081_12_10_2012

Page 5

Bezirk Affoltern

Freitag, 12. Oktober 2012

5

«Der stehende Klarinettist» aus Obfelden ist auch mit 80 nicht müde Leo Kälin, der bekannte Volksmusiker und Komponist, feiert heute Freitag einen «runden» Geburtstag Seit 1945 greift er an Konzerten zum Instrument, und bis dato hat er 174 Stücke komponiert: Leo Kälin, der bekannteste Ämtler Volksmusiker aus Obfelden und auch «stehender Klarinettist» genannt, feiert heute Freitag seinen 80. Geburtstag. ................................................... von werner schneiter Freunde schätzen ihn höchstens 70. Seine Vitalität und sein Elan sind ungebrochen; er hat genügend Puste, um in die Klarinette zu blasen. Und ein Gedächtnis, um das ihn Gleichaltrige wohl beneiden: Leo Kälin erinnert sich an Details aus den 40er-Jahren, nennt Daten aus dem Stehgreif und kennt jedes seiner Stücke auswendig. Er lebt für die Volksmusik, und er «lebt» sie. Mit ungebrochener Leidenschaft und Willenskraft. Kein Tag vergeht, ohne dass er ein Instrument in die Hände nimmt und übt – noch bis zu einer Stunde. «Das ist wichtig, um in Form zu bleiben», sagt er. Neben seinen Kräften ist ihm die Freude an der Volksmusik geblieben – die ungebrochene Lust, anderen mit lüpfigen Klängen auch eine Freude zu bereiten, sie aus dem Alltag zu reissen. Und man glaubt ihm, wenn er sagt: «Ein paar Auftritte mehr dürfen es schon noch sein.» Ja, früher, da gabs den Chilbitanz, den Bockabend und die Fasnacht mit volkstümlicher Unterhaltung. Fast schwingt bei Leo Kälin etwas Bedauern mit, dass es diese Feste entweder nicht mehr gibt oder die Ländlermusik bei solchen Gelegenheiten nicht mehr gefragt ist. Jährlich rund 20 öffentliche Auftritte bestreitet der Jubilar heute noch. In der Formation «Kapelle Leo Kälin» spielen auch Sohn Richard sowie – je nach Verfügbarkeit – Walter Rickenbacher, Guido Bürgler (beide Akkordeon) oder Ruedi Marty am Bass mit – zum Beispiel an Konzertnachmittagen im «Löwen» in Allenwinden, im Restaurant Gotthard in Wohlen oder im Restaurant Bären in Zug.

Seit 67 Jahren tritt er öffentlich auf – und wird es weiter tun: Leo Kälin – hier vor seinem Haus in Obfelden – feiert heute den 80. (Bild Werner Schneiter) Publikum bekannt gemacht wurde – eines seiner bekanntesten Stücke, das an eher gemütliche Feuerwehrzeiten im Obfelder Dorfteil Toussen erinnert.

Von Südkorea bis Brasilien Von Toussen, wo Leo Kälin noch heute wohnt, gings aber auch in die weite Welt: Stolz erzählt er von Engagements in Südkorea, Japan, Brasilien, Paraguay und Argentinien, von seinen Auftritten in Südafrika, Holland und Deutschland, oft mit der Trachtengruppe Menzingen – und davon, wie er im Hotel Carlton Elite von Ueli Prager in Zürich ein «vornehmes» Publikum für die Volksmusik begeistern konnte.

Erster Auftritt vor 67 Jahren Seine Brüder Alois und Franz haben ihn zur Volksmusik gebracht. Zuerst griff Leo Kälin zur Blockflöte, dann zum Schwyzerörgeli. Ab 1943 lernte er auf der Klarinette. Sie blieb bis heute seine Begleiterin. Spontan nennt er das Datum seines ersten öffentlichen Auftritts: 3. November 1945. Auch in der Harmonie Hausen wirkte er mit – bei einem seiner Förderer und damaligen Dirigenten Robert Vollenweider. 1951 zog Leo Kälin von Uerzlikon nach Obfelden, trat mit Otto Schoch und Trudi Frei auf, lernte 1951 Emil Käppeli kennen, mit dem er lange gemeinsam musizierte. 1953/54 folgte der Schritt ans Konservatorium, er musste dann aber aus finanziellen Gründen abbrechen. «Fr. 1.70 Stundenlohn reichten nicht», fügt er bei. Und auch weil er eine Familien gründete, war Berufsmusiker kein Thema. Aber in den 60er-Jahren entdeckte das Schweizer Fernsehen die musikalischen Qualitäten von Leo Kälin. Wysel Gyr lud ihn in seine Sendungen ein, auch in die grosse «Samstagabendkiste» «Gala für Stadt und Land», wo Leo Kälin in einem Stück auf sieben Klarinetten spielte. Immer stehend, was zu seinem Markenzeichen geworden ist und ihm die Bezeichnung «stehender Klarinettist» eingebracht hat. In Erinnerung geblieben ist auch der legendäre Fernsehauftritt, als der «Tousser Füürwehr-Schottisch» einem breiteren

Stückvollendung dauerte 40 Jahre

Am Obfelder Ländlermusiktreffen im Jahr 1999, von links: Leo Kälin, Walter Rickenbacher, Richard Kälin und Hans Stehli. (Bilder aus dem Privatarchiv von Leo Kälin)

Auftritt in Wysel Gyrs Sendung «Gala für Stadt und Land». Von links: Leo Kälin, Franz Föllmi, Richard Kälin und Hans Stehli. Im Bild auch die Klarinetten, auf denen Leo Kälin den «7-Klarinetten-Ländler» intonierte.

Silvester 1951 im Carlton Elite in Zürich: Leo Kälin (l.) Emil Käppeli (hinten), Franz Kälin (Mitte) und Franz Föllmi.

Leo Kälin spielt nicht nur virtuos Klarinette, sondern komponiert seit jeher auch Stücke – laufend. Soeben ist das 174. fertig geworden. Es trägt den Titel «Nimm d’r Zyt». Sein erstes Stück, 1951 uraufgeführt, trägt den Titel «Nur es Tänzli». Und – wie findet er die richtigen Töne, um sie zu Papier bringen zu können? «Spiele ich auf der Klarinette, so kommen manchmal plötzlich Ideen», sagt Leo Kälin. Dann «entwickelt» er ein Stück, feilt, legt es wieder zur Seite – und steht mitten in der Nacht auf, wenn ein Einfall da ist. Aber manchmal harzt es ganz gehörig. Den Schottisch «Über den Albispass» hat er nach sage und schreibe 40 Jahren fertig geschrieben. Andererseits hat er ein Stück innerhalb einer Woche zu Papier gebracht. Wichtig ist ihm, dass es eine eigenständige Melodie ist. «Ich will nicht, dass jemand kommt und feststellt: Diese Passage habe ich schon irgendwo gehört.» Jedes Stück von Leo Kälin ist ein Unikat – und jedes hat irgend einen Bezug. «S’Agi macht Kafi», 1959 geschrieben, ist seiner Frau Agatha gewidmet. «Sie hat gute Ideen für Stücktitel», fügt Leo Kälin bei. Und sie hört seine Musik gerne. «Ich kann vielleicht nicht gleich den Titel nennen – höre ich die Melodie, so weiss ich sofort: Da spielt mein Mann», sagt Agatha Kälin. Und das tut er hoffentlich noch lange.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.