Singulär genutzte Betriebsmittel: Festlegungsentwurf der Bundesnetzagentur

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STELLUNGNAHME|ENERGIE|STROM

Singulär

genutzte Betriebsmittel

Festlegungsentwurf

der Bundesnetzagentur

Reform der Netzentgelte gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie

8.Juli2025

I. Einleitung

DieBeschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur (BNetzA) hat imJuni2025 einFestlegungsverfahren nach § 29 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 21 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 lit. a) und f), Satz 5 EnWG zur Abschaffung der Entgelte für singulär genutzte Betriebsmittel gemäß § 19 Abs. 3 StromNEV eingeleitet.

DasvorliegendeVorhaben derBundesnetzagenturist Teildes„Gesamtpaketes“zurReformderNetzentgelte. Der BDI hat im Rahmen der öffentlichen Konsultation zu den Eckpunkten der Bundesnetzagentur zu den sog. Industrienetzentgelten im September 2024 eine BDI-Position sowie zum Festlegungsentwurf zu vermiedenen Netzentgelten im Mai 2025 eine BDI-Position vorgelegt. Ferner haben wirzurAllgemeinenNetzentgeltsystematik(AgNes-Prozess)imJuni2025eineBDI-Positionveröffentlicht.DerInhaltunserero.g.BDI-PositionenbleibtauchimKontextdesnunmehrvonderBundesnetzagentur vorgelegten Festlegungsentwurf zu Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel gem. § 19 Abs. 3 StromNEV vollumfänglich gültig. In den nachfolgenden Ausführungen nehmen wir hierauf deshalb auch an zahlreichen Stellen Bezug.

Inhalt des vorliegenden Festlegungsentwurf

Die Bundesnetzagentur sieht vor, die Anwendung des § 19 Abs. 3 StromNEV zwischen Weiterverteilern (Netzbetreiber) ab dem 01.01.2026 zu beenden.

Für Netznutzer im Anwendungsbereich des §19 Abs. 3StromNEV, die keine Weiterverteiler (Netzbetreiber) sind, soll laut vorliegendem Entwurf eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2028 gelten. Die Bundesnetzagentur weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zum 31.12.2028 die Regelung des §19Abs.3StromNEVzusammenmit allenweiteren inder StromNEVenthaltenenRegelungenaußer Kraft treten.

Hintergrund

Die Bundesnetzagentur führt im Festlegungsentwurf aus, dass im Zuge der Preisbildung des Jahres 2025 zahlreiche regionale Weiterverteiler (Netzbetreiber) erstmals oder erneut die Möglichkeit des Wechsels der Abrechnungsebene unter Anwendung des § 19 Abs. 3 StromNEV in Anspruch genommen hätten.

Laut Bundesnetzagentur sei davon auszugehen, dass bei der Preisbildung 2026 viele weitere regionaleWeiterverteiler dieAbrechnungsebene1wählenundeinentsprechendes Verlangenbereitskommuniziert hätten. Vor diesem Hintergrund habe die Bundesnetzagentur entschieden, von ihrem Anpassungsrecht der StromNEV nach § 21 Abs. 3 Satz 5 EnWG Gebrauch zu machen und die weitere Anwendung des § 19 Abs. 3 StromNEV in zwei Stufen auszusetzen.

DieBeschlusskammer8stelltdenfolgendenFestlegungsentwurfbiszum08.07.2025zurKonsultation. Stellungnahmen zum Festlegungsentwurf können im Rahmen der öffentlichen Konsultation bis zum 08.07.2025(Zugang)über dasPostfachder Beschlusskammer 8(Poststelle.BK8@BNetzA.de)eingereicht werden.

Der BDI begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Die Festlegung richtet sich in erster Linie an Netzbetreiber. Die Regelungen des vorliegenden Festlegungsentwurfs hatabersehrwohlaucherhebliche AuswirkungenaufreguläreNetznutzer–insbesondere reguläre Netznutzer der energieintensiven Industrie.

Darüber ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Netzbetreiber bei einem Wegfall des § 19 Abs.3StromNEVihresteigendenNetzkostenandieNetzkundenweiterwälzenwerden.Insoweitergibt sich potenziell auch eine mittelbare Betroffenheit für das Netzkundensegment, die Letztverbraucher, bereits ab dem 01.01.2026 – sofern die Bundesnetzagentur den Festlegungsentwurf in der vorliegenden Fassung erlassen und damit umsetzen würde.

Auch unter den vorgenannten Aspekten wird die Möglichkeit zur Stellungnahme begrüßt.

Unabhängig davon weisen wir darauf hin, dass der Industriestandort Deutschland durch eine Veränderung–insbesondere,wiebishervorgesehen,einerkompletten Abschaffung–derbestehendenRegelung zu Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel nicht noch weiter gefährdet werden darf.

Der BDI bekennt sich auch weiterhin zur Transformation hin zu einer klimaneutralen Erzeugung und Produktion. Eine klimaneutrale Produktion erfordert in zahlreichen Branchen primär eine Elektrifizierung–beispielsweisedurchdenEinsatzvongrünemStromsowiedurchdieNutzungvonelektrolytisch hergestelltem Wasserstoff. Die derzeitige Ausgestaltung der Netzentgelte reizt eine betriebliche Dekarbonisierung über Elektrifizierung insgesamt an.

