Behörden Spiegel Juli 2018

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Fakten, HintergrĂŒnde und Analysen fĂŒr den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VII / 34. Jg / 28. Woche

Berlin und Bonn / Juli 2018

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Der ThĂŒringer Weg

NExT-Werkstatt Digitale Projekte

Viel Hilfe untereinander

Anja Siegesmund ĂŒber die Energieversorgung der Zukunft.................Seite 24

Sven Stephen Egyedy zu neuen Technologien fĂŒr das E-Government.........Seite 33

Dr. Meike Pahlmann ĂŒber die “Schnell einsetzbare Expertengruppe Gesundheit”..................... Seite 55

Glasfaser: Neues Programm (BS/ab) Der Bund hat die Bundesförderung fĂŒr den Breitbandausbau ĂŒberarbeitet. Zum einen beinhaltet die Förderung ein Upgrade – jene Kommunen, die vorher auf Kupfertechnologie gesetzt haben, können bis Ende 2018 ihr Projekt auf Glasfaser hochstufen. Zum anderen werden die AntrĂ€ge nicht mehr gesammelt, sondern fortlaufend bearbeitet. Die ursprĂŒng­lich abschließende Bewertung des Antrages wurde abgeschafft, ebenso wie ein detaillierter Finanzierungsplan zur Antragstellung. FĂŒr diese selbst reicht das Ergebnis eines Markterkundungsverfahrens sowie einer SchĂ€tzung des Förderbedarfs aus, um die FörderfĂ€higkeit nachzuweisen. Der Förderhöchstbetrag des Bundes wird auf 30 Mio. Euro erhöht, genauso wie eine Verteuerung des Projektes zukĂŒnftig berĂŒcksichtigt wird. Konkreteres kann der Webseite des Bundesverkehrsministeriums entnommen werden.

Ausbildung: Allgemeine Verwaltung (BS/mfe) In Brandenburg wird es ab September nĂ€chsten Jahres wieder eine Ausbildung fĂŒr den mittleren allgemeinen Verwaltungsdienst geben. Eine solche gab es in der Mark seit 1994 nicht mehr. Die Ausbildung wird zweieinhalb Jahre dauern und jĂ€hrlich mindestens 1.500 Unterrichtsstunden umfassen. 2019 sollen in zwei Klassen 42 AnwĂ€rter als Beamte auf Widerruf eingestellt werden, 2020 dann nochmals 43. Auch BeschĂ€ftigte der Kommunalverwaltungen können die Ausbildung durchlaufen. InnenstaatssekretĂ€rin Katrin Lange sagte dazu: “Wir wollen die Verwaltung verjĂŒngen und fĂŒr die Zukunft personell gut aufstellen.” Deshalb biete man jetzt eine weitere Laufbahnausbildung an.

Noch ein langer Weg (BS/mfe) Je nach Bundesland sind die polizeilichen Befugnisse in Deutschland unterschiedlich ausgestaltet. So ist mancherorts die Schleierfahndung erlaubt, etwa in Bayern, anderswo nicht. Gleiches gilt fĂŒr die Quellen-TelekommunikationsĂŒberwachung und die Fristen fĂŒr Ingewahrsamnahmen. Solche sind teilweise bis zu drei Monate möglich, andernorts nur bis zum auf die Festnahme folgenden Tag statthaft. Angesichts dieser DisparitĂ€t kann es nicht verwundern, dass ein Musterpolizeigesetz zwar vielfach gefordert und derzeit auch in der Innenministerkonferenz (IMK) diskutiert wird, aber noch nicht beschlossen ist. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, meint nicht gerade optimistisch: “Das Musterpolizeigesetz ist momentan so weit weg wie noch nie.”

