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Lenzburger Bezirks-Anzeiger, Donnerstag, 19. März 2015 ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Im Gespräch

«Der Knast war die Hölle auf Erden» Marcel Quirici erlebte in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg die Hölle auf Erden. Später fand er hinter Gittern die Freiheit. Heute will er die Hölle leeren und den Himmel füllen. Melanie Solloso

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arcel Quirici ist kräftig gebaut. Seine Haare sind grau, an den Spitzen weiss meliert. Der 52Jährige hat ein bisschen etwas von George Clooney, wären da nicht die grossflächigen Tattoos auf Unter- und Oberarmen. Die Farben der Tattoos sind grün-bläulich, ausgebleicht von Sonne und Zeit. Ein Panther, ein Adler und diverse Astmuster sind bei genauerem Hinsehen erkennbar. «Die stammen allesamt aus meiner Zeit im Knast», sagt er und reibt über eine tätowierte Stelle. «Das lässt sich leider nicht wegmachen», sagt er fast entschuldigend. Marcel Quirici verbrachte ein Jahr lang in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg (JVA) im geschlossenen Vollzug. Mittlerweile ist das fast dreissig Jahre her. Aber er erinnert sich noch gut an die Zeit im «Chnascht». «Zuerst kam ich in die «Idiotenabteilung». Wir mussten Gewehrriemen aus Leder wachsen und Militärschlafsäcke aufrollen.» Quirici, gelernter Baumaschinenführer, bewährte sich schnell und durfte schon nach ein paar Wochen in die Schreinerei. «Dort machten wir Särge in Fliessbandarbeit.» Dreieinhalb Jahre hatte Quirici vor sich wegen Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz. Als er reinkam, habe er sich geschworen: «Hier drin bin ich keinen Tag clean.» Der nötige Halt fehlte früh Schon früh im Leben war Marcel Quirici auf die schiefe Bahn geraten. In der Schule galt er als verhaltensauffällig und schwierig. «Bereits im Kindergarten habe ich regelmässig Zigaretten geraucht. Ich stahl sie aus den Autos oder von den Eltern.» Viel zu früh machte Quirici die Erfahrung, nicht gewollt zu sein. Als er acht Monate alt war, liessen sich seine Eltern scheiden und er kam zu den Eltern seines Vaters. Zwei Jahre später erkrankte seine Grossmutter und er wurde zur Adoption freigegeben. «Die Leute kamen, um mich anzuschauen. Ein Jahr später haben sie mich dann geholt.» Er wollte aber viel lieber bei der Grossmutter bleiben. Obwohl Quirici damals erst drei Jahre alt war, erinnert er sich, als wäre es gestern gewesen. «Sie haben mir einfach neue Eltern vor die Nase gestellt. Dagegen habe ich natürlich rebelliert.» Von den Adoptiveltern liess er sich nichts sagen. Und auch von allen anderen nicht. Mit 14 Jahren wurde er zum ersten Mal verhaftet. «Wir hatten eine Baracke aufgebrochen, aber auch Zigarettenautomaten.» Die Sucht habe bei solchen Vergehen meist im Vordergrund gestanden. Als Teenager kamen neben den Zigaretten die härteren Drogen dazu. Während seine Kollegen einmal probierten und mit ihrem normalen Leben weitermachten, blieb er bei den Drogen hängen. «Ich hatte wohl einfach nicht den nötigen Halt im Leben, um zu widerstehen», erklärt er sich heute. Noch mehr Halt verlor er als Teenager, als seine Adoptivmutter an Unterleibskrebs erkrankte und starb. Kurz darauf wurde er verhaftet und kam in die JVA. «Im Knast habe ich doppelt und dreifach so viele Drogen konsumiert als in

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oher Besuch in der «Alten Schmitte» in Seengen. Mitte März weilte Regierungsrat Roland Brogli mit den Kaderleuten des Aargauischen Finanzdepartementes zu einer Retraite auf dem Eichberg. Als Feierabend-Abwechslung besuchte die Delegation die «Alte Schmitte». Der gelernte Hufschmied und Metallbauer Kevin Konrad stellte live an Esse und Amboss ein Hufeisen her. Mit Interesse verfolgten die Gäste die Entstehung des Hufeisens aus einem geraden Eisenstab. Das gelungene Endprodukt wurde Regierungsrat Brogli als Glücksbringer mitgegeben. Möge es mithelfen, die Kantonsfinanzen weiterhin im positiven Lot zu behalten. Jörg Leimbgruber

Ein Hufeisen entsteht.

