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Bezirk Affoltern
Freitag, 26. April 2013
Schweikhof: «Ein herrlich Land von Hausen» (II) Willy Hug: Alte Geschichten aus dem Säuliamt – Serie (76) Der erste Teil («Anzeiger» vom 8. Februar 2013) erzählte vom Sennhof des Klosters Kappel. Von Kurgästen aus Albisbrunn und wie aus dem Webraum eine Wirtsstube entstand. Wie Holz auf der Sihl geflösst wurde und was die zwei anderen Höfe im Weiler Schweikhof zu erzählen haben, setzen die Geschichten fort. 1994 gaben Beni und Hedi Stübi den Bauernbetrieb und das Wirtshaus in Pacht. Sie zogen ins «Stöckli», einen gegenüber dem Wirtshaus stehenden ehemaligen schmucken «Spycher». Im Erdge- Willy Hug. schoss zeugen noch heute drei zugemauerte kleine Türöffnungen von der ehemaligen Schweinezucht. Der Raum daneben wurde von Störmetzger Ernst Bär oder dem Versicherungsmetzger als Schlachthaus benutzt. Im letzteren Fall musste das Fleisch an die Bauern verteilt werden, es durfte nicht verkauft werden. Das Fleisch von jeweils drei eigenen und drei zugekauften Schweinen rollte Beni Stübi mit der Schnur und presste es während zweieinhalb Wochen in einer runden Eichenstande. Zutaten waren drei Liter Wein, Zwiebeln, Knoblauch, «Nägeli», Pökelsalz und Pfeffer. Ein Behälter mit 50 Litern Wasser sorgte für das nötige Pressgewicht. Nachher wurden die «Hammen» im Wirtshaus in die grosse Räucherkammer gehängt. Der dazu notwenige Rauch stammte vom Kachelofen oder vom Holzkochherd in der Küche. Wenn in den Öfen nach dem Verbrennen der Stauden nur noch Glut lag, streute Beni Tannensägemehl darüber. Das verlieh dem Geräucherten einen würzigen Geschmack. Geräuchert wurde während des ganzen Winters und dauerte jedes Mal drei bis vier Wochen. Jeden Winter fanden mindestens sechs Metzgete mit je drei Schweinen statt. Beni sagt, dass er während all der Jahre sicher 1000 bis 1100 Schweine in die Rauchkammer gehängt habe. Während des Krieges durften weder Milch noch Schweinefleisch unbewilligt für den Eigenbedarf abgezweigt werden. Alles wurde strengstens kontrolliert. Später fand das Schlachthaus als Backstube Verwendung. Beni stellte einen Holzbackofen auf und während vielen Jahren buk er hier zusammen mit dem legendären Edi Messerli das feine Holzofenbrot für die Wirtschaft.
Mäher wuschen Gesicht mit Schnaps Beni Stübi erzählt, dass im Obergeschoss des «Spychers», wo sie wohnen, früher der Vorratsraum war. Hier lagerte das Korn und das Saatgut des Hofes. Daneben befand sich ein Schlafraum für die Mäher. Während Jahren kamen im Juni zwei «Friburger». Sie brachten ihre eigenen Sensen mit. Gewaschen haben sie ihr Gesicht oft mit einer Handvoll Schnaps. Anfang Juni war die Heuernte dann bereits unter Dach. Während vieler Jahre standen zwei schwere Pferde im Einsatz. Mit ihnen brachte man die Milch zur Sennhütte nach Ebertswil, setzte sie aber auch auf dem Feld ein, beim «Härdöpfeln» oder «Rüeben» ernten. Heute ist der beim Schweikhof angrenzende Sihlwald Teil eines Renaturierungsplanes. Das war früher anders, eine intensive Holznutzung wur-