UmdieseTransformationweitererfolgreichzugestalten–undwennDeutschlandklimaneutralwerden undeinstarkesIndustrielandbleibenmöchte–sindausreichendverfügbareMengenanerneuerbarem Strom zu international wettbewerbsfähigen Preisen zwingend erforderlich.

Deshalb auch unser Appell an die Bundesnetzagentur: Es geht auch bei diesem Vorhaben nicht nur um die allgemeinen Befugnisse zur Ausgestaltung der Netzentgeltsystematik.

Auch bei diesem Vorhaben der Bundesnetzagentur geht es um mehr:

Es geht um die Zukunft des Industriestandortes Deutschland.

Nichtnurfürdie direktsowiemittelbarbetroffenenUnternehmen. Auchfürdiein denWertschöpfungsketten betroffenen Unternehmen.

Umso mehr vertrauen wir darauf, dass die Bundesnetzagentur unsere Argumente und Anliegen entsprechend würdigt und in ihre Überlegungen einfließen lässt.

DiesbeziehtsichselbstverständlichauchaufdiebereitslaufendensowiedieangekündigtenProzesse zur Reform der Netzentgelte.

I. Einleitung

II. Petita sowie Kernforderungen des BDI.....................................................................................5 III. Ausblick...................................................................................................................................13

II. PetitasowieKernforderungendesBDI

Der BDI hält insbesondere folgende Punkte für essenziell:

1. Zeitliche Reihenfolge der angedachten Reformen – zu den Industrienetzentgelten, zur allgemeinenNetzentgeltsystematik(AgNes-Prozess),zudenvermiedenenNetzentgeltensowienunmehr auch zu den Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel – ist weiterhin nicht sachgerecht

DieBundesnetzagentur führteindenEckpunkten imJuni2024zumZeitplanzurReformderIndustrienetzentgelte Folgendes aus:

„Die Bundesnetzagentur wird auch die aktuelle allgemeine Netzentgeltsystematik einer Prüfung unterziehen und ggf. erforderliche Reformen vornehmen. Die Absicht zur Setzung systemdienlicher Anreize für die Industrie gilt ungeachtet der künftigen Ausgestaltung der Entgeltsystematik. Die Beschlusskammer wird sicherstellen, dass das Sondernutzungsentgelt sich effektiv in das Gesamtgefüge des Netzentgeltsystematik einfügen wird.“ (S. 10)

Die Bundesnetzagentur erläuterte im Übrigen nicht, warum sie zunächst das Sondernetzentgelt reformieren will und erst danach eine mögliche allgemeine Reform der Netzentgelte erfolgen soll.

Auch ist – trotz Zusicherung der Bundesnetzagentur, dass sich beispielsweise das Sondernetzentgelt „Industrienetzentgelt“ „effektiv in das Gesamtgefüge der Netzentgeltsystematik einfügen wird“ – völlig unklar, ob und wenn ja wie sich auch dieses auf langfristige Zeit beschlossene Sondernetzentgelt in neuerFassungdann,wievonderBundesnetzagenturvorgetragen,indasGesamtgefügedesNetzentgeltsystematik einfügen wird.

Dasselbe gilt für die im April 2025 angekündigte Reform bzw. beabsichtigte Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte sowie den nunmehr im Juni 2025 vorgelegten Festlegungsentwurf zur AbschaffungvonEntgeltenfürsingulärgenutzteBetriebsmittel.Auchinsoweitbleibtoffen,obundwennjawie, sich diese beabsichtigten beiden Reformen in das Gesamtgefüge der Netzentgeltsystematik einfügen werden.

Auchauso.g.Gründenistundbleibtaucheine isoliertevorgezogeneReform der Sondernetzentgelte zu Industrienetzentgelten, zu vermiedenen Netzentgelte sowie zu Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel bereits dem Grunde nach nicht sachgerecht und sinnvoll. Vielmehr sollte erst das Strommarktdesign und eine entsprechende Netzentgeltsystematik erarbeitet werden. Erst danach sollten EntlastungenfüreinzelneBranchenreformiertwerden.ErstrechtsolltenvermiedeneNetzentgelte,wie zusätzlich und damit kumulativ vorgesehen, nicht vollkommen abgeschafft werden. Das gleiche gilt gleichermaßen für die nunmehr auch noch zusätzlich und damit ebenfalls kumulativ von der Bundesnetzagentur beabsichtigte Abschaffung von Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel – zwischen Weiterverteilern ab dem 01.01.2026 und für keine Weiterverteiler ab dem 01.01.2028.

Der BDI nimmt das weitere zeitliche Vorgehen der Bundesnetzagentur im Übrigen mit Erstaunen zur Kenntnis: Wir hatten im September 2024 in der BDI-Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Konsultation zu den sog. Industrienetzentgelten geäußert, dass die (beabsichtigte) zeitliche Planung –bereits zu diesem Zeitpunkt – weder logisch noch sachgerecht war.

