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Bezirk Affoltern

Freitag, 20. September 2019

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Nach der Attestausbildung weiter zum Abschluss Kauffrau EFZ Serie Lernende: Cari Pfister, Lernende Büroassistentin EBA bei der Ernst Schweizer AG in Hedingen Cari Pfister wurde sehr früh Mutter und hat deshalb ihre Lehre abgebrochen. Dank der «Stiftung Chance» hat die 24Jährige nun die Möglichkeit, bei der Ernst Schweizer AG die Attestausbildung nachzuholen und danach in zwei Lehrjahren das eidg. Fähigkeitszeugnis als Kauffrau EFZ zu erlangen. ................................................... von regula zellweger Als Cari Pfister mit 18 Jahren ihre kleine Tochter Suriana zur Welt brachte, waren ihre beruflichen Zukunftspläne, ein Lehrabschluss im Detailhandel, geplatzt. Sie blieb während dem ersten Lebensjahr ihrer Tochter zuhause bei ihren Eltern. Als Suriana mit einem Jahr in die Krippe kam, packte Cari Pfister eine Ausbildung zur Büroassistentin EBA an. Das hiess 100 Prozent arbeiten und das Kind betreuen. Der Lehrlingslohn und die Alimente reichten kaum für die Krippe. Vor dem Abschluss brach sie ein zweites Mal eine Lehre ab. Ihre Mutter war in ihre Heimat, die Dominikanische Republik, zurückgekehrt, auch diese Hilfe blieb nun aus.

Projekt MIA der Stiftung «Chancen» Mit etwas Glück kam Cari Pfister in das Projekt MIA – Mütter in Ausbildung der «Stiftung Chance». Im Rahmen dieses Projektes wird jungen Müttern eine Lehrstelle vermittelt, damit sie eine Berufsperspektive haben und eine Berufsausbildung mit Eidgenössischem Berufsattest EBA erlangen können. Dies mit einem reduzierten Pensum von 80 Prozent an vier Tagen. Während dieser Zeit besuchen die jungen Mütter neben der Arbeit im Lehrbetrieb 1.5 Tage die reguläre Berufsfachschule und die überbetrieblichen Kurse. Es bleiben also 2.5 Tage im Unternehmen. Cari Pfister braucht den freien Tag, um die Aufgaben der Berufsschule zu erledigen, denn abends, wenn Suriana schläft, ist sie müde. Am freien Tag erledigt sie zudem Hausarbeiten und kauft ein. Ihre Woche ist gut durchgeplant. «So schaffe ich mein Pensum gut», erklärt sie. Cari Pfisters Tag beginnt morgens um 5 Uhr. Um 6.45 Uhr bringt sie ihr Kind in den Hort. Der Arbeitsweg beträgt eine Stunde. Frühestens um 8.10 Uhr kann sie am Arbeitsplatz sein, spätestens um 16.20 Uhr muss sie ihren Arbeitsort verlassen. Spontan kann sie Überstunden nicht leisten. Weiss sie aber frühzeitig, dass zusätzliche Arbeitsstunden erbracht werden müssen, sucht sie eine Lösung, dass beispielsweise der Vater ihrer Tochter diese rechtzeitig aus dem Hort abholt. Xavier Nietlisbach, Leiter Berufsbildung bei der Ernst Schweizer AG, ist überzeugt vom Projekt MIA. «Wir wissen, dass junge Mütter betreffend Überstunden weniger flexibel sein können. Durch ihre Lebenserfahrung bringen sie aber Werte mit, die dies aufwiegen. Cari Pfister ist die zweite junge Mutter, die mit seiner Begleitung den Lehrabschluss nachholen wird.

Win-Win-Situation Cari Pfister und Xavier Nietlisbach sind sich einig: Wenn die Mütter die Motivation und den Willen für einen Lehrabschluss mitbringen, wenn sie in einer stabilen Wohn- und Lebenssituation stehen, wenn sie eigenverant-

wortlich die Kinderbetreuung geregelt haben und wenn für ausserordentliche Situationen wie Krankheit oder Schulferien Lösungen bereits organisiert sind, können sich junge Mütter eine gute berufliche Perspektive schaffen und damit die soziale Sicherheit für Mutter und Kind sicherstellen. Der Lehrbetrieb, der jungen Müttern eine Lehre ermöglicht, positioniert sich als sozial engagierter Betrieb und zeigt den Willen, dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken. «Zudem bringen Lernende mit der Verantwortung für ein Kind grössere persönliche Reife, mehr soziale Kompetenzen, gefestigtere Selbstverantwortung und ein gefestigtes Verantwortungsbewusstsein mit», weiss Xavier Nietlisbach aus Erfahrung.

