HZ Special «Digitale Transformation» 2017

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| 13. April 2017

Special

Grosses und kleines Vorbild Die Gewinner des Swiss Digital Transformation Award 2017 sind Swisstopo und Sunrise. Seite 40

Digitale Transformation Reife Firmen mit Innovationslust Die aktuelle jährliche HSG-Studie zeigt: Erfolg hat, wer strategisch denkt und Freude am Experimentieren hat. SEITE 39

Einzelprojekte sind überholt Claudio Dionisio, der Präsident von Best of Swiss Web, mahnt zu integrierten Lösungen bei der Digitalisierung. SEITE 42

KMU: Nicht zögern, wagen Mittelständler sollten konkrete Ideen umsetzen und die ersten Schritte mit ihren Kunden testen. SEITE 47

News aus dem Nähkästchen Welche Ratschläge der Berater von AlixPartners seinen Kunden immer wieder geben kann. SEITE 61

Transaktionen neu definiert

ZVG

Blockchain ist in aller Munde. Das hat mit Bitcoin nur am Rande zu tun – es revolutioniert die Wertschöpfungskette der Unternehmen sämtlicher Branchen. Und mehr. Post-Drohnen: In Lugano fliegen sie, von Spitalmitarbeitenden über eine App geordert, ab 2018 im kommerziellen Einsatz autonom zwischen den zwei Stadtspitälern.

Fortschritt im Anflug

Digitale Fitness Wie «reif» sind Schweizer KMU und Grossunternehmen auf dem Weg zur Digitalisierung? Die HSG hat es untersucht. Verbessern könnten sich Industrie und Verwaltung. ISABEL STEINHOFF UND ECKHARD BASCHEK

Dass «business as usual» nicht mehr funktioniert, scheint mittlerweile ein mehrheitsfähiger Konsens zu sein. Wie schnell das eigene Geschäftsmodell in Gefahr oder sogar obsolet werden kann, zeigen berühmte Beispiele wie Uber oder Airbnb immer wieder. Zentral für eine erfolgreiche Transformation ist ein ganzheitlicher Ansatz, nicht nur die Verstärkung der hauseigenen IT. Die wenigsten Firmen aber wüssten, wo sie mit «digital» ansetzen sollten, erklärte Jörg Niessing, Direktor des Executive Director Insead eLab Research Center, jüngst an der Trendtagung

der Gesellschaft für Marketing. Dabei sei es entscheidend zu wissen, wo man als Unternehmen auf der Reise ins digitale Zeitalter stehe. Nur so liesse sich der nächste, konkrete Schritt identifizieren. Bei dieser Standortbestimmung kann der Digital Maturity Check des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen hilfreich sein. In Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Crosswalk werden neun Kriterien untersucht. Diese Faktoren reichen von Kundenerlebnis über Strategie und Prozesse bis hin zu Kultur und Zusammenarbeit. Das Ergebnis ist ein digitaler Reifegrad zwischen eins und fünf. Die letztjährige Umfrage ergab, dass der Grossteil der Firmen sich

zwischen Reifegrad zwei und dreieinhalb befindet. Zu den Branchen, bei denen Aufholbedarf besteht, zählen beispielsweise Industrie und Verwaltung. Auf das Digital Maturity Model stützt sich auch die Jury des Swiss Digital Transformation Award (SDTA), der im Rahmen der Veranstaltung des Best of Swiss Web Award verliehen wird. Die Auszeichnung ehrt diejenigen Unternehmen, die den grössten Sprung im digitalen Reifegrad zu verzeichnen haben. Insgesamt 92 Eingaben wurden mithilfe des Framework vorselektiert und zum eigentlichen SDTA-Wettbewerb zugelassen. Noch 18 Unternehmen und Organisationen kamen in die definitive Jurierung,

wovon es schliesslich zehn auf die finale Shortlist schafften. In ihren Bewertungberichten haben die Jury-Mitglieder darauf hingewiesen, dass für drei dieser Top Ten eine bessere Rangierung möglich gewesen wäre, wenn sie den ökonomischen Impact ihrer Digitalisierungsanstrengung offengelegt hätten. Gemäss SDTA-Präsident Claudio Dionisio liegt das teilweise an den Vorschriften, denen diese Unternehmen unterliegen, oder auch an der Angst, dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verlieren. Denn die Digitalisierung schafft auch eine neue Transparenz. Auf diese Herausforderung müssen gerade Finanzdienstleister und ihre Regulatoren eine neue Antwort finden.

SEITE 64

VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: ECKHARD BASCHEK

FOTO-PORTFOLIO Peter Frommenwiler war Gast am Hauptsitz der Post und hat sichtbare Spuren der Digitalisierung gesammelt, unterstützt durch bestehendes Material der Post und der Bildagentur. Fotos: Peter Frommenwiler, Die Schweizerische Post, Keystone

Impressum Der Special «Digitale Transformation» ist eine redaktionelle Eigenbeilage der «Handelszeitung» und Bestandteil der aktuellen Ausgabe. Herausgeber: Redaktion und Verlag, «Handelszeitung», Ringier Axel Springer Schweiz, 8021 Zürich.


Werden Zahlungen in Zukunft so übermittelt? Erfinden Sie mit uns die Zukunft Ihres Unternehmens. Die Digitalisierung bietet faszinierende Möglichkeiten für die Zukunft. Wir helfen Ihnen, Chancen und Risiken auszuloten und Ihr Unternehmen zum Gewinner von morgen zu machen. www.swisscom.ch/zukunft Willkommen im Land der Möglichkeiten.


Digitale Transformation | 39

PETER FROMMENWILER

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Ob Internet oder Post-App: Kunden der Schweizerischen Post verpassen dank Internet oder Post-App keine Sendungen und bestimmen mit wenigen digitalen Klicks, wohin deren Reise geht.