Fakt ist, dass die Bundesnetzagentur nach Veröffentlichung der Eckpunkte zu den sog. Industrienetzentgelten (Juni 2024) mittlerweile (Stand heute: Juli2025) neben den Eckpunkten zu den sog. Industrienetzentgeltenbisheru.a.folgendedreiweitereProzessezurNetzentgeltsystematikmiterheblichen Auswirkungen auf dieIndustrie angestoßen hat: Festlegungsentwurfzu denvermiedenen Netzentgelten (§ 18 StromNEV), Festlegungsentwurf zur allgemeinen Netzentgeltsystematik (AgNes-Prozess) sowie nunmehr ebenfalls kumulativ auch noch den Festlegungsentwurf zu Entgelten für singulär genutzteBetriebsmittel(§19Abs.3StromNEV).Anzumerkenist,dassunserevorgebrachtenArgumente hinsichtlichderzeitlichenReihenfolgeunseresWissensbisherauchnichtentkräftetwurden.Allerdings wurde zumindestder (lang) angekündigte Festlegungsentwurf zu densog. Industrienetzentgelten bisher (noch) nicht veröffentlicht.

Auchvoro.g.Hintergrundregenwirhiermit,wiebereitszuvorimRahmenunsererBDI-Stellungnahme vom September 2024 zu Industrienetzentgelten sowie im Mai 2025 und Juni 2025 zu vermiedenen NetzentgeltensowiezurAllgemeinenNetzentgeltsystematik(AgNes-Prozess),auchindiesemZusammenhang nochmals freundlich an, dass der Zeitplan für Reformen insgesamt nochmals von der Bundesnetzagentur zusammen mit der Bundesregierung sowie insbesondere dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie überdacht wird – vor dem Hintergrund der o. g. zeitlichen Erwägungen sowie auch der weiter wirtschaftlich angespannten Situation der Industrie in Deutschland.

Die laufenden Reformprozesse sollten inhaltlich und zeitlich synchronisiert werden. Dies sollte im Übrigen auch im eigenen Interesse der Bundesnetzagentur erfolgen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die angestoßenen Reformen der Bundesnetzagentur jeweils nicht miteinander abgestimmt sind undgegebenenfallssogarvorzeitig novelliertwerdenmüssten.AuchdiesstündeimWiderspruchzum Ansinnen der Bundesnetzagentur, dass die jeweiligen Reformen sich „effektiv in das Gesamtgefüge der Netzentgelte einfügen“ sowie dem weiteren Ziel der Bundesnetzagentur einer möglichst langfristigenDauerderjeweiligenNetzentgeltreformen–sodieAusführungenderBundesnetzagenturausJuni 2024 in den Eckpunkten der Bundesnetzagentur zu den sog. Industrienetzentgelten.

Auch die neue politische Konstellation in Deutschland könnte aus unserer Sicht insoweit neue Perspektiven eröffnen und somit auch Chancen bieten.

2. Die Zahlung von Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel sollte nicht abgeschafft werden – die Regelung des § 19 Abs. 3 StromNEV sollteauch überden 31.12.2028 hinaus Bestand haben

Die Zahlung von Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel sollte aus zahlreichen Gründen (s. hierzu auch unsere Ausführungen in den nachfolgenden Punkten) nicht abgeschafft werden.

Konkret sollte § 19 Abs. 3 StromNEV für Netzbetreiber auch zum 01.01.2026 weiter zur Anwendung kommen. Ferner sollte § 19 Abs. 3 StromNEV für Netznutzer, die keine Netzbetreiber sind, auch über den 31.12.2028 angewendet werden.

Wir weisen insoweit auch nochmal darauf hin, dass wir bereits in unserer BDI-Stellungnahme zu den vermiedenen Netzentgelten aus Mai 2025 angeregt hatten, dass die Bundesnetzagentur aus zahlreichen Gründen nochmal darüber nachdenken sollte, die StromNEV insgesamt – und damit alle Regelungen der StromNEV – wie im Übrigen bisher vom Gesetzgeber vorgesehen, zumindest mindestens bis zum 31.12.2028 in Kraft zu lassen.

Dieser Zeitraum – 2026 bis 2028 – könnte dann beispielsweise auch dazu genutzt werden, um eine möglicheEntlastungswirkungsowiederenmöglicheHöhe,durcheinGutachtenzuvermiedenenNetzentgelten sowie nunmehr auch zu Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittelermitteln zu lassen.

Darüber hinaus sollte auch bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Erwägung gezogen werden, ob auch die jeweils bisher geltenden Regelungen auf Basis des § 18 StromNEV i. V. m. § 120 EnWG (zu vermiedenen Netzentgelten) sowie § 19 Abs. 3 StromNEV (zu Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel) sowie auch zu § 19 Abs. 2 StromNEV (zu Industrienetzentgelten) auch über das, von der Bundesnetzagenturbehauptete,angeblicheAuslaufenderStromNEVhinausfortgeführtwerdenkönnten. Auch dies hatten wir in der BDI-Stellungnahme zu vermiedenen Netzentgelten vom Mai 2025 bereits vorgetragen.

Wir verweisen insoweit insgesamt auch gern auf die Veröffentlichungen von namenhaften Rechtsgelehrten – u. a. von Professor Dr. Säcker in Recht der Energiewirtschaft 2025, S. 161 bis 167.

