WINGbusiness Heft 04/2023

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ISSN 0256-7830; 56. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M

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WING

business

Simulation in Produktion & Logistik

Simulationsbasierte Optimierung von Produktions- und Logistiksystemen... 10

Analyse und Verbesserung innerbetrieblicher Transportprozesse mithilfe von Materialflusssimulationen 14

Integration modularer Produktstrukturen in die Fabrikplanung 18


INDUSTRIELOGISTIK LEOBEN

Industrielogistiker:innen sind verantwortlich für die Bereitstellung der richtigen Produkte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in der richtigen Qualität in den richtigen Mengen und zu den richtigen Kosten – und was „richtig“ ist, bestimmt der Kunde. Innerhalb des Rohstoffkreislaufs, der durch die Gesamtheit aller Studienrichtungen der Montanuniversität Leoben repräsentiert wird, steht die Industrielogistik für einen interdisziplinären Bereich, der die einzelnen Disziplinen vernetzt und für effektive und effiziente Material- und Informationsflüsse sorgt.

Für weitere Informationen: Lehrstuhl Industrielogistik +43 3842 402-6021 logistik@unileoben.ac.at

Lehrstuhl Industrielogistik

UNSER STUDIUM Das Bachelorstudium vermittelt die naturwissenschaftlichen und technischen Grundlagen und beschäftigt sich mit den Schwerpunkten Logistik und Prozessmanagement, Betriebswirtschaft und Informationstechnologie. Das Masterstudium bietet Vertiefungen in den Schwerpunkten Logistics Systems Engineering, Logistics Management, Computational Optimization und Automation an.

ABSCHLÜSSE / STUDIENDAUER BSc – 7 Semester (210 ECTS) MSc / Dipl.-Ing. – 4 Semester (120 ECTS)

Studiengangsbeauftragter

Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Zsifkovits

Erzherzog Johann-Straße 3/1 8700 Leoben


EDITORIAL

Simulation in Produktion & Logistik

Univ.-Prof. Dr. Helmut Zsifkovits Professor für Industrielogistik, Montanuniversität Leoben Liebe Leserinnen und Leser, unternehmerische Entscheidungsprozesse bewegen sich in einem Spannungsfeld von Zielen, die oftmals konkurrenzierend sind, und fast immer besteht Unsicherheit über die potenzielle Wirkung von Maßnahmen. Das klassische Zieldreieck Qualität – Zeit – Kosten mutiert zum Polygon, mit Resilienz, Nachhaltigkeit und weiteren Faktoren als neue Ecken. Werkzeuge und Hilfsmittel sind gefragt, die die Auswirkungen von Entscheidungen sichtbar und nachvollziehbar machen, die es ermöglichen Alternativen zu erproben, ohne Schaden anzurichten. Simulationen werden zunehmend als Instrument zur Entscheidungsunterstützung genutzt. Sie helfen Unternehmen, verschiedene Szenarien zu analysieren und fundierte(re) Entscheidungen zu treffen. In Produktion und Logistik werden Simulationen verstärkt genutzt, um die Effizienz betrieblicher Abläufe oder der Lieferketten zu verbessern. Anwendungsbereiche umfassen die Planung von Produktionsabläufen, Routen, die Lagerverwaltung und die Nachverfolgung von Waren. Simulationen werden auch vermehrt eingesetzt, um die Auswirkungen von Produktion und Logistik auf die Umwelt zu bewerten und Maßnahmen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks zu entwickeln. Simulation ist kein neuer Ansatz, aber gerade in diesen Jahren entwickeln sich Simulationstechnologien kontinuierlich weiter, um den steigenden Anforderungen an Effizienz, Nachhaltigkeit und Flexibilität gerecht zu werden. Simulation in Produktion und Logistik ist geprägt von der Nutzung aktueller Technologien und der Anpassung an die sich ändernden Anforderungen in diesen Bereichen. Die Einführung von digitalen Zwillingen hat die Simulationsmöglichkeiten in der Produktion und Logistik erheblich erweitert. Durch die Erstellung digitaler Modelle von physischen Prozessen können Unternehmen Szenarien simulieren und gleichzeitig Daten aus der realen Umwelt nutzen, um Leistung und Effektivität der Modelle zu verbessern. Das Internet der Dinge (IoT) ermöglicht die Erfassung von Echtzeitdaten aus der Produktion und Logistik, die in die Simulationen einfließen, um genaue Modelle und Prognosen zu erstellen.

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Fortschritte in der IT-Infrastruktur ermöglichen es, Simulationen in Echtzeit durchzuführen, und damit auf Veränderungen und unerwartete Ereignisse in der Produktion oder Logistik schnell zu reagieren. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen spielen eine immer größere Rolle in der Simulation. Sie werden genutzt, um Muster und Trends in den Daten zu erkennen, die in die Modelle einfließen, und um autonome Entscheidungen zu treffen. Virtuelle Realität (VR) und Augmented Reality (AR) werden in der Produktionssimulation verwendet, um Schulungen zu ermöglichen und komplexe Aufgaben zu visualisieren. Die Cloud-Technologie erleichtert den Zugang zu Simulationswerkzeugen und ermöglicht es Unternehmen, Simulationen ohne die Notwendigkeit teurer Hardware und umfangreicher Infrastruktur durchzuführen. Die Autorinnen und Autoren dieses Heftes beleuchten Simulation aus verschiedenen Perspektiven. Manuel Woschank und Mario Hoffelner diskutieren die wesentlichen Grundlagen des Einsatzes von Simulationsund Optimierungstools in Produktions- und Logistiksystemen und stellen den Einsatz von Simulationen anhand von zwei Praxisbeispielen dar. David Muhry zeigt an einem praktischen Beispiel aus der Industrie, wie durch Einsatz von Materialflusssimulationen Prozessumstellung vorab mit einfach Mitteln getestet, Risiken minimiert und durchaus realistische Prognosen zur Einsparung abgegeben werden können. Atacan Ketenci, Maximilian Gotthard und Matthias Wolf untersuchen, wie modulare Produktstrukturen in eine Fabrikplanung integriert werden können, und welche Hilfestellung Simulationsmodelle in diesem Zusammenhang bieten können. Der Artikel von Heimo Preising, Matthias Wolf und Christian Ramsauer zeigt anhand eines industriellen Fallbeispiels den Nutzen einer Logistiksimulation bei der Hochskalierung einer Pilotlinie in der Halbleiterindustrie. Ein Dank an alle Mitwirkenden, Autorinnen und Autoren, und das Redaktionsteam. Möge dieses Heft Freude beim Lesen bereiten und Inspiration für das berufliche Umfeld bringen. Ihr Helmut Zsifkovits

Foto:© Helmut Zsifkovits

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TOP-THEMA: Simulation in Produktion & Logistik Manuel Woschank, Mario Hoffelner

Simulationsbasierte Optimierung von Produktions- und Logistiksystemen in produzierenden Klein- und Mittelunternehmen und Industriebetrieben

10

David Muhry

Analyse und Verbesserung innerbetrieblicher Transportprozesse mithilfe von Materialflusssimulationen

14

Atacan Ketenci, Maximilian Gotthard, Matthias Wolf

Integration modularer Produktstrukturen in die Fabrikplanung

18

Einsatz ereignisorientierter Simulation zur Einflussanalyse auf Durchlaufzeiten

Heimo Preising, Matthias Wolf, Christian Ramsauer

Effektive Planung einer Kapazitätserweiterung in der Halbleiterindustrie - Die Rolle der Logistiksimulation beim Übergang zur Serienproduktion

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Inhaltsverzeichnis EDITORIAL FÜHRUNG & PROFESSION

Simulation in Produktion & Logistik

Gerhard Jurasek Nutzencontrolling für ERP-Systeme in der Postimplementierungsphase

FACHARTIKEL

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Franz J. Siegmeth, Wolfgang Posch Strategic Foresight (strategische Frühaufklärung) On the relevance of strategic foresight

UNINACHRICHTEN

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Marco Berger, Manuel Woschank Erasmus+ CoVE-Projekt "EE4M" – Kickoff Meeting

17

Helmut Zsifkovits 20 Jahre Industrielogistik

33

Georg Steger ÖVIA-Kongress 2023

42

Konferenzen des European Professors of Industrial Engineering and Management (EPIEM) - Netzwerks Rückblick & Ausblick

43

Johannes Dirnberger-Wild

WING

WINGNET

IMC MemCon 2023 – wieder über den Dächern von Graz

44

SAVE the DATE! WING-Kongress 2024: Industrie im Wandel Auswirkungen der nachhaltigen Energie- und Mobilitätswende

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Lukas Frankl WINGnet Wien

BUCHREZENSION

IMPRESSUM

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Gottfried Mauerhofer Buchrezension zum Handbuch des kybernetischen Baumanagements von Otto Greiner, Hans Steiner und Josef Mahlknecht

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Impressum

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FÜHRUNG & PROFESSION

Foto: ©SAPPHIR

Gerhard Jurasek

Nutzencontrolling für ERP-Systeme in der Postimplementierungsphase Im Rahmen seiner Dissertation untersuchte der Autor die Nutzenrealisierung bei ERP-Systemen nach dem Produktivstart (Postimplementierungsphase) auf Grundlage des Mixed Methods Approach. Das Ergebnis zeigt, dass die Implementierung eines ERP-Systems nicht mit dem Produktivstart abgeschlossen ist, sondern permanente Anstrengungen zur Nutzenrealisierung erforderlich sind, um mit Optimierungen und Anpassungen von Geschäftsprozessen, Schulungsmaßnahmen für die Anwender und Weiterentwicklung des ERP-Systems die Nutzenpotenziale eines ERP-Systems über den Lebenszyklus hinweg voll auszuschöpfen. Abschließend wird ein Konzept eines Nutzencontrollings mit periodischer Auswertung einiger Kennzahlen zur Unterstützung der Nutzenrealisierung in der Postimplementierungsphase vorgestellt.

1 Einleitung Unternehmen investieren bei der Einführung von ERP-Systemen oft viele Millionen Euro bei einer Projektlaufzeit von mehreren Jahren. Als ERP-Systeme werden integrierte, unternehmensweit eingesetzte, betriebswirtschaftliche Softwaresysteme bezeichnet. Dennoch liefern rund 40 % dieser ERP-Systeme nicht den erwarteten Nutzen. Vor allem unmittelbar nach Produktivstart, dem Beginn der Postimplementierungsphase, ist oft ein monatelanger Leistungseinbruch zu beobachten. Der Nutzen ist eine Facette des Wertbegriffs, der uns in der Literatur als Wert (value, business value), Produktivität (productivity), Erfolg (success) und Nutzen (benefit) begegnet.

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Das Ziel der Arbeit ist die Untersuchung des Nutzens von ERP-Systemen in Hinblick auf seine Messbarkeit. Gelingt es, Kennzahlen für die Messung des Nutzens zu ermitteln, lässt sich untersuchen, wie sich der Nutzen im Zeitablauf entwickelt. Die theoretische Grundlage bildet das in Abbildung 1 dargestellte Modell des Nutzenmanagements (Benefits Management) von WARD / TAYLOR / BOND im Sinne eines systematischen Prozesses zur Erzielung von Nutzen aus dem Einsatz von Informationssystemen. Es beginnt bei der Identifizierung des Nutzens eines IT-Systems gefolgt von den Phasen der Nutzenplanung, Realisierung durch Ausführen des Nutzenplans, Review und Auswertung des erzielten Nutzens bis zur Ausschöpfung weiterer Nutzenpotenziale im Lebenszyklus

(WARD, J.; TAYLOR, P.; BOND, P. 1996, S. 216). 2 Vorgehen Die Arbeit folgt dem Mixed Methods Approach und besteht aus einem quantitativen Teil, in dem Kennzahlen aus ERP-Systemen in einer Longitudinalstudie untersucht wurden und einer qualitativen Studie, in der 44 Interviews mit Mitarbeitern dieser Unternehmen und externen Beratern geführt wurden. Im qualitativen Teil der Studie wurden Interviews mit 28 ERP-Anwendern von vier Industrieunternehmen aus den Bereichen Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Finanzen, Controlling, IT und Geschäftsführung und 16 ERP-Beratern geführt. Dazu

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FÜHRUNG & PROFESSION 3 Ergebnis der qualitativen Studie Das Ziel der qualitativen Studie ist, explorativ die zentralen Ideen und Aspekte zur Nutzenrealisierung aus Sicht der Anwender der untersuchten Unternehmen und von Beratern zu ermitteln.

mit jenen Kennzahlen, die in der quantitativen Untersuchung unabhängig davon untersucht wurden. Die Interviewergebnisse wurden auch getrennt nach Anwendern und Beratern ausgewertet. Dabei zeigt sich bei jenen Kriterien, die am häufigsten genannt wurden, eine hohe Übereinstimmung. 4 Ergebnis der quantitativen Studie Es war sehr schwierig, Unternehmen zu finden, die bereit waren, Kennzahlen zur Verfügung zu stellen. Von rund 100 angefragten Industrieunternehmen, die in den letzten vier Jahren ein ERP-System einführten, waren letzten Endes nur drei bereit, Istdaten zur Verfügung zu stellen. Tabelle 2 zeigt die erhobenen Kennzahlen: Am eindrucksvollsten ist der Zeitverlauf der Kennzahlen Lieferzeit und Liefertreue. Exemplarisch wird in Abbildung 2 der Zeitverlauf der Liefertreue dargestellt, die sich von einem Wert von fast 30 Tagen im zweiten Monat nach elf Monaten sprunghaft verbesserte und nach15 Monaten einen Wert von unter zwei Arbeitstagen erreichte. Die Ursache dafür ist in erster Linie eine realistischere Planung und eine Verbesserung der Datenqualität. Man könnte annehmen, dass eine Verbesserung der operativen Prozesse

Exemplarisch soll hier das Ergebnis von einer der 12 Abbildung 1: Prozessmodell für das Benefits Management Fragen zum Thema von WARD / TAYLOR / BOND „weitere Verbessewurden 12 Fragen nach einem vorderungsmaßnahmen finierten Interviewleitfaden zu den für ein bereits produktiv genutztes Themen Erkennen von Nutzen, die ERP-System“ dargestellt werden. In Möglichkeiten der Messung und dieser Frage wurden die InterviewQuantifizierung von Nutzen mit partner ersucht, zu sagen, welche Hilfe von Kennzahlen und die Nut- Maßnahmen ihrer Meinung nach den zenrealisierung über den Lebens- Nutzen im Produktivbetrieb verbeszyklus eines ERP-Systems gestellt sern könnten. und die Antworten mit der qualitaDie folgende Tabelle 1 zeigt für die tiven Inhaltsanalyse nach Mayring ermittelten Codes (Codierungen nach unter Verwendung der Software Mayring) die Anzahl der Nennungen MAXQDA untersucht. durch die Interviewpartner (absolut und relativ). Im quantitativen Teil der StuAn erster Stelle stehen „Schudie wurden 11 Kennzahlen aus lungen“, gefolgt von „Prozesse änERP-Systemen von drei mittelstän- dern und neue Prozesse“, „Weiterdischen Industrieunternehmen in entwicklung des Systems“, „laufende Österreich und Deutschland über Verbesserungen“ Anzahl % der Befragten einen Zeitraum von 24 Monaten und „Automatisie- Code 11 Schulungen 23 52,3% aus Rohdaten aus dem verwendeten rung“. Schulungen 11 Prozesse ändern und neue Prozesse 21 47,7% ERP-System SAP ERP erhoben und wurden zuvor 20 45,5% mit dem Programm SPSS statistisch schon bei einer 11 Weiterentwicklung des Systems 17 38,6% ausgewertet. Bisherige Studien zu anderen Frage zur 11 Laufende Verbesserungen 15 34,1% ERP-Systemen untersuchten meist möglichen Verkür- 11 Automatisierung 9 20,5% nur eine einzige Kennzahl über zung der Zeitdauer 11 Aktive Keyuser kürzere Zeiträume von bis zu neun der Nutzenreali- 11 Releasewechsel 9 20,5% Monaten (MCAFEE, A. 2002, S. 36 sierung genannt 11 Neue Funktionalitäten 8 18,2% ff). Die Besonderheiten dieser Studie und spielen nach 11 Neue Anforderungen und Wünsche 6 13,6% sind die Lösung des Zeitproblems Meinung der Inter- 11 Berichtswesen 5 11,4% einer Longitudinalstudie durch die viewpartner eine 11 Digitalisierung 5 11,4% Nutzung vorhandener Zeitreihen zentrale Rolle. 11 Neue Benutzeroberfläche 5 11,4% ex-post, die Verwendung von OriIn einer ande- 11 Process Mining 5 11,4% ginaldaten aus ERP-Systemen, der ren Frage wurde 11 Standardisierung 5 11,4% lange Untersuchungszeitraum von erhoben, welche 11 Dokumentation 3 6,8% 24 Monaten und die gleichzeitige Kennzahlen aus 11 Zentrale Stammdatenverwaltung 3 6,8% Analyse von 11 Kennzahlen. Es fin- Sicht der Inter- 11 Intensivere Nutzung des Systems 2 4,5% det sich in der Literatur weltweit viewpartner für 11 One ERP 2 4,5% keine vergleichbare Untersuchung eine Beurteilung 11 Sicherheit erhöhen 2 4,5% dieses Umfangs. Die quantitative des Nutzens ge11 Trägheit überwinden 1 2,3% Studie wurde nach dem Case Stu- eignet wären. Hier dy Design von YIN durchgeführt zeigt sich eine gute Tabelle 1: Anzahl der Nennungen der 44 Interviewpartner (YIN, R. 2009, S. 27). Übereinstimmung (absolut und relativ)

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FÜHRUNG & PROFESSION Kennzahlen zur Quantifizierung der Nutzenrealisierung über den Lebenszyklus zu ver1 Lagerdrehung Rohstoffe Monatlich wenden. Dies ist eine Erweite2 Durchlaufzeit FAUF Monatlich rung der von SUTHERLAND Kosteneinhaltung bei vorgeschlagenen mehrma3 Monatlich Fertigungsaufträgen ligen Messung des Nutzens über den Lebenszyklus (SU4 Lagerdrehung Fertigfabrikate Monatlich THERLAND, F. 1994, S. 5 Lieferzeit Monatlich 33) und dem von TALLON / KRAEMER / GURBAXA6 Liefertreue Monatlich NI empfohlenen periodischen 7 Anz. Tage Monatsabschluss Monatlich Nutzenreview (TALLON, P; 8 Anzahl neuer IT-Tickets Monatlich KRAEMER, K.; GURBAXANI, V. 2000, S. 13). 9 Systemnutzung Monatlich Die folgende Abbildung 3 10 Umsatz pro Mitarbeiter Monatlich zeigt den Nutzenverlauf über den Lebenszyklus, wobei Nut11 Betriebsergebnis Monatlich zen als Synonym für eine der Tabelle 2: Kennzahlen der quantitativen Studie erhobenen Kennzahlen steht. Den Anfang bildet der Zeitauch eine positive Auswirkung auf raum, in dem erste Überlegungen das Betriebsergebnis hat. Das konnte zum künftigen ERP-System stattfinjedoch nicht nachgewiesen werden, den, der Business Case formuliert, da hier zu viele externe Faktoren ein Projektantrag gestellt, die Projek(Konjunktur, Inflation, Investitionen, tauswahl getroffen und abschließend Auftragslage, Preise von Ressourcen, das Projekt genehmigt wird. Die reine Einführung neuer Produkte, Unter- Projektlaufzeit erstreckt sich auf den nehmensübernahmen, etc.) einwir- Zeitraum zwischen Projektstart und ken. Projektende. In diesem Zeitraum wird das ERP-System implementiert. Diese 5 Konzept des Nutzencontrollings Projektphase wird in der gegenständlichen Arbeit ausgeklammert, weil Nachdem die Kennzahlen in der sie durch die Methoden des Projektquantitativen Studie erhoben wur- managements abgedeckt wird. Eine den und diese einen ausgeprägten Lebenszyklusbetrachtung geht jedoch zeitlichen Verlauf zeigen, der eine weiter als die Perspektive des ProjektQuantifizierung des Nutzens ermög- managements. Der Lebenszyklus des licht, wird nun vorgeschlagen, damit ERP-Systems beginnt mit dem Going ein begleitendes Nutzencontrolling Live und endet mit der Stilllegung der einzurichten, um die Wirkung von Software. Wie von WARD / DANIEL Maßnahmen des Nutzenmanage- vorgeschlagen, soll ein Benefit Owner ments laufend zu messen und die nach Beendigung des Projekts für die Nr.