Reif heisst innovativ

Verteilung der Reifegrade

Noch leicht asymmetrisches Verhältnis

Digital Maturity & Transformation Report 2017 Unternehmen mit hohem digitalem Reifegrad sind experimentierfreudig, andere denken zuerst an die IT. SABINE BERGHAUS UND TOBIAS LEHR

U

nternehmen mit hohem Reifegrad gehen komplett anders an die Digitalisie­ rung heran als Unterneh­ men mit einer niedrigen digitalen Reife. Zu diesem Ergebnis kommt der Digital Maturity Check 2017, der von unserem Lehrstuhl von Andrea Back zusammen mit der Managementbe­ ratung Crosswalk mit 662 Teilnehmenden durchgeführt wurde.

Lieber von oben nach unten Das Ergebnis war für uns eine kleine Überraschung. Dies weist darauf hin, dass digital reife Unternehmen diesen Verän­ derungen offen und experimentierfreudig entgegentreten. Auch ein Top­down­An­ satz, bei dem der Transformationsprozess mit der Ausarbeitung einer übergreifen­ den Strategie beginnt, wird bei diesen Un­ ternehmen häufiger beobachtet. Dagegen ergab die Studie, dass in Unternehmen mit einem niedrigen digitalen Reifegrad eher zuerst in den Fachabteilungen Bot­ tom­up­Initiativen entstehen, die erst im nächsten Schritt konsolidiert und zusam­ mengeführt werden. Ebenfalls wurde bei Unternehmen mit einem niedrigen Reife­ grad häufiger beobachtet, dass sie sich zuerst auf die Erneuerung ihrer IT­Systeme konzentrieren, bevor denn an neue Ge­ schäftsmodelle oder Innovationen gedacht wird. Insgesamt stieg der durchschnittliche Reifegrad im Vergleich zum Vorjahr (siehe «Handelszeitung» Nr. 15 vom 14. April 2016) leicht an. Bei Grosskonzernen (mehr als 10 000 Mitarbeitende) zeigten sich in diesem Jahr wiederum die höchs­ ten Reifegrade, während kleine Unter­ nehmen im Vergleich zum Vorjahr nach­ liessen und in dieser Befragung sogar die geringsten Werte aufwiesen. Als Grund für die niedrigen Reifegrade sehen wir

vor allem das fehlende (Spezial­)Wissen, wie man mit den Veränderungen, welche die Digitalisierung gebracht hat und noch bringen wird, umgehen soll. Denn die Erfahrung und das Fachwissen alleine, die diese Unternehmen bisher erfolg­ reich gemacht haben, reichen heute und erst recht für eine erfolgreiche Zukunft nicht mehr aus. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass die Streuung zwischen den höchsten und niedrigsten Reifegraden insgesamt abgenommen hat. Das Feld der Unterneh­ men ist im digitalen Reifegrad näher zu­ sammengerückt und hat sich im Vergleich zum Vorjahr weiterentwickelt. Da der Kriterienkatalog jedes Jahr in enger Zu­ sammenarbeit mit einer Expertengruppe aktualisiert und an die neuesten Entwick­ lungen im Digitalisierungsbereich ange­ passt wird, zeigen die insgesamt leicht höheren Reifegrade, dass sich bei allen Unternehmen im Bereich Digitalisierung im letzten Jahr viel getan hat.

STUDIE

Der Digital-Bericht 2017 auf Abruf Bezug Der Bericht mit Informationen zum Modell, den detaillierten Resultaten der Befragung inklusive branchenspezifischer Auswertungen sowie Handlungsempfehlungen kann als E-Paper kostenlos unter www.crosswalk.ch/dmtr2017 bestellt werden. Check Mit dem «Digital Maturity Check PLUS» können Unternehmen ihre digitale Reife prüfen und strategische Chancen erkennen (www.crosswalk.ch/dmcheck).

Positiv ist auch die Entwicklung in der Industrie zu beurteilen, die im Vergleich zum Vorjahr den höchsten Anstieg sowohl bei den Teilnehmerzahlen als auch im Reifegrad zeigte. Besonders die Branchen Automobil und Maschinenindustrie zeig­ ten hier hohe Werte, besonders in den Kriterien, welche im Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit stehen. Dagegen wurden bei Unternehmen aus dem Han­ del und der Konsumgüterwirtschaft die insgesamt niedrigsten Reifegrade beob­ achtet. Überraschend ist bei diesen Unter­ nehmen, dass insbesondere die Kriterien in der Dimension Customer Experience vergleichsweise niedrig beurteilt wurden, obwohl Experience Design oder auch die Auswertung des Kundenverhaltens in dieser Branche eine wichtige Rolle spielen.

60 Prozent sehen sich als Treiber Wie bereits im letzten Jahr bewerten digital reife Unternehmen ihren Erfolg vor allem in den Zielen «Kunden­ und Mitarbeiterzufriedenheit», aber auch in Bezug auf Produktivität positiver. Auch die Erreichung der gesteckten Ziele in den Kriterien Innovationsführerschaft und die Erschliessung neuer Geschäftsfelder wer­ den deutlich besser beurteilt als in Unter­ nehmen mit einem niedrigen digitalen Reifegrad. Insgesamt finden knapp 60 Prozent der Teilnehmer, dass sie im Vergleich zu ihren direkten Mitbewerbern mehr Aktivitäten zur digitalen Transformation vorantrei­ ben. Dieser Wert variiert allerdings je nach Branche. In Segmenten mit höheren durchschnittlichen Reifegraden neigen Unternehmen auch eher dazu, sich selbst als digitaler «Vorreiter» einzuschätzen. Sabine Berghaus, Projektleiterin der Studie Digital Maturity & Transformation Report, Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen; Tobias Lehr, Consultant Principal, Crosswalk, Zürich.