3. Systematik des vorliegenden Festlegungsentwurfs ist nicht sachgerecht – Aspekte im Zusammenhang mit Netznutzern werden bereits dem Grunde nach und auch vonderGewichtung im Vergleich zu den Ausführungen zu den Netzbetreibern nicht hinreichend gewürdigt

Wir weisen darauf hin, dass die im vorliegenden Festlegungsentwurf getroffene Unterscheidung zwischen Netzbetreibernund Netznutzer zwar sachgerecht ist.DiesesachlicheDifferenzierungzwischen Netzbetreibern und Netznutzern wird im vorliegenden Festlegungsentwurf dann hingegen nicht bzw. nicht hinreichend im Festlegungsentwurf berücksichtigt. Die Behandlung des Themas ohne sachliche Differenzierung ist nicht sachgerecht. Beispielsweise bestehen beim Thema „Vermeidung von Direktleitungsbau“ wesentlicheUnterschiede beiNetznutzernim Vergleichundauchim Gegensatz zuNetzbetreibern.

Zudem liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Festlegungsentwurfs auchvomUmfangher – auf den Seiten 12 bis 26 macht die Bundesnetzagentur Ausführungen zu Netzbetreibern und lediglich auf den Seiten 24 bis 28 Ausführungen „für alle anspruchsberechtigen Netznutzer mit Ausnahme von Netzbetreibern (Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung und geschlossenen Verteilernetze)“ – auch unstreitig nachweisbar bei den Regelungen zu den Netzbetreibern.

Tatsache ist, dass der vorliegende Entwurf die bisher beabsichtigte Abschaffung des Entgelts für singulärgenutzteBetriebsmittelnichthinreichendbegründet.U.a.werdenauchwesentlicheAspektezum Hintergrund und der Genesis bei der Einführung der Regelung des § 19 Abs. 3 StromNEV im parlamentarischen Verfahren im Deutschen Bundestag im Festlegungsentwurf nicht berücksichtigt.

4. Eine Abschaffung des § 19 Abs. 3 StromNEV würde dem Prinzip der Verursachungsgerechtigkeit nicht entsprechen und zudem gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen

Die Bundesnetzagentur argumentiert, dass sich große regionale Netzbetreiber zunehmend aus wirtschaftlichen Gründen in einer höheren Netzebene abrechnen lassen würden. Diese „Ausweichbewegung“inBezugaufdieAbrechnungsebenesei„energiewirtschaftlich nicht begründbar“undentspreche „keiner verursachungsgerechten und sachgerechten Verteilung der Netzkosten“.

Diese Argumentation entspricht aus zahlreichen Gründen nicht den Tatsachen.

Industrielle Anschlüsse sind in zahlreichen Fällen so gebaut, dass der gesamte Strombedarf im Regelfall aus Anschlussleitungen bezogen wird. Die Anschlussleitungen führen zum Beispiel bis zur nächsten Umspannstation und werden vom Netznutzer in Form von Anschlusskosten vollständig finanziert.

Sofern bestimmte Netzanlagen für einen Netznutzer errichtet oder ausschließlich von einem Netznutzer genutzt werden, ist es auchweiterhinsachgerecht, dass dieser Netznutzer nur die Entgelte für die Netz- bzw. Umspannebenen entrichten muss, die vor den ausschließlich genutzten Betriebsmitteln liegen.Dies bedeutet, dass er für dieNetzentgeltermittlungdieser Netzebeneauch nur dieKosten der von ihm genutzten und finanzierten Betriebsmittel trägt (s. insoweit auch die Erläuterungen des VCI zur Einführung der Regelung in der Ausschussdrucksache 15(9)1511 vom 26.11.2004).

Tatsache ist, dass betroffene Netznutzer bei einem Anschluss in einem Umspannwerk regelmäßig Netzkosten von mehreren Millionen Euro (Trafo, Schaltgeräte, Netzschutz, Anschlussleitungen etc.) tragen müssen. Die Mehrzahl nicht-singulärer Netzkunden trägt für ihren Netzanschluss hingegen in der Regel deutlich geringere Kosten.

Diese Systematik ist auch weiterhin sachgerecht. Sie entspricht auch weiterhin dem Prinzip der Verursachungsgerechtigkeit und ist im Übrigen bereits insoweit auch energiewirtschaftlich sehr wohl weiterhin zulässig sowie begründbar.

Eine AbschaffungdersingulärenNetznutzungwürdedazuführen, dassbisherige Netzkundenim Geltungsbereich des § 19 Abs. 3 StomNEV künftig auch die Kosten für die Finanzierung und den Betrieb des „allgemeinen“ Netzbereichs tragen, der von ihnen jedoch nicht genutzt wird. Im Gegensatz dazu sind und waren Nutzer des allgemeinen Netzbereichs jedoch nicht an den Kosten singulärer Netzbetriebsmittelbeteiligt.

Diese Ungleichbehandlung wäre im Übrigen auch nicht zulässig.

Bereitso.g.ArgumentesprechengegeneineBeendigungderAnwendungdes§19Abs.3StromNEV.

5. Direktleitungsausbau wird auch weiterhin vermieden – die Argumentation der Bundesnetzagentur ist auch insoweit nicht schlüssig

Entgegen den Ausführungen der Bundesnetzagentur wird Direktleitungsausbau derzeit und auch in Zukunft weiterhin vermieden.

Die Vermeidung von Netzausbau war im Übrigen ausweislich der einschlägigen Ausschussdrucksachen des Deutschen Bundestages zwar ein wichtiger, aber auch nicht der alleinige Punkt für die Einführung des § 19 Abs. 3 StromNEV.

