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Wahlen 2014

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Freitag, 14. März 2014

Gemeindepräsidiumskandidaten in Affoltern auf dem Prüfstand Clemens Grötsch und Hermann Brütsch beziehen zu aktuellen Themen Stellung Wie soll sich Affoltern entwickeln? Wie die Schuldenlast abbauen? Die Verkehrsprobleme lösen und attraktiver werden, damit sich gute Steuerzahler anlocken lassen? Zu diesen und anderen Fragen nehmen die beiden Affoltemer Gemeindepräsidiumskandidaten, Hermann Brütsch (FDP) und Clemens Grötsch (parteilos) im nachstehenden Interview Stellung. Sie haben sich kürzlich im Rahmen des Gewerbeforums Affoltern Gewerbetreibenden vorgestellt. Welche Berührungspunkte haben Sie zum Gewerbe beziehungsweise zum Gewerbeverein Affoltern? Clemens Grötsch: Ich kenne das Gewerbe in Affoltern und Umgebung seit 25 Jahren als Kunde, schätze die fachliche Beratung und das persönliche Gespräch. Beim Gewerbeverein bin ich zum ersten Mal eingeladen, habe aber bekannte Gesichter gesehen. Hermann Brütsch: Ich bin im Vorstand des Gewerbevereins. Das werde ich auch nach einer allfälligen Wahl als Gemeindepräsident bleiben. Die Verbindung Gewerbe–Politik ist wichtig und muss gepflegt und erhalten werden, auch im Hinblick auf eine wirksame und nachhaltige Sozial- und Jugendarbeit. Unterstützen Sie die lokalen Gewerbler und kaufen auch in der Kleinstadt Affoltern ein? Hermann Brütsch: Ja! Von den Schuhen über die Kleider und Lebensmittel bis zu Uhren und Schmuck kaufe ich alles in Affoltern ein. Durch diese direkten Kontakte lerne ich auch die Sorgen und Nöte des Affoltemer Gewerbes besser kennen. Clemens Grötsch: Selbstverständlich kaufen wir auch hier und im Bezirk ein. Die räumliche Nähe ist zeitsparend und man bekommt persönlichen Kontakt. Wie stufen Sie das Angebot in Affoltern ein? Clemens Grötsch: Der Entscheid vor 25 Jahren, uns in Affoltern am Albis niederzulassen, ist unserer Familie leicht gefallen, weil wir hier alle notwendigen Geschäfte für den täglichen Einkauf, die Schulen, den Bahnhof, das Spital in der Nähe haben. Das Angebot der Geschäfte für den täglichen Bedarf empfinde ich gut sortiert. Natürlich wäre es wünschbar, wenn wir auch einen selbstständigen Metzger und andere Fachgeschäfte hätten. Hermann Brütsch: Es deckt recht viel ab. Das Angebot wäre jedoch reichhaltiger, wenn vermehrt in Affoltern eingekauft würde. Ich unterstütze den Ruf nach mehr Gewerbe, würde dann aber auch erwarten, dass es durch die Bevölkerung aktiv gefördert wird. Das ist ein Punkt mit grossem Verbesserungspotenzial. Glauben Sie, dass nach der Eröffnung von Hornbach und Albispark das lokale Gewerbe stärker unter Druck kommt – und die übermächtige Konkurrenz fürchten muss? Hermann Brütsch: Eher nein! Kleinbetriebe, die bereits heute neben den Grossverteilern bestehen können, haben nichts zu befürchten. Sie haben ihre Stärken in der individuellen Beratung und in der Möglichkeit eines Top-Service, der durch Grossverteiler praktisch nicht erreicht werden kann. Für mittlere und grössere Produktionsbetriebe wird es aber eng, da die Ansiedlung bzw. Vergrösserung durch die steigenden Landpreise und das ver-

Auftritt beim Gewerbeverein Affoltern, von links: Hermann Brütsch, Michel Schafroth (Moderator), Clemens Grötsch und René Ammann, Präsident des Gewerbevereins. (Bild Werner Schneiter) knappte Angebot an entsprechenden Flächen erschwert wird. Da ist die Politik stark gefordert, unter anderem auch mit der Frage, wie sie auf die privaten Grundeigentümer einwirken kann, die ihr Land zum Beispiel an Hornbach verkaufen. Clemens Grötsch: Der typische Hornbachkunde kauft nach Studien für mehrere hundert Franken ein und sucht Spezialitäten. Persönlich glaube ich nicht, dass das Gewerbe mehr unter Druck kommt. Die Kunden, die persönliche Beratung schätzen, wissen, was sie an den Gewerblern haben. Ausserdem bilden sie junge Menschen aus und geben so berufliche Perspektiven. Bereits heute fahren viele ins Limmattal oder in den Kanton Zug für grössere Anschaffungen. Wer über Affoltern spricht, der kommt natürlich nicht an den Finanzen vorbei. Der Bezirkshauptort ist eine der «ärmsten» Gemeinden im Kanton Zürich. Was ist zu tun, um die Verschuldung abzubauen? Affoltern stehen ja auch happige Investitionen ins Haus, die Schulen nennen einen Bedarf von 20 Mio. Franken. Wie geht das? Wie kommt man möglichst schnell weg vom Finanzausgleich? Ab 2017 gibts nur noch Ressourcenausgleich. ...............................................................

