
6 minute read
USA: Aufschwung verliert an Kraft
USA: Aufschwung verliert an Kraft
Konjunkturelle Entwicklung
Nachdem die US-Wirtschaft im Jahr 2020 stark von der Corona-Krise getroffen wurde, deutete sich zunächst eine konjunkturelle Erholung für das Jahr 2021 an. In den ersten beiden Quartalen 2021 stieg das BIP saisonbereinigt annualisiert um jeweils 6,3 beziehungsweise 6,7 Prozent. Laut erster Schätzungen des Bureau of Economic Analysis (BEA) ist das Wachstum im dritten Quartal 2021 allerdings mit einer annualisierten Wachstumsrate von 2,3 Prozent deutlich abgeflacht. Dies ist auf wieder steigende Covid-19-Fallzahlen zurückzuführen, die neue Restriktionen mit sich brachten oder Unternehmen dazu veranlassten, Öffnungspläne zu verschieben. Gleichzeitig gingen Transferleistungen der Regierung an Unternehmen und Privathaushalte zurück (BEA 2021a). Lagen die Wachstumsschätzungen der OECD für das Jahr 2021 im Mai 2021 noch bei 6,9 Prozent, so fällt die Prognose im Dezember 2021 mit 5,6 Prozent etwas niedriger aus. Für die Jahre 2022 und 2023 wird ein Wachstum von jeweils 3,7 Prozent und 2,4 Prozent erwartet (OECD 2021). Für das Jahr 2021 gehen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Kommission ebenfalls von einem kräftigen Wachstum von jeweils sechs beziehungsweise 5,8 Prozent aus. Für das Jahr 2022 wird vom IWF ein ebenfalls deutliches Wachstum von 5,2 Prozent prognostiziert, während die Europäische Kommission von einer etwas niedrigeren Wachstumsrate von 4,5 Prozent ausgeht (IWF 2021, Europäische Kommission 2021). Wir rechnen mit 3¾ Prozent realem Wachstum.
Die US-Arbeitslosenzahlen stellen die drastischen Auswirkungen der Corona-Krise auf die US-Wirtschaft besonders deutlich dar. Kurz vor Beginn der Corona-Krise im Februar 2020 lag die Arbeitslosenquote noch bei 3,5 Prozent. Im April 2020 stieg sie dramatisch auf 14,8 Prozent an. Seit diesem Höchstwert ist die Zahl der Arbeitslosen zwar deutlich gesunken, liegt aber mit einem Wert von 4,2 Prozent im November 2021 noch immer über dem Vorkrisenniveau (Bureau of Labor Statistics 2021a). Die Arbeitslosenquote von mehreren Minderheitengruppen und Jugendlichen liegt dabei teils deutlich über dem Durchschnittswert (Bureau of Labor Statistics 2021b). OECD-Schätzungen zufolge soll die Arbeitslosenquote im Jahr 2022 weiter sinken (auf 3,8 Prozent) und im Jahr 2023 mit 3,4 Prozent sogar etwas unter das Vorkrisenniveau fallen (OECD 2021).
Nach einem deutlichen Einbruch der Stimmung der US-Konsumenten im Jahr 2020 war sie bis Mitte 2021 laut U.S. Consumer Confidence Survey, einem Barometer für die Verbraucherlaune, wieder merklich auf einen Wert von über 120 Punkte gestiegen. Im weiteren Jahresverlauf konnte sich dieser hohe Wert allerdings nicht halten und lag im Dezember 2021 mit 115,8 Punkten etwas unter dem Jahreshöchstwert. Im Vergleich zum Wert des Vormonats (111,9 Punkte) war aber ein leichter Anstieg der Konsumlaune zu vermerken. (The Conference Board 2021). Auch die US-Konsumausgaben steigen stetig an: Im November zeigte sich ein Anstieg von 0,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Im Oktober 2021 war dieser Anstieg mit 1,4 Prozent verglichen mit dem Vormonatswert noch deutlicher. Auch das private verfügbare Haushaltseinkommen ist im Oktober und November jeweils leicht um 0,4 Prozent gestiegen, nachdem es im September um 1,3 Prozent gesunken war (Werte jeweils im Vergleich zum Vormonat (BEA 2021b)).