Darüber hinaus ist die Argumentation der Bundesnetzagentur im Festlegungsentwurf zum Direktleitungsausbau auch nicht schlüssig.

Bereitsder Wortlautdes vorliegendenFestlegungsentwurfswiderspricht sichinderFragezur Vermeidung von Direktleitungsbau:

Zum einen heißtes kategorisch„…die bisherige Regelung trägt nicht zur Einsparung von Netzkosten im Sinne von vermiedenem Direktleitungsbau bei …“ (Ziffer 33). Wenig später führt die Bundesnetzagenturhingegenaus:„InderPraxiskanndieGewährungeinesindividuellenNetzentgeltesfürsingulär genutzte Betriebsmittelnicht immer einen doppelten Leitungsbau verhindern.“ (Ziffer 43).

Tatsache ist, dass folglich doch ein Vermeidungseffekt für den Direktleitungsausbau von der Bundesnetzagentur anerkannt wird,der aus unserer Sicht inerheblichemUmfang aus denAnwendungsfällen der Stromendkunden kommt.

Unter Punkt5.2.1liefertder Festlegungsentwurfzudemauchein anschaulichesBeispieldafür,warum Direktleitungsbausehr wohl verhindertwird. Die beigefügte Begründung, dies sei nur theoretisch, weil inder Praxis Wege- und Eigentumsrechteentgegenstünden(Ziffer 39), überzeugtschonaufgrundder Pauschalität nicht. Zudem hat diese Praxisrelevanz gerade auch im parlamentarischen Verfahren im Deutschen Bundestag zur Einführung der Regelung für größere Stromendkunden geführt. Ob die Situation bei Netzbetreibern anders gelagert ist, können wir nicht beurteilen. Dies ist insoweit aber auch nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass Stromendkunden sehr wohl zur Vermeidung von Direktleitungsausbau beitragen können und auch künftigbeitragen.

UnabhängigdavongiltaberauchandieserStellezubedenken,dassselbstwenneinDirektleitungsbau in Einzelfällen ohnehin nicht in Frage käme, die singuläre Abrechnung weiterhin eine sachgerechte Kostenzuteilungbleibt.UmgekehrtmüsstestattdessenbeinichtsingulärerBetrachtungbegründetwerden, warum für Fremdkosten (anderer Nutzer) gezahlt werden soll, obwohl eine verursachergerechte Kostenzuordnung einfach und eindeutig möglich ist.

Ferner werden von der Bundesnetzagentur im vorliegenden Festlegungsentwurf vor allem Beispiele aufgeführt, bei denen der Direktleitungsbau nicht verhindert werden kann. 5.2.2.2 soll als ein solches Beispiel dienen (vgl. Ziffer 44), weil der Kunde 2 eine eigene Leitung 3 baut. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Anreiz mit und ohne singuläres Netzentgelt besteht. Die Regelung selbst hatfolglichkeinen EinflussaufdenFehlanreiz.GleichesgiltfürdieweiterenvonderBundesnetzagentur angeführten Beispiele (Abb. 10 und 12).

Anzumerken ist, dass auch die im Entwurf nicht ausreichend belegte angebliche Missbrauchsvermutung der Regelung keine geeignete Begründung darstellt, um eine pauschale Abschaffung der Regelung für alle zu rechtfertigen. Zudem sollten Netzkunden mit transparenter, technischer Trennung und klarer singulärer Nutzung im Übrigen auch nicht gleichbehandelt werden mit rein buchhalterischen Umwidmungen.

Festzustellenist,dassdurchdiesinguläreNetznutzungfürStromendkundenDirektleitungsbauverhindertwerden kann.Dies wird im vorliegendenEntwurf, wie oben ausgeführt,vonder Bundesnetzagentur auch ausdrücklich anerkannt.

Die Regelung sollte auch aus vorgenannten Gründen für Stromendkunden weiterhin beibehalten werden.

6.MöglichkeitzurNutzungsingulärgenutzterBetriebsmittelessenziellfürPooling–einWegfall hätte negative wirtschaftliche und auch technische Konsequenzen

Industriestandorte und Industrienetze nutzen aufgrund technischer und räumlicher Beschränkungen häufig mehrere Entnahmestellen. Die Entnahmestellen sind über singulär genutzte Betriebsmittel mit dem vorgelagerten Netz verbunden.

Diese Struktur sichert eine effiziente Stromversorgung unter gegebenen Restriktionen des Betriebsgebiets. Sie ist nicht nur zur Stärkung der Versorgungssicherheit (Redundanz bei Ausfall eines Betriebsmittels) erforderlich, sondern auch, um überhaupt die notwendige Kapazität bereitzustellen und um den Bedarf des Standortes zu decken. Über eine einzige Entnahmestelle wäre dies aus Kapazitätsgründen in der Regel nicht möglich.

Die Stromentnahme dieser Entnahmestellen wird gem. § 17 Abs. 2a Ziffer 4 zeitgleich saldiert (Pooling). Dies ist im Übrigen auch energiewirtschaftlich sachgerecht und erforderlich, weil ausschließlich das zeitgleiche Saldo der Stromflüsse über diese Entnahmestellen das vorgelagerte Netz belastet, nicht separat betrachtete Entnahmestellen.

