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Bezirk Affoltern

Dienstag, 15. Mai 2012

«Ich sehe Bilder und Filme ablaufen – dann gehe ich an die Arbeit» Der Ämtler Arbeitgeberverband an seiner GV zu Besuch beim Sculpteur Stephan Schmidlin in Affoltern Die Eigenschaften als Kunstturner und Kabarettist haben ihm bei der Bildhauerei geholfen, wo er es inzwischen zu internationalem Renommee gebracht hat: Stephan Schmidlin, Sculpteur aus Affoltern, beherrscht auch die Balance zwischen Absicherung und Risiko. ................................................... von werner schneiter Der Ämtler Arbeitgeberverband hielt letzte Woche seine Generalversammlung in den Räumen des Künstlers ab (vgl. «Anzeiger» vom 11. Mai). Inmitten der Figuren ist auch Geschichtsträchtiges zu finden: Holzbänke, die Stephan Schmidlin aus 3.80 Meter langen und 2.40 Meter tiefen Eichenfässern der vor mehr als zehn Jahren in Konkurs geratenen OVA-Produkte AG angefertigt hat. «Ich bin froh, dass ich dieses Stück Ämtler Geschichte retten konnte», sagt er und liess dieser Einführung einen Kurzfilm folgen – eine Dokumentation, die zeigt, dass der Holzbildhauerei harte körperliche Arbeit zugrunde liegt. Motorsäge und Handwerkzeug gehören zur Standardausrüstung bei der Umsetzung von Ideen, die vorgängig zu Papier gebracht werden. Stephan Schmidlins Skulpturen sind eine Metapher: Der Mensch, ausgestattet mit überdimensioniert grossen Händen, durchbricht etwas. Ideen tauchen bei ihm schnell auf. «Ich sehe Bilder und Filme ablaufen – dann gehe ich an die Arbeit.» Seine Werke haben eine Aussage, jede Skulptur ihre Geschichte. «Ich sehe die Figuren zum ersten Mal – und bin begeistert», sagte eine Teilnehmerin an der Generalversammlung des Arbeitgeberverbandes. Solche Reaktionen hörte man an diesem Abend mehrmals.

Keine Angst vor dem Scheitern Als Kunstturner hat es Stephan Schmidlin zu nationalen Meisterehren gebracht. Er bezeichnet diesen Abschnitt als Lebensschule, als Grundlage für das, was er auch als Sculpteur braucht: Kraft, Beweglichkeit, Spannung, aber auch Wille und Strategie. Von Bildhauerei war damals noch nicht die Rede. «In jungen Jahren dachte ich: Du gehst in die Firma. Ich rang mit diesem schwierigen Entscheid zwei bis drei Monate lang», hält er fest. Als «farbiges, nicht schwarzes Schaf», das keine Angst vor dem Scheitern kennt, entschied er sich schliesslich für einen anderen Weg: Es folgten eine Schreinerlehre, die Holzbildhauerschule – und natürlich der Gang auf die grosse Bühne, zusammen mit René Rindlisbacher als Schmirinskis, denen dank grosser Fernseh- und Medienpräsenz landesweit Aufmerksamkeit zuteil wurde – während Jahren. Nach dieser Karriere war der Weg klar: Richtung Bildhauerei, die nach Schmidlins Worten ähnliche Eigenschaften erfordert wie seine vorhergehenden Tätigkeiten als Turner und Kabarettist. Im Turnen folge der Pflicht jeweils die Kür. «Leider wollen die Jungen heute sogleich die Kür absolvieren». Es stelle sich die Frage: Bin ich bereit für den Doppelsalto? Ja, wenn ich den einfachen Salto tausend Mal geübt habe. Diese Erkenntnis gilt auch in der Bildhauerei: etwas riskieren ja, aber sich auch absichern, Mut haben und die Zusammenhänge kennen. Schmidlin erläuterte das am Beispiel des sogenannten Fifa-Baums, den er im Auftrag des Weltfussballverbandes schuf. Das 10 Meter hohe Werk liess Stephan Schmidlin von einem Statiker prüfen, obwohl er sich schon vorher überzeugt gab: «Das geht». Damit ist er bis heute gut gefahren – genauso wie mit dem Umstand, dass bei ihm Geld nicht die Triebfeder ist, sondern ein

