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Angebotsengpässe bremsen deutsche Wirtschaft aus

lung im ersten Quartal 2022 zeitweise langsamer verlaufen dürfte. Ursächlich hierfür sind Unsicherheitsfaktoren wie die erhöhten Energiepreise und mögliche Auswirkungen infolge der Ausbreitung der Omikron-Variante.

Die Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen war im zweiten Halbjahr 2021 aufwärtsgerichtet, getragen von vollen Auftragsbüchern der Unternehmen infolge einer erstarkten innereuropäischen und globalen Nachfrage. Jedoch sorgten die Lieferengpässe für Gegenwind. Dieser war besonders in der Automobilbranche zu spüren. Zu den Lieferengpässen, die in diesem Jahr und 2023 nur langsam abklingen werden, kommt ein zunehmender Fachkräftemangel. Diese Engpässe zusammen mit hohen Energiekosten und der Unsicherheit in der Pandemieentwicklung stellen die Hauptrisiken für die Europäische Wirtschaft 2022 dar. Dem entgegen stehen positive Auswirkungen eines weiterhin günstigen Finanzierungsumfelds und Sondereffekten wie dem europäischen Ausgaben- und Investitionsprogramm NextGenerationEU, die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung stützen.

Die Bautätigkeit stand bereits im zweiten Quartal 2021 zwei Prozent über dem Niveau des vierten Quartals 2019 und wies damit in der ersten Jahreshälfte eine gute Entwicklung auf. Ähnlich wie bei den Bruttoanlageinvestitionen kam es aber auch hier zu Wachstumseintrübungen durch verlängerte Lieferzeiten und einen Fachkräftemangel. Dieser Trend dürfte auch 2022 anhalten und in Verbindung mit einem Nachfrageanstieg, beispielsweise durch das Abschmelzen von Spareinlagen, höhere Baukosten und einen Anstieg der Immobilienpreise hervorrufen.

Bei den Exporten setzte sich der Erholungsprozess 2021 weiter fort. Die Exporte haben in der Eurozone im vergangenen Jahr um 9,3 Prozent zugelegt (EZB 2021a). Dies ist auf eine erstarkte globale Nachfrage im Gütermarkt und auch auf eine Ausweitung der Aktivitäten im Dienstleistungssektor, beispielsweise durch einen belebteren Tourismus, zurückzuführen. Eine dämpfende Wirkung haben erneut der Material- und Fachkräftemangel entfaltet. Dagegen hat sich die moderate Abwertung des Euro – insbesondere gegenüber den wichtigsten Handelspartnern – positiv auf die Exporte ausgewirkt. Der Anstieg der Importe wird auf sieben Prozent geschätzt. Der Leistungsbilanzsaldo ist somit weiterhin positiv, sodass für 2021 mit einem Überschuss von zwei Prozent des BIP gerechnet werden kann. Für 2022 ist ein ähnlicher Wert zu erwarten (EZB 2021a).

Angebotsengpässe bremsen deutsche Wirtschaft aus

In den zurückliegenden Monaten haben die angebotsseitigen Engpässe weiter zugenommen. Dadurch wurden die konjunkturelle Erholung und die Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland zunehmend negativ beeinträchtigt. Ende 2021 waren über 70 Prozent der produzierenden Unternehmen von entsprechenden Engpässen betroffen. Eine branchenspezifische Betrachtung zeigt, dass die Automobilindustrie (inkl. Zulieferer), der Maschinenbau, die Metallindustrie sowie große Teile der Kunststoff- und Chemieindustrie im Laufe des Jahres 2021 besonders von den Engpässen in Mitleidenschaft gezogen worden sind.

Ein breiter Mix an Ursachen

Die Engpässe lassen sich dabei auf vielschichtige Entstehungsfaktoren zurückführen, die sich gegenseitig verstärken: An erster Stelle stehen die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Auf der Angebotsseite haben pandemiebedingte Maßnahmen (z.B. regionale Lockdowns) zu einer temporären Re-

duktion von Produktions- und Transportkapazitäten beigetragen. Dadurch wurden die globalen Lieferketten zeitweise empfindlich gestört. Gleichzeitig ist es zu erheblichen Schwankungen auf der Nachfrageseite gekommen, was dazu beigetragen hat, dass vorhandene Kapazitäten innerhalb kürzester Zeit entweder kaum ausgelastet oder überlastet waren.