Um diese Möglichkeit (Pooling) zu realisieren, ist in der Praxis ganz überwiegend die Nutzung singulärer Betriebsmittel erforderlich. Würde der § 19 Abs. 3 StromNEV ersatzlos gestrichen, würde das Pooling entfallen.

Dies hätte erhebliche finanzielle und auch technische Konsequenzen.

Insbesondere die industriellen Netzkunden würden mit enorm steigenden Netzkosten belastet, weil sich zum Beispiel bei einem Ausfall einer Entnahmestelle der zu zahlende Leistungspreis verdoppeln würde.DieZusatzbelastungenwürdenauchdemGrundsatzderVerursachungsgerechtigkeitvonKosten widersprechen.

Ein Wegfallder Pooling Möglichkeit hätte auch technisch negative Folgen:

U. a. würden geplante Revisionen erheblich erschwert. Ein Wegfall der Pooling-Möglichkeit würde einen erheblichen Mehraufwand und gegebenenfalls auch Streitigkeiten bei der Koordination der entsprechenden Maßnahmen zwischen vor- und nachgelagertem Netzbetreiber nach sich ziehen, weil sich die Planung aus Sicht des nachgelagerten Netzbetreibers aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkung nach dem eigenen Leistungsbedarf bzw. dem der Kunden richten müsste.

7. Es ist eine verlässliche Energiepolitik im Einklang mit den Zielen und weiteren Inhalten des neuen Koalitionsvertrages erforderlich – ein bisher beabsichtigter kompletter Wegfall der vermiedenen Netzentgelte sowie nunmehr auch noch kumulativ der Entgelte für singulär genutzte Betriebsmittel (§ 19 Abs. 3 StromNEV) stünden hierzu im Widerspruch

Eine verlässliche Energiepolitik, die angesichts der enormen Herausforderungen der Energiewende unabdingbar ist, sollte einmal gefundene Kompromisse nicht einseitig aufkündigen.

Es ist auch sachlich nicht nachvollziehbar, warum im Rahmen der bisher beabsichtigen Festlegungen zuvermiedenenNetzentgelte(§18StromNEV)sowiekumulativzusätzlichzuden Entgeltenfürsingulär genutzte Betriebsmittel (§ 19 Abs. 3 StromNEV) faktisch im Ergebnis zwei weitere zusätzliche Belastungenfür dieIndustrie –nebenderReformder sog.Industrienetzentgelte(§19Abs.2StromNEV) sowie der allgemeinen Reform der Netzentgelte (AgNes-Prozess) eingeführt werden sollen.

Dies widerspricht zudem den wichtigen Zielen und auch den weiteren Inhalten des Koalitionsvertrags zur Entlastung der Industrie.

8. Investitionen gerade auch zur Erreichung der Klimaziele würden bestraft – dies wäre in vielerlei Hinsicht nicht sachgerecht

Der bisher von der Bundesnetzagentur vorgesehene ersatzlose Wegfall der Regelung des § 19 Abs. 3 StromNEV würde auch Bestandsanlagen betreffen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in den letzten Jahren viele Unternehmen in neue klimafreundliche Anlagen investiert haben, um durch den Brennstoffswitch von Kohle auf Erdgas die CO2-Emissionenerheblich zureduzierenundsomitzur Erreichungder KlimazieleinDeutschlandbeizutragen. Auch diese Unternehmen würden dann insoweit für ihr Handeln nicht belohnt, sondern de facto „bestraft“.

Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Vergütung für dezentrale Einspeisung gem. § 18 StromNEV sowie auch das Entgelt für singulär genutzte Betriebsmittel gem. § 19 Abs. 3 StromNEV auch für o. g. Anlagen einen nicht unerheblichen Beitrag für die Wirtschaftlichkeit darstellen.

9. Würde Verstoß gegen das Gebot des Vertrauensschutzes darstellen – bei den Entgelten für singulär genutzt Betriebsmittel (§ 19 Abs. 3 StromNEV) sowie auch bei den vermiedenen Netzentgelten(§18StromNEV)–Wahlmöglichkeitdes§19Abs.3StromNEVmussbestehenbleiben

Eine bisher vorgesehene Nichtanwendung des § 19 Abs. 3 StromNEV würde zudem nachträglich in bereits von den Unternehmen getätigte Investitionsentscheidungen eingreifen und zudem die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen in Frage stellen.

Wie die Bundesnetzagentur selbst im vorliegenden Festlegungsentwurf anführt, eröffnet § 19 Abs. 3 StromNEVeinegesetzlicheWahlmöglichkeit.ExplizitführtdieBundesnetzagentur an,dass„derNetznutzer entsprechend dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.12.2015 (EnVR 70/14) einen Anspruch auf Abrechnung nach § 19 Abs. 3 StromNEV hat, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.“ (Ziffer 10) Weiter führt die Bundesnetzagentur aus: „Dem Netznutzer komme ein Wahlrecht zu, ob er eine Abrechnung nach § 19 Abs. 3 StromNEV oder nach den allgemeinen Netzentgelten seiner Anschlussebene begehrt.“ (Ziffer 10)

