschrieb eine offenkundige Ambivalenz hinsichtlich der Ertüchtigung der Ermittlungsbehörden kürzlich mit der “Quadratur des Kreises”. Ähnlich äußern sich bereits erste Vertreter der Polizeigewerkschaften. Kurz gesagt: Wer polizeiliche Ermittlungsmöglichkeiten etwa aus Gründen des Datenschutzes nicht ausbaut oder sogar beschneidet, der kann auf der anderen Seite keine großen Ermittlungserfolge erwarten. Gerade bei den Korruptionsdelikten, die seit jeher ein großes Dunkelfeld und hochkonspirative Begehungsweisen kennzeichnen, sind polizeiliche Befugnisse in technischem wie operativem Sinne auf Augenhöhe mit den Tätern enorm wichtig. Insoweit gewährt Transparency International Deutschland e.V. der neuen Bundesregierung mit ihrer Einschätzung: “Die AmpelKoalition zeigt mit dem Koalitionsvertrag, dass sie die Bekämpfung von Korruption ernst nimmt”, einiges an Vorschusslorbeeren, deren wirksame Einlösung es erst abzuwarten gilt. Denn wagt man nicht auch auf repressiver Seite den Fortschritt, so funktionieren die Kartelle vielleicht weiter “wie geschmiert” und Korruptionsprävention und Transparenz bleiben das, als was Kritiker sie spöttisch bezeichnen: “Window Dressing”.
Lehrgang zum Thema Der Behörden Spiegel veranstaltet hierzu vom 28. März bis 1. April 2022 seinen Online-Zertifikatslehrgang als “E-Training AntiKorruptionsbeauftragte/-r in der öffentlichen Verwaltung”. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort: “Antikorruption”