Die pandemiebedingten Effekte werden durch strukturelle Faktoren zusätzlich verstärkt. Dabei spielen neben kurzfristig rigiden Produktionskapazitäten auch eine langfristig steigende Nachfrage (z.B. nach elektronischen Ausrüstungen) und ein zunehmender Fachkräftemangel im Transportwesen eine entscheidende Rolle. Hier kann beispielhaft der Mangel an LKW-Fahrern in vielen europäischen Staaten angeführt werden. Zusätzlich haben politische Faktoren – beispielsweise bestehende Handelskonflikte zwischen China und den USA – oder starke zyklische Schwankungen der globalen Konjunktur die Engpass-Problematik verschärft. Und nicht zuletzt hat die chinesische Regierung zum Teil die Produktion von einigen Metallen durch die Stromrationierung gedrosselt.

Viele Branchen betroffen

Die Engpässe manifestieren sich in unterschiedlichen Bereichen: Die angebotsseitige Verfügbarkeit von Roh- und Vorprodukten hat sich im Jahresverlauf substanziell verschlechtert. Davon sind nahezu alle Rohstoffklassen betroffen, die für das Verarbeitende Gewerbe von Bedeutung sind. Hierzu zählen in erster Linie Eisen, Metalle und Kunststoffe. Auch die für die doppelte Transformation der Wirtschaft bedeutsamen Rohstoffe (z.B. Lithium und Kobalt) stellen vermehrt Engpassfaktoren dar. Als besonders schwerwiegend erweist sich allerdings die mangelnde Verfügbarkeit von Halbleitern und Chips. Die deutsche Automobilindustrie ist davon, auch im internationalen Vergleich, in besonderer Weise getroffen.

Darüber hinaus haben sich auch im Transportwesen nennenswerte Engpässe herausgebildet, die neben pandemiebedingten Auswirkungen durch Sondereffekte beispielsweise durch die temporäre Sperrung des Suez-Kanals ausgelöst wurden. Davon sind der Schiffs- und Straßenwarenverkehr betroffen, was sich in Wartezeiten und sprunghaft steigenden Transportkosten widerspiegelt. Infolge der Wartezeiten im Schiffsverkehr waren phasenweise über zehn Prozent der weltweiten Container-Kapazitäten gebunden.

Produktionseinbußen gegenüber Normalbetrieb deutlich spürbar

Mit den Engpässen gehen spürbare Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland einher. Erstens trugen die Engpässe maßgeblich zu einer rückläufigen Produktion in der zweiten Jahreshälfte 2021 bei, obwohl sich die Auftragslage durchweg positiv entwickelt hat. Die Engpässe sind deshalb als wesentlicher Treiber des Auseinanderklaffens von Produktion und Auftragseingängen anzusehen. Ohne die bestehenden Engpässe hätte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe Ende 2021 schätzungsweise um sieben bis zehn Prozentpunkte über dem tatsächlichen Niveau gelegen. Dies entspricht einem Wertschöpfungsverlust von weit über 50 Milliarden Euro 2021. Allein die Engpässe in der Automobilindustrie dämpften das deutsche BIP 2021 um etwa 1,5 Prozent.

Entspannung erst im Jahresverlauf

Aufgrund der kurzfristig fortbestehenden Engpässe ist damit zu rechnen, dass es erst im Verlauf dieses Jahres zu einer schrittweisen Erholung der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe kommt. Das Vorkrisenniveau wird infolge der sich nur schrittweise schließenden Produktionslücke vermutlich auch 2022 noch nicht wieder vollständig erreicht. Deshalb werden die gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungsverluste auch 2022 fortbestehen und erst 2023 abgebaut.

