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ie gebürtige Rheinländerin mit berbischen (marokkanischen) Wurzeln ist seit 2006 im Öffentlichen Dienst. Für sie war schon recht früh klar, dass sie auf kommunaler Ebene arbeiten wollte. Schon als sie als Schülerin bei einer Berufsberatung im Beratungszentrum des Arbeitsamtes gefragt wurde, was sie später einmal machen möchte, war ihre Antwort: “Am liebsten das, was Sie da gerade machen.” “Themen rund um die Kommune und Gesetze hatten mich schon immer interessiert, denn das ist eine Sache, die uns viel Wissen verleiht und uns auch schützt”, so El Hasnaoui. Auch der Öffentliche Dienst und das Leben innerhalb der Kommune seien “enorm wichtig”, denn hier spiele sich alles ab, jede Lebensphase – von Geburt, Schule, Ausbildung, Existenzgründung und vielem mehr.
Behörden Spiegel / Januar 2017
Mit vollem Einsatz und Humor Aktiv in der Integrationsarbeit über die kommunalen Aufgaben und Bereiche hinaus (BS/Lora Köstler-Messaoudi) Souad El Hasnaoui ist seit Mai 2015 Mitarbeiterin in der Stabsstelle Integration in der Bundesstadt Bonn. Doch trotz des Vollzeitjobs mit einer 41-Stunden Woche engagiert sich die 34-jährige Mutter auch privat zum Thema Integration als Trainerin, Dozentin und Referentin für interkulturelle Kompetenzen, interkulturelle Kommunikation sowie Förderung und Aktivierung interkultureller Öffnungsprozesse. Ihr Geheimnis: Leidenschaft für die Sache und ein gutes Selbstmanagement.
Vielseitig aktiv
Über verschiedene Stationen zum Ziel Nach ihrer Ausbildung zur Verwaltungswirtin am Rheinischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Bonn hat El Hasnaoui im Jugendamt angefangen und dort die Elternbeiträge berechnet. “Ich wollte aber mehr mit Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten, da ich einen anderen Zugang zu diesem Personenkreis habe”, so El Hasnaoui. 2010 folgte daher – nach der Geburt ihres 2. Kindes – der Wechsel ins Ausländeramt. “Die Arbeit dort hat mir sehr viel Spaß gemacht, ich habe in einem tollen Team gearbeitet und hatte einen sehr kompetenten und engagierten Sachgebietsleiter.” Aufgrund ihrer sprachlichen Kompetenzen – sie spricht neben Deutsch auch Arabisch, Englisch, Berbisch und Französisch – konnte sie vielen Menschen, die ins Amt kamen, die Berührungsangst vor dem Ausländeramt nehmen: “Viele waren erleichtert, wenn sie jemanden gesehen haben, der ihre Sprache spricht; Ängste, aufgrund der eigenen Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit diskriminiert oder aufgrund von Vorurteilen benachteiligt zu werden, reduzierten sich.” Ende 2012 wechselte El Hasnaoui in das Sozialamt. Dort arbeitete sie für die Unterhaltsvorschusskasse. “Ich habe dort viel gelernt und eine interessante Aufgabe gehabt, aber es gab wenig Publikumsverkehr. Ich habe mich dort deshalb nicht auf Dauer gesehen.” 2014 kam die Stabsstelle Integration ins Gespräch – und im Mai 2015 folgte der Wechsel dorthin. Die Stabsstelle Integration ist ämterübergreifend Ansprechpartner für das Thema Integration insgesamt und organisato-