Bremsklotz oder Basis? Fortentwicklung des Dienstrechts ist dringend geboten (BS/Jörn Fieseler) Das Wesen des Beamtentums ist durch die althergebrachten GrundsĂ€tze klar definiert. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner jĂŒngsten Entscheidung (siehe Seite 3) wieder deutlich gemacht und den Verfassungsrang von Artikel 33 GG betont. Aber sind Rechtsnormen, die rund 100 Jahre und vielleicht noch Ă€lter sind, ĂŒberhaupt noch zeitgemĂ€ĂŸ? Oder bedarf es umfassender Reformen? Fakt ist, die althergebrachten GrundsĂ€tze des Berufsbeamtentums beruhen auf TraditionalitĂ€t und SubstanzialitĂ€t. Ersteres meint vor allem das Bestehen einer Regelung schon in der Weimarer Reichsverfassung. GemĂ€ĂŸ dem Motto: Was damals in Bezug auf das Beamtenwesen gĂŒltig war, hat auch heute noch Bestand. Substanz hat eine Norm vor allem dann, wenn sie mit anderen Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums eng verbunden ist, wie dem Lebenszeitprinzip, dem Alimentationsprinzip oder der FĂŒrsorgepflicht des Dienstherrn. Auf den ersten Blick also wenig Platz fĂŒr VerĂ€nderungen. Die AusprĂ€gungen dieser, von manchen als starr bezeichneten, Verfassungsnorm werden vor allem in der Bestenauslese bei Einstellungen und Beförderungen deutlich. Wenn Beurteilungen bis auf die sechste Nachkommastelle ausdifferenziert werden mĂŒssen, um Unterschiede in der Leistungsbewertung zu verdeutlichen. Fakt ist aber auch: Die hohe Rechts- und Regelgebundenheit des Öffentlichen Dienstes, das damit verbundene Vertrauen in die staatliche FunktionsfĂ€higkeit, das Ansehen in der Bevölkerung und der Wunsch nach einem starken Staat gehen auch auf das Berufsbeamtentum zurĂŒck. Es ist ein ausdifferenziertes System mit aufeinander abge-

Wirken die althergebrachten GrundsÀtze im Beamtenrecht eher hemmend oder bilden sie eine verlÀssliche Basis? Foto: BS/@ RRF, stock.adobe.com

stimmten Rechten und Pflichten beider Seiten. Dieses ist ein unverĂ€nderlicher Maßstab, wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum Streikverbot betonte. Der hindert aber nicht, das darauf fußende Recht des Öffentlichen Dienstes fortzuentwickeln. Die Verfassung sieht es sogar selber vor, in Art. 33 V GG. Sie wirkt

gerade nicht als Bremse. Davon gilt es, Gebrauch zu machen! Zum Beispiel mit Blick auf die AttraktivitĂ€t des Dienstherren bei der Personalgewinnung, im Laufbahnwesen. Der BachelorAbschluss qualifiziert fĂŒr den gehobenen Dienst, der Master den Absolventen fĂŒr den höheren Dienst. Dieses Prinzip ist

in der letzten Legislatur schon aufgebrochen worden, indem Bachelor-Absolventen mit weiteren Zusatzqualifikationen, etwa einer fĂŒnfjĂ€hrigen Berufserfahrung oder einer Promotion, ebenfalls der Weg in die technischen Laufbahnen des Öffentlichen Dienstes offensteht. Dies soll laut Koalitionsvertrag

