LIbretto «Der 7. Himmel» von Moritz Eggert, Wolfgang Bortlik und Michael Klaus

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Ein Fussballoratorium

Musik: Moritz Eggert

Text: Michael Klaus & Wolfgang Bortlik

Libretto

DER 7. HIMMEL

AUFFÜHRUNGEN DER NEUEN FASSUNG

AM 22. MAI 2025 (PREMIERE) UND 27. MAI IM STADTCASINO BASEL

MIT

CHELSEA ZURFLÜH, DIE TUGEND, SOPRAN

ANNETTE SCHÖNMÜLLER, DAS LASTER, MEZZOSOPRAN

PAUL CURIEVICI, DER SPIELER, TENOR

MATTHIAS STÖRMER, DER JOURNALIST, BARITON

BENI HUGGEL, ALT-INTERNATIONALER, SPRECHER

BENI THURNHEER, REPORTER, SPRECHER

DANIQUE STEIN, TRAINERIN, SPRECHERIN

CHOR DES THEATER BASEL

EXTRACHOR DES THEATER BASEL

BASEL SINFONIETTA

TITUS ENGEL, MUSIKALISCHE LEITUNG

LAURENT ZUFFEREY, ASSISTANT CONDUCTOR

TILMAN AUS DEM SIEPEN, SZENISCHE EINSTUDIERUNG

1. HALBZEIT

1.

4.

5.

7. ..., UND DIE TUGEND HAKT SOFORT EIN, WIRD GANZ FEIERLICH UND SOGAR RELIGIÖS

8. ZUM HEULEN:

11. NACH DEM STREIT: BESINNUNG AUF

FRÜHER!

2. HALBZEIT

1. EIN NEUER BELLINGHAM EIN NEUER MUSIALA BESSER ALS MBAPPE, DASS MAN DEN ANPFIFF ZUR ZWEITEN HALBZEIT FAST NICHT MITKRIEGT 14

2. DER NEUE MBAPPEBELLINGHAMBESSERALSYAMAL VERSCHIESST EINEN PENALTY - IM GEGENZUG ERZIELT DER GEGNER DAS 1:2 15

3. ORGIE DER BELEIDIGUNGEN ODER WO KOMMT DER KERL EIGENTLICH HER?! 16

4. DER DENKT DOCH JETZT SCHON NUR NOCH ANS GELD! 16

5. EIN 17JÄHRIGER SUCHT SCHUTZ UNTER DEM FLÜGEL DES LASTERS 18

6. DER DENKT DOCH JETZT SCHON NUR NOCH AN WEIBER! – „LASS DEINE SCHLANGE WENIGSTENS FÜR 90 MINUTEN IM KÄFIG!“ 19

7. PIER PAOLO PASOLINI ERZÄHLT EINE MERKWÜRDIGE GESCHICHTE 20

8. CHOR DER SCHWANGEREN FRAUEN WIRD ZUR RAISON GEBRACHT DURCH CHOR DER LEIDENDEN MÄNNER 20

9. KEI KRITIK ... (CHRISTIAN GROSS’ VERKL Ä RUNG) 21

10. DER SCHEISSKERLGOTTESSOHNBESSERALSALLE ERZIELT DEN AUSGLEICH 2:2 22

11. WER IST DIE WAHRE MUTTER – TUGEND ODER LASTER? 23 12. FINALE 25

1. HALBZEIT

1. IN DEN KATAKOMBEN:

DIE KAMPFHÄHNE SCHARREN

Chor und Solisten betreten langsam, fast feierlich die Bühne und stellen sich in Positur.

TAPE

In den langen, hallenden Gängen der Katakomben unter dem Stadion / Stollen auf Zementboden kommen näher.

CHOR (summen)

hm hm hm hm hm ...

DIE TUGEND

(mit grosser Zartheit, verklärt)

na na na na na ...

DAS LASTER

na na na na na ...

SPIELER

na na na na na ...

JOURNALIST (SÄNGER)*

na na na na na ...

EVTL. TAPE MIT SONG DER MUTTENZERKURVE (NR. 16 AUF CD) IM HINTERGRUND

E Mänge hätt gärn di Platz im rotblaue Trikot D Bedingig das isch Iisatz, seggle und dri goh

Mit Sturm und Drang in Aagriff und niemols nocheloo

Eifach bis zum Abpfiff als Mannschaft zämmestoh

(Ich denk, das wä re ein guter Erkennungseffekt bez. FCB. Sonst passt auch der Fan-Song aus Szene 3.)

2. BASEL BEBT SCHON VOR DEM ANPFIFF

TAPE

Wechsel zu Stadionatmosphäre, Raunen der „30.000“

Stadionatmosphäre bleibt, aber im Hintergrund

CHOR

(überbannt = Steigerung von „gebannt“) rotes Leibchen, blaue Hose, blaue Stulpen rotes Leibchen, blaue Hose, rote Stulpen rotblau gestreift, rote Hose, weisse Stulpen weisses Leibchen, weisse Hose, blaue Stulpen rot und blau, schwarze Hose, schwarze Stulpen rotes Leibchen, blaue Hose ...

REPORTER

... und sollten Sie uns im Pay-TV zuschauen, wünschen wir Ihnen ein hochaufgelöstes Bild ....

Nun aber zur Mannschaftsaufstellung: Im Tor, Optimismus pur, auch wenn er nicht so ausschaut: Marvin ...

GEBRÜLL DER „30 000“ (über Stadionatmosphäre: Hiiiiitz!!!!!): Hitz!

ALT-INTERNATIONALER

Beni

„30 000“ Huggel!

ALT-INTERNATIONALER

Damals wusste man noch, wo links und rechts war, und wer L ä ufer war und wer nicht!

REPORTER

In der Abwehr das geschmeidige Ein-MannBollwerk ... Walter, il Muro ...

„30 000“

Samuel

CHOR (ALT)

Rotes Leibchen, blaue Hose etc. ...

ALT-INTERNATIONALER

David ...

„30 000“

Abraham!

TRAINERIN

(nüchtern, als gäbe sie eine Mannschaftsaufstellung bekannt)

Moscatelli, Paolucci, Ceccaroni, Cantaluppi ...

ALT-INTERNATIONALER

(beschwörend, langgezogen)

Teofilooo Cubillas

CHOR

rotblaues Leibchen, blaue Hose, rote

Stulpen ...

REPORTER

Kann gut gehen, kann daneben gehen. Aber der Trainer will ihn diesmal als abkippenden

Zehner:

Iwan ...

„30 000“

Ergic!

REPORTER

Marco ....

„30 000“

Streller!

REPORTER

Helmut ...

„30 000“

Benthaus!

ALT-INTERNATIONALER

Seppe ...

„30 000“

(vollkommen ausser Rand und Band, der stärkste aller Schreie)

Hügi!

ALT-INTERNATIONALER

Nie in der eigenen Hälfte, immer vorne. Gewinnt jeden Zweikampf. Und seine Freistösse. Das „Goldfiessli“. Das war ja die erste grosse Zeit!

CHOR

... Rotes Leibchen mit blauen Streifen, Blaue Hose, blaue Stulpen

TRAINERIN

Dragovic Majstorovic Jovanovic

ALT-INTERNATIONALER

Ivan

„30 000“

Rakitic

CHOR

... Blaues Leibchen, rote Streifen

Rote Hose, blaue Stulpen

Oder ganz in Weiss

(zum Schluss der für mich melodiöseste

Name überhaupt / mit aller Kraft:)

Koumantarakis

(abreissen, Stille! – Schiedsrichterpfeife: Anpfiff!)

3. JETZT GEHT'S LO-OS!

JETZT GEHT'S LO-OS!

Einzelne Choristen mit Trillerpfeifen

CHOR

(mit ungebildeter Stimme)

Verschiedene Fussballges ä nge des FCB

TAPE

Stadionatmosphäre: Der Ball rollt! Oohs und Aahs der Zuschauer, unregelmässig. Pfeifen und Buhen, als sei etwas Unsägliches auf dem Spielfeld vorgefallen, rhythmisches Klatschen

TAPE

reisst ab. Stille!

4. EIN REPORTER VERLIEBT

SICH IN SICH

SELBST UND GRÄBT VOR LUST EINEN

TOTEN KLASSIKER AUS

JOURNALIST (SÄ NGER)

(schwärmerisch)

Zwei Minuten gespielt, und immer noch hohes Tempo!

FCB und FCZ

FCZ und FCB

Ganz Basel schaut zu Schwarz-Weiss

BCO Alemannia

Concordia

Black Stars und Breite und Telegraph

Old Boys Nordstern

CHOR (SOPRAN / ALT) (stimmlos)

sch sch sch ...

CHOR (TENOR / BASS) (stimmlos)

t k t k ...

JOURNALIST (SÄNGER) (begeistert)

Sie kommen durch die Mitte!

Sie kommen ü ber die Fl ü gel!

Sie r ü cken blitzschnell nach!

TAPE

plötzlicher Jubel, sofort fade out

JOURNALIST (SÄNGER)

Sie schiessen aus allen Rohren!

Sie holen alles aus sich heraus!

Sie verstehen sich blendend!

Sie verstehen sich blind!

Sie zelebrieren ihr Spiel!

So sch ö n kann Fussball sein!

Rasse und Klasse!