Sculpteur Stephan Schmidlin in seiner Werkalle in Affoltern vor einem seiner Werke. (Bild Werner Schneiter) Werken, dem Feuer und Flamme sowie Herzblut zugrunde liegen. «Lieber nur eine begrenzte Stückzahl, die dann nach Verkauf keine Neuauflage erlebt, als ein Überangebot.»

Bei Fürst Albert in Monaco – der Fürst im Güterbahnhof Zürich Im Rahmen eines Kulturaustauschs bekam Stephan Schmidlin die Möglichkeit einer Ausstellung in Monaco, für die er – nachdem sich das KomikerDuo Schmirinskis auflöste – nicht weniger als ein Jahr in Planungsarbeit investierte. Mit Erfolg, weil sich auch Fürst Albert an den Arbeiten erfreute – und schliesslich 2010 auch Schmid-

lins zweiten grossen Event, die Ausstellung im Güterbahnhof 2010 in Zürich, besuchte – eine Ausstellung, die von der damaligen Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer eröffnet wurde. Und auf kalkuliertem Risiko fusste. Der Künstler investierte viel in diesen Grossanlass. «Etwas verdient» habe er damals gleichwohl, fügte er bei. Und «etwas verdienen» kann er möglicherweise nun auch in Zürich, wo er einen grösseren Auftrag in Aussicht hat.

Handstand und jodeln in London Für den renommierten britischen Architekten Norman Foster entwarf Ste-

phan Schmidlin Skizzen und traf sich in London mehrmals mit Investoren. Konkretes ergab sich zwar nicht, aber trotzdem spricht Stephan Schmidlin von einem aussergewöhnlichen Vorgang. «Ich spreche nicht gerade perfekt englisch. Dafür bin ich vor den Leuten im Handstand hin und her gelaufen – und habe sogar gejodelt. Das musste ich sogar wiederholen». Auch wenn letztlich der Auftrag ausblieb: Die Erfahrung hat seine Tätigkeit bereichert und wichtiges Networking ermöglicht – Kontaktpflege ist ihm auch im Atelier in Affoltern wichtig. Dort lädt er regelmässig Kunden ein. «Wenn man etwas gibt, dann kommt auch etwas zurück», fügt er bei.

«Was fragt der mich über eine Auffahrt? Wir haben nur Tiefgaragen mit Abfahrten» Der Affoltemer Pfarrer Werner Schneebeli zum Auffahrtstag am kommenden Donnerstag ................................................... von pfarrer werner schneebeli

A

ls ich auf dem Weg in mein Büro vor dem Kirchgemeindehaus diesen weissen Reiher erblickte und ungläubig fasziniert beobachten konnte, wie der stolze Vogel abhob und dem Himmel entgegen entschwand, blieb mein Blick noch lange am Himmel haften. Noch nie hatte ich bisher einen weissen Reiher gesehen und dann noch im Kirchenpark. Wenn es mir nicht gelungen wäre, mit dem Smartphone ein Bild zu schiessen, hätte mir diese Geschichte wohl niemand geglaubt und ich musste unweigerlich an Auffahrt denken. Wer junge Menschen heute fragt, was sie mit Auffahrt anfangen können, der erhält entweder einen fragenden Blick, der in etwa heisst: «Was fragt der mich über eine Auffahrt? In Affoltern haben wir doch nur Tiefgaragen mit Abfahrten.» Oder er bekommt zur Antwort, man schätze den arbeitsfreien Donnerstag durchaus und würde gleich ein verlängertes Wochenende im Tessin geniessen. Wenn die

zweite Gruppe dann noch weiss, dass man hierzulande Christi Himmelfahrt «Auffahrt» nennt, dann ist der Fragesteller schon ein wenig überrascht. Was hat dieser eigenartige kirchliche Feiertag in einer aufgeklärten modernen Gesellschaft zu suchen?

