FACHARTIKEL Gunter Nitsche
Die Abgrenzung von Patentrecht, Markenrecht und Urheberrecht – dargestellt am Beispiel von ‘Rubik’s Cube’ (Teil I) Deskriptoren: Patentrecht; Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Rubik’s Cube Normen: PatG; UrhG; UWG; MSchG; RL (EU) 2015/2436; VO (EG) Nr. 40/94; VO (EU) 2017/1001; Pariser Verbandsübereinkunft; WTO-Abkommen; WUA; RBÜ; WTO-Abkommen 1 Einleitung Als der ungarische Architekt und Designer Ernő Rubik [1] am 30. Jänner 1975 beim ungarischen Patentamt in Budapest seinen „Zauberwürfel“, den er ein Jahr zuvor erfunden hatte, um das räumliche Denkvermögen seiner Studenten zu fördern, zum Patent anmeldete, konnte er nicht ahnen, dass er damit eine Abfolge von Rechtsstreitigkeit auslösen würde, die seit mehr als 40 Jahre die Gerichte und Verwaltungsbehörden beschäftigen und die zu Rechtsfragen geführt haben, die vielfach bis heute nicht endgültig gelöst sind. Rubik’s Cube war zwar das bekannteste, aber bei weitem nicht das einzige mechanische Puzzle, das von Ernő Rubik erfunden wurde. [2] Doch erreichte kein anderes Puzzle auch nur annähernd den Erfolg, den Rubik’s Cube mit geschätzten 450 Millionen verkauften Würfeln in rund 40 Jahren erzielte. [3] Zu Recht hatte Ernő Rubik ein reges Interesse an Markt erwartet. Daher entschied er sich, solange seine Erfindung noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, ein Patent zu erwerben, um selbst die Kontrolle über Herstellung und Vertrieb des „Zauberwürfels“ zu behalten. Vom ungarischen Patentamt wurde am 28. Oktober 1976 unter der Nummer 170062 für die Patentklasse A 63 F 9/12 [4] ein Patenterteilt. Die internationale Patentklassifikation (IPC) beruht auf dem Straßburger Abkommen [5], welches von 63 Staaten ratifiziert wurde [6]. Die Patentanmeldung wurde durch fünfzehn Zeichnungen erläutert, in denen das System dargestellt wurde. Die Erfindung wird wie folgt beschrieben: „Bei einem Zauberwürfel in Standardgröße handelt es sich um
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einen Würfel mit einer Kantenlänge von 57 mm, gemessen an den Mittelachsen. Es gibt allerdings auch größere oder kleinere Varianten wie mit einer Kantenlänge von 54,4 mm. Der Würfel ist in der Höhe, Breite und Tiefe in jeweils drei Lagen unterteilt, die sich durch 90-Grad-Drehungen um ihre jeweilige Raumachse drehen lassen. Dadurch können Position und Lage von 20 der insgesamt 26 Steine (die Mittelsteine sind fest verbaut) fast beliebig verändert werden. Auf die nach außen sichtbaren Flächen der Steine sind kleine Farbflächen geklebt oder die Steine selbst sind gefärbt. In der Grundstellung sind die Steine so geordnet, dass jede Seite des Würfels eine einheitliche, aber von Seite zu Seite andere Farbe hat. […] Ziel ist es für gewöhnlich, den Würfel wieder in seine Grundstellung zu bewegen, nachdem die Seiten in eine zufällige Stellung gedreht wurden.“ [7] 2 Patentrecht § 1 Patentgesetz (PatG) [8]: „(1) Für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik werden, sofern sie neu sind (§ 3), sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben und gewerblich anwendbar sind, auf Antrag Patente erteilt.“ Als „Patentrecht im objektiven Sinn“ wird die Summe der Normen bezeichnet, die das Patentwesen, also den Schutz von Erfindungen regeln. „Patentrecht im subjetiven Sinn“ ist das Ausschließungsrecht, das dem Patentinhaber an seiner Erfindung zusteht. Dieses Schutzrecht wurde
vom Gesetzgeber im PatG verselbständigt und damit verkehrsfähig gemacht. Das Patentrecht ist also ein übertragbares Vermögensrecht (§ 43 PatG). [9] Für das „subjektive Patentrecht“ gilt allerdings, wie für alle Fälle des geistigen Eigentums, das Territorialitätsprinzip. Ob dem Patentinhaber der Schutz, der ihm durch die Patentierung seiner Erfindung gewährt wurde, auch in einem anderen Land gewährt wird, hängt davon ab, ob der Schutz auch auf dieses Land erstreckt wurde. Diese Erstreckung muss gemäß Art 4 C. der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) [10] innerhalb von zwölf Monaten ab dem Prioritätstag der Erstanmeldung erfolgen. Im Anlassfall war daher das Datum, das für die Erstreckung des Patentschutzes für das am 28. Oktober 1976 beim Patentamt in Budapest angemeldete Patent „Rubik’s Cube“ mit der Nummer 170062 maßgebend war, der 28. Oktober 1977. Prüft man die Anmeldung für das „Spacial Logical Toy“ beim US Patent Office, wird zwar als Erfinder zutreffend Ernő Rubik genannt, jedoch als Prioritätsdatum der ungarischen Anmeldung wahrheitswidrig der 28. Oktober 1980 (!) angegeben. Offensichtlich wurde zur Wahrung der Jahresfrist des Art 4 C. PVÜ das Jahr der Anmeldung in Ungarn von 1976 auf 1980 verlegt. Der Anmelder, Politoys Ipari Szövetkezet aus Budapest,
WINGbusiness 1/2021