Pernod und Sirup!

Was f ü r ein Strich!

Mein Gott, was f ü r ein Auftakt!

Mein Gott, ja!

Welche Leistung!

Welche Leistung!

CHOR

(voller Pathos, bedeutungsschwanger)

Und Bank an Bank gedr ä nget sitzen,

EIN JOURNALIST (SÄNGER)

Es brechen fast des Stadions St ü tzen,

CHOR

Herbeigestr ö mt von fern und nah,

EIN JOURNALIST (SÄNGER)

Der Fussball Vö lker fiebrig da,

CHOR

Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen, Von Menschen wimmelnd, w ä chst der Bau

JOURNALIST (SÄNGER)

In weiter stets geschweiftem Bogen

CHOR

Hinauf bis in des Himmels Blau!

5. DOCH DIE WIRKLICHKEIT IST ANDERS: LAHME KAMPFHÄHNE /

EIN SCHEISS SPIEL

(vereinzelte Choristen bedienen schlaff und lustlos Ratschen, Pfeifen und Tröten)

TRAINERIN (schon jetzt entnervt)

Pressen!

Geh ran!

Geh ran an den Ball!

Pressen!

CHOR (wie gelähmt)

Wie die wieder spielen!

Wie die wieder gurken! Wiediewieder Wiediewieder

TRAINERIN

Mensch, spiel doch vertikal!

Mensch, lass den Ball laufen!

CHOR

rotes Leibchen, blaue Hose, rote Stulpen rotes Leibchen, rote Hose, blaue Stulpen rotes Hemd, schwarze Hose, schwarze Stulpen ...

TRAINERIN

Da muss man doch abspielen!

Da muss einer helfen!

CHOR

Wie die wieder da querpassen!

Wie die wieder da klein klein!

Wiediewiederda

Wiediewiederda

TRAINERIN (weiterhin entnervt)

Warum begreift ihr das nicht?!

Warum nur?!

Oh, warum?!

CHOR

Das wird nichts!

Das seh ich doch von hier!

Da l ä uft nach vorne nichts zusammen!

Nach vorne!

Lass laufen!

Vorne spielt die Musik!

Mensch mach lang, Lang!

EINZELNE CHORISTIN

(voller Hass und Verachtung geschrien)

Seckle, du Lahmarsch!

TAPE

Christian Gross im O-Ton:

„Jeder Abschlag ist entscheidend, Zubi, jeder Abschlag ....“ – kurze Einblendung, sofort wieder weg

TRAINERIN (brüllt)

Raus!

Raus!

Rauuuuuuuus!

Rauuuuuuuus, verdammt noch mal!

TUGEND (enttäuschtes Raunen, weil was schief gegangen ist)

Ja so doch nicht! Aber so doch nicht!

Mensch so doch nicht!

CHOR

Ja so doch nicht!

Ja so doch nicht!

Aber so doch nicht!

Aber so doch nicht!

Mensch so doch nicht!

Mensch so doch nicht!

TRAINERIN (melancholisch, mit dem Chor)

Am Montag nehme ich mir vor, zur n ä chsten Partie alle, das ganze Team auszuwechseln. Am Dienstag sind es sieben oder acht, am Donnerstag bloss noch vier.

Wenn es dann Samstag wird, stelle ich fest, dass ich doch wieder dasselbe Team aufbieten werde wie in der Vorwoche!

6. BENI SAGT WAS ...

BENI HUGGEL

(tippt seinem Vordermann auf die Schulter, in Basler Mundart)

Kannst du mir mal sagen, wer von denen da unten auf dem Platz mit uns fr ü her h ä tte mithalten kö nnen? Das kann ich dir genau sagen: Kei-ner! Kei-ner!

7. ..., UND DIE TUGEND HAKT SOFORT EIN, WIRD GANZ FEIERLICH UND SOGAR RELIGIÖS ...

... wenn sie an die vom Beni eingel ä utete Erinnerung an Vergangenes denkt. Dem Laster kann verklärte Vergangenheit natürlich nichts anhaben!

Beni hat mit seiner Erinnerung an vergangene Zeiten so etwas wie ein „unterirdisch“ wirkendes Grollen losgetreten. Das kommt drohend näher und näher. Immer rascher - einsilbige Spielernamen, zweisilbige, dreisilbige, viersilbige – als ein dunkles, alles niederstampfendes Gespenst, als wollten die Alten die Jungen unterpflügen.

TAPE

dumpfes, enttäuschtes Stadiongebrüll, wie in Zeitlupe. Der Chor taucht langsam daraus auf ...

CHOR

(mal sprechen die Choristen so tief wie möglich, mal bellen, mal muhen sie die Namen)

Knup Knup Knup

Tum

Frei? Frei! Frei? Frei!

Kie-fer Tan-ner

Bopp

Jaeck Jaeck Jaeck Jaeck

Schär

Schley Schley Schley Schley

Kie-fer Tan-ner

Benthaus Hitzfeld

Yakin Rossi

Kie-fer Tan-ner

Kie-fer Tan-ner

Putzendopler Siegenthaler

Laufenburger Berkemeier

Kie-fer Tan-ner

Zuberbühler Zuberbühler Zuberbühler

Zuberbühler ...

Ah!

(wie abgerissen)

DIE TUGEND

(deutlich deklamierend)

Horcht nur, wie just in diesem Augenblick aus dem D ä mmer der Vergangenheit ein originelleres, sonderbareres, tugendsameres Vö lkchen auftaucht!

SPIELER (glutvoll)

Rot und Blau ...

DIE TUGEND

... quam amo te!

Den Kleinen hielt sein Pate ü bers

Taufbecken, da sang das Kind schon! Ins Wasser des Pfarrers hinein ...

SPIELER

Rot und Bla-hau

DIE TUGEND

... me non relinque!

SPIELER

Rot und Blau ...

DIE TUGEND / CHOR

... cae-aelum solum est,

SPIELER

Rot und Blau ...

DIE TUGEND / SPIELER

... ornamentum nostrum est.

DAS LASTER (höhnisch)

Glaubt ihr etwa, sie sagt die Wahrheit?

CHOR (sanft)

Sie ist die Tugend!

Sie h ä lt das Steuerruder!

Sie tr ä gt das Fü llhorn!

Sie sollst du lieb haben von ganzem Herzen, und mit all deiner Kraft!

DAS LASTER (zickig)

Bei der reimt sich Lust auf Pein!

Ihr ist zu viel entgangen!

Der ist alles zuzutraun.

(abschätzig)

Taufe! – Die Jungs mit dem Heiligenschein blieben schon in der Schule bis zuletzt an der Wand stehn.

Die wollte keiner in seiner Mannschaft! Geh mir weg mit Wasser, das durch die Stirn in die Seele dringt: Schon mit Wasser im Knie f ä llst du zwei Wochen aus!

(an den Spieler gewandt)

Erz ä hl lieber die wahre Geschichte! Die lasterhafte! Erz ä hl von deiner Geige, diesem teuren Geschenk deines Vaters!

SPIELER (naiv)

Ich hab meine Geige, die ein Geschenk meines Vaters zu meinem sechsten Geburtstag war, gegen Fussballschuhe eingetauscht. Mein Gott, hat der mich verdroschen!

DAS LASTER (begeistert)

Genau solche wollen wir seh ́n!

Spielernaturen! Zocker!

Versteh dich auf den kleinen Verrat, das t ä gliche schmutzige Tackling!

Setz alles auf eine Karte!

Solche Luschen, die meinen, wenn's mit dem Fussball nicht klappt, kann ich immer noch den Schneewalzer geigen, die brauchen wir nicht!

CHOR

(Und wieder raunt und stöhnt der Chor. Ist der wirklich so entsetzt über die Ausführungen des Lasters? – Quatsch! - Der schmerzvoll raunende Chor hat ganz andere Sorgen. Er erinnert uns daran, dass auf einer viel alltäglicheren Ebene aktuelle Spiele laufen mit versäbelten Möglichkeiten, verpassten Chancen.)

DIE TUGEND

(will den Ausführungen des Lasters klar und innig etwas entgegensetzen) ... quam amo te!

SPIELER

Blau und Ro-hot ...

DIE TUGEND

... me non relinque!

DIE TUGEND / SPIELER

... ornamentum nostrum est ...

REPORTER

Ich h ö re ein Raunen und Stö hnen in Basel! Sascha Ruefer, h ö ren Sie mich? Seraina Degen, kö nnen Sie mich h ö ren? Da ist was passiert, Rainer Maria, h ö ren Sie mich?

(Und schon sind wir im aktuellen Spielgeschehen)

CHOR

Weine nicht, wenn ein Tö rchen f ä llt, damm damm, damm damm

Der Gegner einen Penalty h ä lt, damm damm, damm damm FCZ und Young Boys bricht

Aber unser FCB nicht Alles alles geht vorbei Denn wir sind ihm treu.

8. ZUM HEULEN: NULL ZU EINS

Aber durch gute Laune, Ironie oder Sarkasmus lässt sich nicht alles so verpacken:

JOURNALIST (SÄNGER)

(kommentiert aktuell)

Wieder eine Abseitsfalle der vollkommen verunsicherten Heimmannschaft!

Aber diesmal eine Abseits-Selbstfalle!

Da sind sie zu fr ü h aufger ü ckt!