Kennzahl

Periodizität

Abbildung 2: Liefertreue bei Unternehmen B

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weitere Nutzenrealisierung verantwortlich sein (WARD, J.; DANIEL, E. 2012, S. 224). Die Kennzahlen des Nutzencontrollings für das produktiv genutzte ERP-System sollen den Benefit Ownern periodisch zur Verfügung gestellt werden. ROSS / VITALE sehen das Einfordern von regelmäßigen Berichten zu Kennzahlen durch das Topmanagement als ein Mittel für ein erfolgreiches ERP-Projekt (ROSS, J.; VITALE, M. 2000, S. 240). Es wird vorgeschlagen, im weiteren Lebenszyklus die Planwerte für die Kennzahlen in sinnvollen Intervallen zu aktualisieren und im Sinne der Weiterentwicklung des ERP-Systems anzupassen (aktualisiertes, geplantes Nutzenniveau in Abb. 3). 6 Zusammenfassung Das erste Ergebnis ist, dass die forschungsleitende Frage nach der Quantifizierbarkeit von Nutzen aus dem Einsatz von ERP-Systemen bejaht werden kann. Die qualitative Studie zeigt, dass die Mehrzahl der Interviewpartner der Ansicht sind, dass Nutzen mit verschiedenen Kennzahlen gemessen werden kann und es Zeit braucht, bis Nutzen realisiert wird. Das zweite Ergebnis aus der Messung und Auswertung der Kennzahlen ist, dass die Zeitabhängigkeit der Nutzenrealisierung für einige Kennzahlen (Lieferzeit, Liefertreue, Lagerbestand Fertigerzeugnisse, Anzahl Tage für den Monatsabschluss) nachgewiesen werden konnte. Die Zeitabhängigkeit und lange Dauer der Nutzenrealisierung soll in Implementierungsprojekten nicht unterschätzt werden. Die Kennzahlen werden über die Zeit nicht besser, sondern können sich wieder verschlechtern, wenn ein ERP-System nicht kontinuierlich weiterentwickelt wird und laufende Schulungsmaßnahmen gesetzt werden. Das dritte Ergebnis ist, dass das als Bezugsrahmen verwendeten Konzept des Nutzenmanagements von WARD mit Ausnahme eines Projektleiters der untersuchten Unternehmen keiner der befragten Interviewpartner kannte, obwohl es in die Projektmanagementmethode PRINCE2 integriert ist, de-

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FÜHRUNG & PROFESSION

Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf der Nutzenrealisierung über den Lebenszyklus

ren Anwendung in Großbritannien für öffentliche Projekte verpflichtend ist. Das vierte Ergebnis ist eine gute Übereinstimmung der qualitativen und quantitativen Studie mit der Literatur. Als Beispiel sei die in Frage acht behandelte Dauer der Nutzenrealisierung genannt, die deutlich zeigt, dass es nach dem Produktivstart noch Monate bis Jahre dauert, bis der volle Nutzen erzielt wird. Das ist exakt so, wie im IPO-Modell von ZWIKAEL / SMYRK beschrieben (ZWIKAEL, O.; SMYRK, J. (2009), S. 635). Das letzte Ergebnis ist ein Konzept eines Nutzencontrollings für die Postimplementierungsphase, welches als Controllinginstrument die Nutzenrealisierung über den Lebenszyklus eines ERP-Systems unterstützen soll. Dieses Konzept eines Nutzencontrollings ist generisch anwendbar auf Projekte mit längerer Dauer der Nutzenrealisierung, die mit einer

Änderung der Geschäftsprozesse einhergehen, wie zum Beispiel auch Digitalisierungsprojekte. Damit könnte man die Nutzenrealisierung nicht nur verkürzen sondern auch verbessern. Literaturverzeichnis: MCAFEE, Andrew: The impact of enterprise information technology adoption on operational performance: An empirical investigation, in: Production and operations management, 11. Jg., Nr. 1, 2002, S. 33-53. ROSS, Jeanne W.; VITALE, Michael R.: The ERP Revolution: Surviving vs. thriving, in: Information Systems Frontiers, 2. Jg., Nr. 2, 2000, S. 233241. SUTHERLAND, Frances: Some current practices in evaluating IT benefits in South African organisations, in: South African Computer Journal, Vol. 12, 1994, S. 32-42 TALLON, Paul P.; KRAEMER, Kenneth L.; GURBAXANI, Vijay: Exe-

cutives’ perceptions of the business value of information technology: a process-oriented approach, in: Journal of Management Information Systems, 16. Jg., Nr. 4, 2000, S. 145-173. WARD, John; TAYLOR, P.; BOND, P.: Evaluation and realisation of IS/ IT benefits: an empirical study of current practice, in: European Journal of Information Systems, 4. Jg., Nr. 4, 1996, S. 214-225. WARD, John; DANIEL, Elizabeth: Benefits Management: How to increase the business value of your IT projects, John Wiley and Sons, 2. Auflage, Chichester, 2012 YIN, Robert: Case Study Research: Design and Methods, 4. Auflage, Los Angeles, 2009. ZWIKAEL, Ofer; SMYRK, John: Towards an Outcome Based Project Management Theory, in: In 2009 IEEE International Conference on Industrial Engineering and Engineering Management, 2009, S. 633-637. Autor: Gerhard Jurasek ist seit 2004 geschäftsführender Gesellschafter der SAPPHIR IT & Management Training GmbH mit den Schwerpunkten Beratung und Schulung für SAP Anwendungen. Zuvor war er SAP-Berater und Gruppenleiter bei der Plaut AG, Figino. Seit 1995 Dozent bei 13 Landesgesellschaften des Softwarekonzerns SAP SE, Walldorf. Seit 2004 Lektor für Controlling an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Jurasek, Bakk. Geschäftsführer der SAPPHIR IT & Management Training GmbH, Lektor an der KarlFranzens-Universität Graz

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TOP-THEMA

Foto: https://www.istockphoto.com/de

Manuel Woschank, Mario Hoffelner

Simulationsbasierte Optimierung von Produktionsund Logistiksystemen in produzierenden Klein- und Mittelunternehmen und Industriebetrieben Einleitung Produzierende Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) und Industriebetriebe sehen sich heutzutage mit einer Vielzahl von komplexen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen neben klassischen Effizienzthemen, wie beispielsweise der Verbesserung der Logistikleistung bei gleichzeitiger Reduktion der Logistikkosten, auch neue Themen wie die Bewertung des potenziellen Einsatzes von Industrie 4.0 / Industrie 5.0 Technologien und die Implementierung von Lösungsansätzen zur Dekarbonisierung von Produktions- und Logistiksystemen bewältigen. In diesem Zusammenhang können Simulations- und Optimierungstools vielversprechende Ansätze zur Bewertung potenzieller Verbesserungsmaßnahmen bieten. Von Seite der Unternehmen und WirtschaftspraktikerInnen war der Einsatz von Simulations- und Optimierungstools in der Vergangenheit oft negativ behaftet. „Realitätsfern“, also eine unzureichende Reliabilität,

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bzw. eine geringe externe Validität, war ein Begriff mit denen wir häufig in ExpertInneninterviews konfrontiert wurden. Zusätzlich schreckten neben der wahrgenommenen verminderten Praxistauglichkeit in der Vergangenheit häufig auch die hohen Kosten für die Implementierung und den laufenden Betrieb einer Simulations- und Optimierungssoftware und die dafür notwendige Expertise zur Erstellung und Durchführung der Experimente potenzielle AnwenderInnen ab. Neue Simulations- und Optimierungstools bzw. Industrie 4.0-baiserte Konzepte wie der Einsatz von Digitalen Zwillingen sollen hier Abhilfe schaffen. Jedoch herrschen nach wie vor inkohärente Ideologien hinsichtlich des praxistauglichen Einsatzes von Simulations- und Optimierungstools in Produktions- und Logistiksystemen von Industriebetrieben [1–3] vor. Dieser Artikel diskutiert die wesentlichen Grundlagen des Einsatzes von Simulations- und Optimierungstools in Produktions- und Lo-

gistiksystemen. Nachfolgend wird der Einsatz von Simulationen anhand von zwei Praxisbeispielen erläutert. Basierend auf den Erkenntnissen von Theorie, Literatur und Praxis werden Handlungsempfehlungen für Wissenschaft und Wirtschaftspraxis formuliert. Grundlagen von Simulations- und Optimierungstools Um das Konzept der Simulation zu verstehen, müssen zunächst die Begriffe „System“ und „Modell“ erläutert werden. Ein System beschreibt eine Menge von Elementen, die miteinander in Beziehung stehen und in einem bestimmten Kontext als Ganzes betrachtet und von ihrer Umgebung abgegrenzt werden. Will man nun ein geplantes oder reales System auf seine Leistungsfähigkeit und Funktionalität hin untersuchen, so sind bestimmte Untersuchungen nur eingeschränkt durchführbar. Um diese Untersuchungen dennoch durchführen zu können, werden in der Regel Modelle erstellt, die dieses System

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TOP-THEMA abzubilden versuchen. Modelle stellen somit eine abstrahierte Form der Realität dar [3]. In einer Simulation wird ein solches Modell verwendet, um damit Experimente durchzuführen. Die Simulation dient dazu, die Prozesse und das Verhalten des Originalsystems nachzubilden. Die am Modell gewonnenen Erkenntnisse können innerhalb gewisser Grenzen genutzt werden, um Rückschlüsse auf das Verhalten des Originalsystems zu ziehen [4]. Um in einer Simulation den zeitlichen Ablauf des realen Systems simulieren zu können, gibt es im Simulationsmodell die Simulationszeit. Während des Simulationslaufs ändert sich der Zustand des Modells, der durch die Zustände der Modellelemente beschrieben wird, mit dem Fortschreiten der Simulationszeit. Das Fortschreiten der Simulationszeit erfolgt entweder durch eine kontinuierliche oder eine diskrete Simulationsmethode [2]. Bei diskreten Simulationsverfahren (meist Discrete Event Simulations bzw. Agent Based Models) werden die Variablen des Systems zu vordefinierten Zeitpunkten verändert. Diese Zeitpunkte werden zu Beginn der Simulation definiert und liegen in einem bestimmten zeitlichen Abstand zueinander. Im Wesentlichen bleibt der Zustand der Variablen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Simulationszeitpunkten unverändert. Tritt jedoch eine Zustandsänderung zwischen diesen Zeitpunkten auf, so werden bei Erreichen des neuen Zeitpunkts alle Ereignisse in der richtigen Reihenfolge ausgeführt [5]. Bei kontinuierlichen Simulationsverfahren (meist System Dynamics Models) werden die einzelnen Variablen in einem kontinuierlichen stetigen Verlauf dargestellt. Im Gegensatz zu diskreten Simulationsverfahren, bei denen die Veränderungen zu bestimmten Zeitpunkten erfolgen, findet bei den kontinuierlichen Methoden eine kontinuierliche Veränderung der Variablen statt. Man spricht nicht mehr von diskreten Ereignissen, sondern von einer kontinuierlichen Entwicklung bzw. einer schrittweisen Veränderung der Variablen im Zeitablauf [6].

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Typische Anwendungsfälle aus der Praxis

Digitalen Zwillings in der Stahlindustrie

Heutige Simulationsmodelle erreichen immer bessere Zielwerte, was die Reliabilität bzw. interne und externe Validität betrifft. Gepaart mit dem Druck zu kontinuierlicher Optimierung aus der Wirtschaftspraxis lassen sich in jüngster Vergangenheit eine Vielzahl von Anwendungsfällen für Simulations- und Optimierungstools in Produktions- und Logistiksystemen von Industriebetrieben finden. Hier werden einige „klassische“ Anwendungsfälle von Simulations- und Optimierungstools am Beispiel von erfolgreich durchgeführten Projekten des Lehrstuhls Industrielogistik exemplarisch skizziert:

Nachfolgend möchten wir zwei der genannten Beispiele für den Einsatz von Simulations- und Optimierungstools in Produktions- und Logistiksystemen im Detail vorstellen. Beispiel 1 beschreibt die Evaluierung von verschiedenen Produktionsplanungs- und -steuerungsverfahren bzw. die Verwendung von Echtzeitdaten in der Produktion eines Elektronikgeräteherstellers. Beispiel 2 zeigt die Anwendung von Simulations- und Optimierungstools zur Dekarbonisierung von Industriebetrieben.

Bestimmung des Einflusses von Produktionslosgrößen und Reihenfolgen auf logistische Zielgrößen am Beispiel einer Hybridfertigung Systematische Potentialevaluierung der sequenziellen Kombination von Fertigungssteuerungsstrategien im Bereich der Linienfertigung Bestandsoptimierung hinsichtlich konkurrierender Zielgrößen in einer zeit- und materialintensiven Produktion mit divergierendem Materialfluss Vergleich von bedarfsorientierten Materialbereitstellungsstrategien in einem Montagebetrieb Materialflussgestaltung nach Lean-Prinzipien in der Elektronikindustrie Engpassidentifikation in einer Werkstattfertigung mit wechselndem Produktmix und schwankenden Produktionsvolumina Bewertung des Einsatzes kombinierter Verkehre in den vor- und nachgelagerten Transportprozessen produzierender Unternehmen Evaluierung fahrerloser Transportsysteme in heterogenen Verkehrsumgebungen Materialflussoptimierung mittels Staplerleitsystem Optimierung von Krantransporten durch den Einsatz eines

Das erste Industriebeispiel zeigt die Anwendung von Simulations- und Optimierungstools in Produktionsund Logistiksystemen eines Industriebetriebes. Als Ausgangssituation ist Folgendes festzuhalten: 1) Die Produktivität war nicht optimal (so wurden zum Beispiel Rüstzeiten nicht akkurat in der Produktionsplanung erfasst, 2) die Kundenanforderungen, gemessen an zugesagten Lieferterminen, konnten Großteiles nicht eingehalten werden, 3) in der Produktion waren durchgängig hohe Lagerbestände zu finden und 4) die Planungsdaten im Produktionsplanungssystem waren nicht aktuell. Basierend auf einer Datenerhebung mit Hilfe der Wertstromanalyse wurde ein Simulationsmodell programmiert. Nach der Verifikation und Validierung des Modells wurden basierend auf einem Experimentaldesign folgende Aufgabenstelllungen im Detail analysiert: 1) Inwieweit wirkt sich der Wechsel von Produktionsplanungs- und -steuerungsstrategien auf logistische Zielgrößen aus und 2) inwieweit kann die Verwendung von Echtzeitdaten in der Produktionsplanung und -steuerung zu einer Verbesserung der logistischen Zielgrößen führen [7, 8]. Die erste Forschungsfrage untersucht somit, ob signifikante Unterschiede in der Durchlaufzeit (LT) und dem Umlaufbestand (WIP) zwischen der MRP, KANBAN und CONWIP bestehen. Die empirischen Befunde zeigten hier, dass es signifikante Un-

Industriebeispiel 1: Einsatz von MRP, KANBAN, CONWIP sowie Verwendung von Echtzeitdaten

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TOP-THEMA

Abbildung 1: Simulationsmodell Industriebeispiel 1 [7, 8]

terschiede zwischen MRP, KANBAN und CONWIP in LT und WIP gibt. Hierbei schnitt KANBAN in Bezug auf einer Reduktion von LT (-30,07 % im Vergleich zu MRP) und WP (-56,51 % im Vergleich zu MRP) am besten ab. Die Anwendung von CONWIP, im Vergleich zur traditionellen MRP-Strategie, würde zu einer Verringerung der LT um 5,37 % und des WIP um 48,60 % führen. Die zweite Forschungsfrage untersucht ob signifikante Unterschiede in LT und WIP zwischen einem monatlichen, 14-tägigen und wöchentlichen Update der Planungsdaten innerhalb der MRP, KANBAN und CONWIP bestehen. Die empirischen Befunde zeigten hier signifikante Unterschiede in LT und WIP bei MRP und signifikante Unterschiede in LT bei KANBAN. Die Verwendung von Echtzeitdaten wirkt sich hier positiv auf die Anpassung des Produktionsund Logistiksystems aus, da das System dadurch reaktionsschneller wird. Im Rahmen der CONWIP-Strategie wurden keine signifikanten Unterschiede gefunden [7, 8].

über einen Zeitraum von einem Monat simuliert. Über diesen Zeitraum wurden verschiedene Szenarien simuliert und die Ergebnisse miteinander verglichen. In jedem einzelnen Szenario war die Verwendung des kombinierten Verkehrs sowohl günstiger in Hinsicht auf die Kosten als auch auf die CO2-Emissionen. Durchschnittlich konnten die Kosten in den einzelnen Szenarien dieses Fallbeispiels um etwa 15 % gesenkt werden. Bei den CO2-Emissionen konnte im Schnitt eine Reduzierung um sogar 20 % erzielt werden.

Industriebeispiel 2: Einsatz von kombiniertem Verkehr

Die Nutzung des kombinierten Verkehrs erfordert auch eine Änderung der nichttransportbezogenen Logistikstrategien in den produzierenden Unternehmen. Beispielsweise erfordern höhere Transportmittelkapazitäten und längere Transportzeiten eine Änderung der Nachschub- bzw. Bestellstrategie. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Bestände in der Supply Chain und damit auf die Kapitalbindungskosten [10]. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde am Lehrstuhl für Industrielogistik der Montanuniversität Leoben eine generische Simulation für den Einsatz des kombinierten Verkehrs entwickelt. Mit dieser Simulation können Unternehmen mit ihren unternehmensspezifischen Daten verschiedene Szenarien simulieren. Die Ergebnisse der einzelnen simulierten Szenarien beinhalten sowohl eine Aufschlüsselung der Kosten und CO2-Emissionen der einzelnen Aktivitäten, als auch eine grafische Darstellung des Transportprozesses, die es den Unternehmen ermöglicht, den Planungsaufwand genauer abzuschätzen. In einer durchgeführten Fallstudie mittels der Simulation wurden die Transporte eines Unternehmens

Das zweite Industriebeispiel beschäftigt sich mit der Bewertung des Einsatzes kombinierter Verkehre in den vor- und nachgelagerten Transportprozessen produzierender Unternehmen. Derzeit wird der kombinierte Verkehr von den meisten produzierenden Unternehmen noch nicht umfassend genutzt. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen häufig in unzureichenden Kenntnissen im Bereich der Planung von Schienentransporten sowie einer genauen Kosten- und CO2-Aufschlüsselung im Vergleich zum Straßentransport [9].