Ausgaben in der Gemeinde laufend kritisch hinterfragen ............................................................... Clemens Grötsch: Es stimmt, dass wir einige Investitionen seit 2000 getätigt haben. So sei an den Bahnhofplatz 5,3 Mio. Franken, den Werkhof 3,3 Mio. Franken, die Gemeindeverwaltung mit Saal 22 Mio. Franken, die Begegnungszone 2,975 Mio. Franken, die Sanierung des Allwetterplatzes 1,8 Mio. Franken, die Sanierung des Stigeli 4,4 Mio. Franken erinnert. Das sind Geschäfte von Total rund 40 Mio. Franken. Dazu kommen jährliche Investitionen im Tiefbau von rund 1,5 Mio. Diese Investitionen wurden in Gemeindeversammlungen oder an der Urne von den Bürgerinnen und Bürgern als notwendig erachtet und bewilligt. Wir wollen in Zukunft dreierlei tun: Zum einen sind die Ausgaben in der Gemeinde laufend kritisch zu hinterfragen. Auf der anderen Seite erbringt die Gemeinde Leistungen für Dritte. Hier ist zu fragen, ob die verrechneten

Preise fair sind, oder ob ein Anpassungsbedarf besteht. Nur wenn die laufende Rechnung mit einem Überschuss abschliesst, werden wir vom Übergangsausgleich unabhängig. Die neuen Investitionen müssen durch Einnahmen und Abschreibungen zu 100 % gedeckt werden, damit keine neuen Schulden aufgenommen werden müssen, bzw. der Steuersatz stabil bleibt. Für das Jahr 2014 haben wir ein Budget vorgelegt, das diese Vorgabe erfüllt. Bei den Investitionen in die Schulen werden wir prüfen, ob die Schule diese Investitionen in ihrer Rechnung führt und auch für die Abschreibungen in den nächsten Jahren selbst tragen kann. Hermann Brütsch: Affoltern hat neben seinen regulären Steuereinnahmen noch Einnahmen aus dem Ressourcenausgleich. Da das bis jetzt noch nicht reicht, beziehen wir auch noch Einnahmen aus dem Übergangsausgleich. Solange das der Fall ist, bauen wir keine Schulden ab, weil wir alles, was vom Übergangsausgleich nicht benötigt wird, wieder an den Kanton zurückzahlen müssen. Um ab 2017 keine Probleme zu bekommen, brauchen wir einerseits eine Ausgabenbremse, anderseits aber auch ein massvolles quantitatives sowie qualitatives Bevölkerungswachstum. Es nützt also nichts, möglichst schnell möglichst viel zu wachsen, weil das vermehrte Ausgaben nach sich zieht. Es nützt aber auch nichts, wenn ein grosser Teil der Neuzuziehenden Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe bezieht. Wachstum erfordert also eine gewisse Umsicht. Affoltern hat Zentrumslasten zu tragen. Sehen Sie Möglichkeiten, andere Gemeinden verstärkt in die Pflicht zu nehmen? Verrechnungen von Leistungen, die für andere Gemeinden erbracht werden. Viele Auswärtige drängen ja zum Beispiel in den Fussballclub Affoltern. Hermann Brütsch: Dass angeblich viele Auswärtige in den Fussballclub drängen, ist ja ein gutes Zeichen für den Club und erfreulich. Es wäre schön, wenn alle Affoltemer Vereine keine Probleme mit dem Nachwuchs hätten. Ich bin überzeugt, dass sich das auch auf das gesellschaftliche Klima in Affoltern auswirken würde. Wir sind mitten im Überprüfungsprozess, welche Leistungen an die entsprechenden Leistungsempfänger verrechnet werden bzw. wo Anpassungen

vorgenommen werden müssen. Zusätzlich sind auch Bestrebungen im Gange, an gewisse Zentrumslasten in Zukunft Beiträge vom Kanton zu erhalten. Clemens Grötsch: Wir sind dabei, sowohl auf politischer Ebene als auch auf Verwaltungsebene, diese Zentrumslasten mit dem Kanton zu diskutieren und zu objektivieren. Wir wollen bei allen Leistungen, die wir erstellen, beurteilen, wer der Nutzer dieser Leistungen ist und was der angemessene Preis dafür ist. Dann geht es darum, faire Verrechnungspreise mit den Betroffenen zu diskutieren, Akzeptanz zu schaffen und dann umzusetzen. ...............................................................