Und wollen das nicht wahrhaben!

Sie machen nach hinten zu wenig!

Mein liebes Bürschchen, das war

Dunkelgelb!

Aber der Schiri l ä sst Vorteil laufen!

Mensch, was für ein Strich!

Ein Mann, ein Schuss

REPORTER

Und was für ein Ding verzö gert:

Ein Tor!

JOURNALIST (SÄ NGER)

Null zu Eins!

Ein brasilianisches Tor!

Sechs Rotblaue schauen sich ratlos an!

Und das auf eigenem Platz!

CHOR

Let‘s go, Basel, Let‘s go! (Mundart)

Nur ein einziger Chorist geht mit der eigenen Heim-Mannschaft ins Gericht:

EINZELNER CHORIST

(mit tragisch zitternder Stimme)

Fast zwei Meter ist unser Langer lang und kriegt den Ball nicht aus dem Strafraum!

Zwei Meter lang und verliert jedes Kopfballduell!

Zwei Meter fast

Ich wusste gar nicht, dass man Scheisse so hoch stapeln kann!

Alle anderen Zuschauer haben einen ganz anderen Schuldigen entdeckt ...

9. DU BLINDE PFEIFE,

CHOR (SOPRAN / ALT)

Und die Uhr l ä uft und l ä uft und l ä uft ...

Und die Uhr l ä uft und l ä uft und l ä uft ...

CHOR (TENOR / BASS)

Was f ü r ein Albtraum!

Mann, ist die Welt grausam!

Der pfeift uns noch in den Abgrund!

DAS LASTER (hämisch)

Und die Uhr l ä uft und l ä uft ...

CHOR (TENOR / BASS) (voller Leidenschaft)

Nein, wir sind M ä nner, wir schweigen nicht!

Wir geben Worte unserem Schmerz: Gram, der nicht spricht, Presst das beladne Herz, Bis dass es bricht!

10. DAS WAR GANZ

KLAR ABSEITS!

CHOR (SOPRAN / ALT) (schnippisch)

Ein Angreifer in der gegnerischen H ä lfte ist im Abseits, wenn sich weniger als zwei Verteidiger zwischen ihm und der Grundlinie befinden.

CHOR (TENOR / BASS)

Diesem Schiri d ü rfte man keine Pfeife mehr in den Mund stecken!

CHOR (SOPRAN / ALT) (mahnend)

Der Torwart z ä hlt dabei mit. Ob Abseits strafbar ist, richtet sich nach folgenden Regeln:

CHOR (TENOR / BASS)

Dieser Mann soll die Pfeife wegwerfen und sich sch ä men!

Eine bodenlose Gemeinheit!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Entscheidend ist, wo sich der Spieler beim Abspiel und nicht bei der Annahme des Balles befindet.

Eine Abseitsposition sollte bestraft werden, wenn sie f ü r den Spieler vorteilhaft ist, vorteilhaft ist ...

JOURNALIST (SÄNGER)

Zu sp ä t kam dieser Pass, da stand er klar im Abseits!

DAS LASTER

Nie und nimmer!

JOURNALIST (SÄNGER)

Immer, immer, immer! Zu sp ä t kam dieser Pass ...

DIE TUGEND

Das roch schon stark nach Abseits.

DAS LASTER

Es riecht nach diesem Stinktier Schiri!

JOURNALIST (SÄNGER)

Immer, immer, immer! Zu sp ä t kam dieser Pass ...

CHOR (TENOR / BASS)

Mein Gott, hat der keine Augen?!

Auf einmal werden volle Plastikbecher mit Bier durch den Chor (Frauen) gereicht. 4-6 Becher wandern so von Chormitglied zu Chormitglied, dass jede Choristin alle ihre Finger schön tief in die Becher, d.h. ins Bier tauchen muss.

SPIELER

Als die Trainerin aufsprang und an der Linie tanzte, da hat sie mich angeschaut!

Sie hat mich doch angeschaut, oder?

DIE TUGEND

Daf ü r m ö chte ich meine Hand nicht ins Feuer legen, dass das kein Abseits war.

DAS LASTER

Nie und nimmer!

JOURNALIST (SÄNGER)

Immer!

SPIELER

Als die Trainerin die Hand hob, das war doch ein Zeichen! War die Hand f ü r mich?

Soll ich mich warm laufen?

JOURNALIST (SÄNGER)

Wie kann man nur so ins blinde Messer laufen?! Aber es bleibt keine Zeit zum Philosophieren!

DIE TUGEND

(beschwichtigend)

Davon geht die Welt nicht unter!

CHOR (TENOR / BASS)

(natürlich entrüstet)

Die Welt ist platt!

DAS LASTER

Giesst Bier auf die Diskussion, dann kommt sie besser in Fahrt!

Giesst Wein in die Menge nach griechischr ö mischem Vorbild!

CHOR (TENOR / BASS)

Leg die Pfeife weg, Mensch, Kerl!

Wie lange ertragen wir das noch?!

DAS LASTER

Die Pompejaner greifen schon nach Steinen!

Wehe, euch Siedlern aus Nuceria!

SPIELER

War die Hand f ü r mich? Soll ich mich warm laufen?

CHOR (TENOR / BASS)

Der Linienrichter war ́s!

Wenn du so gerne das F ä hnchen schwenkst, dann such dir eínen Job am Flughafen!

DAS LASTER

(triumphierend anklagend)

Der Schiri war ́s!

11.

NACH DEM

STREIT: BESINNUNG AUF DAS WESENTLICHE. HYMNE AN DEN BALL

DIE TUGEND

(als wolle sie besänftigen, von den garstigen Tönen ablenken innig)

Du Ball

Du Runder, der das Warme aus zwei H ä nden im Fliegen, oben, fort gibt, sorglos wie sein Eigenes; was in den Gegenst ä nden nicht bleiben kann, zu unbeschwert f ü r sie ...

CHOR (SOPRAN / ALT) (lässt sich von der Tugend „anstecken“)

Zu wenig Ding und doch noch Ding genug, um nicht aus allem draussen Aufgereihten unsichtbar pl ö tzlich in uns einzugleiten: das glitt in dich, das glitt in dich, das glitt in dich, das glitt in dich ...

DAS LASTER

... Marvin Hitz bohrt seine Faust ins Gesicht von Dominik Schmid. Ajeti wird umges ä belt, das Bein ist offen bis auf die Knochen, der Tritt hat Gimenez bald den Kopf gekostet,

Freis Knie schwillt und schwillt.

Stockers Fuss, der sonst nach vorn zeigt, steht jetzt nach hinten. Aber Atouba ist unverw ü stlich. Er springt von der Bahre, reisst sich die Verb ä nde ab, drischt das Leder nach vorn ...

DIE TUGEND.

... das glitt in dich ...

DAS LASTER

... auf Botteron. Botteron will ihn volles Pfund nehmen, kommt aber zu weit unter den Ball ...

DIE TUGEND / CHOR (SOPRAN / ALT)

... du zwischen Fall und Flug ...

DAS LASTER

... du zwischen Foul und Fluch ...

DIE TUGEND / CHOR (SOPRAN / ALT)

noch Unentschlossener: der, wenn er steigt, als h ä tte er ihn mit hinaufgehoben, den Wurf entf ü hrt und freil ä sst -, und sich neigt und einh ä lt und den Spielenden von oben

auf einmal eine neue Stelle zeigt, sie ordnend wie zu einer Tanzfigur, ...

DAS LASTER

... aber Botteron produziert eine Kerze im Sechzehner, und der Ball senkt sich ...

DIE TUGEND / CHOR

... um dann, erwartet und erw ü nscht von Tomas Vaclik, rasch, einfach, kunstlos, ganz Natur, dem Becher hoher H ä nde zuzufallen.

DIE TUGEND / CHOR -- du zwischen Fall und Flug ....

12. FRÜHER! TIEF IM

SPECKG Ü RTEL ...

TRAINERIN

(regt sich auf / feuert ihre Mannschaft an)

Ich weiss nicht, was ihr spielt, aber Fussball ist es nicht!

Ich weiss auch nicht, wo bei euch der Wurm h ä ngt!

Ich rede mir die Lippen wund, ich trainiere mit euch wie eine Verrückte, und ihr spielt so kopflos wie auf einem untergehenden Schiff!

Was könnte man mit eurer Kraft erreichen!

Denkt wenigstens an eure Stärke!

Ob ich die Titanic gerettet h ä tte, weiss ich nicht. Jedenfalls w ä ren die Überlebenden gut in Form gewesen!

CHOR / TENOR / BASS) (ergriffen)

Wir sind aus den Quartieren dieser Stadt, Old Boys, Nordstern - Fussballmacht!

ALT-INTERNATIONALER

Kaum war ich sechs Jahre alt, meldete mich mein Vater bei den Junioren des FC Speckgürtel Basel an.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Wir sind aus den Quartieren dieser Stadt Schwarz-Weiss, Breite - Fussballmacht!

ALT-INTERNATIONALER

Danach spielte ich bei Münchenstein. Danach st ü rmte ich f ü r Arlesheim. Ich war Landschaftsgärtner und wurde erst mit 21 Jahren Fussball-Profi.

DAS LASTER

Er hat beim Spiel in Istanbul eine Sperre von sechs Länderspielen kassiert.