176

115

59 31 8

14

Reifegrad 1

1,5

Reifegrad 2

2,5

Reifegrad 3

3,5

36

Reifegrad 4

9

4

4,5

Reifegrad 5 QUELLE: HSG

Teilnehmende mit niedrigem Reifegrad Gesamtreifegrad kleiner als 3; Anzahl Nennungen=271 23%

22% 18%

17%

15%

5% IT-fokussiert

bottom-up

kanalfokussiert

top-down

innovationsfokussiert weiss nicht QUELLE: HSG

Teilnehmende mit hohem Reifegrad

Gesamtreifegrad grösser als 3, Anzahl Nennungen=136 29%

26%

19% 14% 10% 2% IT-fokussiert

bottom-up

kanalfokussiert

top-down

innovationsfokussiert weiss nicht QUELLE: HSG


40 | Digitale Transformation

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Digital macht transparent

Swiss Digital Transformation Award 2017 Eine Institution mit Tradition und ein Kind der Liberalisierung auf dem Telekommarkt – das sind die beiden Gewinner. Sie zeigen, wie enorm das unternehmerische Potenzial der Digitalisierung ist. JOHANNES J. SCHRANER

Die Gewinner

Basis eines zentralen Datenmodells stünde exem­plarisch für den gesteigerten digitalen Kundennutzen. Die Auszeichnung solle auch für die übrigen Bundesämter ­Ansporn für die digitale Transformation sein. Kerngeschäft: Vermessung der Schweiz, Luft- und Satellitenbilder, geologische Datenbanken Hauptsitz: Wabern bei Bern Mitarbeiter: 365 Webseite: www.swisstopo.admin.ch

Sunrise Communications: Digital first Der digitale Wettbewerb zwischen den Kommunikationsanbietern ist besonders stark. Sunrise ist die Herausforderung der Digitalisierung sehr breit und konsequent angegangen, das heisst die verschiedenen Ebenen wie Vision, Strategie und handlungsorientierte Roadmaps sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Sun­ rise habe eine enorme digitale Transformationsleistung erbracht und sei als diesjähriger Sieger der Kategorie «Grossunternehmen» ein würdiger Nachfolger

DIE JURY-MITGLIEDER •  Bramwell Kaltenrieder, Crosswalk (Jurypräsident) •  Marc Maret, Infocentric ­Research •  Sabine Berghaus, Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen • Beat Bühlmann, Evernote Europe • Stephan Odermatt, UBS • Tim Dührkoop, Namics • Florian Hamel, Axa Winterthur •  Andreas Eggimann, ­ Die Schweizerische Post •  Milos Radovic, Swisscom (Schweiz) • Dorian Selz, Squirro

der Post, urteilt die Jury. Tatsächlich sind auf der Umsetzungsebene modernste Tools im Einsatz und für die Operatio­ nalisierung der integrierten und klar auf «digital first» ausgerichteten strategischen Rahmenbedingungen fährt Sunrise den Top-down-Approach. Kerngeschäft: Telekommunikation ­mittels TV, Telefon, Internet und Mobile Hauptsitz: Zürich Anzahl Mitarbeiter: 1800 Website: www.sunrise.ch

ZVG

Swisstopo (Bundesamt für Landes­ topografie): Digitale Maturität Behörden glänzen bisher nicht wirklich mit digitalen Entwicklungen. Eine erste, souveräne Ausnahme ist Swisstopo. Auf einer professionellen strategischen Grundlage habe das Bundesamt für Landestopografie mit klarer Zielorientierung die digitale ­Maturität der Organisation konsequent auf- und ausgebaut, schreibt die Jury in ihrer Begründung für die Erstrangierung. Die Einführung der vollautomatisch erstellten digitalen Landeskarte 1:10 000 auf

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«Meine Poststelle» um die Ecke: Beispielsweise beim Einkauf in der Postagentur im Dorfladen beim Selbstbedienungsmodul – an vielen Orten auch am Wochenende.

Die Shortlist

Axa Winterthur (Schweiz): Ausgeprägte Digital-Kultur Für Unternehmen in einer Position der Stärke ist es nicht unbedingt einfacher, zu agieren und ein Fundament für eine erfolgreiche und nachhaltige Digitalisierung zu schaffen. Der Schweizer Versicherungskonzern Axa Winterthur hat das vorbildlich geschafft. Die der Jury vorgestellte Digitalisierungs­strategie mit den äusserst professionell und stringent umgesetzten Projekten zeuge von einer sehr hohen und ausgeprägten Digitalkultur innerhalb des Unternehmens, wird die silberne Auszeichnung in der Kategorie «Grossunternehmen» begründet. Hinzu komme ein vorbildlicher Einbezug der eigenen Mitarbeitenden bei der Erarbeitung innovativer Projekte und in den internen Wandel. Kerngeschäft: Versicherung Hauptsitz: Winterthur Mitarbeiter: 6600 (davon 2600 Vertriebspartner) Website: www.axa-winterthur.ch

Hypothekarbank Lenzburg: Vom Follower zum Leader Grundlage jeder Digitalisierung ist eine gute Führungskultur. Ein Beispiel ist die Hypi Lenzburg. Dank der vorbildlichen und ganzheitlichen Herangehensweise, getrieben von CEO Marianne Wildi, ist die Aargauer Regionalbank vom digitalen Follower zum klaren Leader geworden. Die Hypi überzeuge durch überdurchschnittliche Digitalisierungs- und Transformations­fortschritte in einer stark regulierten Branche, so die Jury zur silbernen Auszeichnung in der Kategorie «Kleine und mittlere Organisationen». Vorschriften sind auch der Grund, warum der Jury nur eingeschränkt Unterlagen der Bank zum wirtschaftlichen Impact der Digitalisierung vorlagen. Kerngeschäft: Bankdienstleistungen für Privat- und Firmenkunden Hauptsitz: Lenzburg Mitarbeiter: 245 Website: www.hbl.ch