D Marcel Quirici war gefangen. Drogen bestimmten sein Leben und brachten ihn schlussendlich hinter Gitter. In der Justizvollzugsanstalt Lenzburg wurde sein Drogenkonsum noch schlimmer. Den Ausstieg schaffte er im zweiten Anlauf. Dem (MS). Lenzburger Bezirks-Anzeiger erzählt er von seinem Leben – eine Odyssee über die Suche nach Halt im Leben. Freiheit. Das war die reine Drogenhölle.» Heute sei das vielleicht anders, aber damals hätten alle im Gefängnis gedealt. «Man konnte alles bekommen, was man wollte. Von harten Drogen über Medikamente oder Alkohol.» Schlaftabletten seien sehr beliebt gewesen. «Man bekam sie für 10, 20 Franken», Quirici schüttelt nachdenklich den Kopf. «Die Häftlinge nahmen das nicht, weil sie nicht schlafen konnten, sondern einfach nur so, um sich abzulenken.» Mehrmals habe er zu Gott geschrien: «Wenn es dich gibt, holst du mich aus dieser Drogenhölle raus!» Während Quirici in der JVA seine Strafe absass, erschoss sich sein Adoptivvater. In seinem Abschiedsbrief versicherte der Vater, dass sein Suizid nicht Quiricis Schuld sei. «Aber ich möchte, dass du drogenfrei wirst», habe er geschrieben. Der Sohn fühlte sich elend. «Ich wollte nur noch sterben. Draussen hatte ich niemanden mehr. Keine Mutter, keinen Vater und auch die Freundin war weg.» Er beschaffte sich eine Hunderterpackung Vesparax – ein starkes Schlafmittel. «Mehr als genug, um am Abend für immer einzuschlafen.» Aber so weit sollte es nicht kommen. Ein Wärter steckte ihm noch am gleichen Tag einen Brief zu. Darin stand, dass Quirici versetzt wird: in den halboffenen Strafvollzug. Ein Jahr lang war Marcel Quirici in der JVA Lenzburg. Für ihn «die Hölle auf Erden». Im Wauwilermoos sollte er den Himmel auf Erden finden. «Ich bat Gott um Vergebung» Der halboffene Vollzug war um Welten anders. «Wir halfen auf dem Hof mit und die Häftlinge konnten einander besuchen.» Die Türen nach draussen waren zwar verschlossen, aber innerhalb des Gebäudes konnten sich die Gefangenen frei bewegen. «Wollte man im JVA jemanden besuchen, musste man vier Wochen vorher schriftlich eine Bewilligung beantragen», vergleicht Quirici. Er lernte Ruedi*

kennen, einen Mithäftling. «Ruedi erinnerte mich daran, dass ich vor einiger Zeit, als meine Mutter krank wurde, mein Leben Gott übergeben hatte.» Nach dem Gespräch mit Ruedi kramte Quirici seine Bibel aus dem hintersten Winkel seiner Zelle und begann zu lesen. Wie Schuppen sei es ihm von den Augen gefallen: «Alles, was ich anderen angetan hatte. All die schlimmen Sachen.» Er las die ganze Nacht hindurch, bis zum Morgengrauen. Immer wieder geschüttelt von Weinkrämpfen. «Ich bat Gott um Vergebung.» Freiheit im Gefängnis Am nächsten Morgen sah Quirici die Welt in einem anderen Licht. Eine unheimliche Last war ihm von den Schultern gefallen. «Ich fühlte mich frei, und das im Knast!» Er lacht. «Ruedi und ich sangen Loblieder während wir mit Schaufeln knöcheltief im Schweinemist standen und waren glücklich. Die Wochen vergingen wie im Flug.» Nach einem halben Jahr wurde er wegen guter Führung, nach gut zwei Jahren Haft, auf Bewährung entlassen. Fast zu schnell sei ihm das gegangen. Kurz darauf sass er im Zug nach Baden, «mit 2000 Franken im Sack». Keine schützenden Mauern mehr, keine strikten Regeln. Freiheit halt. Quirici hatte Angst: Wo sollte er hin? So viele Möglichkeiten. Ein halbes Jahr hatte er im Wauwilermoos den Drogen entsagt, war auf dem rechten Weg gewesen. Bereits am ersten Abend in Freiheit kam er davon ab. «Ich stürzte ab. Ganz, ganz schlimm.» Am nächsten Morgen war nichts mehr von dem Geld übrig, das für einen guten Start hätte sorgen sollen.

Die kommenden drei Monate sollte Quirici alles vergessen, was er sich im Wauwilermoos Gutes vorgenommen hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben habe er sich die Drogen gespritzt. Seine Augen werden wässrig, er blinzelt rasch. Ein hoffnungsloser Fall, hätten sicher einige gesagt, anders sah es Pfarrer H. R.*. Er hat ihn nicht aufgegeben. «Obwohl ich den Pfarrer unzählige Male abgewiesen hatte oder vor verschlossener Tür stehen liess.» Drogenfrei, dann Frau und Kinder Am Ende siegte die Beharrlichkeit und Quirici liess sich zu einem Entzug überreden. Hinter den Mauern der Entzugsanstalt fand Quirici wieder auf den rechten Weg. Und damit dies so bleibt, organisierte Pfarrer R. den sicheren Halt nach dem Entzug. Bei einer jungen Familie kam Quirici unter und bekam dort vorgelebt, was es heisst «eine normale Familie zu sein und miteinander anständig umzugehen». Er habe gespürt: «Das will ich auch.» Heute ist Quirici selbst Vater von vier erwachsenen Kindern. Zusammen mit seiner Frau bietet er Menschen, die seelsorgerische und praktische Lebenshilfe wünschen, einen Platz im eigenen Haus an und teilt mit ihnen den Alltag. Ausserdem haben die beiden schon unzählige Pflegekinder aus schwierigen familiären Verhältnissen bei sich aufgenommen und betreut. «Ich weiss, wie es ist, nicht gewollt zu sein.» Gott habe ihm Kraft geschenkt, von den Drogen loszukommen. «Jetzt kann ich es weitergeben.» Wer zuhören möchte, dem erzählt Quirici von Gott. Seine Mission: «Ich will die Hölle leeren und den Himmel füllen.» www.chesa-quirici.ch *Namen der Redaktion bekannt