Abbildung 2: Simulationsmodell Industriebeispiel 2

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Zusammenfassung und Ausblick Während Simulations- und Optimierungstools für Produktions- und Logistiksysteme in der Vergangenheit oft wegen zu geringer Reliabilität und externer Validität meist den Bereich der Forschung nicht verlassen haben, lassen sich heute dank verbesserter Erhebungsprozesse und optimierter Simulationstools realitätsnahe Ergebnisse erzielen und somit profunde Ergebnisse für die Praxis ableiten. Die Anwendungen, welche in diesem Beitrag exemplarisch anhand von Projekten des Lehrstuhls Industrielogistik der Montanuniversität Leoben vorgestellt wurden, reichen von klassischen Produktionsplanungs- und Steuerungsproblemen bis hin zu Aufgabenstellungen der Dekarbonisierung von Produktions- und Logistiksystemen in Industriebetrieben. Die Wirtschaftspraxis kann somit heutzutage basierend auf Ergebnissen der Simulations- und Optimierungstools bessere Entscheidungen zur multikriteriellen Optimierung von Produktions- und Logistik-

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TOP-THEMA systemen in Industriebetrieben treffen. Es gibt mittlerweile aber auch Simulations- und Optimierungstools, die speziell für den Einsatz in produzierenden Klein- und Mittelunternehmen abgestimmt sind (siehe hierzu auch Forschungsprojekt SME4.0 unter www.sme40.eu). Die Forschung sollte sich zukünftig mit der Integration von Echtzeitfeedback in Simulations- und Optimierungstools im Sinne eines Digitalen Zwillings befassen. Die Publikation von Kaiblinger et al. liefert hier einen ersten Überblick [11]. Das Konzept „Industrie 5.0“ lieferte weitere Ansätze zur Verbesserung von Simulations- und Optimierungstools in Produktionsund Logistiksystemen basierend auf Strategien zur Transformation hin zu intelligenten, nachhaltigen und humanzentrierten Unternehmen (siehe hierzu auch Forschungsprojekt SME5.0 unter www.sme50.eu). Letztendlich darf die Rolle des Menschen in der richtigen Verwendung von Simulations- und Optimierungstools für Produktions- und Logistiksysteme nicht vergessen werden. Eine empirisch-basierte Neuausrichtung der benötigten Kompetenzen von IngenieurInnen bildet hierbei die Basis (siehe hierzu auch Forschungsprojekt „EE4M“ unter www.ee4m.eu) [12]. Literatur: 1. Woschank M (2021) Contributions to the Management of Technologies in Industrial Logistics: Theoretical Framework and Empirical Evidence. Habilitation, Montanuniversität Leoben 2. Tempelmeier H (ed) (2018) Modellierung logistischer Systeme. Fachwissen Logistik. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg 3. Gutenschwager K, Rabe M, Spieckermann S et al. (2017) Simulation in Produktion und Logistik: Grundlagen und Anwendungen. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg

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4. Page B, Kreutzer W (2005) The Java simulation handbook: Simulating discrete event systems with UML and Java. Berichte aus der Informatik. Shaker, Aachen 5. Imboden DM, Koch S (2003) Zeitdiskrete Modelle. In: Imboden DM, Koch S (eds) Systemanalyse. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, pp 167–190 6. Mandl CE (1977) Übergang zu Kontinuierlichen Modellen. In: Beckmann M, Künzi HP, Mandl CE (eds) Simulationstechnik und Simulationsmodelle in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, vol 148. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, pp 125–130 7. Woschank M, Dallasega P, Kapeller JA (2020) The Impact of Planning Granularity on Production Planning and Control Strategies in MTO: A Discrete Event Simulation Study. Procedia Manufacturing 51:1502-1507. https://doi.org/10.1016/j. promfg.2020.10.209 8. Woschank M, Dallasega P, Zsifkovits HE (2021) Investigation of the Potential to Use Real-time Data in Production Planning and Control of Make to Order (MTO) Manufacturing Companies. In: Matt DT, Modrák V, Zsifkovits HE (eds) Industry 4.0 for SMEs: Concepts, Examples and Applications. Palgrave Macmillan (Springer Nature), Cham, 165-185 9. an Caris, Macharis C, Janssens GK (2008) Planning Problems in Intermodal Freight Transport: Accomplishments and Prospects. Transportation Planning and Technology 31:277–302. https://doi. org/10.1080/03081060802086397 10. Mikulski J (2020) Research and the Future of Telematics, vol 1289. Springer International Publishing, Cham 11. Kaiblinger A, Woschank M (2022) State of the Art and Future Directions of Digital Twins for Production Logistics: A Systematic Literature Review. Applied Sciences 12:669. https://doi.org/10.3390/ app12020669 12. Zunk BM, Woschank M, Pacher C et al. (2023) Engineering Excellence for the Mobility Value Chain. Proceedings

of ICL2023 – 26th International Conference on Interactive Collaborative Learning:1573–1584

Autoren: Priv.-Doz. Dr. Manuel Woschank, MSc studierte Wirtschaftsingenieurwesen und habilitierte im wissenschaftlichen Fach „Industriebetriebslehre“ an der Montanuniversität Leoben. Er ist Adjunct Associate Professor an der Universität Lettlands und Visiting Professor an der Chiang Mai University in Thailand. Herr Dr. Woschank ist als Experte bei der Europäischen Kommission für Industriebetriebslehre gelistet, Vorstandsmitglied im Verband der European Professors of Industrial Engineering and Management und als Editor und Gutachter für führende Journals wie zum Beispiel „Production & Manufacturing Research“ und „Journal of Cleaner Production“ tätig. Seine Forschungsinteressen umfassen die Themen Logistics Systems Engineering, Produktionsplanung und -steuerung, Smart Logistics, Dekarbonisierung in der Logistik, Behavioural Logistics sowie Engineering Education. Dipl.-Ing. Mario Hoffelner, BSc studierte Industrielogistik an der Montanuniversität Leoben. Seit 2023 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Industrielogistik in den Bereichen Forschung, Lehre und Projektarbeit tätig. Seine Lehrschwerpunkte umfassen Transport and International Logistics, Simulation of Production Planning and Logistics, Verfahren industrieller Fertigung und Prozessmanagement. In der Forschung beschäftigt er sich mit der simulationsbasierten Evaluierung von Dekarbonisierungsmaßnahmen in der Logistik von Industriebetrieben und produzierenden KMUs.

Priv.-Doz. Dr. Manuel Woschank, MSc

Dipl.-Ing. Mario Hoffelner, BSc

Stellvertretender Lehrstuhlleiter des Lehrstuhls Industrielogistik, Montanuniversität Leoben

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Industrielogistik, Montanuniversität Leoben

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TOP-THEMA

Foto: unspalsh.com

David Muhry

Analyse und Verbesserung innerbetrieblicher Transportprozesse mithilfe von Materialflusssimulationen Ein kritischer Blick auf die internen logistischen Prozesse in Betrieben offenbart meist großes Verbesserungspotential. Wenn jedoch konkrete Änderungen an etablierten Abläufen angedacht sind, kommen erste Zweifel auf, ob diese auch den gewünschten Effekt erzielen. Kontinuierliche Verbesserungen und Effizienzsteigerungen sind einerseits notwendig um als Unternehmen zu wachsen, anderseits läuft man Gefahr mit den gesetzten Maßnahmen über das Ziel hinauszuschießen und die vermeintliche Verbesserung bewirkt das genaue Gegenteil. Bei der Einführung von Prozessänderungen wird daher üblicherweise ein experimenteller Ansatz gewählt. Wenn möglich soll der neue Prozess in einem kontrollierten Umfeld erprobt werden, ehe er ins Tagesgeschäft übernommen wird. Experimente am realen Objekt sind in manchen Fällen möglich – meist aber spricht der hohe Aufwand nicht dafür. Einfache, ressourcensparende Methoden zur Analyse des neuen Prozessablaufs sind gefragt.

Warum Materialflusssimulationen? Fakt ist, selbst vermeintlich einfache Prozessabläufe sind ohne praktische Versuchsläufe nur schwer ganzheitlich zu bewerten. Zwar können Berechnungen, Diagramme und Skizzen dabei helfen eine Datenbasis für die angedachten Effizienzsteigerungen zu schaffen, jedoch stößt man hier bei zunehmender Komplexität des betrachteten Systems schnell an seine Grenzen. Aber auch bei geringer Komplexität fühlen sich die Verantwortlichen wohler, wenn Abläufe sichtbar gemacht werden, ehe eine Entscheidung getroffen wird. Die Materiallogistik als zentraler Taktgeber der Produktionsprozesse ist ein denkbar schlechter Platz für risikoreiche Experimente im Live-

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Betrieb. Glücklicherweise lassen sich Güterflüsse sehr gut mithilfe von ITSystemen modellieren und mit einfachen Mitteln kann eine Testumgebung geschaffen werden, um beliebig viele Versuchsläufe mit unterschiedlichen Parametern zu simulieren. Ein Beispiel aus der Praxis Um den Nutzen von Materialflusssimulationen zur Beurteilung von Prozessoptimierungen zu zeigen, wird hier ein konkreter Anwendungsfall dargestellt. Es geht um einen einfachen Prozess für Materialbewegungen zwischen den Betriebsstätten eines produzierenden Unternehmens. Produktionsgüter werden mittels LKW zwischen vier unterschiedlichen Werksgeländen

über Distanzen von wenigen Kilometern ausgetauscht. Der Prozessablauf Vier LKWs sind im Einsatz - drei davon ausschließlich in der Frühschicht, der vierte in der Früh- und Spätschicht. Der Ablauf eines üblichen Transports sieht wie folgt aus (Abbildung 1): ein LKW wird bei Bedarf angefordert der LKW trifft am Ausgangsort ein Entladung des LKWs, falls notwendig die Transportgüter werden auf den LKW geladen Transport der Güter an den Zielort

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TOP-THEMA leere LKWmit der Auftragsstruktur des zuvor Anhänger stehen ermittelten Standardtages. Die Visuam Ausgangsort alisierung des Modells sieht wie folgt des Transports aus (Abbildung 2): bereit. der AnUm das modellierte System zu vahänger wird mit lidieren, also auf seine Tauglichkeit Transportgütern zu prüfen, wird die Auslastung der beladen. LKWs an einem typischen Produkti erst wenn onstag ausgewertet. Der Nutzungsder Anhänger grad wird aus dem prozentuellen Abbildung 1: Teilprozesszeiten des Ladevorgangs zum Abtransport Anteil der aktiv genutzten Zeit an der der LKW wird entladen bereit ist, wird ein gesamten Einsatzzeit des Fahrzeuges LKW-Angefordert ermittelt. Bei näherer Analyse des Transport der ankommende LKW hinterUm die mögliche Verbesserung prozesses fällt auf, dass der Be- und lässt einen mitgebrachten Anbewerten zu können, werden LeiEntladeprozess den Großteil der Dauhänger und transportiert den zustungskennzahlen für das Transer eines Transportvorgangs in Anvor beladenen Anhänger ab. portsystem definiert. Hierfür bietet spruch nimmt. Grund dafür ist, dass es sich an den Nutzungsgrad der hier der LKW-Transport an den Stap- Das Simulationsexperiment LKWs und die addierte Einsatzzeit lertransport gekoppelt ist. Das heißt, aller LKWs zu betrachten. Als aktiv der LKW muss warten bis der Stapler Der neue Prozessablauf, soll nun ge- genutzte Zeit wird die Zeitspanne die Güter verladet. Im beschriebenen prüft werden. Dabei sind folgende vom Beginn des Ladevorganges am Transportsystems sind die Gesamtko- Fragen zu beantworten: Startort bis zum Ende des Ladevorsten abhängig von den Stunden, die ganges am Zielort gewertet. Ungedie LKWs eingesetzt werden, um die Ist die Prozessänderung umsetznutzte Zeit fällt an, wenn ein LKW notwendigen Materialbewegungen zu bar oder leidet die Transportleiohne Transportauftrag ist. Ein Nutbewältigen. stung und damit die Durchlaufzungsgrad von 84 % bedeutet somit, zeit der Produkte? dass die LKWs im Schnitt 16 % der Die Optimierung Wie groß ist die zu erwartende Simulationszeit auf Aufträge gewarEinsparung an Logistikkosten tet haben und nicht gebraucht wurDie Lean-Philosophie besagt: Warunter der Voraussetzung, dass die den. Im vorliegenden Modell zeigt tezeit ist verschwendete Zeit. Daher Transportleistung nicht sinkt? sich: müssen Maßnahmen gesetzt werden, um diese Wartezeiten zu mi- Zunächst muss das Realsystem in 84 % durchschnittlicher Nutnimieren. Wird die Gesamtzeit der ein Simulationsmodell übertragen zungsgrad der LKWs Transporte verringert, sinken auch werden. Die Datenbasis bildet den 39,45 LKW-Einsatzstunden zur die Betriebsstunden der LKWs. Grundstein für die erfolgreiche UmAbarbeitung aller Aufträge setzung der Simulationsstudie. Für Eine mögliche Lösung: Zusätz- die Simulation soll die Auftragsstruk- Durch kleine Abänderungen am liche LKW-Anhänger an den ein- tur eines Standardtages aus den vor- Modell kann nun die Optimierung zelnen Betriebsstätten bereitstellen. liegenden Daten dargestellt werden. simuliert werden. Aus vier LKWs Damit ist die Zugmaschine nicht Dafür werden für jede Fahrstrecke werden zwei, die ganztägig im Einvom Beladevorgang abhängig und die durchschnittliche Anzahl der satz sind. Das Material wird direkt kann Transporte ausführen, wäh- Transporte pro Tag für diese Strecke auf zusätzlichen LKW-Anhängern rend der Stapler die Ladung vorbe- ermittelt. bereitgestellt und kann ohne lange reitet. Hier das Konzept mit 2 zuLadezeit übernommen werden. Welsätzlichen Anhängern pro Standort Nachdem das Sammeln der Prozesdargestellt. sdaten abgeschlossen ist, kann mit Es gilt zu beweisen, dass LKWs dem eigentlichen eingespart werden können, ohne Modellieren des lodass die Transportleistung sinkt. gistischen Systems Die Durchlaufzeit der Produkte begonnen werden. darf immerhin nicht unter Kosten- Das Modell wird einsparungen in der Logistik leiden. im „Siemens Plant Um den neuen Prozess systematisch Simulation“ erstellt zu planen und in weiterer Folge ex- und simuliert die perimentell zu erproben, skizzieren Abwicklung der wir zunächst einen möglichen neuen Transportaufträge Prozessablauf: eines einzigen Tages Abbildung 2: Modellierung in Siemens Plant Sim

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TOP-THEMA knapp 16,5 Stunden im ursprünglichen Konzept. Auch die wesentlichen Leistungskennzahlen verbessern sich deutlich: der Nutzungsgrad der LKWs steigt auf 91 % die Abarbeitungszeit wird auf 25,7 LKWEinsatzstunden reduziert

stellung vorab mit einfach Mitteln getestet, Risiken minimiert und durchaus brauchbare Prognosen zur Einsparung abgegeben werden. Autor: Dipl.-Ing. David Muhry, BSc. Prozessingenieur, voestalpine BÖHLER Aerospace GmbH & Co KG Absolvent der Montanuniversität Leoben in der Studienrichtung Industrielogistik. Mehrjährige Berufserfahrung in logistischen Anlagenbauprojekten. Seit 2021 tätig als Prozessingenieur und Projektleiter für Investitionsprojekte bei voestalpine BÖHLER Aerospace. Zu seinem Tätigkeitsbereich zählt auch die Analyse und Implementierung effizienzsteigernder Maßnahmen im innerbetrieblichen Materialfluss.

Die Steigerung des Nutzungsgrades von 84 % auf 91 % wirkt auf den ersten Blick gering, was aber auch darauf zurückzuführen ist, dass die Wartezeit bei der Beladung als Nutzungszeit des LKWs definiert ist. Erst an der Abbildung 3: Leistungskennzahlen der LKWs vor der stark reduzierten EinsatzProzessumstellung zeit erkennt man, dass die LKWs deutlich effizienter che konkrete Verbesserung ergibt sich genutzt werden und nun aus den gesetzten Maßnahmen. mehr Zeit in Bewegung verbringen. Die Ergebnisse Das beschriebene Si mu l at ion s ex p er iDie These lautet: Durch den Einsatz ment wurde bereits zusätzlicher LKW-Anhänger, die umgesetzt, sodass an den Betriebsstätten bereitstehen, inzwischen schon rekönnen Zugmaschinen eingespart ale Daten der Optiwerden, ohne eine Verschlechterung mierungsmaßnahme der Transportleistung in Kauf zu verfügbar sind, die nehmen. sich weitgehend mit den Ergebnissen der Nach Abschluss des Simulations- Simulation decken. laufes ist zu sehen, dass der letzte Fazit: Durch den Transport bereits nach nicht einmal Einsatz von Materi15 Stunden simulierter Zeit abge- alf lusssimulationen Abbildung 4: Leistungskennzahlen der LKWs nach der schlossen wurde – im Vergleich zu können Prozessum- Prozessumstellung

Dipl.-Ing. David Muhry, BSc. Prozessingenieur, voestalpine BÖHLER Aerospace GmbH & Co KG

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UNINACHRICHTEN

Foto: Lehrstuhl Industrielogistik - EE4M Meeting

Manuel Woschank, Marco Berger

Erasmus+ CoVE-Projekt "EE4M" – Kickoff Meeting Am 02. und 03.10.2023 fand das Kickoff-Meeting für das Erasmus+ CoVE-Projekt "EE4M - Engineering Excellence for the Mobility Value Chain" - an der Montanuniversität Leoben statt. Herr DI Marco Berger und Tanja Sajko repräsentierten den WING, während Herr Prof. Bernd M. Zunk und Dr. Volker Koch die TU Graz vertraten. Beide Organisationen sind als Full Partner im Projekt involviert.

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as von der Europäischen Kommission geförderte Exzellenzzentrum „EE4M“ fokussiert sich auf den steigenden Bedarf an Aus- und Weiterbildung von Ingenieur:innen in produzierenden Unternehmen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Mobilität – vom Rohmaterial bis zum Recycling – tätig sind. Fokussiert wird hierbei das Operations Management (Management von Produktion und Logistik) als primärer Tätigkeitsbereich von Ingenieur:innen in der Mobilitätswertschöpfungskette, welcher aufgrund der sogenannten „Twin Transition“ (Digitalisierung und Nachhaltigkeit) erhebliche Veränderungen erfährt.

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Diese Veränderungen erfordern die Einrichtung von neuartigen Lernumgebungen bzw. Lernökosystemen welche die Mitarbeiter:innen kontinuierlich auf neue Anforderungen ihrer Arbeit vorbereiten sollen. Auch Bildungseinrichtungen stehen vor der Aufgabe, diesen Anforderungen gerecht zu werden, um die Arbeits- und Wettbewerbsfähigkeit kommender Generationen zu gewährleisten. Eine fortlaufende Anpassung der Aus- und Weiterbildung von Ingenieur:innen ist somit unverzichtbar, um einen langfristigen Erfolg von Unternehmen gewährleisten zu können. Das Konsortium des Projekts, bestehend aus 15 Full Partnern und 35 assoziierten Partnern aus vier

Ländern (Österreich, Italien, Spanien und Griechenland), konzentriert sich auf eine kompetenzbasierte Neuausrichtung der Ausbildung von Ingenieur:innen. Es werden empirisch-fundierte Kompetenzprofile entwickelt, Erfolgsfaktoren in der Ingenieur:innenausbildung identifiziert, der Stand der Technik bei Lehr- und Lernmethoden strukturiert untersucht, ein europäisches Kompetenzzentrum mit Aus- und Weiterbildungsangeboten implementiert und innovative Lehr- und Lernformate erprobt. Nähere Informationen siehe www. ee4m.eu bzw. ee4m@unileoben.ac.at (Priv.-Doz. Dr. Manuel Woschank, MSc, Montanuniversität Leoben).

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TOP-THEMA

Atacan Ketenci, Maximilian Gotthard, Matthias Wolf

Integration modularer Produktstrukturen in die Fabrikplanung Einsatz ereignisorientierter Simulation zur Einflussanalyse auf Durchlaufzeiten Produzierende Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung ihre Fabrik flexibel zu gestalten. Aus diesem Grund ist eine Neu- bzw. Umstrukturierung der Produktionssysteme oder die Implementierung modularer Produktstrukturen unumgänglich um Durchlaufzeiten zu reduzieren. In diesem Kontext eignen sich Simulationsstudien dazu, das dynamische Verhalten der Produktion im Falle von Veränderungen zu analysieren, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde daher untersucht, wie Produktmodularisierungen in die Fabrikplanung integriert werden können und wie sich diese auf das Produktionssystem auswirken. Darüber hinaus wurde ermittelt, wie ereignisorientierte Simulationen angewendet werden können, um diesen Einfluss zu analysieren. Die Ergebnisse der vorliegenden Forschungsarbeit zeigen einerseits, dass modulare Produktstrukturen die Durchlaufzeiten im Bereich der Montage um knapp ein Drittel reduzieren können und andererseits, dass mit Hilfe der Simulation eine für den Produktionsablauf optimierte Gestaltung der Fabrik durchgeführt werden kann. 1. Fabrikplanung und modulare Produktstrukturen Unternehmen müssen ihre Produktion flexibel gestalten und Durchlaufzeiten reduzieren (Pawellek, 2014). Zur Erfüllung dieser Anforderungen stehen produzierenden Unternehmen verschiedene Methoden zur Verfügung. Unter anderem haben diese die Möglichkeit, mit Hilfe von Fabrikplanungsverfahren einen Anpassungsprozess bestehender Produktionssysteme anzustoßen (Grundig, 2021), oder können modulare Produktstrukturen zur Erreichung hoher Robustheit bei Veränderungen einsetzen,

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welche simultan die Implementierung einer Vormontage von Modulen ermöglicht mit deren Hilfe Durchlaufzeiten reduziert werden können (Krause und Gebhardt, 2018). In diesem Kontext haben Simulationen eine große Bedeutung, da sie die Bewertung des betrieblichen Leistungsprozesses von Produktionssystemen erlauben (Negahban und Smith, 2014). Demzufolge eignet sich der Einsatz von Simulationsmodellen sowohl im Rahmen der Fabrikplanung als Unterstützungstool, als auch zur Ermittlung des Einflusses einer Produktmodularisierung auf das Produktionssystem.