Weisse Arena Gruppe: Erfolg mit analog/digital Der Schweizer Wintersport durchlebt schon länger schwierige Zeiten. Weniger Schnee, weniger Ski­ fahrer und der teure Franken sind die Gründe. Die Weisse Arena hält erfolgreich dagegen. Mit immer neuen Innovationen reizt der integrierte Tourismusund Freizeitdienstleister laut Jury das Mögliche in der Kombination von physischem Wintersport und digitalem Erlebnis aus. Das beginnt bereits vor der ersten Fahrt. Anstatt wie üblich in einer Warteschlange vor dem Kassenhaus zu stehen, kann der Pistenpass online zu Hause bezogen werden. Inzwischen hat die Weisse Arena Gruppe mit Inside Lab sogar selbst ein Startup gegründet und wird mit Bronze in der Kategorie «Grossunternehmen» ausgezeichnet. Kerngeschäft: Alpiner Tourismus und Freizeit Hauptsitz: Laax Mitarbeiter: 1075 (im Winter), 277 (im Sommer) Website: www.weissearena.ch

Ex Libris: Der transformierte Markenkern Der Buchhändler ist aus der Jugend der heute über Vierzigjährigen nicht wegzudenken; Jüngere kennen Ex Libris vor allem als Download-App. Die MigrosTochter ist ein Paradebeispiel für die komplette Transformation des stationären Buchhandels in einen Online-Distributionskanal für digitale Güter. Es sei gelungen, den Markenkern ins digitale Zeitalter zu transferieren, sagt die Jury zur Begründung für die bronzene Auszeichnung in der Kategorie «Kleine und mittlere Organisationen». Darüber hinaus habe Ex Libris konsequent alle Aspekte ihres Geschäftes digitalisiert. Heute werden über 70 Prozent des Umsatzes online erzielt und es sei gelungen, in einem rückläufigen Markt Marktanteile zu gewinnen.

Sanitas: Kleine Schritte zur grossen Vision Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist vielschichtig und anspruchsvoll. Die App des Krankenversicherers Sanitas ist ein Beispiel dafür, wie durch die digitale Transformation innovative Lösungen möglich sind. Im Bereich der Krankenassekuranz jedenfalls zählt Sanitas laut Jury mit ihrer Strategie zu den Führenden in Sachen Digitalisierung. Dabei ist die App nur ein kleiner Mosaikstein einer grossen Transformationsvision, die Sanitas auch durch Test&Learn-Ansätze vorantreibt. Visionen brauchen Zeit. Grosse Visionen brauchen etwas länger. Das gilt auch für Sanitas.

Brack.ch: Enabler für Unternehmen Es ist ein eher seltenes Phänomen, dass Pioniere auch nach dem Gründungserfolg Pioniere bleiben. Brack.ch ist das gelungen. Als Online-Pionier ist das Unternehmen der Competec-Gruppe auch heute noch Treiber von Innovationen. Es entwickle sich ­immer mehr zu einem E-Commerce-Enabler auch für andere Unternehmen, die einen versierten Fulfillment-Partner bräuchten, stellt die Jury fest. Weitere innovative Geschäftsmodelle und digitale Einzelmassnahmen würden laufend vorangetrieben. Der Jury lagen zum systematischen Transformations­ management und zum wirtschaftlichen Erfolg der Massnahmen nur wenige Angaben vor.

Kerngeschäft: Mediendiscounter mit Büchern, ­Musik, Filmen, Games und Software Hauptsitz: Dietikon Mitarbeiter: 340 Website: www.exlibris.ch

Kerngeschäft: Krankenversicherung Hauptsitz: Zürich Mitarbeiter: 742 Website: www.sanitas.com

Kerngeschäft: Online-Fachhandel mit IT, Elektronik, Haushalt, Garten, Büro und Spielwaren Hauptsitz: Mägenwil AG Mitarbeiter: 450 (Competec-Gruppe insgesamt) Website: www.brack.ch

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UBS: Silos sprengen Kundenfreundlichkeit und Dienstleistungskompetenz haben bei der Schweizer Grossbank in den letzten Jahren markant zugenommen. Die Einführung einer neuen, wesentlich leistungsfähigeren und sichereren Generation von Multimaten 2016 war jedenfalls kein Zufall. Die UBS überzeuge mit einer sehr starken Kundenorientierung und sehr vielen ­beeindruckenden Projekten und Massnahmen zur Steigerung des Kundennutzens, urteilt auch die Jury. Dies etwa mit neuen und innovativen Dienstleistungen. Das Team, das die SDTA-Bewerbung eingegeben hatte, macht laut Jury einen sehr guten Job. Dennoch scheinen diese Aktivitäten noch auf ein «abgegrenztes Silo» beschränkt zu sein, so die Jury.

Schweiz Tourismus: Integrales Marketing Die Dachmarke des Tourismus-Standortes Schweiz gehört zu den digitalen Vorreitern der Branche. ­Kanalübergreifendes Marketing und Customer Ex­ perience werden hochgehalten. Sie könne sich dank innovativen und soliden Projekten sehen lassen, stellen die Jury-Mitglieder fest. Dazu gehören etwa smarte Mobile-Angebote, zum Beispiel für auslän­ dische Gäste, die sich auf eine Reise in die Schweiz vorbereiten wollen oder bereits hier sind. Allerdings wird die Jury den Eindruck nicht ganz los, dass dem bestehenden Operating Model zwar eine «Omni­ channel Marketing»-Dimension hinzugefügt wurde, diese aber keine tiefgreifende digitale Transformation repräsentiert.