de dort betrieben. Wegen der stark wachsenden Stadt Zürich vergrösserte sich der Bedarf an Nutz- und Brennholz zusehends. Um dem Holzfrevel und der unerlaubten Jagd zuvorzukommen, setzte das Sihlamt (von der Stadt Zürich eingesetzt für die Verwaltung der städtischen Wälder, die Flösserei auf der Sihl, sowie den Holzhandel), Anwohner und Nutzer des Waldes für bestimmte Aufgaben ein. So musste auch 1546 Vater Huber vom Schweikhof zeitweise Aufsichts- und Bannwartpflichten leisten. Diese Pflichten würden ihn nicht nur bei seiner Arbeit versäumen, sondern ihm auch manche Feindschaft der Nachbarn bringen, sagte er. Da Huber seine Nachbarn bei Vergehen bei der Zürcher Obrigkeit anzeigen musste, machte er sich damit unfreiwillig auch zum gehassten Denunzianten. Die Anwohner des Sihlwaldes wurden auch zu Waldarbeiten zugezogen. Der Sihlwald war früher durch keine Strassen erschlossen. Deshalb musste immer, meist um Ostern, nach der Schneeschmelze, wenn die Sihl Hochwasser führte, alles im Winter im Sihlwald geschlagene Holz ans Ufer der Sihl gebracht und dann nach Zürich geflösst werden. Voraussetzung war ein genügend hoher Wasserstand, und die Arbeiten waren deshalb zeitlich auf zwei bis sechs Wochen befristet. Auf jeder Seite der Sihl wurde dafür eigens ein Weg angelegt, damit jene Baumstämme, welche sich am Ufer verfangen hatten, mit «Stacheln» gelöst werden konnten. Die nicht ungefährliche Arbeit auf der zuweilen wilden Sihl übten Flössknechte aus. Ab 1860 wurde der Holztransport auf die Strasse verlegt und 1866 das Flössen endgültig aufgegeben. Zudem besorgten ab 1876 eine eigens angelegte Waldbahn und die Sihltalbahn den Holztransport. Da die Huber das Vertrauen des Sihlherrn genossen und Zugtiere besassen, konnten sie für das Sihlamt lukrative Aufträge mit Transporten ausführen. Zu Beni Stübis Zeiten war dies längst vorbei, aber auch für ihn bedeutete die Waldarbeit einen wichtigen Bestandteil des Einkommens neben der Landwirtschaft. Während der Wintermonate schlug er bis zu 33 Ster Holz und brachte dieses zu einer Sägerei im Baarerwald.
Das Bauernhaus von Karl Lier Markant steht über dem Wirtshaus Schweikhof ein weiterer Hof, ein langgezogenes, ausserordentlich schönes Bauernhaus am Rande des Ruchheubergwaldes. Baugeschichtlich sehr interessant sind die ablesbar verschiedenen Bauetappen. So besteht der Wohnteil aus einem älteren Teil in Bohlenständerkonstruktion und einem neueren Teil in Sichtriegelkonstruktion. Zusammengebaut ist der Wohnteil mit einer grossen Scheune mit Stall, Futtertenn und Tenn. Die ältesten Teile des Gebäudes dürften aus dem 17. Jahrhundert stammen. Von einem früheren Bewohner des Hofes, Karl Lier gab die Ortsmuseumskommision Hausen 1987 einen Nachdruck seiner Lebenserinnerungen heraus. Lier lebte von 1839 bis 1903, war zuerst in Ebertswil aufgewachsen und kam 1857 als 18-Jähriger in den Weiler Schweikof, als sein Vater das oberste Bauernhaus kaufte.
Sturmläuten aller Glocken Er erinnerte sich auch an seine Jugendzeit, als neue Strassen gebaut wurden oder an Schulreisen. Eindrucksvoll sind seine Beschreibungen
Das Bauernhaus von Kurt Lier, welcher 1884 seine Lebenserinnerungen schrieb.
Der untere Schweikhof. (Bilder zvg.) kriegerischer Ereignisse. So etwa militärische Bewegungen und Einquartierungen während des Sonderbundkrieges 1847. Da Ebertswil an der Grenze zum katholischen Zug an der Front war, gab es hier immer viel Militär. Er schrieb: «In der Nacht vom siebten November, ich hatte schon eine geraume Zeit geschlafen und war dann erwacht. Ich hörte starkes Lärmen und die Stimme meines Vaters vor unserem Hause rufen: die Sonderbündler kommen, die Sihlbrugg brennt! Wir standen eiligst auf, nahmen einige Habseligkeiten und unsere Mutter ging mit uns Kindern nach dem Oberalbis zu einer befreundeten Familie. Wir trafen viele Flüchtlinge, es war eine unvergessliche bewegte Nacht. Das Sturmläuten aller Glocken, das Trommeln, Trompeten und Rufen des Militärs, dazu die halbrötliche von den Sonderbündlern angezündete Sihlbrugg.»
