Behörden Spiegel Juli 2020

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Informationstechnologie

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Wer wagt, gewinnt!

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ehörden Spiegel: Die Corona-Krise hat der Digitalisierung hierzulande einen Schub verpasst, wie er zuvor nicht denkbar gewesen wäre. Als Vorsitzender des Netzwerkes NExT begleiten Sie die Prozesse seit geraumer Zeit und wissen um die Widerstände. Was sind die positiven Folgen der Krise?

Behörden Spiegel / Juli 2020

Dr. Sven Egyedy im Gespräch über die Notwendigkeit von Experimentierklauseln

Behörden Spiegel: Bis dahin werden noch einige dicke Bretter zu bohren sein. Inwiefern könnte ein Digitalisierungsministerium dazu beitragen, die Entwicklung zu beschleunigen?

(BS) Nach knapp drei Monaten Corona-bedingten Shutdowns ist Deutschland digitaler als noch vor Beginn der Krise. Doch sind Probleme in der Abstimmung von Technologie, Recht und Sicherheit nicht vom Tisch. Im Gespräch erläutert Dr. Sven Egyedy, Vorsitzender des NExT-Netzwerkes, Dr. Egyedy: Pauschal lässt sich wo Deutschland durch Covid-19 digital gewonnen hat und weshalb es an der Zeit ist, lange Diskussionen über den Einsatz neuer Technologien das nicht beantworten. Zunächst sollten diejenigen Themen idendurch Experimentierklauseln abzukürzen. Die Fragen stellte Uwe Proll.

Dr. Egyedy: Da wäre vor allem draufstülpen will. So definieren der über Nacht geborene Trend wir auch unseren Beitrag als hin zum Homeoffice sowie mobi- NExT-Netzwerk: IT und Fachler Arbeit allgemein. Ein Trend, seite einen Kooperations- und der uns auch in den kommenden Diskussionsraum zu bieten, um Jahren begleigemeinsam die ten wird. Das Arbeitswelt “ Digitalisierung deckt sich mit von morgen funktioniert nicht, wenn zu gestalten. dem Feedback Am Ende ist vieler Mitglieman sie nur von oben es eine Frage der unseres draufstülpen will.” der richtigen Netzwerkes, Balance. die nicht nur die bessere Vereinbarkeit von Behörden Spiegel: Aus der BaFamilie und Beruf loben, sondern auch den eigenen Wertbeitrag für lance geraten ist die Debatte um den Arbeitgeber insgesamt höher Videokonferenzsysteme. Noch vor einschätzen. Doch wird man in dem Shutdown galt ein striktes Zukunft stärker differenzieren Verbot für Systeme von Anbietern, müssen. Als Land haben wir eine deren Rechenzentren außerhalb Gruppenerfahrung gemacht, die der EU liegen. Inzwischen scheiuns die Vorteile ebenso wie die nen sich die Sicherheitsbedenken Schwächen der Heimarbeit vor aber verflüchtigt zu haben. Große Augen geführt hat. Nicht über- Teile der Verwaltung nutzen Tools all ist Homeoffice gleich effektiv wie WebEx oder Zoom. Wie lässt und für manchen Teilbereich sich das in Einklang bringen? ist es sinnvoller, weiterhin bei Dr. Egyedy: Zweifellos ist da Präsenzmodellen zu bleiben. Es wird die Aufgabe künftiger etwas aus dem Lot geraten, das Arbeitskulturdebatten sein, Di- wieder zusammengebracht wergitalisierung und Organisation den muss. Ein Blick auf 30 Jahzusammenzubringen. Allein vom re EDV-Geschichte belegt: Wir technisch Möglichen her zu den- laufen der technologischen Entken und darüber alles andere zu wicklung bereits seit geraumer ignorieren, würde meines Erach- Zeit hinterher. Das Beispiel der tens in eine falsche Richtung ge- Videokonferenzsysteme macht hen. Digitalisierung funktioniert das nur allzu deutlich. Streng nicht, wenn man sie nur von oben genommen handelt es sich ja

setzliche Experimentierklausel, d. h. unter mehr praktischen Gesichtspunkten anzunähern. Weitschweifige Diskussionen, die erst dann zu einem Ende kommen, wenn die infrage stehende Technik schon wieder veraltet ist, sind weder zielführend noch können sie unser Anspruch sein. Behörden Spiegel: ...doch geht das sicher mit einer Gewichtung einher?

“Ein Blick auf 30 Jahre EDV-Geschichte belegt: Wir laufen der technologischen Entwicklung bereits seit geraumer Zeit hinterher.” Mehr Raum für Pragmatismus: Um digitale Lösungen schneller in die Umsetzung zu bekommen, fordert Dr. Sven Egyedy klare gesetzliche Experimentierklauseln. Foto: BS/Auswärtiges Amt

nicht mehr um Konferenzen klassischen Formats, sondern um interaktive Systeme, ja eine Art Sozialer Netzwerke. Für den erforderlichen Kurswechsel brauchen wir meines Erachtens zweierlei. Erst einmal sollten wir den juristischen Spielraum, den wir jetzt schon besitzen, besser

zu nutzen verstehen. Das betrifft nicht zuletzt die Auslegung bestehenden Rechts, wo die Meinungen nur allzu oft auseinandergehen. Um hier auf festem Grund stehen zu können, ist mehr Einigkeit gefragt. Zweitens sollten wir dazu übergehen, uns dem Thema über eine klare ge-