Kerngeschäft: Universalbank Hauptsitz: Zürich Mitarbeiter: 59 946 (weltweit) Website: www.ubs.com

Kerngeschäft: Tourismus Hauptsitz: Zürich Mitarbeiter: 244 (in 26 Ländern) Website: www.myswitzerland.com

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Digitale Transformation isch scho lang kei Fake News meh. Drum sind mir bereits sit 10 Jahr debi. PROFITIERET AU SIE VO ÜSERE BRANCHE ÜBERGRIIFENDE BUSINESS- & TECHNOLOGIE-EXPERTISE.

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40 | Digitale Transformation

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Digital macht transparent

Swiss Digital Transformation Award 2017 Eine Institution mit Tradition und ein Kind der Liberalisierung auf dem Telekommarkt – das sind die beiden Gewinner. Sie zeigen, wie enorm das unternehmerische Potenzial der Digitalisierung ist. JOHANNES J. SCHRANER

Die Gewinner

Basis eines zentralen Datenmodells stünde exem­plarisch für den gesteigerten digitalen Kundennutzen. Die Auszeichnung solle auch für die übrigen Bundesämter ­Ansporn für die digitale Transformation sein. Kerngeschäft: Vermessung der Schweiz, Luft- und Satellitenbilder, geologische Datenbanken Hauptsitz: Wabern bei Bern Mitarbeiter: 365 Webseite: www.swisstopo.admin.ch

Sunrise Communications: Digital first Der digitale Wettbewerb zwischen den Kommunikationsanbietern ist besonders stark. Sunrise ist die Herausforderung der Digitalisierung sehr breit und konsequent angegangen, das heisst die verschiedenen Ebenen wie Vision, Strategie und handlungsorientierte Roadmaps sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Sun­ rise habe eine enorme digitale Transformationsleistung erbracht und sei als diesjähriger Sieger der Kategorie «Grossunternehmen» ein würdiger Nachfolger

DIE JURY-MITGLIEDER •  Bramwell Kaltenrieder, Crosswalk (Jurypräsident) •  Marc Maret, Infocentric ­Research •  Sabine Berghaus, Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen • Beat Bühlmann, Evernote Europe • Stephan Odermatt, UBS • Tim Dührkoop, Namics • Florian Hamel, Axa Winterthur •  Andreas Eggimann, ­ Die Schweizerische Post •  Milos Radovic, Swisscom (Schweiz) • Dorian Selz, Squirro

der Post, urteilt die Jury. Tatsächlich sind auf der Umsetzungsebene modernste Tools im Einsatz und für die Operatio­ nalisierung der integrierten und klar auf «digital first» ausgerichteten strategischen Rahmenbedingungen fährt Sunrise den Top-down-Approach. Kerngeschäft: Telekommunikation ­mittels TV, Telefon, Internet und Mobile Hauptsitz: Zürich Anzahl Mitarbeiter: 1800 Website: www.sunrise.ch

ZVG

Swisstopo (Bundesamt für Landes­ topografie): Digitale Maturität Behörden glänzen bisher nicht wirklich mit digitalen Entwicklungen. Eine erste, souveräne Ausnahme ist Swisstopo. Auf einer professionellen strategischen Grundlage habe das Bundesamt für Landestopografie mit klarer Zielorientierung die digitale ­Maturität der Organisation konsequent auf- und ausgebaut, schreibt die Jury in ihrer Begründung für die Erstrangierung. Die Einführung der vollautomatisch erstellten digitalen Landeskarte 1:10 000 auf

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«Meine Poststelle» um die Ecke: Beispielsweise beim Einkauf in der Postagentur im Dorfladen beim Selbstbedienungsmodul – an vielen Orten auch am Wochenende.

Die Shortlist

Axa Winterthur (Schweiz): Ausgeprägte Digital-Kultur Für Unternehmen in einer Position der Stärke ist es nicht unbedingt einfacher, zu agieren und ein Fundament für eine erfolgreiche und nachhaltige Digitalisierung zu schaffen. Der Schweizer Versicherungskonzern Axa Winterthur hat das vorbildlich geschafft. Die der Jury vorgestellte Digitalisierungs­strategie mit den äusserst professionell und stringent umgesetzten Projekten zeuge von einer sehr hohen und ausgeprägten Digitalkultur innerhalb des Unternehmens, wird die silberne Auszeichnung in der Kategorie «Grossunternehmen» begründet. Hinzu komme ein vorbildlicher Einbezug der eigenen Mitarbeitenden bei der Erarbeitung innovativer Projekte und in den internen Wandel. Kerngeschäft: Versicherung Hauptsitz: Winterthur Mitarbeiter: 6600 (davon 2600 Vertriebspartner) Website: www.axa-winterthur.ch

Hypothekarbank Lenzburg: Vom Follower zum Leader Grundlage jeder Digitalisierung ist eine gute Führungskultur. Ein Beispiel ist die Hypi Lenzburg. Dank der vorbildlichen und ganzheitlichen Herangehensweise, getrieben von CEO Marianne Wildi, ist die Aargauer Regionalbank vom digitalen Follower zum klaren Leader geworden. Die Hypi überzeuge durch überdurchschnittliche Digitalisierungs- und Transformations­fortschritte in einer stark regulierten Branche, so die Jury zur silbernen Auszeichnung in der Kategorie «Kleine und mittlere Organisationen». Vorschriften sind auch der Grund, warum der Jury nur eingeschränkt Unterlagen der Bank zum wirtschaftlichen Impact der Digitalisierung vorlagen. Kerngeschäft: Bankdienstleistungen für Privat- und Firmenkunden Hauptsitz: Lenzburg Mitarbeiter: 245 Website: www.hbl.ch