«Im Knast habe ich doppelt und dreifach so viele Drogen konsumiert als in Freiheit.»

Divisionär a D Peter Regli sprach über die nationale Sicherheit D ie Resonanz auf die Einladung des Gewerbevereins Lenzburg und Umgebung, der Aargauischen Kantonalbank sowie der Alten Garde der SGL (Schützengesellschaft Lenzburg) war gross, rund 200 Personen wollten sich die Ausführungen von Div a D Peter Regli über die nationale Sicherheit nicht entgehen lassen. Peter Regli übernahm 1981 die Leitung des Nachrichtendienstes der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen. Mitte 1991 ernannte der Bundesrat ihn zum Divisionär und Unterstabschef Nachrichtendienst. Er war Militärdiplomat und spricht mehrere Sprachen. Die aktuellen Geschehnisse waren sozusagen eine Steilvorlage für den öffentlichen Vortrag. «Die Welt ist ein Pulverfass, und die Lunte brennt», stellte Regli eingangs unter Nennung der eigentlichen Brandstifter kurz und bündig fest.

Blickpunkt

Zum besseren Verständnis der aktuellen Weltlage warf der Referent einen Blick zurück in die Geschehnisse des vergangenen Jahres und legte am Beispiel der Ukraine die Funktionsweise der «hybriden Kriegsführung» dar. Der Krieg sei in Europa längst angekommen, und von Frieden keine Spur. Brennend interessierte natürlich die Antwort auf die Frage nach der Sicherheit im eigenen Land. Auch hier zeichnete Regli kein erfreuliches Bild, vor allem in Anbetracht des Bestrebens, die Armee weiter zu redimensionieren. Warm ums Herz sei ihm aber geworden, als er erfuhr, dass der Nationalrat im Grundsatz für das neue Nachrichtendienstgesetz sei. «Ich erwarte von den Verantwortlichen ein vorausschauendes Handeln nach dem Motto: das Undenkbare denken und das Unerwartete erwarten», schloss er seine Ausführungen. ST

Peter Regli

ie Rupperswilerin Silvana Huber ist Schweizer Meisterin in der Disziplin 50 Meter Brustschwimmen. An der Langbahn-Schweizer-Meisterschaft in Genf vom vergangenen Wochenende wurden nicht nur die Titel der Schweizer Meister vergeben, sondern es ging auch darum, sich für die kommenden internationalen Anlässe dieses Sommers zu Silvana Huber qualifizieren. So war denn die gesamte Schweizer Schwimm-Elite am Start. Das AarefischTeam wurde angeführt von Silvana Huber, welche aufgrund ihrer Wettkampfresultate im Vorfeld der SM zu Recht auf einen erneuten Titelgewinn im Brustsprint hoffen durfte. Über 100 m Brust verpasste sie den Podestplatz um 2 Zehntelsekunden und musste sich mit dem vierten Rang zufriedengeben. Das sollte auf ihrer Paradestrecke, den 50 m, anders werden. Lag sie im Vorlauf noch hauchdünn hinter der Führenden auf dem zweiten Platz, konnte sie den Final schliesslich genauso knapp mit 0,03 Sekunden vor der Langenthalerin Sibylle Gränicher für sich entscheiden. (Eing.)

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öchten Sie sich unter die Beobachter der Vogelzüge einreihen?» Aktuell kommen die Rauchschwalben aus dem afrikanischen Winterquartier in die Schweiz zurück. Der SVS/BirdLife Schweiz lädt ein, an der europaweiten Beobachtungsaktion Spring Alive teilzunehmen und dort die Rückkehr der Rauchschwalben und vier weiterer Zugvogelarten zu melden. Was die 20 Gramm schweren Rauchschwalben leisten, ist erstaunlich, misst doch ein Weg Schweiz–Afrika rund 9000 km. Nicht umsonst lädt der SVS/BirdLife Schweiz ein, die Rauchschwalben geradezu willkommen zu heissen. Das Leben dieser Vogelart wird ihnen in der Schweiz nicht leicht gemacht. Die Rauchschwalben benötigen genügend Nahrung in Form von Insekten und eine geeignete Brutmöglichkeit. Doch Ställe und Scheunen für den Nestbau verschwinden immer mehr, ebenso der Lehm, den sie in Pfützen auf unbefestigten Wegen finden. AG

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