2. Fabrikplanung und Simulation Die Fabrikplanung beschreibt einen strukturiert durchgeführten Prozess zur Planung einer Fabrik von der Idee bis zum Hochlauf der Produktion durch Verwendung von unterschiedlichen Methoden und Werkzeugen (VDI 5200, 2011). Dieser Planungsprozess verfolgt dabei vier wesentliche Zielsetzungen (Grundig, 2021): (1) Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Fabrik, (2) Sicherstellung einer hohen Flexibilität und Wandlungsfähigkeit, (3) Sicherstellung einer hohen Attraktivität für Mitarbeitende und (4) Gewährleistung einer hohen

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TOP-THEMA der Fabrik- bzw. Produktionsplanung besonders verbreitet (Um, 2017). 3. Produktmodularisierung in der Fabrikplanung

Abbildung 1: Einsatzmöglichkeiten einer Simulation in der Fabrikplanung (Grundig, 2021)

Energie- und Ressourceneffizienz. Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen zur Durchführung einer Fabrikplanung, wobei in den meisten Fällen eine sequentielle Durchführung der einzelnen Projektphasen angestrebt wird und die Planungsergebnisse mit fortschreitendem Projektverlauf vom „Groben ins Feine“ ausdetailliert werden (Hawer et al., 2017). Da sich Fabriken in einem dynamischen Umfeld befinden ist für eine genaue Auslegung eines Produktionssystems eine zeitabhängige Dimensionierung erforderlich (Burggräf und Schuh, 2021). Aus diesem Grund werden Simulationstechniken eingesetzt, um, unter anderem, auftretende Planungsunsicherheiten zu reduzieren. Der Einsatz von Simulationsmodellen im Rahmen einer Fabrikplanung ist dabei abhängig vom vorliegenden Problem, der vorhanden

Datenlage oder vom Einsatzzeitpunkt (Grundig, 2021). Abbildung 1 zeigt ein mögliches Vorgehen zur Fabrikplanung in Abhängigkeit des Detaillierungsgrades der Simulation inklusive möglicher Einsatzmöglichkeiten innerhalb der entsprechenden Phase (Grundig, 2021 und Pawellek, 2014). Es gibt unterschiedliche Arten von Simulationen die eine Analyse komplexer Produktionssysteme unterstützen (Negahban and Smith, 2014), wobei die meisten Arten den Vorteil bieten, unterschiedliche Experimente schnell und kostengünstig an einem Modell durchzuführen, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen (Scheidegger et al., 2018). Da sich insbesondere ereignisorientierte Simulationen zur Analyse logistischer Fragestellungen oder Produktionslinien eignen (Vieira, 2018), ist diese Art der Ablaufsimulation im Bereich

Bei der Fabrikplanung für die Produktion komplexer Erzeugnisse eignet sich insbesondere die Anwendung einer so genannten Modulstrategie (Grundig, 2021). Die Literatur bietet eine Vielzahl verschiedener Methoden zur Modularisierung, die in Abhängigkeit unterschiedlicher Zielsetzung Anwendung finden (Krause und Gebhardt, 2018). Die Implementierung modularer Produktstrukturen bietet Vorteile und Risiken über den gesamten Produktlebenszyklus, die bei der Planung entsprechend berücksichtigt werden müssen (Gebhardt et al., 2015). Modularisierungen führen beispielsweise nicht nur zu einer Verbesserung der operativen Leistung und einer Reduktion der Durchlaufzeiten (Um, 2017), sondern ermöglichen es auch die zu planende Fabrik modular und somit den Produktionsprozess flexibel zu gestalten (Schenk und Wirth, 2004). Außerdem ermöglichen Modularisierungen die Konfiguration von Produktvarianten und führen zu kürzeren Lieferzeiten (Krause und Gebhardt, 2018) und können somit der steigenden Kundendominanz entgegenwirken. Die Evaluierung der Implementierung modularer Produktstrukturen erfolgt vorwiegend anhand von Kosten (Krause und Gebhardt, 2018). Allerdings zeigen Fallstudien auch, dass sich die Verwendung ereignisorientierter Simulationen dazu eignen, den Einfluss von Produktmodularisierungen auf das Produktionssystem zu analysieren und Unterschiede zum Ausgangszustand aufzuzeigen (Paralikas et al., 2011).

Abbildung 2: Mögliches Vorgehen zur Fabrikplanung unter Berücksichtigung von Produktmodularisierung mittels Simulation

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TOP-THEMA 4. Vorgehen zur Integration der Produktmodularisierung in die Fabrikplanung mittels Simulation Sowohl die Fabrikplanung als auch die Entwicklung und Implementierung modularer Produktstrukturen unterstützen Unternehmen dabei, ihre Produktion flexibel zu gestalten. Beide Fachbereiche sind zwar in der aktuellen Literatur breit behandelt, werden aber vorwiegend als getrennte Themengebiete betrachtet. Derzeit fehlen integrative Ansätze, die aufzeigen, welche Methoden bei der Integration der Produktmodularisierung in die Fabrikplanung eingesetzt werden und wie Simulationen bei diesem Prozess unterstützen können, ohne zusätzlichen Aufwand zu verursachen und dabei gleichzeitig die Vorteile beider Methoden kombinieren. Aus diesem Grund wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts ein Vorgehensmodell (siehe Abbildung 2) entwickelt, welches Unternehmen dabei unterstützen kann, ihre Produktion und die Fabriken flexibler zu gestalten, und so den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Im Folgenden wird dabei der Fokus auf die Produktmodularisierung und die Simulation gelegt. Da die Phasen Ausführungsplanung und Ausführung nicht Teil dieser Forschungsarbeit waren, werden diese nicht näher erläutert. Die einzelnen Phasen orientieren sich dabei an der Vorgehensweise nach (Grundig, 2021) und (VDI 5200, 2011). Zunächst erfolgt eine Zielfestlegung, in welcher der Untersuchungsbereich zu definieren ist. Hierbei sind unter anderem Fragestellungen zu klären ob es sich um eine Neuplanung einer Fabrik oder um eine Umgestaltung einer bestehenden Produktionsstätte handelt, da je nach vorliegendem Fall unterschiedliche Randbedingungen berücksichtigt werden müssen. Auf Basis der Ausgangslage erfolgt die Definition einer globalen Aufgabenstellung (Grundig, 2006). Insbesondere das Zieljahr für welches die Planung erfolgt, sollte in diesem Schritt definiert werden, um eine Analyse des Produktionsprogramms zu ermöglichen. Im zweiten Schritt, der Ist-Aufnahme, erfolgt die Analyse des Ausgangszustandes. Hierbei werden das

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Produktionsprogramm, die Produkte sowie die Arbeitspläne und Vorgabezeiten detailliert betrachtet. Die Autoren empfehlen hierbei zusätzlich, die Stücklisten zu betrachten, und gegebenenfalls Strukturstücklisten anzufertigen um die Ebenen der Baugruppen zu identifizieren. Dies dient sowohl als Vorbereitung für die Definition modularer Produktstrukturen, als auch zur Erkenntnisgewinnung bezüglich der Arbeitsabläufe (Prozess- und Materialfluss) innerhalb der Produktion. Ergebnisse dieser Phase sind definierte Prozessabläufe, der Kapazitätsbedarf und auch der Materialfluss als Eingangsinformation für die Grobplanung und die Simulation. Anschließend an die Ist-Aufnahme erfolgt die Definition von Produktmodularisierungen. Die Autoren empfehlen dabei die Erstellung einer Modularitätsmatrix nach Dahmus et al. (2000) welche die Beziehungen zwischen Komponenten aufzeigt. Mit dieser Matrix können Produktstrukturen definiert werden, die eine effiziente Arbeitsteilung, z.B.: im Montageprozess, ermöglichen (Hoffmann, 2018). Im Rahmen der Grobplanung erfolgt einerseits die Bedarfsplanung während der Dimensionierung von Flächen und Kapazitäten als auch die Strukturierung im Sinne eines Produktionsschemas (Grundig, 2021). Aufbauend auf dem im vorherigen Schritt definierten Produktionsschema kann ein Simulationsmodell nach der VDI-Richtlinie 3633 (2018) erstellt werden. Da die Durchlaufzeit eine der wichtigsten Kenngrößen für produzierende Unternehmen darstellt (Lödding, 2016), empfiehlt es sich das Modell so auszusetzen, dass diese Kenngröße als Leistungsindikator dargestellt wird. Da die Produktmodularisierung zu einer Reduktion der Durchlaufzeit führt (Gebhardt et al., 2015), kann hiermit auch die Effizienzsteigerung und der Einfluss der Modularisierung überprüft werden. Ergebnisse der Simulation dienen in weiterer Folge als Eingangsinformationen für die abschließende Projektphase. In der Feinplanung erfolgt die detaillierte Bereichsplanung und die

Überführung des erstellten Groblayouts in ein ausführbares CAD-Layout (Grundig, 2021). 5. Fallstudie Zur Evaluierung des vorgestellten Vorgehensmodells wurde ein Forschungsprojekt in Kooperation mit einem Unternehmen durchgeführt. Das Unternehmen mit Sitz in Deutschland stellt Maschinen her, die für die Produktion von gewellten Kunststoffrohren angewendet werden. 5.1 Ausgangszustand und Zielfestlegung Die aktuelle Standortstruktur führt zu hohen logistischen Aufwendungen, da sich die Produktion auf mehrere Hallen aufteilt. Zusätzlich ist in den kommenden Jahren ein Anstieg der Absatzmenge geplant, der die Produktion bei gleichbleibenden Prozessen an die Kapazitätsgrenzen bringt. Darauf aufbauend wurden folgende Zielsetzungen abgeleitet: Materialflussgerechte Layoutgestaltung Effizienzsteigerung der Montageprozesse durch Produktmodularisierung (Reduktion von Durchlaufzeiten) Abbildung der Produktion in einem Simulationsmodell (Ablaufsimulation) zur Ableitung von Maßnahmen zur Steigerung der Systemperformance 5.2 Ist-Aufnahme Das Produktportfolio umfasst insgesamt fünf Erzeugnisgruppen, wobei der Fokus der Analyse bzgl. Modularisierungsmöglichkeiten bei den Standardausführungen der Maschinen liegt. Diese können in die Kategorien klein, mittel und groß unterteilt werden. Bei diesen Maschinen ist zwischen 2021 und 2030 eine Erhöhung der der Stückzahlen um 31% prognostiziert. Zunächst erfolgte eine Prozessanalyse. Fokus der Analyse war die Aufnahme der Abläufe in den Bereichen der Zerspanung und Montage, da dies als eine der Eingangsinformationen zur Erstellung des Simulationsmodells dient. Die Montageprozesse

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Tabelle 1. Auszug aus Modularitätsmatrix

wurden mit Hilfe von Gantt-Charts visualisiert und die aktuellen Durchlaufzeiten der Maschinen aufgenommen. Dies ist erforderlich um den Einfluss modularer Produktstrukturen erheben zu können. Zu diesem Zweck wurden zunächst die vorhandenen Strukturstücklisten überarbeitet, wobei die übergeordneten Baugruppen in Stufen gegliedert wurden. Für jede dieser Baugruppen wurde anschließend die Anzahl und Funktion der Unterbaugruppen definiert, um in weiterer Folge die Modularitätsmatrix erstellen zu können. Die durchgeführte statische Kapazitätsanalyse zeigt, dass mehrere Dreh- und Fräszentren im Zieljahr 2030 ihre Kapazitätsgrenzen übersteigen würden und daher diese als Engpassmaschinen zu klassifizieren sind. Bei gleichbleibenden Montageabläufen würde der Bedarf an Mitarbeitenden im Bereich der Montage zwischen 2021 und 2030 um 15 % steigen.

5.3 Modularisierung Ein Auszug der Modularitätsmatrix ist in Tabelle 1 ersichtlich. In einem ersten Schritt konnten für alle Maschinenkategorien übergeordnete Baugruppen identifiziert werden. Für jede dieser Baugruppen wurden anschließend Module (= Unterbaugruppen) definiert, die sich wiederrum für alle Maschinen in Anzahl der weiteren Unterbaugruppen und Komponenten ähneln. Zusätzlich wurde im Rahmen der Forschungsarbeit für jedes Modul eine Vorgabezeit für die Montage definiert, um den Einsatz an Mitarbeitenden und deren Auslastungen identifiziert zu können. Mit Hilfe der erstellten Matrix konnten Module identifiziert werden, welche aus dem Hauptmontageprozess ausgegliedert werden können und auf separaten Arbeitsplätzen vormontierbar sind. Diese Baugruppen sollen zukünftig bedarfsgerecht zu den entsprechenden Montageplätzen angeliefert werden. Hierbei konnte

herausgefunden werden, dass eine Modularisierung nur für die kleinen Maschinen durchführbar ist, da sich die Baugruppen der mittleren und großen Maschinen zu stark unterscheiden. Die Evaluierung der Einflüsse dieser Arbeitsplätze auf den Produktionsprozess erfolgt mit Hilfe des Simulationsmodells in einem späteren Schritt. 5.4 Grobplanung Für die Grobplanung der Produktion erfolgte die Erstellung unterschiedlicher Layoutvarianten auf Basis der Dimensionierung und Strukturierung nach Grundig (2021). Da dies nicht Fokus dieser Forschungsarbeit war, wird im Folgenden näher auf Simulationsstudie eingegangen. 5.5 Simulation Die Grundstruktur des Modells ist in Abbildung 3 ersichtlich. Der Auftragseingang wurde mit einem geglät-

Abbildung 3: Grundstruktur des Simulationsmodells

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Abbildung 4a: Kapazitätsanalyse Zerspanung

teten Produktionsprogramm für das Zieljahr 2030 gesteuert, welches mit Hilfe der Lieferliste eingelesen wurde. Nach dem „first in first out“ (FIFO) Prinzip erfolgt der Beginn des Zerspanungsprozesses, wobei die Komponenten diesen Bereich entsprechend dem definiertem Materialfluss durchlaufen. Für eine realitätsnahe Abbildung erfolgte die Berücksichtigung des vorhanden Schichtkalenders und der Losgrößen. Für den Bereich der Zerspanung wurde das Modell für eine Auslastungs- und Pufferanalyse verwendet. Nach der Fertigung erfolgt die Einlagerung der Komponenten in einem Kommissionierlager. Um dieses auslegen zu können wurde neben der Eigenfertigung ebenfalls der Fremdbezug mit Hilfe der Anzahl an einzulagernden Gebinden abgebildet. Anschließend erfolgt die Montage der Erzeugnisgruppen wobei im Simulationsmodell mit Hilfe einer „SwitchFunktion“ zwischen implementierter Modularisierung und Ausgangszustand gewechselt werden kann. Hierbei erfolgt die Ermittlung der Durchlaufzeiten durch entsprechende Zeitstempel zu Beginn und am Ende der Montage, weshalb eine ereignisorientierte Simulation verwendet wurde, welche mit Hilfe der Softwarelösung Tecnomatix Plant Simulation erstellt wurde. Kategorie

Bezeichnung

Kleine Maschinen

Maschine 1 Maschine 2 Maschine 3 Maschine 4 Maschine 5 Maschine 6

Abbildung 4b: Zeitlicher Verlauf der Pufferbelegung

Die Validierung des Modells erfolgte anhand vorhandener Vergangenheitswerte bevor mit den Simulationsexperimenten begonnen wurde. Es wurden 12 Experimente durchgeführt, die sich vorwiegend in der Bedarfsmenge und in der Ausfallwahrscheinlichkeit kritischer Arbeitsplätze unterscheiden. Im Folgenden sind die Ergebnisse eines Experimentes dargestellt, welches den Soll-Zustand im Zieljahr 2030 darstellt. Die Kapazitätsanalyse zeigt, dass durch die Investition in zusätzlich zwei neue Drehmaschinen und einer neuen Fräsmaschine die spanabtragenden Maschinen ihre Kapazitätsgrenze nicht überschreiten (siehe Abbildung 4a). Für alle Maschinen wurde zusätzlich eine Pufferanalyse durchgeführt (siehe beispielhaft Abbildung 4b), um die Anzahl erforderlicher Pufferplätze in Abhängigkeit des zeitlichen Verhaltens ermitteln zu können. Diese Information ist in weiterer Folge insbesondere für die Detailplanung wichtig. Um den Einfluss der Modularisierung evaluieren zu können wurde die Durchlaufzeit als Leistungsindikator herangezogen. Die Ausgliederung ausgewählter Baugruppen auf Vormontageplätze ermöglicht eine erhebliche Reduktion der Durchlaufzeiten im Bereich der Montage (siehe Tabelle 2). Durchlaufzeit vor Modularisierung [h] 124 146 193 193 224 234

Durch Ableitung entsprechender Maßnahmen, die aus den Simulationsexperimenten resultieren konnte schließlich gezeigt werden, dass einerseits durch Flexibilisierung der Arbeitsplätze auf Basis der Modularisierung und andererseits durch entsprechende Arbeitsteilung die Planmengen des Zieljahres 2030 montierbar sind. Die durchgeführte Sensitivitätsanalyse zeigt zusätzlich, dass durch die flexible Gestaltung der Produktion eine Erhöhung der Planmengen um 20 % keinen negativen Einfluss auf die Ausbringungsmenge im Zieljahr hat. 5.6 Detailplanung Das erstellte Blocklayout wurde im Rahmen der Detailplanung überarbeitet. Entsprechende Pufferplätze und innerbetriebliche Transportrouten wurden auf Basis der Simulationsergebnisse implementiert. Im Bereich der Montage wurde auf einen modularen Aufbau der Fabrik geachtet. Trotz einer geplanten Mengensteigerung um 31% konnte die auftretende Transportintensität im neuen Layout um über 70% reduziert werden, da die erforderlichen Flächen mit Hilfe der Simulationsstudie für den Produktionsablauf optimiert werden konnten.