Zweitens treiben die Engpässe die Preise für Vor- und Rohprodukte, wobei der Preisanstieg für Öl, Gas und metallische Rohstoffe besonders dynamisch ausfällt. Entscheidend hierfür ist die Kombination aus einem zunehmenden Nachfragedruck in der zweiten Jahreshälfte 2021 und einem kurzfristig unelastischen Angebot sowie beschränkten Kapazitäten. Die Lage an den Öl- und Gasmärkten sollte sich trotz der derzeitigen Preisausschläge im Frühjahr sowohl saisonal als auch angebotsbedingt wieder entspannen.

Die Unternehmen sind dem Preisanstieg branchenübergreifend ausgesetzt. Dabei sind die anziehenden Inputpreise in der zweiten Jahreshälfte verstärkt auf die Erzeugerpreise durchgeschlagen, die Ende 2021 mit einer Rate von über 15 Prozent so stark gestiegen sind wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Die Preisdynamik dürfte sich aufgrund kurzfristig persistenter Engpässe zu Beginn des Jahres zunächst fortsetzen und anschließend langsam beruhigen.

Insgesamt ist nicht mit einer schnellen Entspannung der Engpass-Problematik zu rechnen. Dies ist neben anhaltenden Unsicherheitsfaktoren in Folge der Corona-Pandemie darauf zurückzuführen, dass strukturelle Entstehungsfaktoren und bestehende Engpässe zunächst abgebaut werden müssen. Hierzu ist teilweise eine Ausweitung von Angebots- und Transportkapazitäten über eine gesteigerte Investitionstätigkeit notwendig, um vorhandene Rigiditäten zu beseitigen. Dieser Prozess erweist sich jedoch als zeit- und kostenintensiv. Vor diesem Hintergrund wird sich die Gesamtlage 2022 kurzfristig nur langsam verbessern, wobei ein spürbarer Effekt erst in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich ist. Mittelfristig wird die Abschwächung der pandemiebedingten Auswirkungen und eine Ausweitung der Angebotskapazitäten zu einer Verbesserung sowie Normalisierung der Gesamtlage beitragen.

Neue Maßnahmen in China mit Risiken für den weltweiten Lieferverkehr

Seit Ende Dezember 2021 gilt für die chinesische Metropole Xi‘an ein strikter Lockdown, in dessen Folge auch die wirtschaftlichen Aktivitäten zurückgefahren wurden. Es handelt sich dabei um den schärfsten und regional umfangreichsten Lockdown in China seit Ausbruch des Corona-Virus in Wuhan 2020. Anfang des Jahres 2022 sind dann in der Hafenstadt Tianjin die ersten Fälle der neuen Omikron-Variante aufgetaucht. Auch hier wurde das Stadtgebiet unter einen stufenweisen Lockdown gesetzt.

Zwar ist derzeit noch nicht vorhersehbar, inwiefern logistische Unterbrechungen in chinesischen Produktionsbetrieben oder Teilschließungen in chinesischen Häfen sich im Laufe des Jahres auf die globalen Lieferketten und die Versorgung in Europa auswirken werden. Dennoch ist zu befürchten, dass die Lockdowns die globalen Lieferketten beeinträchtigen könnten. Gleichzeitig sind ähnlich schwere Auswirkungen wie nach dem ersten Lockdown Anfang 2020 unwahrscheinlich, da die Unternehmen erhebliche Lerneffekte generiert haben und somit besser auf Pandemiemaßnahmen der chinesischen Führung reagieren können.

Allerdings sind weitere Faktoren zu berücksichtigen, die die Dauer und die Implementierung der Lockdowns beeinflussen können: Erstens bleibt abzuwarten, wie stark und wie schnell sich die OmikronVariante in China ausbreitet. Die chinesische Führung könnte dazu tendieren, nicht nur härtere Maßnahmen umzusetzen, sondern diese auch länger und großflächiger anzuwenden. Sollte sich die Omikron-Variante, wie bereits befürchtet, auch in China schneller und leichter übertragen, könnte das erneut zum Flaschenhals für globale Lieferketten werden und eine Rezession in bestimmten Branchen der deutschen Industrie anheizen. Zweitens müssen in diesem Zusammenhang die Olympischen Winterspiele einbezogen werden. Die chinesischen Behörden haben bereits damit begonnen, im Vorfeld der

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