Weisse Arena Gruppe: Erfolg mit analog/digital Der Schweizer Wintersport durchlebt schon länger schwierige Zeiten. Weniger Schnee, weniger Ski­ fahrer und der teure Franken sind die Gründe. Die Weisse Arena hält erfolgreich dagegen. Mit immer neuen Innovationen reizt der integrierte Tourismusund Freizeitdienstleister laut Jury das Mögliche in der Kombination von physischem Wintersport und digitalem Erlebnis aus. Das beginnt bereits vor der ersten Fahrt. Anstatt wie üblich in einer Warteschlange vor dem Kassenhaus zu stehen, kann der Pistenpass online zu Hause bezogen werden. Inzwischen hat die Weisse Arena Gruppe mit Inside Lab sogar selbst ein Startup gegründet und wird mit Bronze in der Kategorie «Grossunternehmen» ausgezeichnet. Kerngeschäft: Alpiner Tourismus und Freizeit Hauptsitz: Laax Mitarbeiter: 1075 (im Winter), 277 (im Sommer) Website: www.weissearena.ch

Ex Libris: Der transformierte Markenkern Der Buchhändler ist aus der Jugend der heute über Vierzigjährigen nicht wegzudenken; Jüngere kennen Ex Libris vor allem als Download-App. Die MigrosTochter ist ein Paradebeispiel für die komplette Transformation des stationären Buchhandels in einen Online-Distributionskanal für digitale Güter. Es sei gelungen, den Markenkern ins digitale Zeitalter zu transferieren, sagt die Jury zur Begründung für die bronzene Auszeichnung in der Kategorie «Kleine und mittlere Organisationen». Darüber hinaus habe Ex Libris konsequent alle Aspekte ihres Geschäftes digitalisiert. Heute werden über 70 Prozent des Umsatzes online erzielt und es sei gelungen, in einem rückläufigen Markt Marktanteile zu gewinnen.

Sanitas: Kleine Schritte zur grossen Vision Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist vielschichtig und anspruchsvoll. Die App des Krankenversicherers Sanitas ist ein Beispiel dafür, wie durch die digitale Transformation innovative Lösungen möglich sind. Im Bereich der Krankenassekuranz jedenfalls zählt Sanitas laut Jury mit ihrer Strategie zu den Führenden in Sachen Digitalisierung. Dabei ist die App nur ein kleiner Mosaikstein einer grossen Transformationsvision, die Sanitas auch durch Test&Learn-Ansätze vorantreibt. Visionen brauchen Zeit. Grosse Visionen brauchen etwas länger. Das gilt auch für Sanitas.

Brack.ch: Enabler für Unternehmen Es ist ein eher seltenes Phänomen, dass Pioniere auch nach dem Gründungserfolg Pioniere bleiben. Brack.ch ist das gelungen. Als Online-Pionier ist das Unternehmen der Competec-Gruppe auch heute noch Treiber von Innovationen. Es entwickle sich ­immer mehr zu einem E-Commerce-Enabler auch für andere Unternehmen, die einen versierten Fulfillment-Partner bräuchten, stellt die Jury fest. Weitere innovative Geschäftsmodelle und digitale Einzelmassnahmen würden laufend vorangetrieben. Der Jury lagen zum systematischen Transformations­ management und zum wirtschaftlichen Erfolg der Massnahmen nur wenige Angaben vor.

Kerngeschäft: Mediendiscounter mit Büchern, ­Musik, Filmen, Games und Software Hauptsitz: Dietikon Mitarbeiter: 340 Website: www.exlibris.ch

Kerngeschäft: Krankenversicherung Hauptsitz: Zürich Mitarbeiter: 742 Website: www.sanitas.com

Kerngeschäft: Online-Fachhandel mit IT, Elektronik, Haushalt, Garten, Büro und Spielwaren Hauptsitz: Mägenwil AG Mitarbeiter: 450 (Competec-Gruppe insgesamt) Website: www.brack.ch

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UBS: Silos sprengen Kundenfreundlichkeit und Dienstleistungskompetenz haben bei der Schweizer Grossbank in den letzten Jahren markant zugenommen. Die Einführung einer neuen, wesentlich leistungsfähigeren und sichereren Generation von Multimaten 2016 war jedenfalls kein Zufall. Die UBS überzeuge mit einer sehr starken Kundenorientierung und sehr vielen ­beeindruckenden Projekten und Massnahmen zur Steigerung des Kundennutzens, urteilt auch die Jury. Dies etwa mit neuen und innovativen Dienstleistungen. Das Team, das die SDTA-Bewerbung eingegeben hatte, macht laut Jury einen sehr guten Job. Dennoch scheinen diese Aktivitäten noch auf ein «abgegrenztes Silo» beschränkt zu sein, so die Jury.

Schweiz Tourismus: Integrales Marketing Die Dachmarke des Tourismus-Standortes Schweiz gehört zu den digitalen Vorreitern der Branche. ­Kanalübergreifendes Marketing und Customer Ex­ perience werden hochgehalten. Sie könne sich dank innovativen und soliden Projekten sehen lassen, stellen die Jury-Mitglieder fest. Dazu gehören etwa smarte Mobile-Angebote, zum Beispiel für auslän­ dische Gäste, die sich auf eine Reise in die Schweiz vorbereiten wollen oder bereits hier sind. Allerdings wird die Jury den Eindruck nicht ganz los, dass dem bestehenden Operating Model zwar eine «Omni­ channel Marketing»-Dimension hinzugefügt wurde, diese aber keine tiefgreifende digitale Transformation repräsentiert.