DIE TUGEND

Aber er ist sieben Mal Meister geworden und hat fünfmal den Cup geholt.

DAS LASTER

Und spätestens nach einem Monat haben sie immer zu Dir gesagt: Komm Beni, wir spielen und du guckst zu. Du hast das Bewusstsein und das ist richtig: So hat jeder seine Aufgabe.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Münchenstein ist Fussballmacht Arlesheim ist Fussballmacht

CHOR

Fussballmacht! Fussballmacht!

TAPE

Nadel kratzt hässlich auf Platte (Plattenspieler), dann Leerrillengeräusch (ausblenden)

13. EURE SCHLABBRIGEN

ERINNERUNGEN AN ALTE ZEITEN GEBÄREN DOCH NUR

DIE TUGEND

(noch ganz im Erinnerungs-Trance) (äfft)

In den alten Zeiten, wo das Wü nschen noch geholfen hat ...

DAS LASTER

hatte ich ein zusammengeschn ü rtes Papierkn ä uel. Oder wir umwickelten einen kaputten Schuh mit irgendwelchen Lumpen und kickten den. Oder der Ball war der ausgestopfte Strumpf meiner Omi vom Kembserweg.

Unsere Kinder schliefen auf Friedhöfen um die Fussballgötter anzubeten. Sie banden sich Kräuter um die Füsse. Die Kräuter sollen den Fussballgott gnädig stimmen.

Hö rt endlich auf mit euren alten Zeiten!

Eure schlabbrigen Erinnerungen, was geb ä ren die denn?

Nichts als Zitterf ü sschen! Zitterf ü sschen! Wenn schon alte Zeiten, dann die w ü sten und verdorbenen:

Auf dampfenden Schlachtfeldern bolzten unsere Ahnen mit den Sch ä deln ihrer gemetzelten Feinde!

CHOR

Da war noch Wü rze drin und Salz und nichts von Videoassistentreferee!

14. DIE BLECHDOSE

TAPE

Lang ausgespielt: Der Tritt gegen eine Blechdose übergehend in LiveOrchesterklänge, dann ausblenden

Der Tritt gegen die Blechdose ist hier wie eine Kontemplation, die sagt: Hört auf mit eurem kleinkarierten Mist!

Gleichzeitig ist sie an dieser Stelle die Ankündigung eines „Wunders“

DAS LASTER

(spricht schmeichelnd auf den jungen Spieler ein)

Den Alten – vergiss ihn!

Die Tugend – vergiss sie!

Die Trainerin – vergiss sie!

Lach sie aus, zieh dir die Schuhbändel stramm, wirf das Überziehleibchen weg und stell dich selber auf! Und lauf! Und lauf!

15. „SEHT! SEHT! WELCH EIN WUNDER!“. EINS ZU EINS, AUSGLEICH

Bisher war der Spieler unscheinbar. Und wenn er ins Rampenlicht trat, war er nichts weiter als ein Spielball oder das Sprachrohr von Tugend und Laster. Er war wie ein unsicherer Berufsanfänger, der vor lauter guten und schlechten Ratschlägen zu nichts kommt.

Ab jetzt kriegt er ein eigenes, starkes Profil! (Wirkung der Dose!) Unser 17jähriger Spieler erscheint zum ersten Mal als Held: Er ist auf dem Weg zum gegnerischen Tor!

SPIELER

(innerlich brodelnd)

Ich kenn kein Zitterf ü sschen!

Ich lass mir auch kein Zitterf ü sschen einreden!

REPORTER

Noch zwei Minuten bis zur Pause, das ist nichts f ü r schwache Nerven!

DAS LASTER

Als der Tyrsener Erzdrommete hell Erscholl und beiderseits die Schlacht begann, Wie glaubst du, dass der Schilde Krachen klang,

Wie laut das Stö hnen und das Wehgeschrei?

TRAINERIN

Schnapp dir den Ball, tanze dich durch und mach das Ding rein!

REPORTER

Ein 17jähriger bei seiner Feuertaufe! Er macht das einzig Richtige: Hose hoch und durch!

SPIELER

Schon als Kind hab ich von diesem Dribbling getr ä umt! Fü nf Mann nass gemacht! Und den Torwart!

DAS LASTER

Der Wirbel des Argiverspeers durchbrach Die Unsern, doch sie zogen sich zur ü ck.

Dann aber stemmte Fuss sich gegen Fuss, Mann blieb am Mann und ehern stand die Schlacht.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Das ist kein harmlos fr ö hlich Kinderspiel Es geht dabei um Kopf und Kragen, und wer verliert, dem hilft nicht Reue noch Gebet!

Man stirbt daran in Schmach und Schande. Lasst ́s euch sagen!

CHOR (TENOR)

Rotes Hemd, blaue Hose, rote Stulpen ...

REPORTER

Erst 17 und kann schon ein Spiel lesen.

DIE TUGEND

(beschwichtigend, mit schlechtem Gewissen)

Das mit dem Bier – in Massen – das schadet nicht – ein Bier – nach der Arbeit – nicht t ä glich ... und alles ist ja auch nicht schlecht in Zürich!

JOURNALIST (SÄNGER)

(hektisch begeistert)

Da nimmt er sich einfach den Ball und reisst das Spiel an sich! Da hat er ihn verladen!

Da l ä sst er sie alle stehen!

SPIELER

(mit grösster Leidenschaft)

Jede Nacht den Alleingang getr ä umt!

Jede Nacht den Ball fast von der Auslinie ins lange Eck gezirkelt!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Das Aug‘ vergeht / vor solchem Glanz! –Seht, n ä her kommt er schon heran / ...

Ein Wunder! Ein Wunder! / Ein Wunder ist gekommen, / ein unerh ö rtes, nie gesehnes Wunder!

DAS LASTER

(fanatisch)

Und ich sehe ein Tier, das ist gleich einem Panther und seine Fü sse wie B ä renf ü sse. Und sein Rachen wie eines L ö wen Rachen. Und siehe, es ist ein grosser, roter Drache

und sein Schwanz fegt die Sterne des Himmels hinweg und wirft sie auf die Erde!

JOURNALIST (SÄNGER)

Da versucht er ́s direkt!

Da hat er alle Zeit der Welt und schlenzt das Leder ins Tor wie ein Gott!

CHOR / JOURNALIST (SÄNGER)

Der Ausgleich! Der Ausgleich! Endlich der Ausgleich!

Torjubel eines Reporters aus einem ber ü hmten Spiel des FCB

16. HAST DU KEINE UHR DABEI?! PFEIF ENDLICH

HALBZEIT!

CHOR (SOPRAN / ALT) (mahnend)

Und die Uhr l ä uft und l ä uft und l ä uft ...

CHOR (TENOR / BASS) (zornig)

Drei Minuten ü ber die Zeit!

Vier Minuten ü ber die Spielzeit! Pfeif endlich Halbzeit!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Und die Uhr l ä uft und l ä uft und l ä uft ...

CHOR (TENOR / BASS)

Hast keine Uhr dabei?!

CHOR

Komm schon! Pfeif! Na komm schon! Komm endlich!

Komm, mach! Pfeif! Na komm schon! Komm!

EINZELNE CHORISTIN (SOPRAN SOLO) (singt Abzählvers rührend kindlich) Marco Streller schiess doch schneller schiess vorbei und du bist frei

DIRIGENT: HALBZEITPFIFF

PAUSE

2. HALBZEIT

1. EIN NEUER BELLINGHAM

EIN NEUER MUSIALA

BESSER ALS MBAPPE, DASS MAN DEN ANPFIFF

ZUR ZWEITEN HALBZEIT

FAST NICHT MITKRIEGT

TAPE

Stadionatmo: Pause. Angeregte fachmännische Unterhaltungen in der Nähe des Aufnahmemikros. Irgendwann dann der Pfiff zur zweiten Halbzeit.

Atmo geht weiter, das Spiel hat zwar begonnen, die Zuschauer sind aber noch nicht richtig bei der Sache.

ALT-INTERNATIONALER

(zu seinem Nebenmann, meint den jungen shooting-star)

Nie geh ö rt! WIE heisst der Kerl?

CHOR

Spagnoli Jashari Asllani Perera besser als Yamal, besser als Haaland

In typischer Stadionmanier ist das Orchester noch nicht komplett auf der Bühne, wenn die Szene beginnt. Nur das Continuo ist vollzählig. Nachdem der Dirigent auftritt und die Szene begonnen hat, kommen vereinzelt die Musiker nach, vielleicht mit Würstchen oder Plastikbechern, und setzen sich auf ihre Plätze. Gestimmt wird erst am Ende dieser Szene als Vorbereitung auf den Elfmeter.

REPORTER

Wir sind wieder zur ü ck, die zweite Halbzeit kann beginnen.

Der FC Basel muss gewinnen.

Nach Dürre, Flut und Hungerjahren winkt wieder die Meisterschaft.

Ein Sieg ist Pflicht.

Beide Trainer haben nicht ausgewechselt. Was fehlt, ist der Antreiber im Mittelfeld! Was fehlt, ist ein richtiger Brecher, der mal

vorne reingeht! Was fehlt, sind die ganz klaren Chancen! Aber nach diesem Zuckertor ist das alles Schnee von Morgen! -

Und wieder dieser ...

TAPE

Stadionatmo ausblenden.