Durchlaufzeit nach Modularisierung [h] 102 115 153 152 166 166

Reduktion der Durchlaufzeit [h] (%) 22 (18%) 30 (21%) 40 (21%) 41 (21%) 58 (26%) 68 (29%)

Tabelle 2. Reduktion der Durchlaufzeiten in der Montage für kleine Maschinen

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TOP-THEMA 6. Erkenntnisse und Ausblick Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurde einerseits untersucht wie modulare Produktstrukturen in eine Fabrikplanung integriert werden können, und andererseits welche Hilfestellung Simulationsmodelle in diesem Zusammenhang darstellen. Folgende Schlüsse können aus dieser Arbeit gezogen werden: Die Implementierung modularer Produktstrukturen sollte im Rahmen der Fabrikplanung vor der Phase der Grobplanung analysiert werden. Die hierzu erforderliche Datengrundlage ist für die Fabrikplanung und die Produktmodularisierung ident. Um eine adäquate Berücksichtigung zu gewährleisten, eignet sich die Vorgehensweise nach Dahmus et al. (2000), die die Erstellung einer Modularitätsmatrix beschreibt. Dies ermöglicht nicht nur die Identifikation von funktionsähnlichen Baugruppen, sondern unterstützt auch die Auswahl jener Komponenten, welche für eine potentielle Modularisierung in Frage kommen. Für die Evaluierung einer Produktmodularisierung auf den Herstellungsprozess eignet sich die Durchlaufzeit als Leistungsindikator. Es konnte gezeigt werden, dass durch interne Verlagerung von Montagetätigkeiten der Modulbaugruppen die Durchlaufzeiten der Montage um bis 29 % reduziert werden können. Der Einsatz einer Simulation im Rahmen einer Fabrikplanung ist in der Literatur bereits vertiefend untersucht. Die vorliegende Arbeit zeigt darüber hinaus, dass sich insbesondere ereignisorientierte Simulationen auch dazu eignen, den Einfluss modularer Produktstrukturen unter Berücksichtigung des dynamischen Verhaltens von Systemen zu analysieren. Der Einsatz einer Modularisierungsstrategie und die Verwendung einer Simulation im Rahmen der Fabrikplanung können dabei unterstützen, ausgewählte Bereiche der Produktion modular zu gestalten und so die Fle-

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xibilität des Produktionssystems erhöhen. Das gezeigte Vorgehensmodell kann Unternehmen bei der Neu- bzw. Umgestaltung ihrer Produktion unterstützen. Hierbei liegt der Fokus auf einem modularen Aufbau der Fabrik um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen meistern zu können. Literaturverzeichnis Pawellek, G. (2014), Ganzheitliche Fabrikplanung: Grundlagen, Vorgehensweise, EDV-Unterstützung. Springer Berlin Heidelberg. Grundig, C. (2021), Fabrikplanung: Planungssystematik-Methode-Anwendung. Carl Hanser Verlag, München. Krause, D., Gebhardt, N. (2018), Methodische Entwicklung modularer Produktfamilien. Springer Berlin Heidelberg. Negahban, A., Smith, J.S. (2014), Simulation for manufacturing system design and operation: Literature review and analysis. Journal of Manufacturing Systems, 33(2), 241-261. VDI-Richtlinie 5200 (2011), Fabrikplanung Planungsvorgehen, Blatt 1. Beuth Verlag, Berlin. Hawer, S., Sager, B., Braun, H., Reinhart G. (2017), An Adaptable Model for the Factory Planning Process: Analyzing Data Based Interdependencies. Procedia CIRP, 62, 117-122. Burggräf, P., Schuh, G. (2021), Fabrikplanung-Handbuch Produktion und Management 4. Springer Berlin Heidelberg. Scheidegger, A., Pereira, T., de Oliveira, M., Banerjee, A., Montevechi, J. (2018), An introductory guide for hybrid simulation modelers on the primary simulation methods in industrial engineering identified through a systematic review of the literature. Computers & Industrial Engineering, 124, 474-492. Vieira, A., Dias, L., Santos, M., Pereira, G., Oliveira, J. (2018), Setting an industry 4.0 research and development agenda for simulation – a literature review. International Journal of Simulation Modelling, 17, 377-390. Um, J. (2017), Improving supply chain flexibility and agility through variety management. The International Jour-

nal of Logistics Management, 28(2), 464-487. Schenk, M., Wirth, S. (2004), Fabrikplanung und Fabrikbetrieb. SpringerVerlag, Berlin. Krause, D., Gebhardt, N. (2018), Methodische Entwicklung modularer Produktfamilien. Springer Berlin Heidelberg. Gebhardt, N., Kruse, M., Krause, D. (2015), Gleichteile-, Modul- und Plattformstrategie. In: Handbuch Produktentwicklung. Hanser-Verlag, München, 111-149. Paralikas, J., Fysikopoulus, A., Pandremenos, J., Chryssolouris, G. (2011), Product modularity and assembly systems: An automotive case study. CIRP Annals – Manufacturing Technology, 60, 165-168. Grundig, C. (2006), Fabrikplanung I-Grundlagen. Service-Agentur des HDL, Brandenburg. Dahmus, J., Gonzales, J., Otto, K. (2000), Modular Product Architecture. Proceedings of DETC, ASME Design Engineering Conferences and Computers and Information in Engineering Conference, Maryland. Hoffmann, C.A. (2018), Theoriegeleitete Methoden und Vorgehensweisen der modularen Produktentwicklung. Springer Fachmedien, Heidelberg. VDI-Richtlinie 3633, (2018), Simulation von Logistik,- Materialflussund Produktionssystemen, Begriffe. Beuth Verlag, Berlin. Lödding, H. (2016), Verfahren der Fertigungssteuerung. Springer Vieweg, Berlin. Autoren Dipl.-Ing. Atacan Ketenci Universitätsassistent am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz Dipl.-Ing. Atacan Ketenci studierte Production Science & Management und ist seit 2019 am IIM tätig. In seiner Forschungsarbeit beschäftigt er sich mit Nachhaltigkeit und Agilität in Produktionsnetzwerken. Während seiner Anstellung hat er maßgeblich an der Weiterentwicklung der Lehrveranstaltung „Factory Planning and Design“ mitgewirkt und verschiedene Forschungsprojekte im Bereich der Fabrikplanung und Simulation geleitet.

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TOP-THEMA Dipl.-Ing. Maximilian Gotthard Selbstständige Berufsausübung in Marketing, Content Creation und Webdesign Dipl.-Ing. Maximilian Gotthard studierte WirtschaftsingenieurwesenMaschinenbau an der TU Graz. Seine berufliche Historie ist geprägt von umfangreicher Erfahrung in der Logistikbranche mit besonderem Fokus auf Steuerungstechnik und Projektleitung. Im Zuge seiner Diplomarbeit

war Maximilian Gotthard bei der Analyse von Produktmodularisierungen und der Erstellung des Simulationsmodell beteiligt. Dipl.-Ing. Dr. Matthias Wolf Assistenzprofessor am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz Dipl.-Ing. Dr. Matthias Wolf studierte Wirtschaftsingenieurswesen-Maschinenbau mit Schwerpunkt Ener-

gietechnik und promovierte im Jahr 2020 an der TU Graz. In seiner Forschungsarbeit beschäftigte sich Matthias Wolf mit Themen zur nachhaltigen, resilienten und mensch-zentrieten Gestaltung von Produktionsarbeit. Seit 1.1.2021 ist Matthias Wolf Assistenzprofessor am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz mit dem Schwerpunkt Industrial Engineering.

Dipl.-Ing. Atacan Ketenci

Dipl.-Ing. Maximilian Gotthard

Universitätsassistent am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz

Selbstständige Berufsausübung in Marketing, Content Creation und Webdesign

Dipl.-Ing. Dr. Matthias Wolf Assistenzprofessor am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz

Die nächsten Ausgaben WINGbusiness 2024 Heft 01/2024: "Energiewirtschaft" Heft 02/2024: "Kongressheft" 24

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TOP-THEMA

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Heimo Preising, Matthias Wolf, Christian Ramsauer

Effektive Planung einer Kapazitätserweiterung in der Halbleiterindustrie - Die Rolle der Logistiksimulation beim Übergang zur Serienproduktion Die Halbleiterindustrie spielt eine entscheidende Rolle in der globalen Marktwirtschaft. Dieser Artikel präsentiert eine Fallstudie zur Anwendung von Logistiksimulationen in der Halbleiterindustrie mit dem Ziel der Hochskalierung einer Pilotlinie. Die Studie umfasst fünf Phasen: (1) Modellerstellung und Ist-Analyse, (2) schrittweise Kapazitäts- und Layouterweiterung, (3) simulationsgestützte Konzeptionierung des Produktionssystems, (4) Analyse der Kostenstruktur und (5) weiterführende Modellnutzung. Die erstellte diskrete Ereignissimulation (DES) wurde für die Planung des zukünftigen Layouts, des Personaleinsatzes, der Losfreigabestrategie und der Produktionslogistik angewandt. Die in Phase 4 ermittelte Struktur der Produktionskosten auf Stückbasis ermöglichte zusätzlich zur Quantifizierung der Skaleneffekte, auch die weitere Identifikation von potentiellen Maßnahmen zur signifikanten Kosteneinsparung. Die Fallstudie zeigt, wie Logistiksimulation als Werkzeug zur Planung und Optimierung von Produktionssystemen in der Halbleiterindustrie eingesetzt werden kann.

Logistiksimulation in der Halbleiterindustrie Über Jahrzehnte nimmt die Halbleiterindustrie eine bedeutende Stellung in der weltweiten Fertigungslandschaft ein. Die gegenwärtigen Entwicklungen in Richtung umweltfreundlichere und energieeffizientere Technologien, hoch- und vollautomatisiertes Autofahren, Edge Computing/Industrie 4.0 oder die zunehmenden Anwendungsfälle von künstlicher Intelligenz werden die Relevanz dieser Branche weiter verstärken [1]. Die Herstellung von Halbleiterkomponenten ist ein äußerst komplexer

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Prozess, der grob in vier Hauptphasen unterteilt werden kann: Front-End (Herstellung des Grundmaterials bzw. des Wafers), Wafer-Test, Backend (Weiterverarbeitung einzelner Chips zu elek. Bauteilen) und der Montage (Leiterplattenbestückung mit elektronischen Bauteilen) [2]. Der Materialfluss ist meist nicht linear, sondern zirkulär mit Prozessabläufen von mehreren hundert Teilschritten [3]. Diese Komplexität, in Verbindung mit der Verwendung kapitalintensiver Maschinen, einer hohen Produktvielfalt und kurze Produktlebenszyklen macht die Planung und Effizienzsteigerung von Produktionssystemen in

der Halbleiterindustrie zu einer herausfordernden und wichtigen Aufgabe [4]. Eine Besonderheit der Halbleiterindustrie ist die aufwendige Prozessentwicklung inkl. Qualifizierungsprozess in der Fertigung. Um die komplexen Prozessablaufe und das Zusammenspiel der Prozessparameter (z.B. prozessbedingte Liegezeiten) beherrschen zu können, beginnt der Aufbau einer Fertigungslinie zumeist mit einer Pilotlinie, welche aus jeweils einem Exemplar der für die individuellen Prozesse notwendigen Maschinen besteht. Sind die passenden Prozessparameter identifiziert und ein stabiler Prozessablauf sicher-

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TOP-THEMA gestellt, folgt die Hochskalierung auf ein gewünschtes Volumen unter Berücksichtigung der Maschinenauslastungen und Kosten.

Methodik und Fallbeispiel für die simulationsgestützte Transformation einer Pilotlinie in eine Hochvolumen-Halbleiterfertigung

Um Auslastungen und Kosten zu optimieren spielt die Simulation von Logistik-, Materialfluss- und Produktionssystemen nach der Definition von VDI 3633 [5] eine entscheidende Rolle. Die Anwendung eines Simulationsmodells ermöglicht es, Konzepte zu testen und fundierte Entscheidungen zu treffen. In der Halbleiterindustrie wird insbesondere die diskrete Ereignissimulation (DES) verwendet. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit der Anwendung von Simulation in der Halbleiterfertigung [6]. Ein zentrales Thema ist die Untersuchung bzw. Konzeptionierung der Produktionsplanung und -steuerung (PPS), um relevante Produktions-KPIs wie die Produktivität, Flexibilität, Durchlaufzeiten, Kapazitätsauslastung, Lagerbestände (u.a. Work-in-Process - WIP) und Einhaltung von Lieferterminen zu optimieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Untersuchung und Bewertung von Losfreigabestrategien („Release“-Strategien) und dem Puffermanagement aufgrund hoher Umlaufbestände (WIP) im Fertigungsprozess [7,8].

Anhand eines industriellen Fallbeispiels wurde der Einsatz und Nutzen einer Logistiksimulation (mittels DES) in der Planung einer Halbleiterfertigung untersucht. Ausgangsbasis war eine bestehende Pilotlinie im Front-End Bereich der Halbleiter-Herstellung. Im Gegensatz zur gängigen Praxis in der Halbleiterindustrie, bei der für neue Produkte oder Technologien oft großflächige neue Fabriken gebaut werden, kann das beschriebene Fallbeispiel der „Brownfield“-Fabrikplanung zugeordnet werden. Die zu skalierende Pilotlinie ist in einem Reinraum angesiedelt, der aktuell und zukünftig neben der Waferfertigung auch für andere Produkte genutzt wird. In Abbildung 1 wird das methodische Vorgehen zur Hochskalierung einer Pilotlinie in 5 Phasen sowie die Anwendung einer Logistiksimulation für ausgewählte Planungsinhalte zusammengefasst. Das erstellte Vorgehen orientiert sich am phasenorientierten Fabrikplanungsvorgehen nach Grundig [9] und dem modularen Planungsansatz des Aachener Modell der Fabrikplanung nach Burggräf [10].

Phase 1 –Modellerstellung & IstAnalyse der Pilotlinie Diese Phase beinhaltet die Ziele: (1) Erstellung eines Grundmodells der bestehenden Pilotlinie in einer diskreten Ereignissimulation, (2) die Erlangung eines umfassenden Systemverständnisses durch Analyse der Pilotlinie sowie (3) die abschließende Formulierung von Anforderungen und Zielsetzungen an das zukünftige Produktionssystem. Die Anwendung eines Simulationsmodells kann wesentlichen Input für die Identifikation kritischer Planungsdaten (z.B. maschinenspezifischer Downtimes) liefern und bei der Systemanalyse unterstützen. Neben der Aufnahme der 40 Prozessschritte inkl. Standardprozesszeiten und die ihnen zugeordneten Betriebsmittel inkl. Layoutanordnung wurden in dieser Phase die Ausschussraten entlang der Prozesskette aufgenommen. Mithilfe dieser Daten konnte ein Grundmodell zur Abbildung des Prozess- bzw. Materialflusses erstellt werden. Anschließend wurden sukzessive fehlende Daten zur Analyse des dynamischen Systemverhaltens identifiziert. Hervorzuheben sind hier alle Informationen die in Verbindung mit der Variabilität des zukünftigen Produktionssystems

Abbildung 1: Einsatz einer Logistiksimulation zur Transformation eines Produktionssystems von der Pilotlinie zur Serienfertigung

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TOP-THEMA stehen. Neben dem stochastischen Auftreten von Ausschussteilen sind das schwankende Prozesszeiten, Maschinenstörungen (ungeplante Downtime) sowie prozessabhängige Wartungszeiten (z.B. Werkzeugtausch). Einige dieser Daten sind erst im „Vollbetrieb“ von Bedeutung und bleiben in der frühen Planungsphase meist unberücksichtigt. Neben der Verwendung von Referenzwerten und Expertenabschätzungen mussten daher im beschriebenen Fallbeispiel einige Prozesse (insbesondere Wartungszeiten) mittels REFA-Zeitaufnahme erhoben und analysiert werden. Die aufgenommenen Daten und Informationen wurden laufend für die Modellerstellung aufbereitet (z.B. Wahl geeigneter Wahrscheinlichkeitsverteilungen, Codierung von Verhaltensregeln im System, …) und dann im Modell implementiert und unter Anwendung unterschiedlicher Validierungsmethoden überprüft. Damit konnte der Vollbetrieb der Pilotlinie und ihrer Betriebsmittel simuliert werden. Neben der Identifikation des Engpasses (Bottleneck) und vorhandener Freikapazitäten der restlichen Betriebsmittel, konnten so auch logistische Kennzahlen wie Durchlaufzeiten und Umlaufbestand (WIP) ermittelt werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste eine erste Strategie/Logik zur Losfreigabe im Modell implementiert werden (siehe Phase 3). Basierend auf der aktuellen Losfreigabestrategie des Standortes wurde eine konstante Zeitrate zur Losfreigabe implementiert, die erst nach einer definierten Einschwingphase in den „Steady State“ aktiviert wurde. Durch den Abgleich der sich einstellenden Eigenschaften des Produktionssystems mit bestehenden marktseitigen Anforderungen (z.B. erforderliches Produktionsvolumen) konnten konkrete Zielvorgaben und einzuhaltende Rahmenbedingungen definiert werden. Das im vorliegenden Fallbeispiel übergeordnete Planungsziel (Produktionsziel) ist das Erreichen des höchstmöglichen Produktionsvolumens, ohne dabei ein zweites Exemplar der kapitalintensivsten Maschine erwerben zu müssen. Diese Entscheidung ist vorwiegend damit begründet, dass eine hohe Investition in ein Betriebs-

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mittel mit geringer Auslastung zu einer ungünstigen Entwicklung der Stückkosten führen würde. Eine hohe Auslastung des zweiten Exemplars wäre aufgrund von Platzmangel nicht realisierbar. Phase 2 – Schrittweise Kapazitäts- & Layouterweiterung nach dem Konzept der Theory of Constraints Die vorgeschlagene Methodik für die Kapazitätserweiterung basiert auf der Logik der „Theory of Constraints“ (TOC). Die von Goldratt entwickelte Methodik konzentriert sich auf die Identifizierung und systematische Verbesserung des Engpasses (Bottleneck) oder begrenzenden Faktors eines Gesamtsystems [11]. Das angewandte Vorgehen besteht aus drei Schritten, die bis zur Erreichung des in Phase 1 definierten Produktionsziels wiederholt werden: 1. Identifikation des Bottlenecks 2. Erarbeitung von möglichen Verbesserungsmaßnahmen zur effizienteren Nutzung des Bottlenecks a. Verbesserungsmaßnahmen die in der Phase 2 & 3 zu berücksichtigen sind, werden erarbeitet, getestet und in das Simulationsmodell übernommen (z.B. kürzere Dauer für Werkzeugwechsel oder Inline-Setups für kontinuierliche Produktion, d.h. ohne Unterbrechungen durch Be-/Entladen von Maschinen) b. Optimierungspotentiale, die einer detaillierten Betrachtung unterzogen werden müssen, werden in einem Katalog gesammelt und in der Detailplanung sowie dem KVP berücksichtigt 3. Beseitigung des Bottlenecks durch Kapazitäts- bzw. Layouterweiterung um ein zusätzliches (meist äquivalentes) Betriebsmittel a. Materialflussgerechtes Anordnen im vorhandenen Layout unter Berücksichtigung der Randbedingungen b. Erweiterung des Simulationsmodells inkl. Logik zur Maschinenzuteilung einzelner Waferkassetten Im Fallbeispiel wurde die Pilotlinie in Summe um 55 Betriebsmittel (16 unterschiedliche Maschinen) erweitert und diese im Layout möglichst materialflussgerecht angeordnet. Im Vergleich zur Pilotlinie kann das Produktionsvolumen um ca. das 6-Fache erhöht werden. Durch die Integration

der Veränderungen in das Simulationsmodel kann die Entwicklung der Systemperformance nach jedem einzelnen Erweiterungsschritt anhand definierter KPIs (z.B. Durchlaufzeit, WIP) ermittelt werden. Durch die maßstabsgetreue Hinterlegung des Produktionslayouts konnte auch der Transportaufwand simuliert werden. Im Gegensatz zu statischen Berechnungen des Transportaufwandes (mittels Tabellenkalkulation) können mittels Logistiksimulation auch komplexe Entscheidungslogiken (u.a. für Maschinenzuteilung bei gleichwertigen Maschinen im Layout) berücksichtigt werden. Mittels Simulation wurde auch der Nachteil gegenüber einer idealen Anordnung (Ideallayout ohne Randbedingungen) ermittelt. Eine Waferkassette legt bedingt durch die Rahmenbedingungen der Brownfieldplanung (Medienversorgung, kostenintensive Maschinenverlagerungen, …) einen Weg von ca. 900 Metern zurück (+50 % zum Ideallayout), was zu einem Gesamttransportaufwand von ca. 5.220 Kilometern (ca. 1.950 Mitarbeiterstunden bei manuellem Transport) führt. Phase 3 – Konzeptionierung des Produktionssystems für die Hochvolumen-Serienfertigung In dieser Phase werden Lösungskonzepte für unterschiedliche Detailfragen (Gestaltungsaufgaben) iterativ erarbeitet. Dies erfolgt unter intensiver Nutzung des Simulationsmodells. Um bei der Ausarbeitung von Konzepten oder der Suche nach optimalen Parametern unterstützen zu können, wird das Simulationsmodell entsprechend erweitert. Zentrale Gestaltungsaufgaben in der Halbleiterindustrie sind (1) die Planung des Personaleinsatzes, (2) die Definition der Losfreigabestrategie („Release“-Strategien) sowie (3) die Dimensionierung und Anordnung von Zwischenpuffer. Im Vergleich zum Grundmodell aus Phase 1 ist hier deutlich mehr Modellierungsaufwand nötig. Die relevanten Tätigkeiten in dieser Phase bestehen aus der Detailmodellierung, der Verifizierung von codierten Entscheidungslogiken und der Validierung des Modells. Parallel zur Implementierung der Modelländerungen

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Tabelle 1: 3-stufiges Design der Simulationsstudie

erfolgt die Planung der Simulationsstudie bzw. der durchzuführenden Experimente. Diese Aufgabe wird als Experimentplanung (engl. Design of Experiments) bezeichnet und ist für eine effektive Simulationsstudie unerlässlich [12]. Bei der „One factor at a time“Methode wird nur eine Variable verändert, während alle anderen Variablen konstant gehalten werden. Dies ermöglicht die Untersuchung des Einflusses jeder einzelnen Variablen auf das Ergebnis, vernachlässigt jedoch mögliche Wechselwirkungen zwischen den Variablen. Die faktorielle Methode (engl. „Factorial design“) ist dann Vorteilhaft, wenn eine Simulationsstudie die Untersuchung von zwei oder mehr Variablen/Faktoren und ihrer Wechselwirkungen umfasst. Nachteilig ist, dass die Anzahl der Kombinationen (und der nötigen Rechenzeit) exponentiell mit der Variablenanzahl ansteigt. Aus diesem Grund wurde ein Stufen-Modell in Anlehnung an Allgeier konzipiert [8]. In Tabelle 1 ist der 3-stufige Aufbau der Simulationsstudie ersichtlich. Jede Stufe fokussiert sich auf eine spezifische Gestaltungsaufgabe, wobei zusätzlich die Abhängigkeiten von den jeweils anderen Aufgaben getestet wurde. Würde man ein „Full Factorial Design“ wählen, müssten ca. 2.3 Mio. Experimente durchgeführt werden. Nachdem zusätzlich ein stochastisches Systemverhalten untersucht wird, muss ein Experiment mehrmals durchgeführt werden, wobei bei jedem Durchlauf ein anderer Zufallszahlenausgang ("Seed") verwendet wird, um das stochastische Verhalten zu initiieren. Dadurch ergeben sich