Seit dem Frühjahr 2021 steigen die Preise und die Inflation in den USA signifikant an. Laut Angaben des Bureau of Labor Statistics kletterte der Consumer Price Index im November 2021 um fast 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dies stellt den größten 12-Monats-Anstieg seit Juni 1982 dar. Insbesondere stark steigende Rohstoffpreise sorgen für einen starken Inflationsdruck: Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen die Preise für Benzin im November 2021 um 58,1 Prozent und die Heizölpreise um 59,3 Prozent an (Bureau of Labor Statistics 2021c).
Staatsschulden
In Anbetracht der fiskalischen Maßnahmen und Konjunkturpakete ist ein Anstieg des US-Haushaltsdefizits nicht überraschend. Das Congressional Budget Office (CBO) veröffentlichte im Juli 2021 eine aktualisierte Einschätzung über die Staatsfinanzen im Fiskaljahr 2021. Laut dieser wird die US-Verschuldung die Wirtschaftsleistung des Landes übersteigen und Ende 2021 eine Schuldenquote von 103 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen. Demnach wird das Haushaltsdefizit im Jahr 2021 etwa drei Billionen US-Dollar betragen, was 13,4 Prozent des US-BIP entspricht. Dies wäre die zweithöchste relative Neuverschuldung seit 1945. Aufgrund des Corona-Konjunkturpaketes Ende des Jahres 2020 betrug das Haushaltsdefizit im Jahr 2020 sogar 14,9 Prozent des US-BIP. In den Projektionen des CBO wird das Haushaltsdefizit bis 2024 zwar sinken (2,9 Prozent des BIP in 2024), danach wird es Schätzungen zufolge allerdings wieder steigen und im Jahr 2031 5,5 Prozent des US-BIP erreichen. Damit wird der Wert wieder deutlich über dem 50-Jahres-Durchschnitt von 3,3 Prozent liegen (CBO 2021).
Außenhandel
Der US-Außenhandel war im Corona-Krisenjahr 2020 ebenfalls eingebrochen. Im dritten Quartal konnte sich der Abwärtstrend allerdings schon wieder umkehren und seither steigen sowohl Exporte als auch Importe kontinuierlich. Die US-Exporte von Waren und Dienstleistungen betrugen BEA-Angaben zufolge im dritten Quartal 2021 saisonbereinigt etwa 632 Milliarden US-Dollar – verglichen mit dem Vorjahresquartal hat sich das Exportvolumen deutlich um 20,9 Prozent gesteigert. US-Importe von Waren und Dienstleistungen hingegen betrugen im dritten Quartal 2021 über 857 Milliarden USDollar, was ebenfalls einem signifikanten Zuwachs von 20,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht (BEA 2021c). Die OECD prognostiziert für 2021 einen Zuwachs an US-Exporten von Waren und Dienstleistungen von 3,8 Prozent und für das Jahr 2022 einen Anstieg von 3,4 Prozent. Für US-Importe von Waren und Dienstleistungen wird ein Anstieg von 13,4 Prozent im Jahr 2021 und ein Plus von sechs Prozent erwartet (OECD 2021).
Fiskalische Maßnahmen der Biden-Administration
Einige fiskalische Maßnahmen und Notfallpakete zur Unterstützung sowohl privater Haushalte als auch von Unternehmen während der Corona-Pandemie, die von den Trump- und Biden-Administrationen eingeführt wurden, sind inzwischen ausgelaufen oder wurden zurückgefahren. Hierzu gehören beispielsweise der Child Tax Credit im Januar 2022, die Ausweitung der Arbeitslosenversicherung im September 2021 oder das Paycheck Protection Program im September 2021 (New York Times 2022). Diese Änderungen wirken sich auch auf die Wirtschaftsleistung des Landes aus.