ALT-INTERNATIONALER

WIE heisst der Kerl?

CHOR

Destani Calzascia Garcia Makaya Senaya besser als alle

JOURNALIST (SÄ NGER)

Er fordert den Ball. Dem Youngster juckt es nat ü rlich ü ber Geb ü hr in den Fü ssen! Er l ä sst drei Gegenspieler stehen, der ist so schnell, den h ä lt keiner. Tunnelt den vierten! Hö chststrafe f ü r den verdutzten Abwehrrecken! Freunde, schreibt die Lehrb ü cher neu! Schreibt die Lehrb ü cher neu!

CHOR (schreit entsetzt auf)

Der Dirigent pfeift Foul.

JOUNALIST (SÄNGER)

Dieses h ä ssliche Foul! Offene Sohle auf Kn ö chel! Ich hab das Ger ä usch bis hier oben geh ö rt!

Das muss Penalty geben! Und Rot!

CHOR

Knochenriss Kapselriss Sehnenriss

B ä nderriss

Innenbandriss Kreuzb ä nderriss

Bauchmuskelriss Muskelfaserriss

JOURNALIST (SÄNGER)

Bange Minuten f ü r uns alle!

CHOR

Fussbruch Kn ö chelbruch Rippenbruch

Jochbeinbruch

Schienbeinbruch Kieferbruch Sch ä delbruch

Ellenbogenbruch

Nasenbeinbruch Handr ü ckenbruch

Oberarmbruch Unterarmbruch

JOURNALIST (SÄ NGER)

Nein, nein, nein! In Drei-Teufels-Namen steht er einfach wieder auf, schnappt sich den Ball und will schiessen!

DIE TUGEND

Er tut seine Schuldigkeit, ohne sich erst dazu antreiben zu lassen.

Er l ä sst keinen Fluch, keine Zote, kein

Schimpfwort von sich h ö ren. So blutjung er ist, ist er nicht wildwachsende Natur, sondern schon gesetzte Ordnung.

DAS LASTER

Der kann vor Schmerz kaum stehn und vor lauter Wut nichts seh ́n!

Und trotzdem schnappt er sich den Ball!

Er fordert Blut!

Blut fordert Blut!

Er l ä uft an!

Wie sich sein Gesicht verzerrt!

Der rotzfreche Balg wird schlimmer und schlimmer!

Gute Nacht euch allen!

REPORTER

Er nimmt sich den Ball. Fü hrt ihn zum Mund.

Er k ü sst ihn ganz leicht. Er legt ihn sich zurecht ...

DIE TUGEND

Spiele, liebliche Unschuld! Noch ist Arkadien um dich!

DAS LASTER

Nimm Rache, und es wird ein silbergrauer Lamborghini!

Einzelner Chorist (oder Schauspieler, der sich unter die Choristen gemischt hat) :

EINZELNER CHORIST (BRÄUTIGAM)

Tues för miich! Zeig derä Mätz, wo mi hüt am Morge vorem

Traualtar het lo schtooh! Zeig ihre, was ich würkli bii!

REPORTER

Er nimmt nur drei Schritte Anlauf ...

2. DER NEUE MBAPPEBELLINGHAMBESSERALSYAMAL VERSCHIESST EINEN

PENALTY - IM GEGENZUG ERZIELT DER GEGNER DAS 1:2

REPORTER

... und drischt das Leder ... ... übeŕs Tor! Über die Zuschauer! Übers Trib ü nendach, hoch in die Wolken, dass die Fussballg ö tter blass vor Schreck sich ducken m ü ssen! H ä tt er platzierter - hätt er besser gar nicht

... auf hohem Ross da schwillt der Kamm ...

ALT-INTERNATIONALER

(fast schon verständnisvoll)

Penaltyschiessen, das ist wie schönes Wetter an der Fasnacht – reine Glückssache.

JOURNALIST (SÄNGER)

... eine vollkommen unn ü tze Diskussion, da jetzt der Torwart blitzschnell abschl ä gt, sieht seinen Kollegen, der zur Gratulation schon an der Mittellinie stand, zu weit vorm Tor, schl ä gt ü bers gesamte Feld ... ... der rennt zur ü ck und stolpert rafft sich auf und f ä llt „… und Tor!“

REPORTER

Also, das ist die Hö lle! Das ist absolut unglaublich!

JOURNALIST (SÄ NGER)

Sie hatten die Fü hrung auf dem Fuss, und jetzt der R ü ckstand.

REPORTER

Meine Damen und Herren, mein Stuhl ist zu einem gl ü henden Ofen geworden.

JOURNALIST (SÄ NGER)

Wer kann da ...

REPORTER

Wer kann da noch ...

JOURNALIST (SÄNGER)

Wer oder was kann da noch helfen?

Das sind Gef ü hle, wo man nur schwer beschreiben kann.

CHOR UND SPIELER

Kyrie Eleis.

3. ORGIE DER BELEIDIGUNGEN

ODER WO KOMMT DER KERL EIGENTLICH HER?!

Selbstverständlich hält das merkwürdige

Ringen um Fassung nicht lange an:

CHOR (TENOR)

Wie kann man nur so einen schwachen Elfer schiessen?!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Schon der Anlauf war total schwach.

CHOR (TENOR)

Nie der Gefoulte selbst, du Schwachkopf!

CHOR

Arroganz!

Arrogance (engl.)!

Arrogance (frz.)!

Arroganza!

Arrogantia!

Arrogantie!

CHOR (ALT / TENOR)

(wendet sich gegen den ALTINTERNATIONALEN)

Und du warest auch f ü r den Schn ö sel!

ALT-INTERNATIONALER

Ich weiss nicht, was du sagest.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Dieser war auch f ü r die arrogante Pappnase.

ALT-INTERNATIONALER

Ich kenne des Menschen nicht.

CHOR

Wahrlich, du bist auch einer von denen ...

ALT-INTERNATIONALER

Ich kenne des Menschen nicht.

CHOR

Wahrlich, du bist auch einer von denen ...

ALT-INTERNATIONALER (schimpft)

Nicht ich – IHR habt doch geschrien: „Ein Wunder! Ein Wunder!“ -

Wieso spielt der eigentlich?! Wo kommt der her?!(äfft) „Das Aug‘ vergeht! Das Aug‘ vergeht!“ Mir auch!

Von mir aus kö nnt ihr euren jugendlichen Erlöser nach Winterthur schicken! Was hat der hier zu suchen?! Was denkt der sich eigentlich?!

4. DER DENKT DOCH JETZT SCHON NUR NOCH ANS GELD!

CHOR

Der denkt doch jetzt schon nur noch ans Geld!

Der ist nicht besser als die anderen! Dreschen von morgens bis abends leeres Stroh, was wir zu Gold spinnen sollen!

Guckt sie euch an! Guckt sie euch an! Verkleidet wie Freunde sind sie, aber g ö nnen sich nicht das Schwarze unterm Nagel!

TRAINERIN

Das gr ö sste Problem beim Fussball sind die, die den Ball spielen. Wenn wir die abschaffen kö nnten, w ä re alles gut.

CHOR

Wie sieht unser Sturm denn aus?

Auf Links der SMI, von rechts Dow Jones! Sind wir Esel, die Geld kacken kö nnen?!

Wir sind Basler und ihr nicht!

Kn üppel, aus dem Sack!

SPIELER

(Ist er lernwillig oder tut er nur so?)

Ich muss meinen Laufstil verbessern!

Ich muss meine Schnelligkeit verbessern!

Ich muss mich pers ö nlich entwickeln!

CHOR

Kn üppel, aus dem Sack!

SPIELER

Ich brauche nur so viel Geld, wie es sich f ü r einen ordentlichen Menschen geh ö rt!

CHOR

Kn üppel, aus dem Sack!

SPIELER

Horizon 2026 minus T 44 minus nullkommafünf

Lyda Interiors minus Favoris minus achtzehn neun drei (FCB 1893)

Neun drei

Neun drei

Neun drei

CHOR

Steigt der Leitzins, st ü rzt der Laktatwert ab!

Wir sind Basler und ihr nicht!

Plötzlich wird der SPIELER erneut gefoult, als sei es Strafe für soviel Schleimerei. Er schreit auf.

JOURNALIST (SÄNGER)

(erregt kommentierend)

Und wieder wird er umgem ä ht in einer knirschenden Zangenaktion! Unserm kleinen Ungl ü cksraben klebt aber auch das Pech am Fuss!

Wenn ich sein Mitspieler und wenn ich abergl ä ubisch w ä re, ich w ü rde mit gekreuzten Fingern an ihm vorbei rennen und ihm bloss keinen Ball zuspielen!

DIE TUGEND (voller Mitleid)

Jü ngling, was f ü llt den Blick schwellend mit Tr ä nen dir an?

Die TRAINERIN wird für kurze Zeit zur ArmyAusbilderin und brüllt:

TRAINERIN (wie ein Army-Ausbilder)

Bist du verletzt?!

Der SPIELER reagiert nicht, jammert weiter.

TRAINERIN

Ich h ö r nichts?!

Bist du verletzt?!

SPIELER (kläglich)

Nein.

TRAINERIN

Nein was?!

Ich h ö r nichts!

SPIELER

Nein, Ma’am!

TRAINERIN

Bist du gefoult worden?!