Nachholbildung fördern Die Ernst Schweizer AG ist betreffend Lehrlingsausbildung für ihr vorbildliches Engagement bekannt. Von jungen Menschen in persönlich besonderen Situationen bis hin zu hochbegabten jungen Menschen finden hier alle einen optimalen Start in ein ihren persönlichen Werten und Zielen entsprechendes, erfolgreiches Berufsleben. Eine Vorbildfunktion will auch Cari Pfister wahrnehmen, für ihre kleine Tochter, für junge Frauen, die bereits in der Lehrzeit schwanger werden und sich für ihr Kind entscheiden, und auch für junge Mütter, die Kinderbetreuung und berufliche Karriere unter einen Hut bringen wollen. «Meine Situation ist anders als diejenige der andere Lernenden bei der Ernst Schweizer AG», dessen ist sich Cari Pfister bewusst. Andere Themen bewegen sie als junge Lernende unter Zwanzig. Sie geht auch nicht mit ins Lehrlingslager der Ernst Schweizer AG. Sie kommt mit den anderen Lernenden klar, aber es gibt wegen der Lebenssituation wenig gemeinsame Interessen oder Lebensthemen und auch zeitlich wenig Schnittstellen, denn die anderen Lernenden haben an anderen Wochentagen Berufsschule und sie arbeitet lediglich 80 Prozent im Betrieb.

Berufliche Ziele Cari Pfister weiss, was sie will: Zuerst den Attestabschluss, dann nochmals zwei Jahre in den Lehrabschluss mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis investieren. Was sie danach anpacken wird, weiss sie noch nicht genau. Sicher ist, dass sie ihren Weg gehen wird. Zuerst steht die schriftliche Abschlussarbeit im Zentrum. Sie befasst sich mit dem internationalen Unternehmen Nestlé. Xavier Nietlisbach möchte Lehrlingsverantwortliche von anderen Unternehmen motivieren, Nachholbildung unbedingt zu unterstützen und sich bei der Lehrstellenvergabe nicht nur die schulisch Besten herauszupicken. Nachholbildung ist übrigens auch nach Artikel 32 der Berufsbildungsverordnung möglich. Sie besagt: «Wurden Qualifikationen ausserhalb eines geregelten Bildungsganges erworben, so setzt die Zulassung zum Qualifikationsverfahren eine mindestens fünfjährige berufliche Erfahrung voraus.» Cari Pfister rät jungen Müttern: Denkt an Eure Zukunft und an die Eurer Kinder. Wählt eine Ausbildung, die Euch Freude macht. Wenn man wirklich will, und wenn man die nötige Hilfe und Unterstützung sucht und annimmt, ist vieles möglich!» (Merkblatt zur Nachholbildung: www.berufsbildung.ch/download/mb6.pdf ).

Cari Pfister arbeitet bei der Ernst Schweizer AG in einem Grossraumbüro. Das kommt ihr entgegen, denn sie arbeitet sowohl gern im Team als auch konzentriert für sich selbst. (Bild Regula Zellweger) In unregelmässigen Abständen porträtiert der «An-

bach; Selina Frey, Augenoptikerin, Büchi Optik Affol-

Schweizer AG, Hedingen; Marco Stocker, Baumaschi-

zeiger» Lehrlinge in Ämtler Unternehmen. Bereits

tern, Nina Plocher, Polymechanikerin, Hawa Sliding

nenmechaniker, Leuthard Bau AG, Merenschwand;

erschienen: Julia Meier, Metallbaukonstrukteurin,

Solutions AG, Mettmenstetten; Tobias Rutishauser,

Robin Oberholzer, Polymechaniker, AS Aufzüge AG,

Ernst Schweizer AG, Hedingen; Ueli Fehr, Automo-

Schreiner, Schneebeli Schreinerhandwerk, Otten-

Wettswil; Saranda Ahmeti, Detailhandelsfachfrau,

bil-Mechatroniker, Garage Albin Herzog AG, Otten-

bach; Alina Beck, Produktionsmechanikerin, Ernst

Lärchen-Märt, Bonstetten.

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