Mit dem Projekt “Deutschland lacht mit – Interkulturelle Kompetenzen lachend erwerben!” gewann Souad El Hasnaoui zusammen mit Fouad El Hasnaoui und Benaissa Lamroubal den Diversitiy Salm 2015. Beim Diversity-Slam stellten Teams oder Einzelpersonen ihre Idee, ihr Best-Practice-Beispiel oder ihr Studienergebnis zum Thema Vorurteile, Stereotypen und “Unconscious Bias” vor. Foto: BS/Mike Wolff, Der Tagesspiegel
Das Thema hat mich mein ganzes Leben lang begleitet – auch aufgrund meines Werdegangs und dem Werdegang meiner Eltern.” El Hasnaouis Vater kam als Gastarbeiter nach Deutschland und ließ sich im Rheinland nieder. Sie ist das fünfte und jüngste Kind ihrer Familie. Durch den frühen Tod ihrer Mutter – sie war damals 15 – lernte sie früh, selbstständig zu sein. Integrationskurse gab es damals noch nicht. Ihr Vater integrierte sich durch die Arbeit. “Das hat sehr gut funktioniert, deshalb ist es auch wichtig, den Menschen, die heute nach Deutschland kommen, den Weg zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.” Bei der Stabsstelle Integration betreut El Hasnaoui unter anderem das Projekt Sprachpaten und die Hotline Flüchtlingshilfe der Stadt Bonn. Das Team der Stabsstelle ist mit acht Personen noch recht klein. “Man hat immer was zu tun”, so El Hasnaoui. Doch das Team wächst ständig. Ihr Tag beginnt in der Regel um acht Uhr morgens. Neben der Hotline beantwortet sie auch Anfragen per Mail, wenn es beispielweise darum geht, einen ehrenamtlichen Übersetzter zu vermitteln oder wenn es um die Vermietung von Wohnungen an Ge-
Souad El Hasnaoui ist fachliche Leiterin des Afrika-Orient Kulturfestivals Bonn (Afoku). Hier moderiert sie 2016 eine Podiumsdiskussion mit Karin Adrian von Roques zur Rolle der Frau im Islam. Foto: BS/privat
risch unmittelbar dem Oberbürgermeister zugeordnet. Unter anderem unterstützt und berät sie städtische Ämter und Einrichtungen, aber auch andere Institutionen und Organisationen im Themenfeld Zuwanderung, Integration und interkulturelles Leben, initiiert Projekte und greift aktuelle Themen auf. Hier hat El Hasnaoui ihre Berufung gefunden: “Ich liebe diese Arbeit.
zen lachend erwerben”. Hier liegt die Idee darin, Fortbildungen auf Humor aufzubauen und als Vermittlung interkultureller Kompetenzen zu nutzen. “Humor ist eine faszinierende Methode, um Menschen zu bewegen, und “lachend lernen” ist wohl die beliebteste und effektivste. Jeder lacht in der gleichen Sprache, daher gibt es keine bessere Methode, Menschen unterschiedlicher Kulturen zu verbinden. Ich lache gerne. Lachen und Humor sind das Wichtigste, hier tanke auch ich meine Energie”, so El Hasnaoui.
flüchtete geht. “Jeder Tag bringt etwas Neues, man muss flexibel sein. Ich habe einen sehr bunten Tag und nehme auch viele Abendveranstaltungen wahr.” Vor Karneval 2016 half sie mit den Sprachpaten (ehrenamtliche Übersetzer für Flüchtlinge) beispielsweise, die Flüchtlinge für diesen Brauch zu sensibleren und ihnen näherzubringen, was das Fest bedeutet. Diese Veran-
staltung war die Reaktion auf die Silvesternacht 2015 in Köln, viele Bürgerinnen und Bürger hatten Angst, dass sich an Karneval etwas Ähnliches ereignen könnte, daher organisierte die Stabsstelle Integration diese Veranstaltung in allen Bonner Flüchtlingsunterkünften. Seit das neue Integrationsgesetz verabschiedet wurde, geht sie zusammen mit den Sprachpaten und Anwälten in die Flüchtlingsunterkünfte, um dort Aufklärung und Informationsarbeit vor Ort zu betreiben.