Verliebt in Lise Eigentlich hatte Kurt Lier den Drang, in die weite Welt hinauszugehen, wäre da nicht Nachbars Tochter, die «brave und arbeitsame» Lise gewesen. 1862 verlobte er sich mit «meiner innigst geliebten» Lise und nachdem sie sich mit ihren beiden Brüdern wegen eines Erbes zerstritt, zog sie sofort in den Hof der Familie von Karl. Sie heirateten und bald ergänzten zwei Söhne die junge Familie. Schlechte Witterung wie Schnee im März oder im Ok-
tober verringerten den sonst schon kargen Ertrag mit vier Kühen. Mit dem Fuhrwerk war er oft bis Mitternacht unterwegs und morgens um vier Uhr stand er bereits wieder im Stall. Das Leben war karg. 1874 verpachtete er die Landwirtschaft und erlernte in Knonau die Funktion eines Stationsvorstandes. Doch sein Pächter verschuldete sich und er musste seinen Hof wieder übernehmen. Pech hatte er auch, als er einem Bruder Geld für dessen Küferei in Hombrechtikon borgte. Als er erfuhr, dass dieser mehr im Wirtshaus als bei seiner Arbeit sei, war es schon zu spät, das Geld war verloren.
Der verhängnisvolle Hundebiss Die Aufzeichnungen schliessen 1884 mit einem Erlebnis vom Vorjahr, als er 44 Jahre alt war und wegen eines Holzverkaufs nach Sihlbrugg musste: «Wie ich zur Brücke bei Herrn Röllin schritt, so kam der dortige Hund aus dem Wirtshaus auf mich zu gesprungen und biss mich heftig in meinen rechten Arm, so dass ich starken Schmerz verspürte». Er versuchte es dann mit kalten Wasserumschlägen, bekam aber davon starke rheumatische Schmerzen. Auch Schwitzkuren, drei- bis vierwöchige Kuraufenthalte in Baden und selbst ein Spitalbesuch in Zürich halfen nicht. In seinen letzten Zeilen schrieb er: «Auch das Rückwärtsgehen meines ökonomischen Zustandes war noch viel schmerzhafter
für mich, als alle anderen Schmerzen, dies rieb mich fast auf». Wir wissen es nicht, wie das Leben von Karl Lier weiterging. Er lebte noch 19 Jahre bis 1903.
Der untere Schweikhof Das dritte Bauernhaus im Weiler, der untere Schweikhof liegt in Sichtweite, etwas unterhalb des Wirtshauses. Ein Rosskastanienbaum steht vor einer zweiarmigen Freitreppe, welche zur Haustüre der Richtung Sihlbrugg gerichteten Hauptgiebelfassade, führt. Das Wohnhaus ist ein behäbiger, typischer Sichtriegelbau des 18. Jahrhunderts im Knonauer Amt und wurde von Hans Huber und seinen vier Söhnen vom oberen Schweikhof zwischen 1707 und 1750 als Doppelwohnhaus erbaut. Der Hof blieb Eigentum von Hubers Nachkommen bis 1805. 1864 übernimmt die Familie Lier den Hof, der bis heute in ihrem Besitz geblieben ist und die ihn bewirtschaftet. Die Kinder der jetzigen Besitzer sind die achte Generation. Das Wohnhaus ist als überkommunales Schutzobjekt eingestuft. Die getrennt stehende Scheune mit Hocheinfahrt verrät an der Flugpfette mit der Jahreszahl 1786 ihr Baujahr. Zusammen mit Schopf und Waschhaus bilden die drei Gebäude eine untrennbare Einheit. Die intakte Landschaft beim Weiler Schweikhof mit der prächtigen Aussicht ist ein Kleinod im Säuliamt und immer einen Ausflug wert.