Dr. Egyedy: Absolut, Experimente setzen nicht bei den Kronjuwelen des Datenschatzes an. Jedem Test in der Praxis ist eine Risikoeinschätzung vorauszuschicken, mit anderen Worten die Frage, welche Informationen unbedingt schützenswert sind und welche nicht. Ganz ähnlich verhält es sich im realen Leben auch: Die allermeisten Gespräche – sei es in der Straßenbahn, in einem Café oder auf einem Kongress – finden im öffentlichen Raum statt. Das mag bequem sein, birgt aber auch ein gewisses Risiko, dass jemand anderes mithört. Wenn ich sensible Informationen mit meinem Nächsten teilen will, sollte ich vorher abwägen, unter welchen Umständen ich dies tun will. So auch im Digitalen, wo nicht jede Nachricht, jede Telefon- bzw. Videokonferenz wie eine Verschlusssache (VS-NfD) behandelt werden muss. In dem Augenblick, in dem wir in den Geheimschutzbereich vordringen, gelten freilich andere Maßstäbe und ein klares Reglement. Für alles, was unterhalb dieser Schwelle angesiedelt ist, liegt es im Ermessen des Senders, den Schutzwert einer Information zu bestimmen. Vorlagen gibt es aus dem BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik), das mit dem C5-Regelungskatalog klare Maßgaben für das Cloud Computing erarbeitet hat. Vergleichbares wäre für den Datenschutz eine wunderbare Ergänzung. Entscheidend ist bei alldem, dass wir anfangen und praktische Lösungen entwickeln, ehe der Technologie-Zug abgefahren ist. Ohne experimentelle Freiräume in der Verwaltung wird das aber nur schwerlich funktionieren.

tifiziert werden, bei denen zen­ trale Koordination einen echten Mehrwert bedeuten würde. Bei verbindlichen Standards zum Beispiel. Andere Aufgaben sind hingegen besser dezentral aufgehoben. Alles blindlings in eine Hand zu geben, birgt außerdem die Gefahr, schnell am wirklichen Bedarf vorbei zu digitalisieren. Doch entbindet das nicht von strukturellen Veränderungen, um künftig noch schneller in die Umsetzung zu gelangen. Eine Möglichkeit wäre eine alle föderale Ebenen umspannende Digitalisierungsstrategie, bei der sich Bund, Länder und Kommunen mit agilen Projektteams einzelnen Themen gemeinsam annähmen. Damit könnten wir eine ganz andere Geschwindigkeit erreichen, als wir sie derzeit haben. In jedem Fall brauchen wir echte Digitalisierungslabore, Sammelstätten, in denen Menschen mit Begeisterung für Digitalthemen aller Art und dem nötigen Know-how zusammenkommen, um gemeinsam Ideen aufs Parkett zu bringen, die dann der gesamten Verwaltung zur Verfügung gestellt werden können. Als ein solches echtes Digitalisierungslabor haben wir das NExT-Netzwerk gegründet, in dem Praktikerinnen und Praktiker zusammenkommen. Eigentlich ganz einfach. NExT (www.next-netz.de) ist ein politisch unabhängiges Netzwerk, das sich ressortübergreifend für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung einsetzt. Zentrum ist der NExT e.V., der neben einem zweimal jährlich stattfindenden Panel sechs Werkstätten zu diversen Digitalthemen organisiert. NExT tritt als Partner des Behörden Spiegel im Rahmen des Kongresses Digitaler Staat Online auf. Webinare, die gemeinsam mit NExT ausgerichtet werden, finden am 16. und 23. Juli statt. Nähere Details finden sich unter www.digitaler-staat.online .

Der Behörden Spiegel ist Medienpartner des Netzwerks.

Beginn eines neuen Kapitels FITKO übernimmt Geschäftsstelle des IT-Planungsrates (BS/pet) Im Zuge der Bündelungsplanung ist die Geschäftsstelle des IT-Planungsrates zum 1. Juli 2020 auf die Föderale IT-Kooperation (FITKO) übergegangen. Bedingt durch die Übernahme gehen sämtliche Aufgabenbereiche der ehemaligen Einrichtung im Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) auf die FITKO über. Wie im Staatsvertrag festgelegt, erfolgte der Übergang der Geschäftsstelle des IT-Planungsrates sechs Monate nach Gründung der FITKO als einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Durch die Übernahme komme man dem Ziel, den IT-Planungsrat auf breiter Basis unterstützen zu können, wieder ein gutes Stück näher, erklärte dazu die Präsidentin der FITKO, Dr. Annette Schmidt. Vorausgegangen seien intensive Planungsarbeiten, die bereits während der Aufbauphase der FITKO begonnen hätten. Bedingt durch die Übernahme kommt es zu einer Neuorganisation, die eine Unterstützung des IT-Planungsrates und seiner Gremien durch zwei Mitarbeiter der FITKO vorsieht. Alle weiteren Aufgaben wurden gebündelt und

an die jeweils zuständigen Fachbereiche in der FITKO übergeben. Zehn Jahre war die ehemalige Geschäftsstelle des IT-Planungsrates im BMI angesiedelt. Mit der Überführung soll eine Vereinheitlichung der Arbeitsstrukturen und -prozesse erreicht werden, sodass die Steuerung und Koordination bei IT-Kooperationen von Bund, Ländern und Kommunen zielgerichteter ablaufen kann. Bereits im Januar übernahm die FITKO die Geschäfts- und Koordinierungsstelle des Föderalen Informationsmanagements (FIM). Weitere Schritte im Rahmen der Bündelungsplanung stehen kurz bevor. So sollen schon 2021 die Geschäfts- und Koordinierungsstellen der Behördennummer 115 und des Datenportals “GovData” zur FITKO übergehen.


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