SPIELER

Nein, Ma’am!

TRAINER IN

Bist du gestolpert?!

SPIELER

Jawoll, Ma’am!

TRAINERIN

Wor ü ber bist du gestolpert?!

SPIELER

Über den Ball, Ma’am!

TRAINERIN

In welchem verpissten Nest hat man dir das denn beigebracht?!

Was macht man sonst mit dem Ball, wenn man nicht dar ü ber stolpert?!

SPIELER

Schiessen, Ma’am!

TRAINERIN

Was noch?!

SPIELER

Köpfeln, Ma’am!

TRAINERIN

Dann tu ́s endlich, du Weichei!

CHOR

Du Weichei!

SPIELER

(klagt wie ein Weichei)

Der Pr ä sident hat einen Mentaltrainer.

Der Manager hat einen Mentaltrainer.

Selbst der Trainer hat einen Mentaltrainer.

Nur ich nicht.

Nur ich nicht.

Nur ich nicht!

(schreit das Publikum / den Chor an)

Feuert mich an, verdammt noch mal!

Feuert mich an, feuert mich an, verdammt noch mal!

Keine Reaktion im Chor.

CHOR (TENOR SOLO) (merkwürdig unbeeindruckt)

Ich schau mir lieber einen guten Film mit Tieren an, mit Tieren an.

5. EIN 17JÄHRIGER SUCHT

SCHUTZ UNTER DEM FLÜGEL DES LASTERS

DIE TUGEND

(schwärmt fürs militärisch Schneidige der vorangegangenen Szene)

Ja, Ma’am!

Nein, Ma’am!

Bitte, Ma’am!

Danke, Ma’am!

Das hat was! Das hat was!

Wenn ihr in diesen rotblauen Dresses lauft.

Mit starrem Blick, fast wund vor Gl ü ck.

DAS LASTER

Seht her, die Tugendhafte sabbert!

DIE TUGEND

Und dabei singt ihr.

Und die Sonne brennt.

Und ihr schwitzt dabei. Und der Schweiss perlt auf eurer nackten Haut.

Und eure rotblauen Dresses sind ganz nass!

DAS LASTER

(an den Spieler gewandt / belehrend) Trau nicht gleich jedermann. Man meint es nicht gut mit dir. Im Anfang war das Spiel – nicht der Drill!

SPIELER

(überfordert / wie ein Kleiner) Ja, gut ... Ja gut ...

DAS LASTER

Spiel! Plural: Spiele. Mittelhochdeutsch und Althochdeutsch: spil: Tanz, Scherz, Unterhaltung, Vergn ü gen!

TRAINERIN (trocken)

Wenn ihr Unterhaltung sehen wollt, geht ins Tabourettli und schaut euch HD Läppli an!

SPIELER (zögerlich)

Was ...

DAS LASTER

(fordert Spieler auf) Ja?!

SPIELER

Was f ü r ein ...

DAS LASTER

Weiter!

SPIELER

Was f ü r ein Vergn ü gen, wenn du mit einer einzigen Flanke in hunderttausend Leben eingreifst!

DAS LASTER

Na endlich!

Na endlich!

Guck dir die Schreih ä lse an: Ein gekonnter Pass, und sie liegen dir zu Fü ssen!

SPIELER

(immer selbstsicherer)

Ich stolpere, und bei denen zu Hause setzt es Pr ü gel!

Ich stolpere nochmal, und es gehen Ehen zu Bruch!

DAS LASTER

Man h ä tte wenig Freude, wenn man sich niemals schmeichelte!

DER SPIELER

Ein einziger Lauf ü ber den Fl ü gel, ein Doppelpass, ein Kopfstoss, und sie fallen schon auf der Trib ü ne ü bereinander her und schwö ren sich ewige Liebe.

DAS LASTER

Sich selbst zu lieben, ist der Beginn einer lebenslangen Romanze!

SPIELER

Oder besser: Sie schwö ren MIR ewige Liebe. Die Frauen lassen ihre Alten stehen und h ä ngen sich an mich!

DAS LASTER

Ewige Liebe!

DER SPIELER

Ewige Liebe

ALT-INTERNATIONALER

Je gr ö sser der Pfau sein Rad schl ä gt, um so besser sieht man seinen Arsch.

6. DER DENKT DOCH JETZT

SCHON NUR NOCH AN

WEIBER! – „LASS DEINE SCHLANGE WENIGSTENS FÜR

90 MINUTEN IM KÄFIG!“

CHOR (TENOR / BASS)

(sehr ernst, mönchisch)

Auch wir denken an Sex! Im Durchschnitt alle drei Minuten! Aber nicht im Stadion! Hier haben wir endlich Pause!

TAPE

Wenn mir au emol verliere

Macht uns das kein Ranzeweh

Denn bi Sunneschiin und Rää ge

Stö hn mir uff dr FCB

CHOR (SOPRAN / ALT)

(im deutschen Schlagerstil)

Warum soll ich denn mein junges Leben, das wie eine Rose bl ü ht, einem jungen Fussballspieler geben, der so viele andre liebt?

SPIELER

(schleimig wie ein 70er-Jahre-Schlagerstar)

M ä dchen, bist du einmal in der Hoffnung, schiebe nicht die Schuld auf mich, denn ich bin ein junger Fussballspieler, und es wäre schad um mich.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Bist du auch ein junger Fussballspieler, und es wäre schad um dich, meine Ehre sollst du mir bezahlen, oder ich verklage dich.

SPIELER

Deine Ehre zu bezahlen, f ä llt mir nicht im Traume ein, eine Wiege will ich dir noch bauen, aber nicht der Vater sein.

M ä dchen, bist du einmal in der Hoffnung, schiebe nicht die Schuld auf mich, denn ich bin ein junger Fussballspieler, und es wäre schad um mich.

Deine Ehre zu bezahlen, f ä llt mir nicht im Traume ein, eine Wiege will ich dir noch bauen, aber nicht der Vater sein. 2X

CHOR (TENOR / BASS)

(in grölendem Ton, vollkommen unpassend, Arme ausstrecken)

Denn bi Sunneschiin und Rääge Stöhn mir uff dr FCB

7. PIER PAOLO PASOLINI ERZÄHLT EINE MERKWÜRDIGE GESCHICHTE

JOURNALIST (SÄNGER)

Ich bin Pier Paolo Pasolini. Dichter, Filmregisseur und eingefleischter Fussballfan.

Wer weiss, warum ich

Euch diese merkw ü rdige Geschichte erz ä hle.

Flieg, kleine Geschichte, auf goldenen Fl ü geln!

Bei einer Ausw ä rtspartie in OSTIA l ä uft mir der bildsch ö ne Torh ü ter RICCETTO ü ber den Weg. Ein junger Milchbart mit lakritzschwarzen Augen. Wir sind wie Gl ü ckw ü nsche f ü reinander. Jahre sp ä ter werde ich getö tet. Tatort ist der schmuddelige Fussballplatz von Idroscalcio OSTIA. Der Strichjunge, der mich tö tet, heisst RICCETTO.

Wer weiss, warum ich

Euch diese merkw ü rdige Geschichte erz ä hle.

Flieg, kleine Geschichte, flieg auf goldenen Fl ü geln!

DAS LASTER

... und lauf und lauf und lauf ...

SPIELER

... ja gut ja gut ja gut ...

DIE TUGEND

... flieg flieg flieg flieg ...

JOURNALIST (SÄ NGER)

Flieg, kleine Geschichte ....

TAPE (FCB-FANSONG)

Eine Flut von Handytönen, mit Fansongs des FCB, ca. 30‘‘ dann mit Chor abreissen

8. CHOR DER SCHWANGEREN

FRAUEN WIRD ZUR RAISON GEBRACHT DURCH CHOR DER LEIDENDEN MÄNNER

CHOR (TENOR / BASS)

Nicht jetzt, Schatz!

Alle CHORFRAUEN stehen plötzlich vor der Niederkunft. Sie singen atemlos auf ihre Männer ein.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Ich glaub, es ist so weit. Komm schnell! Ich glaub, es kommt!

JOURNALIST (SÄNGER)

Und als die M ä nner daselbst in den Stadien waren, kam die Zeit, dass ihre Frauen geb ä ren sollten.

CHOR (TENOR / BASS) (verzweifelt)

Du, das geht jetzt nicht!

Das ist ein verdammt wichtiges Spiel!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Oh, bitte komm!

Meine Fruchtblase ist schon geplatzt!

CHOR (TENOR / BASS) (fatalistisch)

Uns steht das Wasser selbst bis zum Hals! Wir gehen unter!

Wir gehen unter! (anklagend)

Du weisst doch, wo das Kö fferchen steht!

CHOR (SOPRAN / ALT) (aufbrausend)

Wie soll das zugehen, da ich doch kein Auto fahre?!

CHOR (TENOR / BASS) (verzweifelt)

Ruf Eins Eins Sieben!

Do bisch wie im 7. Himmel

CHOR (SOPRAN / ALT) (Stöhnen: Geburtswehen)

CHOR (TENOR / BASS)

(Stöhnen: leidend)

CHOR (SOPRAN / ALT)

1 1 7!

CHOR (TENOR / BASS)

Do bisch wie im 7. Himmel

CHOR (SOPRAN / ALT)

1 1 7!

