Lenzburger Bezirks-Anzeiger

Page 1

LENZBURGER WOCHE

DONNERSTAG, 8. NOVEMBER 2018

Amtliches Publikationsorgan für den Bezirk Lenzburg und angrenzende Gemeinden.

PP 5600 Lenzburg · Nummer 45 · Post CH AG

SALZKORN Paradiesisches

Verlässt sein «Baby»: Der Leutwiler Vizeammann Rudolf Hirt tritt mit zwei weiteren Gemeinderäten zurück.

Foto: Fritz Thut

3 Gemeinderäte treten zurück Leutwil Am Samstag, beim Nachtessen nach der Hauptübung, informierte Vizeammann Rudolf Hirt die Feuerwehrleute über seinen Rücktritt aus dem Gemeinderat. Zwei weitere Gemeinderäte treten ebenfalls zurück. ■

FRITZ THUT

B

ei der spektakulären Hauptübung mit Rettungshelikoptereinsatz posierte der für die Feuerwehr zuständige Leutwiler Gemeinderat Rudolf Hirt nochmals vor seinem «Baby», dem im Frühjahr in Dienst gestellten neuen Tanklöschfahrzeug. Hirt war bei der Beschaffung des TLF entscheidend beteiligt. Künftig sieht er das «Baby» nur noch aus der Ferne. Am Abend informierte der seit März 2015 als Vizeammann tätige Hirt die Mannschaft über seinen Rücktritt aus dem Gemeinderat. Er

macht dafür nicht – wie sonst üblich – berufliche oder gesundheitliche Gründe geltend, sondern sagt sibyllinisch: «Es ist eine schwierige Situation; es geht an die Substanz.» Er habe das Amt, vor allem die Feuerwehr, gerne ausgeführt, doch es gehe einfach nicht mehr. Der Haussegen im Leutwiler Gemeinderat scheint schief zu hängen: Unabhängig von Hirt (seit März 2012 im Amt) haben Thomas Fehlmann (Juni 2015) und Simone Eggler (März 2018) ebenfalls ihr Rücktrittsgesuch ans kantonale Innendepartement abgeschickt.

«Zum Glück nicht häufig»

Dort, bei der Gemeindeabteilung, hat man die Gesuche vorerst sistiert. Mit der Rückstellung will man verhindern, dass Leutwil plötzlich ohne beschlussfähige Dorfregierung dasteht. «Zum Glück kommen solche Dreierrücktritte nicht wahnsinnig oft vor», sagt Martin Süess, der Leiter des Rechtsdienstes der Gemeindeabteilung. In der Regel, so Süess, müssten zurücktretende Gemeinderäte bis zum Zeitpunkt ihrer Ersetzung im Amt ver-

bleiben. Doch eine Dreier-Demission könne man «nicht einfach durchwinken». Was man im Fall Leutwil vorzukehren gedenke, sei man «intern am Abklären». Ganz allgemein gebe es für den Kanton verschiedene Möglichkeiten. Eine ist das Beifügen eines Coaches oder als letzte Variante das Einsetzen eines kantonalen Sachwalters. Im Aargau ist dies in den letzten Jahrzehnten nur einmal, 2007 in Rekingen, geschehen. In Leutwil will man es, obwohl es in den ersten zehn Monaten der Amtsperiode 2018–2021 bereits fünf vorzeitige Rücktritte gab, nicht so weit kommen lassen. Am nächsten Montag reisen die Spitzen der Gemeindeabteilung ins eigentlich idyllische Dorf über dem Seetal, um sich ein Bild zu machen. Während Gemeindeammann Monika Müller bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, wäre man auf der Gemeindeverwaltung froh um baldige Klarheit. Gemeindeschreiberin Susanne Rölli: «Wir wollen der Bevölkerung für die Ersatzwahlen genügend Zeit geben.»

Eva: Ich habe die Nase voll! Jetzt sind wir viele tausend Jahre unterwegs und haben immer noch kein neues Paradies gefunden! Adam: Es gibt Peter Buri Hoffnung, ich habe gerade eben von einem Dorf mit Kirchenhügel gehört. Eva: Was soll daran paradiesisch sein? Adam: Wenn man der Mär glaubt – alles! Ruhige Lage, Hunderte neue Wohnungen, keine Lastwagen, überall Tempo 30 – und in der Gemeindekasse Manna in Hülle und Fülle. Eva: Und wo ist die Kehrseite? Adam: Genau das ist das Paradiesische daran: Die ist im grossen Nachbarort, wo sich der Verkehr staut, Strassen gebaut werden müssen, der Bahnhof aus allen Nähten platzt, neuer Schulraum zu schaffen ist. Aber es kommt noch besser – es gibt im grossen Nachbarort vieles, von dem man auch im Paradies-Dorf paradiesisch mitprofitieren kann: Eine Badi (allerdings ohne Rutschbahn), eine idyllische Altstadt, interessante Museen und Kulturstätten, attraktive Beizen und sogar eine Bibliothek mit Bestsellern wie «Jenseits von Eden» oder «Niemand ist eine Insel». Eva: Und das kostet nichts? Adam: Nur ein paar symbolische Franken à fonds perdu im Steuerpromille-Bereich. Eva: Das ist doch aber etwas ungerecht gegenüber dem Nachbarort und dessen Bewohnern. Adam: Ach, die sind selber schuld. Sie haben jahrhundertelang höhenburgnäsig aufs Bauerndorf herabgeschaut, wo übrigens heute sehr viel Bescheidenheit herrscht – die Leute leben hier auf kleinem Fuss, auf niedrigem Steuerfuss. Eva: Aha, ein Steuerparadies. Und was ist mit Äpfeln? Du weisst schon … Adam: Keine Gefahr. Der hinterste und letzte Apfel wird – wie die Spar- und Optimierungsmöglichkeiten – bis zum letzten Tropfen ausgepresst. Man könnte fast sagen: Most regiert das Paradies. Eva: Perfekt. Da ziehen wir hin. Aber wissen die, dass du arbeitslos bist und unsere Familie therapie- und sozialhilfebedürftig ist? Adam: Solange wir die einzigen Paradiesvögel sind, die ins neue Paradies einziehen, wird das wohl kein Problem sein ... Peter Buri, Lenzburg


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Lenzburger Bezirks-Anzeiger by AZ-Anzeiger - Issuu