12
Bezirk Affoltern
Freitag, 8. November 2013
Mythologie und Natur im Wechselspiel Ein Kunsterlebnis der besonderen Art in der Galeriemarlène in Ottenbach Die farb- und ausdrucksstarken Bilder der Wettswiler Malerin Charlotte Liedtke stehen im Dialog mit den fantasievollen Fabelund Klonwesen der Zürcher Bildhauerin Shimmi Schadegg in der gegenwärtigen Ausstellung der Galeriemarlène in Ottenbach. ................................................... von nana pernod Beide Künstlerinnen lassen sich von dem Begriff und Wesen der Natur anregen: Charlotte Liedtke transformiert real existierende Naturlandschaften in abstrakte Bildkompositionen, wohingegen Shimmi Schadegg ihre bildhauerischen Werke aus der Natur des Menschseins schöpft: ihre Wesen entspringen der Mythologie- und Traumwelt des Menschen.
Geheimnisvoller Empfang – die Fabelwelt Wir alle, die in der Kindheit den Erzählungen der Erwachsenen lauschten und unsere Köpfe in Bilderbüchern versenkten, kennen sie: die Fabelwesen, Fantasiegestalten – halb Tier und halb Mensch. Solcher Art sind die «Wächterinnen» aus Aluminium von Shimmi Schadegg, die uns vor der Galeriemarlène schmunzelnd empfangen. Die Wesen der Bildhauerin sind allesamt weiblich. Damit spielt sie auf ihre künstlerischen Herkunft aus der Modewelt an. Diese ist noch heute sehr «weiblich geprägt» – es sind noch immer vor allem Frauen, die das Zielpublikum teurer Designermode sind, erläutert die Bildhauerin. So ist auch Schadeggs neuestes Werk im Hauptsaal der Ausstellung zu verstehen, die Clones. Es handelt sich um lebensgrosse menschenähnliche Klonwesen, die in eine Art fantasievolles «Modegewand» gekleidet sind. Ohne Gesicht und Hände fehlt ihnen das wesentlich Menschliche, das Individuelle. Gerade das ist die hier unscheinbar eingepackte Botschaft: die Modewelt produziert Gleiches für Gleiche, dabei entstehen eben Klonwesen. Im Hintergrund wird aber wohl auch eine leise Kritik an der Genetik und ihren Methoden der Vervielfachung angetönt. Dennoch haben alle Fabel- und Traumwesen von Shimmi Schadegg eine einladend positive Ausstrahlung: sie kommunizieren expressiv herzlich mit dem Betrachter, der sich häufig ein Schmunzeln nicht verkneifen kann.
Von der menschlichen (Fantasie-)Welt zur Natur Das Bindeglied zwischen den Werken von Schadegg und Liedtke ist der Begriff und das Wesen der Natur. Auf der einen Seite steht der Ton als der natürliche, gleichsam erdige Werkstoff der Bildhauerin Schadegg und auf der anderen Seite sind es die landschaftlichen Formen der Natur, die Charlotte Liedtke zum Ausgang ihrer farbstarken abstrakten Kompositionen macht. Auf beiden Seiten ist Natur die Impulsgeberin für das künstlerische Werk: die Erde und ihre Abbilder. So denn sprach Dr. Rolf Hohmeister, der bekannte Arzt aus Bad Ragaz und Hauptförderer der Skulpturenausstellung im Rheintaler Badeort, der Badrag(art)z, in seiner dichterisch angehauchten Einführungsrede vom Süden als Metapher für alles Lebendige und Schöpferische. Er betrachtete das Kunsterlebnis, das uns die Ausstellung Schadeggs und Liedtkes bietet, auch als Süden, den Ort unseren Wohlbefindens und unseren seelischen Paradieses.
Malerische Bodenständigkeit abstrakt umgesetzt Diese Metapher des Südens verkörpert für die Malerin Charlotte Liedtke ihre Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Bauernhof. «In meiner Seele bin ich eine Bäuerin», bekennt die Malerin. Das intensive Zusammensein mit allem, was die Natur zu bieten hat, blieb zeitlebens ihr Lebens- und Kunstelixier. Liedtkes Betrachtung und differenzierte Wahrnehmung aller Stimmungsnuancen, die uns in der Natur begegnen, ist eines ihrer Kennzeichen. Das Lichtspiel auf einem Acker mit dem einsamen Apfelbaum setzt die Malerin in einem farb- und stimmungsstarken abstrakten Bild um. Die starken Farbkontraste und reinen Farben sprühen vor Leben und Energie. Man erahnt das Ringen um den schöpferischen Akt der Künstlerin in ihrer ausdrucksstarken Handhabe der bildnerischen Mittel. Mehrschichtig pastos aufgetragene Acrylfarbe und etwaige integrierte Collagen lassen so manches ihrer Gemälde sehr plastisch wirken. Die Bildsprache ist abstrakt gehalten, nur die Bildtitel, wie zum Beispiel «Wüstengold» oder «Von vielen Blättern eins», gemahnen noch an den konkreten Ausgang ihres malerischen Werkes. Das Ringen um den bildnerischen Ausdruck dieser landschaftlichen Impressionen ist für Liedtke Kraftakt, Anstrengung und innere Notwendigkeit
Charlotte Liedtke, hier vor ihrem Werk «Bewegung und Ruhe», transformiert real existierende Naturlandschaften in abstrakte Bildkompositionen. (Bilder Werner Schneiter)
Shimmi Schadegg mit menschenähnliche Klonwesen, die in eine Art fantasievolles «Modegewand» gekleidet sind. gleichzeitig. Ob so viel schöpferischer Energie und Experimentierfreude kann die Künstlerin, die heuer ihren achtzigsten Geburtstag feiert, stolz sein. Gerade bei tobenden Herbststürmen ist ein Besuch bei Marlène Hegetschweiler in Ottenbach ein Gewinn für Seele und Geist: schmunzelnde Fabelwesen und energetisch aufgeladene von der Natur inspirierte malerische Kraftakte lassen uns Energie für den kommenden Winter tanken. Eine Einladung, die möglichen Formen des Menschseins zu erkunden. Die Ausstellung in der Galeriemarlène vom 3. November bis 1. Dezember ist geöffnet: Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 13 bis 17 Uhr. Apéros: jeden Sonntag 13 bis 17 Uhr. Lanzenstrasse 6, Ottenbach, Tel. 044 761 21 49,
Gastgeber Marlène und Rolf Hegetschweiler mit Gastredner Dr. Rolf Hohmeister (rechts).
www.galeriemaerlene.ch.
anzeige