Zudem führt der Entwurf zu den Weiterverteilern Folgendes aus: „In einer weiteren grundlegenden Entscheidungzur Auslegungdes§19 Abs.3StromNEVstellteder Bundesgerichtshoffest, dassauch Netzbetreiber (Weiterverteiler) als Netznutzer, die wiederum ihrerseits mittelbar weitere Netznutzer versorgen, ein Sondernutzentgelt nach § 19 Abs. 3 StromNEV in Anspruch nehmen dürfen (BGH, Beschl. v. 9.10.2018 – EnVR 42/17).“ (Ziffer 11)

Ferner stellt die Bundesnetzagentur im vorliegenden Festlegungsentwurf explizit Folgendes fest: „Da der Kunde prinzipiell die freie Wahl hat, in welcher Netzebene er angeschlossen ist, könnte er in Betracht ziehen, dass ein Anschluss direkt in der Umspannebene HöS/HS (Netzebene 2) günstiger ist.“ (Ziffer 38)

Zusammenfassung ist festzuhalten, dass das bestehende Wahlrecht für Netznutzer auch höchstrichterlich durch den BGH in zahlreichen Entscheidungen festgestellt und auch anerkannt wird. Auch insoweitbestündegegeneineAbschaffung derRegelungdes§19Abs.3StromNEVerheblicheBedenken.

Zudem würde die bisher von der Bundesnetzagentur beabsichtigte Abschaffung – noch dazu offensichtlich ohne jegliche Entschädigung – das Vertrauen in bestehende Regelungen, die auch höchstrichterlich in zahlreichen Entscheidungen anerkannt werden, weiter schädigen.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Verstoß gegen das Gebot des Vertrauensschutzes nicht nur beidenEntgeltenfürsingulärgenutzteBetriebsmittel(§19Abs.3StromNEV),sondernkumulativauch beidenvermiedenenNetzentgelten(§18StromNEV)vorliegenwürde,soferndiebeidenFestlegungsentwürfe in der jeweils vorliegenden Fassung beschlossen würden.

10. Eine Abschaffung der Regelung des § 19 Abs. 3 StromNEV wäre auch insgesamt von Nachteil für Investitionen in den Industriestandort Deutschland

Viele inländische und auch ausländische Unternehmen haben in der Vergangenheit auch auf Grundlage der bestehenden Regelung (§ 19 Abs. 3 StromNEV) in Netzanbindungen, bestimmte Standorte und Produktionsanlagen investiert.

Wie die Bundesnetzagentur selbst anführt, eröffnet § 19 Abs. 3 StromNEV eine gesetzlich verankerte Wahlmöglichkeit. Eine nachträgliche Abschaffung bzw. eine bisher vorgesehene komplette Nichtanwendung der Regelung, noch dazu ohne jegliche Entschädigung, wäre auch von erheblichem Nachteil für Investitionen in den Industriestandort Deutschland – für deutsche und auch ausländische Investoren.

Anzumerken ist im Übrigen, dass bereits derzeit die mangelnde regulatorische Planungssicherheit beim Stromkostenbestandteil wichtige Investitionsentscheidungen am Standort Deutschland in die industrielle Elektrifizierung verhindert. Dies ist insbesondere auch für energieintensive Unternehmen mit langfristigen Investitionszeiträumen kritisch.

11. Folgeabschätzungen fehlen in Entwurf – sind aber dringend erforderlich

Festzustellen ist, dass der Festlegungsentwurf keine Einschätzung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Festlegung und ihrer unmittelbaren und mittelbaren Folgen für die Industrie enthält.

Es wird darum gebeten, dass eine quantitative Einschätzung der Auswirkungen der geplanten Festlegung auf die Industrie unter Einschluss der Netzbetreiber (Weiterverteiler) von oder im Auftrag der Bundesnetzagentur erstellt und auch veröffentlicht wird.

Insgesamt regt der BDI an, dass künftig bereits jeder Festlegungsentwurf eine Folgenabschätzung enthält – analog zu den Gesetzesvorlagen des Bundes. Anzumerken ist, dass gerade für Kunden in stark industriell geprägten Netzen, wie zum Beispiel Industrienetzen mit einer relativ geringen Anzahl an Kunden, sich die Entgelte stark erhöhen würden, wenn der lokale Netzbetreiber die Regelung des § 19 Abs. 3 StromNEV nicht mehr nutzen könnte. In solchen Netzen würden die steigenden Kosten des vorgelagerten Netzes dann auf eine geringe Kundenanzahl umgelegt werden und diese stärker belasten.

III. Ausblick

Auchweiterhin deutetalles darauf hin, dass sichdie Situation – auchbereits unabhängig vonden von der Bundesnetzagentur geplanten Reformen der Netzentgelte – noch weiter für den Industriestandort Deutschland und damit auch für Deutschland insgesamt negativ verschärfen wird. Auch dies gilt es bei den beabsichtigten Vorhaben der Bundesnetzagentur aus unserer Sicht zu berücksichtigen.

Seitdem der staatliche Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten im Rahmen von Haushaltskürzungen im Bundeshaushalt weggefallen ist, haben sich die Kosten – und damit eine wesentliche Strompreiskomponente neben dem reinen Beschaffungspreis – ab dem Jahr 2024 bereits verdoppelt.

Dies führt in vielen Industriebranchen bereits zu erheblichen Kostensteigerungen.