Kerngeschäft: Universalbank Hauptsitz: Zürich Mitarbeiter: 59 946 (weltweit) Website: www.ubs.com

Kerngeschäft: Tourismus Hauptsitz: Zürich Mitarbeiter: 244 (in 26 Ländern) Website: www.myswitzerland.com

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EXECUTIVE MBA HSG

Digitale Transformation isch scho lang kei Fake News meh. Drum sind mir bereits sit 10 Jahr debi. PROFITIERET AU SIE VO ÜSERE BRANCHE ÜBERGRIIFENDE BUSINESS- & TECHNOLOGIE-EXPERTISE.

ANMELDUNG INFO-APÉRO 31.05.2017 ZÜRICH Digital Business Strategy – Concept & Service Design – Technology Consulting & Development | infocentric.ch


42 | Digitale Transformation

ZVG

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Förderanlage Yellowcube in Oftringen: Die 35 vollautomatischen Postroboter bieten Geschäftskunden vom Wareneingang bis zum Versand eine logistische Komplettlösung für alle Prozessschritte im Distanzhandel.

«Nicht alles Bestehende ist per se schlecht» Claudio Dionisio Der Präsident von Best of Swiss Web und Schweizer Digitalpionier der ersten Stunde zu Vorbildern und Stolpersteinen der Digitalisierung.

INTERVIEW: ISABEL STEINHOFF UND ECKHARD BASCHEK

Welche Umstellung empfinden Sie als anstrengender: die technische oder diejenige in den Köpfen? Claudio Dionisio: Das ist die entscheidende Frage auf dem Weg der digitalen Transfor­ mation. Die Unternehmen, die scheitern, tun dies meistens wegen der menschli­ chen Komponente. Heute ändern sich die Verhältnisse immer schneller, in einigen Bereichen kann man sogar sagen minüt­ lich, und darauf muss man sich einstellen und einlassen können. Stoische Ruhe à la business as usual funktioniert nicht mehr. Wie weit ist denn die Umstellung im Kopf? Es gibt einzelne Köpfe und Unternehmen, die schon sehr weit sind und erkannt haben, dass das eigene Geschäftsmodell morgen schon obsolet sein kann. Egal in welcher Branche. Ich beobachte Initia­ tiven sowohl von der Unternehmensspitze als auch bottom­up. Das Problem ist oft, dass die Digitalisierung in einzelnen Silos weit fortgeschritten ist, aber noch nicht in den Rest des Unternehmens vorgedrun­ gen ist. Manchmal hat man den Eindruck, die Aktivitäten gehen von einem vordenkenden Kopf aus. Ist das nicht gefährlich? Wenn das tatsächlich so ist, ja. Aber not­ wendig ist immer die Vision und treibende Kraft von oben, die diese Entwicklungen unterstützt. Wie zum Beispiel Marianne Wildi bei der Hypothekarbank Lenzburg. Solche Menschen, die den ersten Domino­ stein umschubsen, brauchen wir einfach. Aber eine gute Unternehmenskultur zeichnet sich dann dadurch aus, dass diese Haltung auch in alle Ebenen und Gremien diffundiert. Digitalisierung darf sich ja nicht auf einzelne Projekte beziehen, sondern muss die gesamte Unternehmung durchdringen. Absolut. Die Phase der Einzelprojekte und Versuche sollte längst vorbei sein. Alle Bereiche der Strategieentwicklung, über Produktinnovationen bis hin zu Kunden­ oder Lieferantenschnittstellen, müssen digital mitentwickelt werden. Ist es kein Anachronismus, dass ausgerechnet Sie Preise für Projekte vergeben?

Gute Frage! Wir haben bei «Best of Swiss Web» mit Projekten begonnen. Zunächst galt es, Inhalte zu digitalisieren, dann Anwendungen und Prozesse. Dieser Ent­ wicklung haben wir mit der Ergänzung um Best of Swiss App Rechnung getragen. Und seit drei Jahren gibt es den Swiss Digital Transformation Award (SDTA), der genau den Punkt aufgreift, dass Unterneh­ men sich ganzheitlich digitalisieren müs­ sen. Das prüfen wir in Kooperation mit der Universität St. Gallen, die dafür ein Frame­ work erstellt hat. Auf dessen Basis kürt un­ sere Jury die Gewinner in den Kategorien Grossfirmen und KMU. Aber dann müsste der SDTA die Veranstaltung eigentlich dominieren? Das liegt daran, dass wir bei Best of Swiss Web unsere Kategorien über die Jahre aus­ geweitet haben. Beim STDA gibt es eben bisher nur zwei. An unserer Umfrage neh­ men noch viele Unternehmen teil, aber für

Der Pionier Name: Claudio Dionisio Funktion: Präsident Best of Swiss Web und Swiss Digital Transformation Award Alter: 57 Wohnort: Zürich Familie: verheiratet Ausbildung: u.a. Lehre (Maschinenzeichner), Zweitwegmatura, Studium (phil. I), eidg. diplomierter Kommunikationsleiter Karriere Claudio Dionisio ist CoGründer und langjähriger Präsident der Simsa, der Swiss Internet Industry Association, ausserdem Co-Gründer und ehemaliger Chef Schweiz der Namics. Er arbeitet heute zudem als selbstständiger Berater von grösseren Unternehmen bei Digitalisierungsthemen und unterstützt kleinere Firmen und Startups.