Kommentar

Das Spiel ohne Grenzen (BS) Ob in der Biologie (Zellmembran), den Umweltwissenschaften (Grenzwerte), der Ethnologie (LiminalitĂ€t), der Soziologie (System ist eine Struktur mit Grenze), der Ökonomie (WĂ€hrung; Angebot und Nachfrage) oder eben auch in der Staatslehre sind Grenzen existenziell, sie sind Voraussetzung. Auf dem Staatsgebiet lebt das Staatsvolk, die Grenze begrenzt zugleich die Reichweite der Staatsgewalt. Wir brauchen also Grenzen, sie sind per se sinn- und identitĂ€tsstiftend, schĂŒtzend und sichernd. Grenzen können allerdings sehr unterschiedlich gestaltet werden, sie können nur nach außen Gefahren abhalten und von innen nach außen durchlĂ€ssig sein, sie können auch einsperren, weder in die eine noch die andere Richtung durchlĂ€ssig sein (DDR, Nordkorea). Doch eine Entgrenzung kann nicht ersatzlos sein. “Grenzenlos” beschreibt auch einen gefĂ€hrlichen, unkontrollierten, gar chaotischen Zustand. Verschoben oder ersetzt werden kann eine Grenze durch eine glĂ€serne (unsichtbare) oder eine neugezogene. Beides wĂ€re in Europa nach dem Wegfall der “Binnengrenzen” im SchengenRaum sinnvoll gewesen, beides ist aber nicht geschehen. Weder wurden grenznahe, regelmĂ€ĂŸige Stichproben gemacht, geschweige denn eine neue Außengrenze gezogen. Damit wurde der Wegfall jeglicher Grenzen in Europa hingenommen. Die Folgen der “Entgrenzung” sind bekannt,

das angestrebte neue Gebilde (EU- bzw. Schengen-Raum) war ohne Grenzen nicht existenzfĂ€hig, wurde in einen destabilen Zustand “hineingeboren”. Die “Grenzbelastung” Europas im Jahre 2015 zeigte die Grenzen auf, dass es nĂ€mlich weder außen noch innen welche gab. Grenzen – so die Erkenntnis – sind konstitutiv fĂŒr eine Demokratie, egal ob es sich um eine kommunale, regionale, nationaloder multistaatliche Organisationsform handelt. Das demokratische Subjekt braucht eine Grenze, um nicht zum Objekt zu werden. HandlungsfĂ€higkeit braucht einen “Rand”, um zu verstehen, was nach innen und

nach außen zu regeln ist. Neben der verfassungsrechtlichen Voraus­setzung verfĂŒgt der Staat ĂŒber alle notwendigen Instrumente: Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei), Zoll und neu Frontex als europĂ€ische Grenzpolizei. Grenzen als Definition des Staates stehen im Grundgesetz. Daraus leiten sich auch die GeschĂ€ftsbereiche der Bundesregierung ab: Innen, Außen oder Justiz... Doch ohne Grenzen, die den Handlungsspielraum dieser Ressorts definieren könnten, ist diese Einteilung obsolet. Die Entgrenzung in der digitalen Welt legt es offen. BeschlussfĂ€higkeit ja, DurchsetzungsfĂ€higkeit nein. R. Uwe Proll

Kurskorrektur

in dieser Legislaturperiode fĂŒr die ĂŒbrigen Laufbahnen nachgezeichnet werden. Warum aber soll ein mit PrĂ€dikat ausgezeichneter Bachelor-Absolvent erst eine Zusatzqualifikation nachweisen und ein Master-Absolvent, der seinen Abschluss mit Ach und Krach geschafft hat, nicht? Zudem mĂŒssen fĂŒr Beamte und Angestellte gleichermaßen Lösungen fĂŒr eine Fachkarriere ohne FĂŒhrungsverantwortung entwickelt werden. Warum soll ein Beamter, der einen Meistertitel und mehrjĂ€hrige Berufserfahrung vorweisen kann, mit diesen Qualifikationen nicht in den höheren Dienst aufsteigen können? Es braucht nicht immer das Studium als formale Qualifikation. Und was ist mit IT-FachkrĂ€ften, die ĂŒber enormes praktisches Wissen verfĂŒgen, aber nie einen Hochschulabschluss erworben haben? Und bei der Bestenauslese? Hier lohnt ein Blick in die Praxis des öffentlichen Einkaufs, wo stets das wirtschaftlichste Angebot auszuwĂ€hlen ist. Das bedeutet nicht, den niedrigsten Preis zu bezuschlagen, sondern das beste Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis auszuwĂ€hlen. Die Regelung ist die gleiche, die Deutung eine andere. Das lĂ€sst sich auch auf die Beförderung ĂŒbertragen, indem bspw. neue Kriterien fĂŒr die Bestenauslese herangezogen werden.


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