Zudem müssen, sofern insoweit nicht noch eine Änderung eintritt, bis zum Jahr 2045 alleine für die Übertragungsnetzemindestens240Milliarden–undvoraussichtlichnochdeutlichmehr–aufgebracht werden. Auch dies führt dazu, dass die Netzkosten langfristig auf hohem Niveau bleiben oder sogar noch weiter ansteigen werden.

Für viele Unternehmen sind die hohen und auch weiter steigenden Stromnetzentgelte eine ernsthafte Bedrohung ihrer Existenz. Die von der Bundesnetzagentur geplanten Änderungen dürfen die Kostenlast nicht noch weiter erhöhen. Denn dies würde die im internationalen Vergleich bereits bestehende wettbewerblich schwierige Lage des Industriestandortes Deutschland gefährlich weiter verstärken.

Auch die von der Bundesnetzagentur beabsichtigen weiteren Reformen der Netzentgelte – Industrienetzentgelte, vermiedene Netzentgelte sowie die allgemeine Netzentgeltsystematik – im ElektrizitätsbereichsolltenvielmehrimEinklangmitden Erfordernissenund insbesonderedentechnischen Anforderungen der deutschen Industrie erfolgen.

Der von der Bundesnetzagentur zumindest bisher geplante komplette Wegfall der Zahlung von vermiedenen Netzentgelten sowie nunmehr auch von Entgelten für singulär genutzte Betriebsmittel wäre bereitsabsolutgesehen„kontraproduktiv“fürdenErhaltderWettbewerbsfähigkeitinDeutschland.Erst recht wäre dieser bisher vorgesehene Wegfall im Kontext des „Gesamtpaktes“ zur Reform der Netzentgelteinsgesamtnicht förderlichfür denIndustriestandortDeutschland –für Überlegungenhinsichtlich eines möglichen Weiterbetriebs von Anlagen als auch im Hinblick auf mögliche Investitionsentscheidungen von deutschen und auch ausländischen Investoren.

Positivist,dassdervorliegendeFestlegungsentwurfzusingulärgenutztenBetriebsmitteln„dashöhere wirtschaftlich Schutzbedürfnis für diese Kundengruppen“ (Netznutzer, die keine Netzbetreiber sind) ausdrücklich anerkannt. So führt die Bundesnetzagentur explizit Folgendes aus: „Das höhere wirtschaftliche Schutzbedürfnis für diese Kundengruppen rechtfertigt daher eine Übergangsfrist. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis sieht die Beschlusskammer bei den Elektrizitätsverteilern nicht.“ (Ziffer 61)

Allerdings geht es nicht, wie von der Bundesnetzagentur vorgetragen, um eine Bevorzugung der Behandlung („Es ist daher systemwidrig und unsystematisch, eine kleine Gruppe von Netzkunden durch die Wahlmöglichkeit, Entgelte für singulär genutzte Betriebsmittel zu vereinbaren, bevorzugt zu behandeln.“, Ziffer 71) Vielmehr sprechen für einen Erhalt des § 19 Abs. 3 StromNEV zahlreiche insbesondereauchtechnischewichtigeGründe–u. a.dieVermeidungvonDirektleitungsausbausowieder Erhalt der Möglichkeit von Pooling (s. hierzu unsere Ausführungen oben unter den Ziffern 5 und 6).

Darüber hinaus überzeugt auch folgende Argumentation der Bundesnetzagentur nicht: „Dabei hatten die begünstigten Nutzer von singulären Betriebsmitteln zu keinem Zeitpunkt eine umfassende Planungssicherheit hinsichtlich der Höhe der Netzentgelte. (Ziffer 68) In direktem Zusammenhang führt dieBundesnetzagenturdannweiteraus:„Eineunechte(belastende)RückwirkungvonVeränderungen der Rechtslage ist grundsätzlich zulässig. (Ziffer 68)

Tatsacheist,dassdervorliegendeFestlegungsentwurfnichtlediglichdie„HöhederNetzentgelte“zum Regelungsgegenstand hat. Vielmehr ist Regelungsgegenstand die Systematik der Netzentgeltsystematik des § 19 Abs. 3 StromNEV als solches. Konkret sollen Netznutzer künftig entgegen der geltenden Rechtslage, die auch höchstrichterlich vom BGH anerkannt ist, kein Wahlrecht mehr haben. Bereitsinsoweitgreiftdieo.g.ArgumentationderBundesnetzagenturzukurz–hinsichtlichderBeschreibung des Sachverhaltes als auch hinsichtlich der rechtlichen Implikationen. Aus unserer Sicht besteht sehrwohleineechte(belastende)RückwirkungvonVeränderungenderRechtslage,dienichtzulässig ist. Das Gebot des Vertrauensschutzes würde ohne zulässigen Grund zum Nachteil der Nutzer – der Netzbetreiber und auch der Netznutzer, die keine Netzbetreiber sind – verletzt.

Auch aus o. g. Gründen würden wir es begrüßen, wenn unsere Punkte in die Überlegungen der Bundesnetzagentur einfließen. Für Gespräche und mögliche Rückfragen stehen wir selbstverständlich gern zur Verfügung.

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Verfasserin

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Abteilung Energie- und Klimapolitik

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Singulär genutzte Betriebsmittel: Festlegungsentwurf der Bundesnetzagentur by Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. - Issuu