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abhängig von Zufallswerten unterschiedliche Ergebnisse, die die Variabilität des Systems widerspiegeln. Die Anzahl der Simulationsläufe je Experiment wurde mit 10 festgelegt. Ein „Full Factorial Design“ wäre hier mit mehr als 20 Mio. Simulationsläufen nur mit enormen Rechenaufwand möglich. Erkenntnisse aus der Planung des Personaleinsatzes: Mit Hilfe der Logistiksimulation wurde ein geeignetes Konzept des Personaleinsatzes erarbeitet, indem die Fertigungsmitarbeiter für die Logistik zwischen den Betriebsmitteln, dass Be- und Entladen von Maschinen, manuellen Prüftätigkeiten und der Maschinenbedienung zuständig sind. Die Ergebnisse zeigen, dass eine fixe Zuteilung der Tätigkeiten nach dem aktuellen Prinzip (fixe Zuteilung 1) zukünftig 4 Mitarbeiter pro Schicht erfordern würde. Bei einer adaptierten Mitarbeiterzuteilung unter Berücksichtigung der individuellen Mitarbeiterauslastung und der Einführung von Zuständigkeitsbereichen mit kurzen Wegen (fixe Zuteilung 2) sind 3 Mitarbeiter pro Schicht ausreichend. Diese Anzahl kann auch bei einem universellen Mitarbeiterpool (d.h. jeder Mitarbeiter kann alles) nicht weiter reduziert werden. Erkenntnisse aus der Untersuchung der Losfreigabestrategien: In Tabelle 2 sind die drei untersuchten Losfreigabestrategien mit der jeweils sinnvollsten Faktorenstufe gegenübergestellt. Die Losfreigabestrategie CONST bedeutet, dass unabhängig vom Systemzustand konstant nach einer definierten Zeitrate ein neues Los (Kassette) freigegeben wird. Die

Zeitrate von 1h 30min hat sich in den Simulationsläufen als sinnvoller Grenzwert herausgestellt, da bei Unterschreitung dieser Zeitrate ein unverhältnismäßig hoher Anstieg von WIP und Durchlaufzeit zu beobachten ist. CONWIP steht für „Constant Work in Process" und ist eine Produktionssteuerungsmethode, die darauf abzielt, den Umlaufbestand in einem Produktionsprozess konstant zu halten. Bei dieser „Closed-LoopRelease-Policy - CLRP“ wird erst dann ein neues Los gestartet, wenn ein produziertes Los das Produktionssystem verlässt. Ist der definierte WIP zu gering gewählt, reduziert sich der Durchsatz aufgrund von Zeitabschnitten indem es durch Störungen und zufällige Ereignisse zu einem „leerlaufen“ des Bottlenecks kommt. Ab der Faktorstufe von 250 Kassetten (definierter WIP) ist keine Erhöhung des Durchsatzes mehr zu beobachten. Die Bottleneck-Pull Strategie ist eine weitere CLRP die nach dem ähnlichen Prinzip funktioniert. In diesem Fall wird ein neues Los freigegeben sobald eine Kassette das Bottleneck verlässt. Der WIP im Gesamtsystem ist somit nicht mehr konstant. Die in Tabelle 2 angeführte Faktorstufe (Spalte 2) gibt an, dass die BottleneckPull Steuerung beim erstmaligen erreichen eines WIP von 250 Kassetten aktiviert wird. Ab diesem Zeitpunkt steuert ausschließlich das Bottleneck die Losfreigabe. Analog zu den in der Literatur geführten Charakteristiken der einzelnen Losfreigabestrategien können auch in diesem Fallbeispiel die Vorteile von CLRP in Bezug auf die logistischen Kennzahlen WIP und Durchlaufzeit beobachtet werden.

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TOP-THEMA

Tabelle 2: Vergleich von Losfreigabestrategien

Ohne negative Auswirkungen auf den Durchsatz kann mit CONWIP und Bottleneck-Pull eine deutliche Reduktion des WIPs (ca. -17 % bis -19 %) und der Durchlaufzeit (ca. -17 %) im Vergleich zur konstanten Losfreigabe erreicht werden. Erkenntnisse zur Dimensionierung und Anordnung von Zwischenpuffer: Die möglichen Optionen bei der Gestaltung der Zwischenpuffer sind aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen der Brownfieldplanung stark eingeschränkt. An den Maschinen können aktuell 2 Kassetten zwischengelagert werden. Um eine hohe Auslastung des Bottlenecks trotz des zyklischen Prozesses mit hoher Variabilität erreichen zu können, sind zur Entkopplung der einzelnen Prozessschritte allerdings deutlich mehr Pufferplätze erforderlich. Unter Berücksichtigung der Layout-Beschränkungen kann ein zentraler Pufferplatz eingerichtet werden. Ab 95 Stellplätzen sind jedoch teurere Lagerlösungen erforderlich, um die benötigte Pufferkapazität auf der vorhandenen Fläche zu realisieren. Zusätzlich könnten in der Nähe von zwei kritischen Betriebsmitteln je 2 Regale mit je 25 Stellplätzen pro Regal aufgestellt werden. Die Logistiksimulation zeigt, dass bei Anwendung von CONWIP eine hohe Streuung der maximalen Belegung des Zentrallagers in den einzelnen Simulationsläufen resultiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei besonders ungünstigem zeitlichen Verlauf von Downtimes der EngpassMaschine (durch Störungen, Werkzeugwechsel, …), die Belegung des Zentrallagers stark ansteigt (siehe Abbildung 2). Um eine Überdimensionierung des Zentralpuffers zu vermeiden, ist in diesem Produktionssystem die Bottleneck-Pull Strategie der CONWIP-Strategie vorzuziehen. Mithilfe der Logistiksimulation konnte ein geeignetes Setting inkl. der erforderlichen Pufferplätze im Zentralpuffer erarbeitet werden.

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Phase 4 – Analyse der Kostenstruktur zur Identifikation kostenwirksamer Optimierungspotentiale Die angewandte Methodik in Phase 4 dient der Identifikation von Optimierungspotentialen in der Planung. Als Zielgröße der Kostenoptimierung werden die Stückkosten unter Berücksichtigung aller direkten Kosten ermittelt und transparent dargestellt. Dies dient zur Identifikation der Kostentreiber im Herstellungsprozess, sowie der Quantifizierung bestehender Skaleneffekte durch die Mengensteigerung und der darauf basierenden Ermittlung von Optimierungspotentialen. Anhand der Stückkostenentwicklung kann auch die Hochskalierung in sinnvolle Zwischenschritte unterteilt werden. Beispielsweise lassen sich unvorteilhafte Zwischenschritte identifizieren, bei der die Anschaffung einer weiteren Maschine nur eine sehr begrenzte Erhöhung des Durchsatzes bewirkt, da mehrere Prozesse eine ähnliche Kapazitätsgrenze aufweisen. In solchen Fällen kann es aus Stückkostensicht vorteilhaft sein geringe Durchsatzeinbußen zugunsten der Stückkosten in Kauf zu nehmen. Weiters können anhand der Stückkosten die bestehenden Skaleneffekte (Betriebsmittelauslastung, Mehrmaschinenbedienung, Fixkostendegression)

bei höherem Produktionsvolumen quantifiziert werden. Abschließend lassen sich Optimierungspotentiale in der geplanten Fertigung ableiten und kostentechnisch quantifizieren. Wurden Beispielsweise hohe Personalkostenanteile bei automatisierbaren Logistik- oder Prüfprozessen identifiziert, empfiehlt sich ein Automatisierungsprojekt, für das anhand der quantifizierten Einsparpotentiale direkt ein ROI berechnet werden kann. Sind hingegen Fixkostenbestandteile (Infrastrukturkosten, Abschreibungen, …) der dominante Faktor, empfiehlt sich eine Analyse bzw. Erhöhung der Systemauslastung (Fixkostendegression). Bei hohen variablen Kostenanteilen z.B. durch Energie, Medien, sowie Roh- und Verbrauchsmaterialien sollte ein Fokus auf die Reduktion von Ausschuss gelegt werden. In der Fallstudie wurden als Hauptkostentreiber (bei Vollbetrieb der Pilotlinie) die Roh- und Verbrauchsmaterialien (59 % der Stückkosten), die Personalkosten (21 %), die Abschreibungen auf Betriebsmittel (11 %) sowie der Betrieb der Reinräume (7 %) identifiziert. Dem Energie- und Medieneinsatz sowie dem gebundenen Kapital durch WIP kam mit in Summe 2 % der Stückkosten eine untergeordnete Rolle zu. Durch die Skalierung des Durchsatzes der

Abbildung 2: zeitlicher Verlauf der Belegung des Zentralpuffers in Abhängigkeit der „Release“-Strategie

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TOP-THEMA Literatur:

Abbildung 3: Einsatz einer Logistiksimulation zur Transformation eines Produktionssystems von der Pilotlinie zur Serienfertigung

Pilotlinie um das 6-Fache auf ca. 320 Wafer pro Tag steigen die direkten Produktionskosten durch Skaleneffekte um ca. das 4-Fache auf über 30 Millionen Euro. Diese Reduktion der Stückkosten um ca. 28 % ist mehrheitlich auf eine bessere Fixkostenverteilung zurückzuführen. Dadurch verstärkt sich der Einfluss der Rohund Verbrauchmaterialien (82 %) als Kostentreiber (Siehe Abb. 3). Basierend auf der Stückkostenstruktur der hochskalierten Fertigung konnten mittelfristig umsetzbare Optimierungspotentiale von ca. 15 % der Produktionskosten identifiziert werden. Das größte Einsparungspotential weist die angestrebte Ausschussreduktion (Unternehmensziel Gesamtausschuss von 10 %) auf. Die Vollautomatisierung aller (automatisierbaren) manuellen Tätigkeiten würde 1,2 Mio. Euro einsparen. Ein Großteil der Kosteneinsparung kann durch den automatisierten Materialtransport mittels Automated Guided Vehicles (AGVs) realisiert werden. Das Einsparungspotential aufgrund einer Reduktion des gebundenen Kapitals (WIP) nimmt mit steigenden Produktionsvolumen exponentiell zu. Phase 5 – Nutzung des Simulationsmodells zur kontinuierlichen Verbesserung In dieser Phase erfolgen weiterführende Detailplanungen von besonders relevanten Optimierungsmaßnahmen (siehe Phase 4). Zusätzlich bietet das in der Planung verwendete Simulationsmodell weiteres Einsatzpotential während des tat-

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sächlichen Hochlaufs der Halbleiterfertigung, der Einführung von neuen Produktvarianten sowie im laufenden Betrieb. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich aktuell mit der operativen Anwendung von Simulationen im Bereich der Reihenfolgenplanung oder der simulationsgestützten Losfreigabe unter Berücksichtigung des aktuellen Systemzustandes (Digitaler Schatten/ Zwilling). Als Beispiel für die weiterführende Detailplanung (noch vor Umsetzung der Hochskalierung) kann im durchgeführten Fallbeispiel der bereits genannte automatisierte Materialtransport mittels AGVs genannt werden. Die Logistiksimulation unterstützte bei der Bestimmung der erforderlichen Anzahl an AGVs sowie der Anzahl und Positionierung von Ladestationen. Zusammenfassung & Ausblick Diser Artikel zeigt anhand eines industriellen Fallbeispiels die Vielfältigkeit und den Nutzen einer Logistiksimulation bei der Hochskalierung einer Pilotlinie in der Halbleiterindustrie. Aufgrund aktueller Marktentwicklungen, hoher Inflation und der Energiepreisentwicklung und dadurch sinkender Margen, steigt auch in der Halbleiterindustrie der Druck, Produktionssysteme sowie die Produktionskosten transparent darzustellen und zu optimieren. Aus diesem Grund wird die Akzeptanz und Relevanz der Logistiksimulation zur Planung, Optimierung und operativen Steuerung im laufenden Betrieb weiter steigen.

[1] McKinsey and Company, (2023), The semiconductor decade: A trillion-dollar industry. https://www. mckinsey.de/industries/semiconductors/our-insights/the-semiconductordecade-a-trillion-dollar-industry#/ (Aufgerufen am 27.10.2023). [2] Klemmt, A. (2012), Ablaufplanung in der Halbleiter- und Elektronikproduktion. Vieweg+Teubner Verlag -Springer Fachmedien, Wiesbaden. [3] Pfeffer, M. (2012), Simulationsgestützte Untersuchung von logistischen Optimierungsstrategien bei Halbleiterfertigungsprozessen. Dissertation, Erlangen. [4] Wang, C-T., Chiu, C-S. (2014), Competitive strategies for Taiwan's semiconductor industry in a new world economy. Technology in Society. [5] Fowler, J.W., Mönch, L., Ponsignon, T. (2015), Discrete-Event Simulation for Semiconductor Wafer Fabrication Facilities: A Tutorial. The International Journal of Industrial Engineering: Theory, Applications and Practice. [6] VDI-Richtlinie 3633, (2010), Simulation von Logistik-, Materialfluss- und Produktionssystemen, Grundlagen. Beuth Verlag, Berlin. [7] Schmidt, T., Rank, S., Schulze, F. (2021), Simulation in der ComputerChip-Produktion – Möglichkeiten und Grenzen. Logistik in Wissenschaft und Praxis, Springer Gabler, Wiesbaden. [8] Allgeier, H., Flechsig, C., Lohmer, J., Lasch, R., Schneider, G., Zettler, B. (2020), Simulation-Based Evaluation of Lot Release Policies in a Power Semiconductor Facility – a Case Study. Proceedings of the 2020 Winter Simulation Conference. [9] Grundig, C. (2021). Fabrikplanung: Planungssystematik-MethodeAnwendung. Carl Hanser Verlag, München. [10] Burggräf, P., Schuh, G. (2021). Fabrikplanung-Handbuch Produktion und Management 4. Springer Berlin Heidelberg. [11] Goldratt E.M., Cox J. (1992). The goal. North River Press, Crotonon-Hudson. [12] Barton, Russel R. (2013). Designing Simulation Experiments. Pro-

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TOP-THEMA ceedings of the 2013 Winter Simulation Conference. Autoren: Dipl.-Ing. Heimo Preising Projektassistent am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz. Er studierte Wirtschaftsingenieurswesen-Maschinenbau mit Schwerpunkt Produktionstechnik an der TU Graz und ist seit 2020 am IIM tätig. In seiner Forschungsarbeit beschäftigt er sich mit den Themen Fabrik- und Produktionsnetzwerkplanung, Logistiksimulation sowie Optimierung und Gestaltung von Produktionssystemen. Dipl.-Ing. Dr. Matthias Wolf

Assistenzprofessor am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz. Er studierte Wirtschaftsingenieurswesen-Maschinenbau mit Schwerpunkt Energietechnik und promovierte im Jahr 2020 an der TU Graz. In seiner Forschungsarbeit beschäftigte sich Matthias Wolf mit Themen zur nachhaltigen, resilienten und mensch-zentrieten Gestaltung von Produktionsarbeit. Seit 1.1.2021 ist Matthias Wolf Assistenzprofessor am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz mit dem Schwerpunkt Industrial Engineering. Univ.-Prof. Dr. Christian Ramsauer Vorstand des Instituts für Innovation und Industrie Management der TU Graz

Er leitet seit 2011 das Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz. Er startete seine Karriere 1999 als Berater bei McKinsey&Company. Zwischen 2005 und 2011 war er als geschäftsführender Gesellschafter bei einem Industrieunternehmen in Salzburg und als Geschäftsführer bei einem Privat Equity Unternehmen in München tätig. Christian Ramsauer studierte WirtschaftsingenieurwesenMaschinenbau und promovierte an der TU Graz. Er forschte als PostDoc zwei Jahre an der Harvard Business School in Boston und habilitierte danach im Fach Produktionsmanagement. Er ist als Aufsichtsrat in mehreren Start-Ups und etablierten Industrieunternehmen tätig.

Dipl.-Ing. Heimo Preising

Ass.-Prof. Dr. Matthias Wolf

Projektassistent am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz

Assistenzprofessor am Institut für Innovation und Industrie Management der TU Graz

Univ.-Prof. Dr. Christian Ramsauer Leiter des Instituts für Innovation und Industrie Management der TU Graz

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Helmut Zsifkovits

20 Jahre Industrielogistik 20 Jahre ist es her, dass der Lehrstuhl Industrielogistik (IL) im Fachbereich Wirtschafts- und Managementwissenschaften an der Montanuniversität Leoben Leben gegründet wurde, und zum gleichen Zeitpunkt starteten auch die ersten Lehrveranstaltungen der neuen Studienrichtung. Corinna EngelhardtNowitzki wurde zur Universitätsprofessorin für Industrielogistik berufen, ab 2008 übernahm Helmut Zsifkovits die Leitung des Lehrstuhls. Industrielogistik setzte von Beginn an stark auf die Bereitstellung von Logistiklösungen, die sich an den Anforderungen produzierender Unternehmen orientieren, als erster Lehrstuhl mit dieser speziellen Ausrichtung in Österreich. Innerhalb des Rohstoffkreislaufs, der durch die Gesamtheit aller Studi-

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enrichtungen der Montanuniversität Leoben repräsentiert wird, steht die Industrielogistik für einen interdisziplinären Bereich, der die einzelnen Disziplinen vernetzt und für effektive und effiziente Material- und Informationsflüsse sorgt. Ziel ist die Optimierung von Produktionsprozessen, einschließlich Fertigung und Montage, Inbound-Logistik, Bereitstellung von Materialien und Komponenten, Distributionslogistik und ReverseLogistik. Highlights in den zwei Jahrzehnten waren die Koordination und Mitwirkung in sechs europäischen Projekten, die Durchführung von Kongressen wie dem Wissenschaftlichen Industrielogistik-Dialog und jährlicher Logistik-Tage in Kooperation mit der Bundesvereinigung Logistik

Österreich. Es entstanden 17 Bücher in Autoren- und Herausgeberschaft und mehr als 200 Artikel und Beiträge in Sammelwerken. Aktuell entwickelt der Lehrstuhl Smart Logistics in Forschung und industrieller Anwendung. Die Simulation und Modellierung von Material- und Informationsflüssen dient der Analyse aktueller und zukünftiger Szenarien und der Verbesserung von Abläufen. Digitale Zwillinge von Logistikprozessen stellen nicht nur reale Abläufe dar, sondern dienen auch dazu, Prozesse effektiver und in Echtzeit zu steuern. Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Helmut Zsifkovits, Lehrstuhl Industrielogistik, Montanuniversität Leoben

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Franz J. Siegmeth, Wolfgang Posch

Strategic Foresight (strategische Frühaufklärung) On the relevance of strategic foresight In science and professional practice, a consensus exists that strategic foresight represents a valuable task in organisations for detecting early signals and disruptive occurrences. Due to the novel circumstances of a continuous and accelerating change of the business environment, also described by the acronym VUCA, which stands for volatility, uncertainty, complexity and ambiguity, it is observable that conventional management beliefs, and to this date, proven methods and practices, are on the verge of expiring. This new VUCA environment aggregates paradigmatic shifts in organisations' business landscape, known as infliction points, which display chances and risks due to their characteristics. Consequently, certain taken-for-granted assumptions, value systems and the prevalent way of thinking in organisations are, by these transformations, thrown into question, and uncertainty increases to a higher level. These circumstances challenge not only our ways of thinking, which our value systems had framed, but also affect our understanding and ability to manage change. Subsequently, these limitations of our conventional thinking approaches are bound to our attempts to predict and foresee complex systems' developments. In this context, it is of interest to look at the historical development of the various strategic foresight concepts that prevail as best practices until

Forecasting vs Foresight Before moving to the four generations of concepts for early warning systems, it is necessary to distinguish between forecasting and foresight. Forecasting copes with the future by estimating it for the short, mid and long term in unknown situations for a specific research area. Besides, forecasting can be related to either one view of a single future or several views of multiple futures. However, both views require that the observable area or the research question represented by scientific methodology be known upfront (according to Cuhls, 2003, p. 22). Although forecasting errors

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have become more frequent since the 1970s, it remains an esteemed prediction method for relatively stable and more predictable environments. Therefore, forecasting is still reasonably accurate in environments where tomorrow's world will be much as today. However, forecasts will likely fail in VUCA environments, where significant discontinuities are emerging but are not likely to be predicted based on past knowledge and experience (according to Tsoukas and Shepherd, 2004, p. 24; Wack, 1985, p. 2). In contrast to the forecast concept, which is based on analyses of available data (according to Reicherz, 2015a, p. 75), the foresight approach

illustrates, by several similar terms, future studies or future research. Since 1980, foresight has described activities for giving decision-makers the foundation of a longer-term perspective-related information basis, drawing from a broader range of extensive social networks (according to Miles et al., 2002, p. 33). In context to foresight, the expression 'corporate' relates to a pure organisational context and, therefore, separates itself from national foresight programmes (according to Tyssen, 2012, p. 12). However, until now, there is no universally agreed-upon definition for corporate foresight. Thus, the terms foresight, strategic foresight, and cor-

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FACHARTIKEL Source

Definition

Battistella (2014)

"Corporate foresight […] is the process used by companies to identify weak signals and information from the periphery, anticipate emerging markets and trends and formulate corporate strategies and innovation policies to prepare for an uncertain future. "

Rohrbeck (2011)

"Corporate Foresight is an ability that includes any structural or cultural element that enables the company to detect discontinuous change early, interpret the consequences for the company and formulate effective responses to ensure the long-term survival and success of the company."