CHOR (TENOR / BASS)

Do bisch wie im 7. Himmel

Wir haben hier auch die schwere Geburt. Noch sechzehn Minuten, dann sind wir ohne Bedeutung, sind nur noch Schaum auf dem Wasser.

CHOR (SOPRAN / ALT)

Es ist so weit! Es kommt! Es kommt!

CHOR (TENOR / BASS)

Halt das Kind zurück! Noch 16 Minuten! Plus Nachspielzeit!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Es ist ein Junge!

CHOR (TENOR / BASS)

Gib, Sch ö ne, viel S ö hne!

Ich leg jetzt mal auf. -

Ach, Sorgen, Sorgen, ach, werdet ihr denn alle Morgen und alle Tage wieder neu?! -

Was sind 47 Zentimeter und 2800 Gramm gegen den, den wir geb ä ren m ü ssen?! Was ist Pressen gegen Pressing ?!

Aus einem x-beliebigen Menschen m ü ssen wir einen Fussballer formen!

Aus einem, der Talent hat wie einen Klumpen Gold so gross wie sein Kopf, und es verspielt!

Der tauscht das Gold gegen ein Pferd, tauscht das Pferd gegen eine Kuh, tauscht die Kuh gegen eine Gans, tauscht die Gans gegen einen Wetzstein, der ihm dann auch noch in den Brunnen f ä llt!

Der mehr auf dem Boden kriecht, als dass er steht!

Und diesem lehmverschmierten Etwas m ü ssen wir eine Seele einhauchen!

Wie soll das gehen?!

Der mehr auf dem Boden kriecht, als dass er steht!

Und diesem lehmverschmierten Etwas m ü ssen wir eine Seele einhauchen!

Wie soll das gehn?!

9. KEI KRITIK ... (CHRISTIAN GROSS’ VERKL Ä RUNG)

DIE TUGEND

(wie eine Erscheinung, plötzlich „in Zungen“ redend, mit starkem Zü rcher Akzent)

Hakan

Hakan

Nöd so egoistisch, Hakan

Niemed isch perfekt, so spieled Sie ihn direkt

Do mit em George e Doppelpass.

Kei Kritik. Kei Kritik. Kei Kritik

Isch doch entscheidend de Abschlag.

Zuberbühler

Ja, Zubi und ja, Carlos

Premier mi-temps, excellent

Kei Kritik, nur Aaregig, niemed isch perfekt

Isch entscheidend de Abschlag

De Abschlag

Zubi, Zubi, Zubi, Zubi, Zubi

Doch entscheidend:

Baue mir de Gägner uuf, Zubi oder ebe nööd

Excellent, Carlos, excellent.

Kei Kritik. Kei Kritik. Kei Kritik.

Mit em George de Doppelpass, spieled Sie ihn direkt

Carlos, Zubi, George George, George, George ...

Niemed isch perfäkt, spieled sie ihn direkt, mit em George

So baut mer de Gägner uf

Oder ebe nööd

Doch nööd als Kritik, dammi nomal Excellent, jeder Abschlag isch entscheidend

Ich bin Profi

Und ihr sind Profi

Kei Kritik, kein Kritik, kei Kritik

Jetzt simmer do und wänd in Europacup.

Aaregig, dammi nomol!

Nur als Aaregig

Kei Kritik, kei Kritik .... (ca. 10x, beim 10. Mal Hakaaan)

10. DER SCHEISSKERLGOT-

DEN AUSGLEICH 2:2

Noch nimmt unser SPIELER, der junge, der kleine, alles ernst, was er hört.

Aber die Motivationsrede hat er nicht ganz verstanden, was ihn ängstlich macht.

SPIELER

(ängstlich / gehetzt)

Was war das?!

„Niemed isch perfekt ...“, hat sie gesagt.

„Nööd so egoistisch ...“, hat sie gesagt. Und noch viel mehr!

Was will sie?! Sie ist die Trainerin! Ich muss das wissen!

DIE TUGEND

(spitz, belehrend)

Wer nicht geschunden wird, wird nicht erzogen! Das meint sie!

DAS LASTER

(hereinplatzend)

Quatsch! Sie ist eine dieser sprachbegabten Touristen, die die einheimischen Bedienungen in den Wahnsinn treiben m ü ssen.

Wahrscheinlich will sie bloss „Einmal Suuri L ä berli mit Röschti“.

SPIELER

(immer noch ängstlich gehetzt)

Er hat was ü ber Hakan gesagt! Und Hakan hat mal was ü ber Zubi gesagt! Varela hat gesagt ... aber es f ä llt mir nicht ein!

Und Gimenez! Heute Morgen hab ichs noch gewusst!

ALT-INTERNATIONALER

(wird immer mehr zum klassischen Mentor. Er will dem „Kleinen“ auf die Beine helfen.)

Und der sagt und der quakt und der klatscht und der tratscht ... ... und der Vogel läuft im Käfig. Und der Vogel fällt im Käfig, statt ü ber die Erde zu segeln.

DIE TUGEND

Auf der Meister Worte sollst du schwö ren! Verachtet mir die Meister nicht!

DAS LASTER

Die spielen bis Dreissig und leben bis Achtzig.

Also haben sie wenigstens f ü nfzig Jahre Zeit, was abzusondern.

ALT-INTERNATIONALER

Und dann erst die Journaille!

REPORTER

Man munkelt ü ber Lizenzentzug. Man munkelt ü ber das Unverst ä ndnis der Gl ä ubiger.

ALT-INTERNATIONALER

Weisst du, wie lange die bei ihrem miesen Zeilenhonorar munkeln m ü ssen, eh das Eigenheim abgezahlt ist?!

DAS LASTER

(meint den Alt-Internationalen)

Du bist doch auch einer von diesen Greisen, die nichts mehr bei sich behalten kö nnen!

ALT-INTERNATIONALER (an den Spieler)

Ich sag dir nur eins: Kü mmere dich nicht und bring ihn heim!

DIE TUGEND

(innig, den Spieler anfeuernd)

Damit die Flugbahn des Balls diese herrliche Ellipse ergibt, musst du doch nur deren Mittelpunkt bedenken und deren Brennpunkte. Bedenke Hauptscheitel und Nebenscheitel, Hauptachse und Nebenachse, bedenke kurz die grossen Halbachsen und die kleinen Halbachsen! Dann noch die lineare Exzentrizit ä t und schon geht ́s los!

Knabe, was s ä umst du? Herbei!

ALT-INTERNATIONALER

Bring en ändlig hei!

Nyt so schytter wie Platz zwei!

CHOR

Nyt so schytter wie Platz zwei!

JOURNALIST (SÄ NGER)

(begeistert, ehrfürchtig)

Und da nimmt er sich den Ball und bringt ihn heim!

CHOR

Der Ausgleich! Der Ausgleich!

TAPE

Das Stadion tobt!

JOURNALIST (SÄNGER)

Dieser unbek ü mmerte Junge, dieses galaktische Talent, unser Gottes-Sohn-besser-als-alle erzielt den Ausgleich!

Zwei zu Zwei!

Zwei zu Zwei!

Noch ist alles drin!

11. WER IST DIE WAHRE

MUTTER – TUGEND

ODER LASTER?

CHOR (SOPRAN / ALT)

(jeweils drei davon mit Megaphon)

Unter der Anzeigentafel steht eine Braut.

Das von heute Morgen ...

Es t ä te ihr Leid.

Der betreffende Herr wisse Bescheid.

CHOR (TENOR / BASS)

(als könne sie der Spieler tatsächlich hören)

Wir lassen sie zappeln! Hö rst du?!

Wir lassen sie zappeln!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Und die Uhr l ä uft und l ä uft ...

CHOR (TENOR / BASS)

Wir lassen sie zappeln!

DIE TUGEND

(aufblühend)

Ich sehe eine Braut, ich h ö re einen Br ä utigam!

Blickchen hin, Blick her ü ber. Er seufzt: Sch ö nste!

Sie spricht: Lieber!

DAS LASTER

Quatsch keine Opern! (zum Chor)

Geht hin und los: Macht mir S ö hne!

Talenteverschleuderer! Eiskalte Wü rgeengel!

Nehmt meinen Kleinen dort zum Vorbild!

DIE TUGEND (hämisch)

Ja, ich versteh deine Entt ä uschung. Mein Kleiner kommt so ganz nach mir. Der hat so ü berhaupt nichts von dir.

DAS LASTER (aufbrausend)

Der?! Der ist mir wie aus dem Hirn geschnitten!

DIE TUGEND

(plötzlich lieblich brav)

ICH habe ihn geformt! Den Kleinen hielt sein Pate ü bers Taufbecken, da sang das Kind schon ins Wasser des ...

DAS LASTER

(hineinplatzend)

Du?! Dann w ä re er ein verklemmter Jesus. Ist er aber nicht!

Noch zwei Tore, dann ist er einer dieser herrlichen Armani-J ü ngelchen, die nicht gerade wählerisch sind. Mal ne H&M Pritsche, mal eine reife Matratze in Dior.

Er ist mein Meisterst ü ck.

Und trotzdem tr ä ume ich davon, mich zu ü bertreffen!

DIE TUGEND

(zum Spieler gewandt)

Hö re nicht auf Sie! Stopf dir die Ohren zu! Reiss dir die Ohren ab! Hö r nur auf mich!