Unterstützen statt entscheiden Zu ihrem Beruf gehört es aber auch, viele traurige Geschichten zu hören. “Ich höre ständig viele traurige Schicksale, gerade als Mutter. Nah geht mir das immer, aber je näher mir eine Sache geht, desto mehr Power gebe ich. Ich war immer ein Mensch, der auch schwierige Entscheidungen treffen konnte”, so El Hasnaoui. “Im Ausländeramt habe ich aber ein noch dickeres Fell bekommen und viel Berufserfahrung gesammelt, sodass mir die Arbeit heute leichter fällt.” Zudem habe ihre jetzige Aufgabe einen großen Unterschied zur Tätigkeit im Ausländeramt: “Beim Ausländeramt sind Sie an Integrationsmaßnahmen nicht beteiligt, sondern das Gesetz setzt bestimmte Vorrausetzungen für den Erhalt der Aufenthaltserlaubnis voraus. Hier allerdings unterstützen Sie aktiv das Gelingen dieser Prozesse und können gezielt dazu beitragen, dass Voraussetzungen erfüllt werden können, und auch geeignete Projekte und Maßnahmen zur Unterstützung dieser Personengruppen geschaffen werden.” “Es ist normal, dass man anfangs auch Schicksale im Kopf mit nach Hause nimmt, das gehört dazu. Diese Arbeit ist enorm wichtig, für viele Menschen hängt von der Entscheidung einiges ab. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit und halte dies nach wie vor für einen sehr interessanten Aufgabenbereich“, erklärt El Hasnaoui. Das Fachwissen, das sie aus ihren früheren Stationen im Jugendamt, dem Ausländeramt und dem Sozialamt mitgenommen hat, ist heute für sie sehr wertvoll. “Die ersten Jahre sind dazu da herauszufinden, welcher Bereich einem wirklich liegt. Diese Stationen habe ich gebraucht. Jetzt bin ich aber
froh, hier angekommen zu sein. Hier will ich definitiv bleiben”, so El Hasnaoui. Nun steht eine Veränderung innerhalb der Stabsstelle Integration an: El Hasanoui wird ab 1. Februar 2017 Mitarbeiterin des Kommunalen Integrationszentrums für das Förderprojekt “KommAn-NRW” (siehe Infokasten). Die Aufgabenschwerpunkte des Integrationszentrums sind u. a. die Beratung und Begleitung von Schulen bei Konzepten der sprachlichen Bildung, insbesondere für den Unterricht von neu zugewanderten und geflüchteten Kindern und Jugendlichen, Antidiskriminierungsarbeit sowie die Förderung der politischen und gesellschaftlichen Teilhabe von und mit jungen Muslimen. Organisatorisch ist das Integrationszentrum der Stabsstelle Inte-
gration zugeordnet. “Inhaltlich werde ich mich dort zum größten Teil mit der beruflichen Integration von Flüchtlingen auseinandersetzen”, so El Hasnaoui.
Lachend Lernen ist der beste Weg “Das Schöne an dem Thema, in dem ich arbeite, ist: Ich kann es privat und beruflich wunderbar kombinieren”, so El Hasnaoui. Denn privat ist sie auch sehr aktiv, wenn es um das Thema Integration geht. So ist sie unter anderem 2. Vorsitzende des Vereins “Vielfalt verbindet” und gewann 2015 zusammen mit Ihrem Bruder, dem bekannten Comedian Benaissa Lamroubal (Rebellcomedy), auf der Diversity Konferenz den Diversity-Slam mit ihrem Projekt “Deutschland lacht mit – Interkulturelle Kompeten-
Souad El Hasnaoui in ihrem Büro im Bonner Rathaus. Dort betreut sie unter anderem die Hotline Flüchtlingshilfe der Stadt Bonn. Foto: BS/lkm