Tsoukas, Shepherd (2004)

"Foresight marks the ability to see through the apparent confusion, to spot developments before they become trends, to see patterns before they fully emerge, and to grasp the relevant features of social currents that are likely to shape the direction of future events."

Slaughter (1998)

"Strategic foresight is the ability to create and maintain a high-quality, coherent and functional forward view, and to use the insights arising in useful organisational ways, for example to detect adverse conditions, guide policy, shape strategy, and to explore new markets, products and services. It represents a fusion of futures methods with those of strategic management."

Table 1: Selected definitions of foresight

porate foresight are used interchangeably by foresight practitioners and researchers, as displayed by a selection of examples in table 1. Besides the variety of definitions of foresight, research and practice determine the term foresight through two different points of view. The first is a processual view, where strategic foresight is seen as a process. HORTON, BECKER, MÜLLER, and COATES support this view. The second is a capability-based view, where strategic foresight is seen as proficiency, supported by SLAUGHTER, TYSSEN, NICK, ROHRBECK, TSOUKAS and SHEPHERD (according to Buske, 2016, p. 63). Although many scientists and practitioners cope with foresight research, and although each definition contributes to more indepth insight, no single one can fully comprise foresight. From the various definitions of research, strategic foresight objectives provide a decision, strategy development and planning support for a long-term perspective of organisations in their endeavour to survive and grow. As different organisations follow various objectives, the focus of their strategic foresight activities might result in information input from strategic planning, research, technology development, and innovation management to marketing management and corporate branding. Further, the objectives of strategic foresight are split into soft and hard ones, whereby the soft objectives relate to cultural and communicative purposes, such as the illustration of visions, the improvement of stakeholder relations, or increasing the field of view of the organisation's employees and leaders, in the contest to their beliefs. The hard objectives relate to the long-term planning support, the recognition of weak signals, and thus the realisation of chances and risks

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to further reduce uncertainty by generating orientational knowledge for accelerated right-in-time strategic decision-making. The advisory role of strategic foresight in decision-making leads us to conclude that because strategic foresight provides information, it strongly contributes to the success of decisions based on this information. Subsequently, organisations that use strategic foresight are supposedly better prepared for the future than organisations that lack these capabilities. Based on the above research and in consideration of the commonalities of the definitions, a suitable working definition derived would be: “Corporate foresight is a capability to actively develop an omniferous view towards any signals of discontinuous change and possible, probable and improbable disruptive occurrences to gain and process the information necessary for enabling an organisation's future success and for increasing the likelihood of its long-term survival by timely informed decision-making.” This working definition aims to provide decision, strategy development and planning support for a longterm perspective of organisations and their endeavour to survive and grow.

to Weak Signals (see Ansoff, 1975a). Based on the concept of weak signals, ANSOFF subsequently developed the Strategic Issue Management (SIM) concept, which eventually led to the development of Early Warning Systems (EWS) (see Eschenbach et al., 2008). As displayed in figure 1, organisations at the beginning focused purely on an operational early warning perspective through performance indicators, statistical projections and risk. Later on, organisations also added potential chances opposing the single-sided risk perspective. A real change in EWS occurred when a strategic perspective was included. However, in general, EWS' development relates to and rests on discontinuities, or in other words, unexpected and sudden effects in an organisation’s business environment (according to Bea and Haas, 2016, p. 310). EWS' essential characterisation is that they are suited to observe relevant occurrences and determine and analyse them as early indicators for possible and probable threats. Another definition aims to provide early information on changes in the organisation's environment to warn the system users to set the proper measures early to avoid or decrease damage to the organisation. The elements of such a system, which detect, process and communicate data and information, are human individuals, machines, or human-machine combinations and could be distinguished in peripheral (sensors) and central elements (information-hubs) as depicted in figure 1 (according to Hahn and Krystek, 1979, pp. 21–22). When looking at the implementation and the subsequent application of

Foresight in organisations Initially, quarrels with the future have a long history. The first economic approaches were delivered by AGUILAR (1967) – Scanning the Business Environment (see Aguilar, 1967) – and ANSOFF (1975) Figure 1: Elements, sub-systems and connections of an – Managing Strategic early warning system (adapted from Hahn and Krystek, Surprise by Response 1979, p. 40)

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Figure 2: The four generations of early warning systems (adapted from Weigand and Buchner, 2000, p. 11)

corporate foresight in organisations today, we see that they developed over time through four stages from an operational early warning perspective towards a strategical and operational early warning perspective, or in other words, toward a strategic foresight perspective, as displayed in figure 2. Furthermore, in looking at the four generations of early warning systems, one can see that they separate into operational and strategic perspectives based on their respective frame of reference (according to Krystek and Müller-Stewens, 1993, p. 10). First and second-generation systems are focused on key figures and key performance indicators and, thus, on an operational short-term leadership context. The strategic perspective in third-generation systems focuses on strategic success potentials and performance indicators and, therefore, on organisations' holistic view (according to Heintzeler, 2008, p. 83). From an input-to-output perspective, as displayed in figure 3, it is especially the information characteristic that gives another anchor point to distinguish the operational from the strategical perspective. Fourth-gene-

ration early warning systems partly approach the identified bridging gap between those perspectives, as displayed in the overview in figure 4, by connecting the operational and the strategic perspectives. These four concepts are now outlined in more detail below: The 1st generation of EWS emerged from the components of traditional financial accounting. Through the assistance of performance indicator systems, the first-generation early warning concepts developed throughout the 1970s. These systems monitored deviations between as-is and should-be values for profit, cost, revenue, liquidity, rentability, cash flow, incoming orders, et cetera. However, although these first-generation systems led to the development of comprehensive indicator systems, they showed weakness in their relation to the past and displayed symptoms rather than causes. Besides, they did not encompass any soft facts and, therefore, are focused foremost on risk but not on chances (accor-

Figure 3: An operational vs a strategic foresight (adapted from Krystek and MüllerStewens, 1993, p. 12)

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ding to Bea and Haas, 2016, pp. 311–312). The 2nd generation coped with the weaknesses of the first-generation EWS. This led, through research and further improvement, to the enhancement of recognising signals on risks and chances at an early stage of their evolvement (according to Bea and Haas, 2016, p. 312). These systems differ from first-generation systems through a realised systematic search and observation of relevant internal and external organisation-related developments. Further differentiation is shown through the support of continuously monitored leading early warning indicators, which indicate hidden and not instantly recognisable events in the organisation or their environments (according to Krystek and Müller-Stewens, 1993, p. 20). However, two further weaknesses are shown besides the methodical problems in selecting the appropriate fields for observation and identifying suitable indicators for building such a system. Firstly, the domination of quantitative measures sets further focus on hard facts. Secondly, the intense focus on the identified observation fields might lead to overlooking other relevant areas and further increase the possibility of missing chances and risks (according to Bea and Haas, 2016, pp. 313–314). The 3rd generation EWS base assumption is that every strategic change of relevance originates from humans or human action and emerges from key personnel or organisations' opinions and statements. The vital point for these concepts originated first in 1979 through the concept of weak signals developed by ANSOFF. The central thesis of ANSOFF's Weak Signal Concept (WSC) is that strategic discontinuities become apparent through antecedent occurrences. Discontinuities, if not detected in time, are sudden changes that may lead to losses and, if detected, to chances for the respective organisation. Ansoff claims that an organisation's capability to react depends on an

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Figure 4: Operational vs strategic leadership context (adapted from Krystek and Müller-Stewens, 1993, p. 10)

occurrence's external rapidity: the emergence and disappearance of it and an organisation's time to respond in pursuing an emerging chance or avoiding an impending threat. Subsequently, an organisation can avoid being surprised if it accepts incomplete information, as this allows for increased flexibility, especially at the early stages of such occurrences. At a later stage, when more accurate information is available, a more precise response could be applied by the organisation. So, from the emergence to the disappearance of a discontinuity, the organisation can use a graduated reply in applying different response strategies, dependent on the level of substantiated information (according to Ansoff, 1976, p. 133). Two dimensions of discontinuities, which also led to ANSOFF's SIM described further below, determine its response effort. Firstly, the discontinuity size and, secondly, the degree of the unfamiliarity (according to Ansoff et al., 2019, p. 460). SIM focuses on the speed and accuracy of an organisation's reactivity through continuous observation of the environment and a leadership team that can and is willing to react without delay. Three organisational levels contribute to a different level of SIM. The experts at the staff level are determined to observe the environment for signs of discontinuities. The decision-makers at the management level evaluate these emerging weak signals to determine their effect on the business

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and the time needed for an appropriate reaction to prioritise their intended measures. Finally, the workers on the operational level who are able to react through measures and by execution of orders but are rarely involved in planning activities. Besides the speed of an organisation's reactivity, the organisation needs to recognise signals for discontinuities, which requires it to scan its environment continuously. Further, real-time acquired information needs to be collected and analysed immediately, even before verifying the information's reliability (according to Eschenbach et al., 2008, pp. 61–62). The main downside of ANSOFF's WSC is the need for more operability, partly overcome by ANSOFF's subsequently developed strategic issue management (according to Reicherz, 2015b, p. 74). Further, the term weak signals shows a lack of definition and discussion, and in addition, the need for more operability (according to Bea and Haas, 2016, p. 320). Another disadvantage might be the lack of direction or uncertainty of the acquired information regarding the occurrence or development of a possible chance or risk. (according to Ansoff, 1975b, p. 23). Further disadvantages regarding the SIM concept are that the detection of discontinuities, in general, is possible but that strategic foresight is fragmentary at best. One of the main reasons for this incompleteness is the internal organisational filtering of information, its often-flawed

interpretation, and the problem of its implementation. Also, the organisational peculiarity in culture and leadership style plays a significant role in determining the organisation's ability to deal with criticism and how open and flexible it is ( according to Simon, 1986, pp. 177–178). As ANSOFF describes foremost procedures and coherences, he displays paths of implementing his concept, which is non-holistic regarding strategic management as it distinguishes itself from strategic planning (according to Ansoff, 1976, p. 151; Reicherz, 2015b, p. 74). To summarise, weak signals aim to detect changes, developments and their possible impact on organisations at a very early stage of their emergence to regard them in strategic planning by setting appropriate countermeasures (according to Dillerup and Stoi, 2016, p. 762). As such, the third-generation concepts separate themselves from indicators and aim to be a strategic radar to observe the organisation's environment for possible and potential disruptions (according to Bea and Haas, 2016, p. 314). The most recent 4th generation of EWS emerged in the mid-80s. They aimed to combine the synergies between the prior three generations of EWS to enable a holistic approach encompassing early warning operative and strategic perspectives. This approach originates from GOMEZ's theory of 'connected thinking' (see Gomez, 1983), which assumes that an organisation is connected to its environment by a complex network. Through this approach, attempts are made to gain an in-depth understanding of the network structures of an organisation and the structures between an organisation and its environment. The strength of this network-oriented approach is that through careful examination of the impact intensity of every value on all the other values in the model is examined. The result allows us to draw conclusions on possible chances and risks on each variable of the network, but also conclusions about

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FACHARTIKEL the dynamics of the system and the environment. Furthermore, this concept enables a first evaluation of the strategic position for existing organisational activities by linking the connected thinking approach to the concept of early warning. Therefore, GOMEZ’s approach allows organisations, by coupling network thinking with early warning concepts, to rudimentary cope with today’s environment’s complexity (according to Weigand and Buchner, 2000, p. 19; Zimmermann, 1992, p. 77; Roll, 2004, p. 23). Finally, it is to mention that the main essentials on which this fourth-generation concept was built were the market-oriented, resourceoriented, and evolutionary strategic management approaches, and therefore allows the use of this concept, at the very least, as a stepping stone for the ongoing development of EWSs. In critical reflection, it is recommended to apply GOMEZ’s approach with a grain of salt, as the impact evaluation of the variables might be problematic, as it most certainly will lead to contradictions due to the multitude of impact relations and their characteristics of change (see Rauscher, 2004, pp. 83–85). Therefore, in addition to GOMEZ, an added complexity thinking approach might address these shortcomings and close the gap between operational and strategic foresight sufficiently. BOULTON et al. state that compared to a mechanical or Newtonian worldview, ”…a complexity worldview sees the world as essential interconnected, and rich with forms and patterns that have been shaped by history and context. A complexity worldview reminds us of limits to certainty, and it emphasises that things are in a continual process of ‘becoming’ and that there is potential for startingly new futures where what emerges could be unexpected and astonishing” (Boulton et al., 2015, p. 1). So, when discussing this complex and dynamic world (according to Cilliers, 1998, p. 112), we talk about a systemic world, which is synergistic, path-dependent, sensitive to context, emergent, and

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episodic (according to Boulton et al., 2015, p. 8). Composition, form, and function defy any standard classification, and the increasing environmental volatility and complexity surrounding us create new uncertainties. In this complex world, a dynamic environment for each organisation, minor effects might create non-linear events with significant consequences, which might encompass chances and risks eventually (according to Cambel, 1992, pp. 1–2). Assuming that organisations want first to survive and then to prosper in a world like this, organisations and their leaders need to confront their mechanistic worldview and belief in control to harness this complexity (according to Cilliers, 1998, p. 112). Thus, changing to an alternative, more complex view of the organisation’s environment and how the world works is needed, as it would enable organisations and their leaders to overcome issues towards the future. Findings and Critical Reflections The following conclusion proceeds from the various definitions and a concept perspective from the 3rd and 4th generation systems and research on strategic foresight. Although there are various definitions, it is evident that a clear standard definition of strategic foresight is not available (see Daheim and Uerz, n.d., p. 81; Krystek and Müller-Stewens, 1993, p. 2; Nick, 2008a, p. 55; Paliokaitė et al., 2014, p. 161; Rohrbeck et al., 2015, p. 1; Tyssen, 2012, p. 3). This unclearness bears the risk of misinterpretation of the meaning of strategic foresight as prediction or fortune-telling (according to Lustig, 2015, p. 17). The importance of an organisation’s future orientation determines the need and capability of an organisation to detect weak signals for timely decision-making, which in turn shows the necessity for strategic foresight in decision-making and longterm competitive advantage (according to Nick, 2008b, p. 21; Müller, 2008, p. 38; Heintzeler, 2008, pp. 3–4). The 3rd generation of early warning systems experiences weaknesses due to the availability and qua-

lity of information and further due to its interpretation's subjectivity by biased human beings and their limited capability for processing(according to Konrad, 1991, p. 45). Besides, based on their qualitative nature, weak signals allow interpretation, probably leading to misinterpretation and, subsequently, to failed decision-making (according to Neumann, 2004, p. 160; Hammer, 1998, p. 189). The 4th generation of early warning systems intends, through the integration of the operational and strategical perspective, to overcome the fundamental problems of the 3rd generation systems and thus enable the combination of qualitative and quantitative information. However, literature still distinguishes between the two perspectives. Thus, only in scarce circumstances an indication towards an integrated operational and strategical perspective is found (according to Roll, 2004, p. 23; Weigand and Buchner, 2000, p. 19). Compared to operational foresight, strategic foresight is indistinct in its definition and thus less formalised, less bound to the system, and less structured (according to Maertins, 2019, p. 52; Heintzeler, 2008, p. 83). Following the intended long-term orientation and due to the increasing dynamic in the business environment, this is necessary, as possible discontinuities overexert the capabilities of operational early warning systems (according to Weigand and Buchner, 2000, p. 10). For this reason, a strong impetus shall be given to a combined operational and strategic approach and the addition of a complexity thinking approach as the next step in developing early warning systems. Thus, by combining the advantages of the operational and strategic approach and complexity thinking, and by implementation in corporate foresight activities, organisations might be enabled to address these shortcomings and issues appropriately. Conclusion Early warning systems and strategic foresight are due to an exceedingly VUCA environment essential for an organisation's competitive advantage. The present development stage of early warning concepts, their application

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FACHARTIKEL and the involved personnel are still not entirely suited to cope with the present and future circumstances. Thus, the recommended step for improving this as-is situation is to create a tool for evaluating operational and strategic foresight capabilities within these organisations by adding a complexity view and reflecting on the structural, cultural, and individual capabilities in context to the environmental volatility and complexity we face today. Literature Aguilar, F.J. (1967), Scanning the Business Environment, Macmillan, New York, available at: https://books.google.at/books?id=sn1EAAAAIAAJ. Ansoff, H.I. (1975a), Managing Strategic Surprise by Response to Weak Signals, California Management Review, 18(2), 21–33, available at: https://books. google.at/books?id=t1tLnwEACAAJ. Ansoff, H.I. (1975b), “Managing Strategic Surprise by Response to Weak Signals”, California Management Review, Vol. 18 No. 2, pp. 21–33. Ansoff, H.I. (1976), “Managing Surprise and Discontinuity_Strategic response to weak signals.pdf”, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung: ZfbF / Schmalenbach-Gesellschat für Betriebswirtschaft. Ansoff, H.I., Kipley, D., Lewis, A.O., Helm-Stevens, R. and Ansoff, R. (2019), Implanting Strategic Management, Springer International Publishing, Cham, available at:https://doi. org/10.1007/978-3-319-99599-1. Bea, F.X. and Haas, J. (2016), Strategisches Management, 8., überarbeitete Auflage., UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz. Boulton, J.G., Allen, P.M. and Bowman, C. (2015), Embracing Complexity: Strategic Perspectives for an Age of Turbulence, First edition., Oxford University Press, Oxford. Buske, C. (2016), Corporate Foresight in Energieversorgungsunternehmen: Konzeption und empirische Überprüfung eines Reifegrad-Modells, Identifikation von Zukunftsthemenfeldern sowie Ableitung von Gestaltungshinweisen, 1. Auflage., Steinbeis-Edition, Stuttgart. Cambel, A.B. (1992), Applied Chaos Theory: A Paradigm for Complexity., Elsevier Science, Saint Louis, availa-

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Authors: Dipl.-Ing. Franz J. Siegmeth, MSc, MBA Dipl.-Ing. Franz J. Siegmeth has a diploma in Petroleum Engineering from the Montanuniversität Leoben in Austria, an MSC degree in Hydrocarbon Enterprise Management from the University of Aberdeen in the United Kingdom, and a dual executive MBA degree from the University of Economics in Vienna and the University of Minnesota in the United States of America. Since 2014, he works as a senior lecturer and researches the economic use of resources, strategic foresight and

complexity management at the Department of Economics and Business Management at the Montanuniversität Leoben. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Posch Prof. Dr. Wolfgang Posch heads the department of economics and business management at the Montan University of Leoben. His research focuses on resource economics, integrated energy and asset management and data analytics and visualization. Prior to that he spent 6 years as management consultant with Arthur D. Little and Accenture and 15 years as chief strategist and chief economist for OMV Upstream.