DAS LASTER (falsch jovial)

Eine interessante Versuchsanordnung.

Fü r ein schlaues M ä dchen machst du eine

Menge Fehler.

CHOR

Und die Uhr l ä uft und l ä uft und l ä uft ...

DIE TUGEND

(an den Spieler)

Wer ist deine wahre Mutter?!

DAS LASTER

Ich!

DIE TUGEND

Ich!

DAS LASTER

Ich!

DIE TUGEND

Ich! Ich! Ich!

DAS LASTER / DIE TUGEND

Ichichichichichichichichichichichich ...

DER SPIELER

(zornig wegwischend)

Schluss! Aus! (cholerisch)

Ihr beiden redet und redet ... immer wieder ... immerzu!

Hö rt endlich auf zu quasseln! Verschwindet aus meinem Kopf! Ihr stö rt! Haut ab! Ihr macht mich irre! Nehmt euch ́n Ball und geht spielen!

So sind Tugend und Laster noch nie angeschnauzt worden. Sie bleiben stumm. Haben dem nichts zu entgegnen.

Die Solistin, die den „Marco-StrellerAbzählvers“ rührend kindlich gesungen hat, meint, ihre Chance nutzen zu können und singt den Spieler an:

EINZELNE CHORISTIN (SOPRAN SOLO)

Hast du Doppelte?!

DER SPIELER

(reagiert nicht auf sie / will sich stimulieren, um letzte Kraftreserven zu mobilisieren)

Nyt so schytter wie Platz zwei

Nyt so schytter wie Platz zwei

Nyt so schytter wie Platz zwei

CHOR

Nyt so schytter wie Platz zwei

Nyt so schytter wie Platz zwei

Nyt so schytter wie Platz zwei

EINZELNE CHORISTIN (SOPRAN SOLO)

(Die Solistin hält dem Spieler Fussballbildchen hin.)

Tausche drei Shaqiris gegen einen Frei!

ALT-INTERNATIONALER

(mischt sich ein)

Ich hab 100 mal Fabian Frei und kein mal Avdullahu!

Ich werd‘ bald wahnsinnig!

EINZELNE CHORISTIN (SOPRAN SOLO)

Tausche Noah Okafor gegen Benié Traore!

ALT-INTERNATIONALER Nie!

EINZELNE CHORISTIN (SOPRAN SOLO)

Na gut! Ich leg noch Anton Kade drauf!

Ich hab mal alle komplett gehabt! Aber dann bekam ich eine Fü nf in Religion!

Da haben mir die Eltern mein Sammelalbum verbrannt!

ALT-INTERNATIONALER

(versteht die Zensurenvergabe im Fach Religion nicht)

Jerusalem zur Zeit 2. Liga, Platz 6. Nazareth zur Zeit 1. Liga, Platz 12. Sowas reicht doch wenigstens f ü r ne Drei!

TAPE

Schlachtengeräusche wie aus einem Sandalenfilm ... weg!

EINZELNE CHORISTIN (SOPRAN SOLO)

(ruft dem Spieler zu)

Willst du mit mir gehen?!

Ja?!

Nein?!

Vielleicht?!

CHOR (SOPRAN / ALT)

Willst du mit mir gehen?!

Ja?!

Nein?!

Vielleicht?!

12. FINALE

Zur ü ck zum Saisonfinale 2025, Ausgangslage:

Der FC Basel M ä nner braucht einen Sieg gegen den FCZ, um Meister werden. Es steht kurz vor Schluss 2:2.

Dito bei den FC Basel Frauen .... (in der Realitä t leider wg. Fehlentscheid der Schiri schon ausgeschieden)

CHOR

Wir folgen alle einem Ball ... Oh Spiel, Abbild der Wahrheit ...

JOURNALIST

Excellent, Excellent…(usw.)

REPORTER (PATHETISCH)

Schöner Ball!

Sie machen es grossartig!

Was haben wir mit ihnen gezittert! Haben ihnen oft auch was auf die Ohren gegeben!

Ein, nein, zwei Siege müssen heute her für den FC Basel.

Die doppelte Meisterschaft, Meisterinnenschaft ist möglich. Denn der Ball ist rund!

Der Ball macht, was ER will.

JOURNALIST (SÄ NGER)

Er ist der Besserspieler. Er macht den Unterschied. Er sieht den Raum zwischen den Linien. Er sieht die Laufwege voraus. Er sieht den eigenen Untergang voraus. Er hat, was einen Fussballer ausmacht. Aber wehe, ach wehe ....

TRAINERIN (DANIQUE STEIN) ganz nebenher

Der Ball macht, was SIE will.

(Seufzt sehr vernehmbar)

Was man sich alles ausdenken muss, wenn man mit den Medien redet.

Der abkippende Zehner und der wegbrechende Achter, der umkippende Sechser und der hinfallende Vierer. Und dann muss man als Trainerin immer nur an ein paar Stellschrauben drehen, um das Team stärker zu machen.

TUGEND UND LASTER

Vergesst das Bolzen nicht.

Vergesst den Umschaltmoment nicht! Vergesst den Umschaltmoment nicht!

REPORTER

Am Schluss ist der Trainer das schwächste Glied in der Kette. Er hat die Kabine nicht mehr hinter sich.

JOURNALIST

Otele auf Traore auf Kevin Carlos. Schmid, Schmiiiid auf Avdullahu auf Ajeti…

CHOR (tief stöhnend, beschwörend)

Shaqiri!

Shaqiri!

JOURNALIST (SÄ NGER)

Fink auf Baro auf den ewigen Xhaka. Leroy spielt auf ....

Was diese Teams so zaubern ist brasilianisch!

ALT-INTERNATIONALER (SEHR, SEHR PATHETISCH)

Ins Jünglingsalter kehre ich zurück. In diese jungen Beine.

Ob Frau, ob Mann, oh Fussball!

TRAINERIN (JETZT SEHR SELBSTSICHER)

Der Ball macht, was SIE will.

Da wälzt sich keine minutenlang.

Da gibt es keine Rudelbildung.

Da ist nicht ständig Testosteron.

Da entschuldigt man sich und spielt weiter.

ALT-INTERNATIONALER

Mir wird ganz flau und feierlich.

REPORTER

Sie bewegt sich zwischen den Linien wie ein Raubtier.

Mehr Tempo! Mehr Tiefe! Mehr Tore!

CHOR (GLEICHZEITIG)

Fussball, das isch unser Läbe

D kurve isch unser Dehai

Do bisch wie im 7. Himmel

Do fühlsch di niemols allein

ALT-INTERNATIONALER

Dieses Gefühl, dieses Kribbeln in den geschwollenen Beinen, das habe ich schon lange nicht mehr gespürt.

TRAINERIN

Wos auf Sow auf Nikolic Baass auf Csillag auf Rudelic

Rey auf Stein auf Seghir. Balmer spielt auf .... Ugochukwu

Pl ötzlich Riesenl ä rm. Ein Schrei von allen Seiten, Chaos, Begeisterung Tooooor

REPORTER

Aus dem Nichts, hunderttausend heulende Höllenhunde, schiesst unser Unterschiedspieler das Siegtor.

TRAINERIN

Das Siegtor gehört dem gesamten Team.

CHOR

Wenn nur der Schiri nicht ...

SPIELER

Was hab ich nicht alles hören müssen: Schönspieler, Warmduscher, Zitterfüsschen, Samtpfötchen, Meitli .... Und jetzt weiss ich, was mir fehlt!

DIE TUGEND / DAS LASTER

Wenn nur der Schiri nicht

Das heisse Herz uns bricht

Mit seinem Entscheid

Es täte ihm leid

Doch da ist der VAR

Was der sagt sei wahr

So lasset uns hoffen

CHOR / TUGEND / LASTER

So lasset uns hoffen

CHOR

Ja? Nein?! Vielleicht?!

SPIELER

Gib uns das Tor

Es war korrekt

Ich kann die Fans nicht leiden sehen

Es ist ein Tor

REPORTER / TUGEND / LASTER

Der Schiri zeigt zum Mittelpunkt, zum Mittelpunkt der Welt.

CHOR / TUGEND / LASTER

Toooor! Tooor für den FC Basel!

REPORTER

Tor, Tor, Tor!

So schön kann nur ein Sieg sein.

TAPE

Eine Kulmination aller vorstellbaren „Tor“Schreie

Jetzt darf sich das Orchester etwas austoben ......

DIE TUGEND / DAS LASTER / SPIELER / JOURNALIST (SÄ NGER) / CHOR

Siehe, einer sucht ihn, andre erwarten ihn. Einer stösst, einer hebt ihn, andere lassen ihn fallen:

Den Ball, diesen Globus.

Er ist das Modell der Welt, die dem Vergnügen geweiht ist.

Oh Ball ...

Wir folgen alle einem Ball ...

Oh Spiel, Abbild der Wahrheit ....

ALLE SPRECH- UND GESANGSROLLEN

Fussball ist unser Leben!

Am Anfang war das Spiel!

CHOR

Wir folgen alle einem Ball ...

Oh Spiel, Abbild der Wahrheit ...

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LIbretto «Der 7. Himmel» von Moritz Eggert, Wolfgang Bortlik und Michael Klaus by Basel Sinfonietta - Issuu