Affoltern muss überhaupt nicht an Attraktivität zulegen – Affoltern ist attraktiv! ............................................................... Auf welche Weise kann der Bezirkshauptort an Attraktivität zulegen, um beispielsweise neue gute Steuerzahlende und attraktive Firmen mit hochwertigen Arbeitsplätzen anzulocken, damit auch die Durchmischung besser wird? Es wird ja darüber geklagt, dass gerade der Bezirkshauptort ein schlechtes Verhältnis von Wohnen und Arbeitsplätzen hat. Clemens Grötsch: Für Neuansiedlungen braucht es geeignete Grundstücke. Wir haben immer wieder Anfragen, aber so üppig ist der Raum nicht. Wir haben uns in einigen Fällen um Firmen beworben, häufig scheitert eine Ansiedlung an der gewünschten Grundstücksgrösse. Für eine Kantonsschule haben wir bei der Bildungsdirektion unser Interesse angemeldet. Was die guten Steuerzahler mit unserer Finanzsituation zu tun haben, werde ich gerne an einer Informationsveranstaltung für die Bürger aufzeigen, damit allen klar wird, wie der neue Finanzausgleich funktioniert. Meines Erachtens ist der eingeschlagene Weg Wohnraum zu schaffen und neue Bürger anzuziehen der richtige. Es ist klar, dass dies ein Prozess ist, der eine gewisse Zeit dauert. Wir wollen in den nächsten Jahren noch für zusätzlich 700 Personen Wohnraum zur Verfügung stellen. Es ist richtig, dass die Pendlerströme zugenommen haben, weil die Arbeitsplätze langsamer wachsen, als die Wohnungsnachfrage. Diese Beobach-

tung gilt aber für den ganzen Bezirk. Die Städte Zürich und Zug schaffen mehr Arbeitsplätze als Wohnraum. Dies bedeutet, dass wir einen Siedlungsdruck auch in den nächsten Jahren spüren werden. Besonders bemerkenswert ist, dass 86% der Pendler mit dem Auto und nur 14% mit dem öffentlichen Verkehr pendeln. Dies ist die Folge unserer Verkehrsinfrastruktur mit der Autobahn. Hermann Brütsch: Affoltern muss überhaupt nicht an Attraktivität zulegen – Affoltern ist attraktiv! Ein wichtiger Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit des Gemeinderates wird sein, diese Attraktivität sichtbar zu machen. Dazu gehört auch, dass der Gemeinderat wieder sichtbar wird und die Affoltemer Einwohner ihre Gemeinderäte kennen. Das setzt voraus, dass der Informationsfluss vom Gemeinderat zu den Einwohnern, Vereinen und Parteien verbessert, bzw. wieder aufgenommen wird. Dazu muss der Gemeinderat an die Öffentlichkeit und die Einwohnerschaft über seine Überlegungen und Ideen informieren. Das wird am Anfang vielleicht etwas harzig verlaufen, es wird sich aber für alle Beteiligten positiv auswirken. Und je transparenter die Arbeit des Gemeinderates wird, desto weniger Differenzen können entstehen, was sich durchaus positiv auf das gesellschaftliche Klima in unserem schönen Ort auswirken wird. Wie soll sich Affoltern in baulicher Hinsicht entwickeln? Hermann Brütsch: Für die bauliche Entwicklung wurde mit der Bewilligung der BZO im 2012 die Grundlage für verdichtetes Bauen geschaffen. Dieser Weg muss konsequent weiter verfolgt werden. Clemens Grötsch: Die Gemeindeversammlung hat einen Masterplan für die städtebauliche Entwicklung bewilligt. Daran arbeiten wir auch in der nächsten Legislatur. Es ist klar, dass wir rund um den Bahnhof, Äussere Grundstrasse und im Industriegebiet den Schwerpunkt unserer Arbeit sehen. Dabei geht es darum, dort wo sich Änderungen andeuten, das Gespräch mit den Grundeigentümern zu suchen und neue Nutzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Der Gemeinderat kann hier Rahmenbedingungen schaffen, entscheiden über die Zukunft müssen aber die Grundeigentümer. ................................................... > Fortsetzung auf Seite 11


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