Dipl.-Ing. Franz J. Siegmeth, MSc, MBA Senior lecturer, Montan University Leoben

Univ.-Prof. Dipl.Ing. Dr. Wolfgang Posch Head of the department of economics and business management, Montan University Leoben

SAVE THE DATE! WING-KONGRESS 2024: Industrie im Wandel Auswirkungen der nachhaltigen Energie- und Mobilitätswende Programm:

Get-Together

Donnerstag, 23.05.24, 19.00 Uhr

Kongress Freitag, 24.05.24, 09.00-18.00 Uhr Ort: TU Wien, Karlsplatz 13, Hauptgebäude, 1.OG, Festsaal, 1040 Wien Nähere Informatioen zum WING-Kongress 2024 folgen. 40

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WINGNET

Foto: ©Lukas Frankl

Lukas Frankl

WINGnet Wien

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as neue Wintersemester beginnt und nicht nur die Studierenden starten gestärkt von den Sommerferien ins neue Semester, sondern auch wir haben uns über den Sommer neu sortiert und legen im Herbst voll los. Doch bevor der Fokus ganz auf die kommenden Wochen bzw. Monate gerichtet wird, werfen wir auch nochmals einen Blick in die Vergangenheit. Beginnend mit einem Punschstand Ende Jänner, wo trotz recht stürmischen Bedingungen das ein oder andere wärmende Getränk getrunken und gute Gespräch geführt wurden, bis hin zu sommerlichen Temperaturen im Juni und einen damit einhergehenden Spritzerstand mit Qualitätswein vom örtlichen Winzer, haben wir den sozialen Aspekt, den das Studierendendasein mit sich bringt, vollkommen ausgenutzt. Wir stehen für eine gute Gemeinschaft, die sich auch abseits vom Studienalltag gerne vernetzt und untereinander trifft, wie auch unser monatlicher Stammtisch zeigt. Beim Stichwort vernetzen kommt uns sofort das 2023 erstmals veranstaltete WING-Forum in den Sinn, wo wir mit einer Truppe von motivierten Studierenden, einigen sehr interessanten Beiträgen zum Thema Energiewende beiwohnen

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durften und danach bei malerischen Ausblick auf den Rochusmarkt von der Dachterasse der Post AG aus, mit den Vortragenden sowie anderen Teilnehmern, angeregte Diskussionen führen konnten. Ein mehrtägiges Kooperationsevent mit WINGnet Graz, wo wir fünfzehn Studierende aus ganz Europa bei uns in Österreich zu Besuch hatten, rundete den Sommer perfekt ab. Nun steht der Herbst im Zuge von Netzwerken und Weiterbildung, wodurch wir ganz feierlich unseren Lean Six Sigma Greenbelt-Kurs in Kooperation mit Siemens Mobility

Austria GmbH ankündigen dürfen, welcher Mitte November in Wien stattfindet und neben dem Erlangen einer hochangesehenen Zertifizierung ebenso die Möglichkeit bietet, wissenschaftliche Arbeiten sowie potentielle Werksstudentenanstellungen bei Siemens Mobility zu erhalten. Ebenso sind Werksführungen, Workshops mit Consultingunternehmen sowie Vorträge bezgl. nachhaltiger Ressourcennutzung in der Pipeline. Wir freuen uns auf eine ereignisreiche Zeit!

Foto: ©Maximilian Eisenberg

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UNINACHRICHTEN

Fotos: ÖVIA Forschungs-GmbH

Georg Steger

ÖVIA-Kongress 2023 Mit über 100 internationalen Teilnehmern war der ÖVIA-Kongress 2023 wieder ein voller Erfolg. Unter dem Titel „Instandhaltung im dynamischen Umfeld: Lean - Digital - Integrativ - Nachhaltig – Wertschöpfend“ trafen sich Fachexperten aus Industrie und Wissenschaft vom 11. bis 12. Oktober 2023 zum 37. Instandhaltungsforum in Leoben.

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ynamisch wie der Titel war auch die Auswahl an Referenten und Themen. 20 internationale Vortragende präsentierten bereits abgeschlossene oder noch laufende Projekte mit Bezug zu Instandhaltung und Asset-Management. Eröffnet wurde das Forum durch den Keynote-Vortrag von Prof. Hubert Biedermann, welcher Zusammenfassung und Ausblick zum Thema „KI in der Instandhaltung“ beinhaltete. Weitere Themen des ersten Vormittages waren neben der KI und immersive Technologien auch Aspekte des Asset-Managements, wozu u.a. das dynamische Asset-Management der Hüttenwerke Krupp Mannesmann aus Duisburg vorgestellt wurde. Als Abrundung zum ersten Tag, welcher sich am Nachmittag durch den Schwerpunkt „Instandhaltungsstrategien“ charakterisierte, fand im Anschluss an die Vorträge eine Podiumsdiskussion zum Thema „KI in der Instandhaltung“ statt. Auch der zweite tag war nicht minder hochka-

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rätig. Vormittags wurde u.a. zu Themen wie „Chatbots in der Instandhaltungsplanung“ oder „Process Mining“ referiert. Am Nachmittag wurde das Programm dann durch nachhaltigkeitsorientierte Themen abgerundet, bevor das diesjährige Forum nach kurzer Abschlussdiskussion wieder zu Ende ging. Vor allem die Möglichkeit zum branchenübergreifenden Networking wurde auch 2023 wieder sehr gut angenommen. Als Highlight des ersten Abends wurde auch dieses Jahr die Verleihung des Maintenance Award Austria (MA²) und des Innovationspreises bei feierlicher Stimmung begangen. Die Laudatoren, dieses Jahr von der WKO Steiermark und der Industriellenvereinigung Stei-

ermark, prämierten die drei Finalisten des MA² sowie den Gewinner des diesjährigen Innovationspreises. Letzterer ging an die Firma Moldsonics in Kooperation mit der Firma EREMA. Den dritten Platz des Instandhaltungspreises konnte sich die Schäffler Austria GmbH sichern, welche erstmalig am Event teilnahm. Zweiter wurde die Evonik Fibres GmbH, knapp geschlagen nur vom diesjährigen Sieger, der Hydro Extrusion Nenzing GmbH aus Vorarlberg.

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UNINACHRICHTEN

Foto links: © DI Marco Berger, Prof. Dr. Bernd Markus Zunk

Foto rechts: © DI Marco Berger (Hintergrundbild: RudyBalasko - stock.adobe.com)

Konferenzen des European Professors of Industrial Engineering and Management (EPIEM) - Netzwerks Rückblick & Ausblick Am 5. und 6. Oktober 2023 hat die 16. EPIEM Konferenz in Novi Sad, Serbien stattgefunden. Die EPIEM Konferenz wurde in das Programm der 19. International Scientific Conference on Industrial Systems (IS’23) eingebettet, welche vom Department of Industrial Engineering and Management der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität in Novi Sad veranstaltet wurde.

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ines der Ziele der gemeinsamen IS’23 / 16. EPIEM Konferenz war die Präsentation wissenschaftlicher Erkenntnisse, die den Austausch praktischer Erfahrungen im Bereich „Industrial Systems Engineering and Management“ verstärken und Zukunftsprojekte innerhalb der Mechanical Engineering sowie der IEM Community zwischen Graz und am Balkan situierten Universitäten anregen sollten. Aktuell sind schon zwei EU-Projektanträge in Bearbeitung, was den Erfolg der Konferenz unterstreicht. Im Rahmen des IS’23 Konferenzprogramms wurde u.a. dem Thema EPIEM & Engineering Management ein Special Track gewidmet. Dieser umfasste aktuelle Themenbereiche wie Manufacturing Management and Service Processes, Product Lifecycle Management, Sustainable Development, Technological Forecasting, Corporative Strategies, Marketing & Corporate Communication, Industrial Entrepreneurship, Technological Management, Investment Management, Project Management, Human Resources Management, Energy Management, Corporate Restructuring, Business Processes Automation, Distance Learning and Virtual Teams, Insurance Engineering &

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Management, Media Engineering and Management, and Management of Healthcare Organizations. Die dazugehörigen Beiträge können ab sofort online unter https://www.iim. ftn.uns.ac.rs/is23/proceedings/index. html abgerufen werden. EPIEM und die Fakultät für Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Graz bedanken sich herzlich bei den Veranstaltern und Kolleg*innen aus Novi Sad, Prof. Emeritus Dr. Ilija Ćosić (International Program Committee General Chair), Prof. Dr. Mitar Jocanović (Organizing Committee Chair), Prof. Dr. Stevan Milisavljević (Program Committee Chair) und bei unseren EPIEM Kolleg*innen Prof. Dr. Stevan Stankovski und Prof. Dr. Gordana Ostojić sowie bei allen Teilnehmer*innen und Unterstützer*innen.

Computer Science), Prof. Dr. Nikola Suzic (Department of Industrial Engineering) und Prof. Dr. Alberto Nucciarelli (Department of Economics and Management) von der Universität Trento mit Unterstützung vom EPIEM Präsidenten Prof. Dr. Bernd M. Zunk sowie Amila Omazic, BSc MSc organisiert. Details sowie Anmeldeinformationen finden Sie unter https://epiem.azurewebsites.net/17thepiem-conference-2024/. Wir bedanken uns schon jetzt bei unseren Kolleg*innen der Universität Trento und freuen uns auf zahlreiche Teilnahmen und eine erfolgreiche Konferenz. Prof. Dr. Bernd M. Zunk, Chairman of the EPIEM Network Amila Omazic BSc MSc, EPIEM Alliance Manager Dipl.-Ing. Marco Berger, EPIEM Webmaster

SAVE THE DATE!

Imprint

Die 17. EPIEM Konferenz 2024 zum Thema “Challenges for Industrial Engineering and Management in the Era of Artificial Intelligence” findet am 3. und 4. Oktober 2024 in Trento, Italien statt. Die Konferenz wird von Prof. Dr. Marco Formentini (Department of Information Engineering and

EPIEM – European Professors of Industrial Engineering and Management Graz University of Technology, Institute of Business Economics and Industrial Sociology, Kopernikusgasse 24/II, 8010 Graz, Austria www.epiem.org

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UNINACHRICHTEN

Ökonom Stephan Schulmeister bei seinem Vortrag „Die Rückkehr der Inflation – Ursachen und Wege zu ihrer Überwindung“ im 10. Stock der Energie Steiermark am Leonhardgürtel; Foto: Marlene Heyn

Johannes Dirnberger-Wild

IMC MemCon 2023 – wieder über den Dächern von Graz Die diesjährige „Members Conference“ des Industrial Management Club Kapfenberg (IMC) am 11.10.2023 stand ganz im Zeichen der wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Aussichten bei steigenden Preisen, Inflation? Zunächst einmal ging es für die Absolventinnen und Absolventen von Industrial Management „hoch hinaus“ – per Aufzug in den 10. Stock der Energie Steiermark am Leonhardgürtel Graz.

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ort bildeten nach einer Begrüßung durch den Leiter der Konzernkommunikation der Energie Steiermark Urs Harnik-Lauris heuer zwei der Makroökonomie gewidmete Vorträge sowie das traditionelle Networking im Anschluss das diesjährige Programm. Den Start machte der Ökonom Stephan Schulmeister, der als Wirtschaftsforscher seine Schwerpunkte auf die Folgen der Spekulation auf den Finanzmärkten sowie den „langen Entwicklungszyklus“ als Abfolge real- und finanzkapitalistischer „Spielordnungen“ legt. Unter dem Titel „Die Rückkehr der Inflation – Ursachen und Wege zu Ihrer Überwindung“ analysierte Schulmeister nicht nur die Ausbreitung der Teuerung von fossiler Energie auf die Inlandspreise, sondern ging auch auf die Zusammenhänge zwischen Geldmenge, Inflation und Zinspolitik sowie die Strompreisbildung ein und skizzierte Möglichkeiten zur Inflationsbekämpfung, wie etwa durch die Gründung

einer „Agentur für Markttranspa- mit den Themen und Vortragenden renz“. dieses Jahr sind, zeigt sich zum eiIm zweiten Vortrag wagte Walter nen am Teilnahmerekord und zum Pudschedl, Ökonom bei UniCredit anderen an den vielen Fragen und Bank Austria mit Fokus auf die ma- Diskussionen zwischen und nach den kroökonomische Analyse Österrei- Vorträgen. Dazu kommt die Topchs und Konjunkturanalysen, einen Location mitten in Graz. So kann es Ausblick in die Zukunft, indem er die gerne weitergehen“, resümiert Adele wirtschaftlichen Aussichten in Zeiten Graf, IMC-Vorständin und Hauptormultipler Krisen erörterte. Die Frage, ganisatorin der Veranstaltung, zufrieob es nun zum „Start oder Absturz“, den das Event. wie im Vortragstitel angeteasert, kommt, wurde natürlich nicht klar Die Planung für das kommende mit „ja“ oder „nein“ beantwortet. In Jahr ist jedenfalls schon in Gange. Pudschedls Vortrag schimmerten jedoch immer wieder auch vorsichtig positive Prognosen durch, die den Teilnehmenden, zumindest was die wirtschaftlichen Entwicklungen anbelangt, Anlass zur Zuversicht gaben. Das Programm samt Rahmenbedingungen stieß jedenfalls auf sehr positive Resonanz bei den IMC-MitWirtschaftsexperte Walter Pudschedl mit seinem Vortrag „Start oder gliedern. „Wie treffsicher wir Absturz? Wirtschaftliche Aussichten in Zeiten multipler Krisen“; Foto: Marlene Heyn

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BUCHREZENSION

Buchrezension zum Handbuch des kybernetischen Baumanagements von Otto Greiner, Hans Steiner und Josef Mahlknecht von Gottfried Mauerhofer Dieses Handbuch liefert einen strukturierten Einblick in die Baukybernetik als Ergänzung zum konventionellen Projektmanagement. Der kybernetische Ansatz bietet die Möglichkeit, die kontinuierlich steigende Komplexität im Bauwesen greifbar zu machen und zu steuern. Das Handbuch für kybernetisches Baumanagement zeigt eine Vielzahl an Werkzeugen und Methoden und wie diese mittels der Denkweise der Kybernetik angewendet werden können, um vor allem dynamische Bauabwicklungen in ihrer Komplexität zu reduzieren und beherrschbar zu machen. Durch die kybernetische Sicht auf die im Bauprojekt gelieferte Qualität können mittels selbstregulierenden Regelkreisen Mehrwerte in der Verfolgung von Abweichungen generiert werden. Die Sicht auf die ISO-Normenreihe zeigt viele ähnliche Grundsätze zu der Baukybernetik, mit geringerem Fokus auf systemtheoretische Gedankengänge. Die allgemeine Idee des Projektstrukturplans ist es, Projekte in ihrer Komplexität greifbar zu machen und zu strukturieren. Demnach folgt die Anwendung eines Projektstrukturplans für Bauprojekte den übergeordneten baukybernetischen Zielen. Die kybernetische Betrachtung bietet vor allem für die Umfeldanalyse den Vorteil, alle übergeordneten Gegebenheiten systematisch zu erfassen. Mittels der Faktor-, der Stakeholder- und der Risikoanalyse lässt sich über das eigentliche Projekt hinaus die immer wichtiger werdende psycho-soziale Ebene zusätzlich zur Sachebene beschreiben. Aufbauend auf die Faktor- und Stakeholder Analyse soll eine systematische Risikoanalyse durchgeführt werden, um alle Informationen und Eventualitäten für Abweichungen vom Geplanten proaktiv zu identifizieren. In der Terminplanung bieten vor allem die kybernetischen Regelkreise die Möglichkeit, die Dynamik der Bauabwicklung und Auswirkung von Entscheidungen auf die Terminpläne im Überblick zu behalten. Das Kapitel Terminplanung ist sehr umfassend und mit hilfreichen Praxisbeispielen dargestellt. Die Arbeitsvorbereitung ist auf ausführender Seite für eine Vielzahl an Tätigkeiten zuständig, welche meist unter Zeitdruck erledigt werden müssen. Der kybernetische Ansatz bietet die Möglichkeit, die Kapazitätsplanung, Mitkalkulation, Bauverfahren und Arbeitshilfen (etwa eine höhenverstellbare Arbeitsbühne für Mauerer), Lieferketten, Baustelleneinrichtung sowie die zugehörige Baulogistik effizient miteinander zu verknüpfen. In dem kurzen Abschnitt zur kybernetischen Denkweise und Lean Construction zeigt sich die enge Verwandtschaft beider Ansätze in der kontinuierlichen Prozessüberwachung. Beide Ansätze gehen zyklisch und dynamisch an die Objekterrichtung heran und versuchen aus Fehlern zu lernen. Die Kostensteuerung komplexer Projekte mittels Anwendung von kybernetischen Regelkreisen erlaubt eine Kostenermittlung, den laufenden Soll-Ist-Vergleich und die Analyse und zielgerichtete Steuerung bei Zielabweichungen. Damit fokussiert die kybernetische Betrachtungsweise zurecht die Wichtigkeit der Informationen in dem gesamten Bereich des Kostenmanagements. Information als die „Grundnahrung“ von Projekten wird zunehmend digitaler, dynamischer und bildgebundener. Die Bedürfnisse aus dem Informationsmanagement mit Kommunikationsplanung, Informationswesen und verschiedenen Kommunikationsformen werden ausführlich dargestellt und in ihrer Bedeutung für die erfolgreiche Bauprojektabwicklung gewürdigt. Beispiele wie die Regelkreise für Bausitzungen zeigen die hohe Praxisrelevanz dieses Themas. Das Projekthandbuch bietet eine umfassende Zusammenfassung der Informationen, die für ein ökologisches und ökonomisches Bauen unerlässlich sind. Die Regelkreise in Bezug auf das Sitzungsmanagement werfen Licht auf die Rekursivität und die reziproke Beeinflussung der Informationen zwischen allen Projektbeteiligten. Die kybernetische Projektmodellierung stellt eine allgemeine verständliche Vorgangsweise für die Anwendung erfolgsversprechender Projektentwicklungs- und Managementmethoden aus dem Blickwinkel des höheren Managements dar. Das Buch ist vom Stil her leicht verständlich und lesbar. Selbst abstrakte Konstruktionen werden greifbar erklärt und mit Praxisbeispielen untermauert. Es beinhaltet alle gängigen Elemente des Baumanagements und ist daher eine wichtige Ergänzung in den Regalen jedes Bauingenieurs. Die Inhalte des Baumanagements wurden für jedes Kapitels erst theoretisch erarbeitet, bevor diese mit Praxisbeispielen ergänzt und mit der kybernetischen Denkweise verknüpft wurden. Dadurch erhält der Leser einfach die Möglichkeit, sich der Thematik der Kybernetik im Kontext des Bauens zu nähern. Das Handbuch des kybernetischen Baumanagements von Otto Greiner, Hans Steiner und Josef Mahlknecht ist eine unverzichtbare Ergänzung zur traditionellen Herangehensweise des Bauprojektmanagement. Vor allem die übergeordnete Systembetrachtung als Denkweise erlaubt es, die komplexen, dynamischen Randbedingungen simultan in Betracht zu ziehen, um das moderne Bauen greifbar, kontrollierbar und steuerbar zu machen, sodass auch in diesen Zeiten erfolgreiches Bauen möglich ist. Erhältlich ist das Buch um € 39,- zzgl. Versand unter www.baukybernetik.eu und als E-Book bei Amazon für € 19,-

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IMPRESSUM

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…wir sind für Sie garantiert von Nutzen … Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Firmenpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar. Hervorzuheben ist der Zugang zur Technischen Universität als Innovations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ihnen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt. Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Technischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglichkeiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und somit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Exkursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unternehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Möglichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Ma-

WINGbusiness Impressum Medieninhaber (Verleger) Österreichischer Verband der ­Wirtschaftsingenieure Kopernikusgasse 24, 8010 Graz ZVR-Zahl: 026865239 Editor Heft 4/2023 Univ. Prof. Dr. Helmut Zsifkovits E-Mail: helmut.zsifkovits@unileoben.ac.at Redaktion/Layout Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at Editorial Board Mag. Nicole Lettner E-Mail: nicole.lettner@tuwien.ac.at Dipl.-Ing Thomas Draschbacher, BSc E-Mail: thomas.draschbacher@tugraz.at Dipl.-Ing. Florian Schierlinger-Brandmayr E-Mail: florian.schierlinger-brandmayr@tugraz.at Dipl.-Ing. Mario Hoffelner E-Mail: mario.hoffelner@unileoben.ac.at Dipl.-Ing. Andreas Kohlweiss, BSc E-Mail: andreas.kohlweiss@tugraz.at Dipl.-Ing. Marco Berger, BSc E-Mail: marco.berger@tugraz.at Dr. Christian Burkart E-Mail: christian.burkart@fh-joanneum.at Anzeigenleitung/Anzeigenkontakt Mag. Beatrice Freund Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at

nagement) internationale Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Ländern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Aktivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events können sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist möglich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen. Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/de/ wingnet-wien/ finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem Leistungsumfang WINGnet Wien: Theresianumgasse 27, 1040 Wien, wien@wingnet.at ZVR: 564193810

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Druck Druckhaus Scharmer GmbH, Europastraße 42, 8330 Feldbach Auflage: 1.800 Stk. Titelbild: (c) Montanuni Leoben, Lehrstuhl Industrielogistik WING-Sekretariat Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Tel. (0316) 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at WING-Homepage: www.wing-online.at Erscheinungsweise 4 mal jährlich, jeweils März, Juli, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rück­sprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammen­arbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

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