Aber er glaubte... Anhänger einer Ufo-Sekte finden vielleicht noch eine plausible Erklärung für das, was in der Bibel im ersten Kapitel der Apostelgeschichte geschrieben steht. Wenn Jesus von einer Wolke umhüllt in den Himmel gehoben wird, dann nagt das entsetzlich an allem Vorstellbaren, zumal wir heute wissen, dass der Himmel über uns nicht der Wohnsitz Gottes sein kann. Lukas, der diese Geschichte im Anschluss an sein Evangelium 80 Jahre nach dem Ereignis aufgeschrieben hat, war ein rechtschaffener Historiker und begnadeter Erzähler. Er hat die Geschichte von Christi Himmelfahrt aus seinem Glauben und seinem Weltbild heraus verfasst. Er wusste bestimmt noch nichts über die Atmo-

sphäre, die Stratosphäre, die Mesosphäre und die (un)endlichen Weiten des Alls. Aber er glaubte. Er glaubte an Jesus, den Christus. Der von den obersten Priestern und den Gelehrten der Gotteslästerung bezichtigt und vom römischen Statthalter Pilatus in Jerusalem zum Tod am Kreuz verurteilt worden war, weil er angeblich behauptete, er sei der König der Juden. Lukas glaubte an Jesus, den Christus, von dem erzählt wird, dass er vom dritten Tag an nach seiner Kreuzigung über 500 Menschen erschienen sei, auferstanden aus dem Tod. Diese Erscheinungen müssen anfänglich eine gewaltige Intensität gehabt haben, denn sie entzündeten ein Feuer, welches bis heute nicht zum Erlöschen gekommen ist. Menschen schöpften und schöpfen Kraft aus dem Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Menschen erlebten und erleben im Innersten, dass Jesus tatsächlich lebt. Dies, obwohl die Intensität und die Zahl der Erscheinungen des Auferstandenen laut den biblischen Zeugen bald stark abgenommen hatte. Mit diesem Glauben an die Auferstehung

wurde dem Tod ein gewichtiger Stachel gezogen. Lukas also lebte und schrieb aus diesem Glauben heraus – und weil er wusste, dass der Auferstandene längst im «Himmel» weilen musste, beschrieb er die Geschichte der Himmelfahrt mit ihm vertrauten Bildern. Wer sich der Himmelfahrt auf diese Weise nähert, wird bestimmt neu zum Denken angeregt über das Leben und seine Grenzen oder den Himmel und sein Wesen.

«Was steht ihr da und blickt zum Himmel auf?» Ein Satz in dieser Erzählung des Lukas gefällt mir ganz besonders. Da stehen die Freunde Jesu mit offenem Mund da und blicken in den leeren Himmel, in den Jesus vor ihren Augen entschwunden ist. Die Sehnsucht auf das himmlische Leben an der Seite Jesu ist förmlich spürbar in den biblischen Zeilen: «Jetzt kommt bestimmt eine grosse Wolke und nimmt auch uns mit.» Aber zwei Männer in weissen Kleidern sagen den Freunden Jesu:

Weisser Reiher – ein stolzer Vogel. «Was steht ihr da und blickt zum Himmel auf?» Diese Worte holen die Männer zurück in die irdische Realität und machen deutlich: Dieser Himmel, in den Jesus entschwunden ist, befindet sich nicht über uns. Dieser Himmel wird wachsen hier auf der Erde, wenn wir das Feuer, welches Jesus entfacht hat, nähren und weitertragen. Es ist das Feuer der Versöhnung, der Barmherzigkeit und der Liebe. Beides gehört zu unserem Leben, dass wir bewegt vom Wunder des Lebens in uns abheben in himmlische Träume, um dann wieder erdverbunden den Blick auf die irdische Realitäten zu senken, erfüllt von der Kraft aus dem himmlischen Feuer.


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