Neben einer Reihe von Notfallmaßnahmen legte US-Präsident Joe Biden während seines ersten Jahres im Amt einige Gesetzespakete vor, die ein historisches Maß an Sozial- und Infrastrukturausgaben vorsehen. Einige dieser Gesetzespakete konnten bereits vom Kongress verabschiedet werden und in Kraft treten. Hierzu gehören der American Rescue Plan, der im März 2021 in Kraft getreten ist und ein Gesamtvolumen von etwa 1,9 Billionen US-Dollar, insbesondere für Sozialausgaben, umfasst (White House 2021a).
Im November 2021 wurde nach monatelangen Verhandlungen ein Infrastrukturpaket, der sogenannte Infrastructure Investment and Jobs Act, mit breiter Zustimmung aus beiden Parteien verabschiedet.
Laut Angaben des Weißen Hauses wird das Gesetzespaket dazu beitragen, den Inflationsdruck zu mindern, Lieferketten zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen. Das Paket umfasst ein Gesamtvolumen von über einer Billion US-Dollar für Infrastruktur- und Sozialausgaben, unter anderem Infrastrukturinvestitionen von:
▪ 110 Milliarden US-Dollar für die Sanierung und den Ausbau von Straßen und Brücken sowie insgesamt 42 Milliarden US-Dollar für die Modernisierung der Hafen- und Flughafeninfrastruktur, ▪ Insgesamt 120 Milliarden US-Dollar für den Ausbau der Wasserversorgung und der Breitbandinfrastruktur, ▪ 39 Milliarden US-Dollar für die Modernisierung und den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel sowie 66 Milliarden US-Dollar für den Ausbau des US-Schienenverkehrs, ▪ 65 Milliarden US-Dollar für die Modernisierung der Stromnetze, ▪ 50 Milliarden US-Dollar zur Stärkung der US-Infrastruktur zum Schutz vor Folgen des Klimawandels, Wetterereignissen oder Cyberattacken (White House 2021b).
Im Oktober stellte Präsident Biden seinen Vorschlag für den sogenannten Build Back Better Act vor. Das Gesetzespaket umfasst ein Gesamtvolumen von 1,75 Billionen US-Dollar. Kern des Gesetzespaketes sind vor allem Ausgaben für Kinderbetreuung und Gesundheitsvorsorge sowie Investitionen in den Klimaschutz. Unter anderem sind folgende Ausgaben und Investitionen geplant:
▪ 400 Milliarden US-Dollar für Kinderbetreuung und Vorschule, ▪ 200 Milliarden US-Dollar für Steuererleichterungen, insbesondere für Familien, ▪ 555 Milliarden US-Dollar für Investitionen in saubere Energie und Klimaschutz, ▪ 130 Milliarden US-Dollar für die Ausweitung des Affordable Care Acts (ACA).
Finanziert werden soll dieses Paket durch Steuererhöhungen für große Unternehmen und private Spitzenverdiener, die vor allem von den Steuersenkungen der Trump-Administration profitiert haben. Individuelle Einkommen unter 400.000 US-Dollar sollen nicht höher besteuert werden.
Während das Gesetzt bereits vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, konnte es im Senat bisher nicht verabschiedet werden, nachdem Senator Joe Manchin (Demokrat aus West Virginia) kurz vor Weihnachten mitteilte, nicht für das Gesetz in seiner aktuellen Form stimmen zu wollen. Er begründete diesen Schritt mit Sorgen über eine weiter steigende Staatsverschuldung sowie der steigenden Inflation (New York Times 2021). Somit ist derzeit unklar, wann und in welcher Form dieses Gesetzespaket verabschiedet werden kann, das einen zentralen Baustein von Präsident Bidens innenpolitischer Agenda darstellt.