Für die Telekom wirkt sie an einem Mitarbeiter-Video zur interkulturellen Kompetenz mit. Das Video ist für die erste Jahreshälfte 2017 geplant. Zudem hat sie einen Selbsttest zur interkulturellen Kompetenz erstellt, der im Intranet der Telekom online ist. Daneben nimmt sie sich auch noch die Zeit, als Referentin für Workshops und Fortbildungen vorzutragen. Einen besonderen Fokus legt El Hasnaoui bei den Fortbildungen auf den Polizeivollzugsdienst. “Gerade dort ist interkulturelle Kompetenz sehr wichtig. Kulturelle Konflikte können zu Eskalationen führen”, schildert El Hausnaoui. Ihrer Meinung nach passiert hier noch viel zu wenig. “Wenn man sich interkulturell öffnet, tut man nicht nur was für die anderen, sondern primär für sich selbst. Vieles wird dann bei der Arbeit leichter”, so El Hasnaoui. In ihren Seminaren können Polizisten auch offen darüber sprechen, wie man sich als Polizist mit Migrationshintergrund fühlt. Für 2017 ist El Hasnaoui schon komplett mit zusätzlichen Terminen ausgebucht. So wird sie u. a. im März auf einen Kolloquium über den Umgang mit psychischen Erkrankungen in der arabischen Welt sprechen, im Juli zusammen mit Ihrem Ehemann und dem Verein “Vielfalt verbindet” das Afrika-Orient Kulturfestival in Bonn veranstalten, im September ein zweitägiges Seminar zur interkulturellen Kompetenz und interkulturellen Kommunikation in Berlin halten und im November als fachliche Leiterin den Kommunalen Flüchtlings- und Integrationskongress der Behörden Spiegel-Stiftung verantworten. Um all die Termine neben ihrem Beruf bei der Stadt Bonn wahrnehmen zu können, opfert sie viel Freizeit, Urlaubstage und macht Überstunden. Oftmals versucht sie, diese Termine auf die Wochenenden zu legen. Zuviel darf es aber auch nicht werden, für dieses Jahr hat sie einige Termine zugesagt und dann einen Schlussstrich gezogen. “Mein Geheimnis, damit das alles klappt: sich gut zu organisieren und für viel Ausgleich mit der Familie zu sorgen. Und: Wenn man eine Sache liebt, findet man die Zeit”, so El Hasnaoui.
KommAn-NRW soll Kommunen entlasten (BS) Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium will mit dem Aktionsprogramm KommAnNRW Städte und Gemeinden sowie ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierte Menschen noch stärker bei den anstehenden Integrationsaufgaben unterstützen. Dafür stellt die Landesregierung für die Jahre 2016 und 2017 Mittel in Höhe von jeweils 13,4 Millionen Euro für alle 54 Kreise und kreisfreien Städte in NRW zur Verfügung. Mit KommAn-NRW will die Landesregierung in möglichst allen Städten und Gemeinden “Ankommenstreffpunkte” initiieren oder bestehende Treffpunkte fördern. Dort sollen auch Ehrenamtliche mit Unterstützung des Landes NRW den Geflüchteten eine Grundorientierung in ihrem neuen Umfeld geben. So können etwa vom örtlichen Schulangebot über Möglichkeiten des Sports im Verein bis hin zu simplen Regeln wie Abfalltrennung alle örtlich relevanten Fragen in diesen Treffpunkten eine Rolle spielen. Auch sollen mit Unterstützung des Landes NRW Grundwerte des Zusammenlebens wie die
Gleichberechtigung von Mann und Frau und das friedliche Miteinander der Religionen in Deutschland vermittelt werden. Ankommenstreffpunkte würden damit auch zu Räumen der Begegnung zwischen Geflüchteten und Einheimischen. Zudem sieht KommAn-NRW eine Stärkung der bereits bestehenden Integrationsstruktur im Land vor. So ist beabsichtigt, zur Unterstützung des Ehrenamts zusätzliche hauptamtliche Stellen in den Kommunalen Integrationszentren zu fördern. Diese Kommunalen Integrationszentren sind eine nordrhein-westfälische Besonderheit. In etlichen Kreisen und kreisfreien Städten unterstützt NRW bereits heute mit Zuschüssen für sozialpädagogisches Fachpersonal und die Bereitstellung zusätzlicher Lehrerstellen die Integrationskraft der Kommunen. Gestärkt werden sollen auch die Integrationsagenturen der Wohlfahrtsverbände. Aus KommAn-NRW kann auch die Qualifizierung und die fachliche Begleitung von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe mitfinanziert werden.