den Award müssen Strategien und Zahlen offengelegt werden. Da möchten sich viele bedeckt halten. Dabei wäre es ja genau spannend, sich mit den anderen zu mes­ sen. Aber darum hat der Transformation Award weniger Raum an der Veranstaltung. Was zeichnet die Gewinner-Unternehmen kulturell aus? Es sind verschiedene Aspekte. Eine Kom­ ponente ist sicher, dass alle Mitarbeiten kontinuierlich mit Digitalisierung kon­ frontiert und weitergebildet werden. Aus­ serdem erachten erfolgreiche Firmen digi­ tal nicht als losgelöste Zusatzleistung am Ende des Prozesses, sondern denken «digital first». Ein weiterer Aspekt, der sich langsam durchzusetzen beginnt, ist eine Verflachung der Hierarchie. Radikal gesagt: Es gibt keine Chefs mehr, welche alles wissen müssen und im Organigramm alleine oben stehen. Wer übernimmt dann die Führung? Einzelne Mitarbeitende können aufgrund ihres Fachwissens in den Ad­hoc­Pro­ jekten eine Führungsrolle einnehmen. Es gibt in einigen Firmen so viel Know­how, das keine Anwendung findet, weil die Mit­ arbeitenden nicht in der Lage sind, es ein­ zubringen. Aber das ist natürlich noch die Minderheit. Meistens sind es kleine, junge Firmen oder Firmen aus dem IT­Bereich, denen diese agile Arbeitsweise besonders wichtig ist. Wie kann eine Organisation das Wissen ihrer Mitarbeitenden aggregieren? Eine Möglichkeit ist sicher lebenslanges Lernen. Man muss sich laufend weiter­ bilden. Ich meine nicht nur langjährige Lehrgänge, sondern auch interne Work­ shops und Crashkurse. Es ist auch eine Frage der Einstellung. Heutzutage darf niemand die Haltung haben, dass ihn bestimmte Themen sowieso nichts mehr angehen, da die Pensionierung in ein paar Jahren ansteht. Wie motiviert man die Belegschaft dazu? Auch hier spielt die Verflachung der Hier­ archie eine Rolle. Dadurch lohnt es sich, Wissen zu akkumulieren, sich zu speziali­ sieren. Es ermöglicht den Mitarbeitenden interessantere Tätigkeiten, etwa die Mög­ lichkeit, Projektleiter zu sein – Techno­ logie­Know­how ist einfach wichtig. Und die Führungsetage?

Auch Chefs und Manager müssen sich weiterbilden. Programmatic, Chatbots, Analytics – solche Schlagworte müssen wenigstens in ihrer Konsequenz fürs Busi­ ness verstanden werden. Nicht jeder muss programmieren können, aber verstehen, wie Algorithmen funktionieren. Und das ist nicht banal. Das müsste eigentlich be­ reits in der Primarschule gelehrt werden. Welche Hierarchiestufe erachten Sie als die innovativste und welche als eher zurückhaltend? Es kommt darauf an, wie viel jemand poli­ tisch, finanziell oder sonst wie zu verlieren hat. Aber auf allen Ebenen gibt es seit je diejenigen, die bewahren, und jene, die

«Digitalisierung als Begriff wird es in ein paar Jahren nicht mehr geben, weil dann alles digital sein wird.» immer etwas Neues probieren wollen. Es sind auch beide Typen notwendig. Denn nicht alles Bestehende ist per se schlecht in den Unternehmen. Gilt es denn nicht, genau diese Leute auch ins Boot zu holen? Das ist ja nicht immer so einfach. Manch­ mal muss man etwas radikal vorgehen. Das haben einige Branchen bereits er­ kannt und versuchen, agilere Koopera­ tionsmodelle umzusetzen. In flacheren Hierarchien können sich Einzelne besser inszenieren und einbringen. Das sollte ein Anreiz sein. Bei vielen Projekten scheint der wirtschaftliche Output oft schwer greifbar, auch für die Award-Juroren. Woran liegt das? Bei Best of Swiss Web küren wir in elf Kate­ gorien. Drei davon beschäftigen sich expli­ zit mit messbaren Key­Performance­Indi­ katoren (KPI). Die müssen belegt werden. Beim Digital Transformation Award ist es auch eine wichtige Dimension, aber es gibt verschiedene Gründe, warum die Zahlen teilweise nicht ausgewiesen werden. Ko­ tierte Unternehmen beispielsweise dürfen das nicht ohne weiteres. Andere würden zu viele vertrauliche Informationen preis­ geben und dadurch möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil verlieren. Wieder an­ dere messen nicht oder führen Gemesse­ nes nicht auf ihre Digitalstrategie zurück.

Haben Sie persönlich keine Interessenkonflikte? Sie beraten ja auch viele Unternehmen. Ich bin als Präsident nicht Teil der Jury. Ich könnte dieses Amt nicht bereits seit 18 Jahren innehaben, wenn es auch nur den Hauch eines Anscheins von Bevorzugung gäbe. Ich gehe eher auf die Firmen zu und ermutige sie, sich zu bewerben. Auch für unsere Jury gilt: Wer in irgendeiner Form in die Unternehmen involviert ist, verlässt für die Beurteilung den Raum. Sind Geschäftsmodelle heute kurzlebiger als früher? Das kann sein. Die Konsequenz daraus ist wichtig: Man muss sich kontinuierlich hinterfragen und aufmerksam auf die Be­ dürfnisse der Kunden und die Konkurrenz achten. Das ist die Aufgabe des Manage­ ments beziehungsweise der einzelnen Abteilungen in ihren Fachgebieten. Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Digitalisierung als Begriff wird es in ein paar Jahren nicht mehr geben, weil dann alles digital sein wird. Aber bis dorthin ist es notwendig, sich diesen Themen zu widmen. Nur wer Digitalisierung als Werkzeug aktiv einsetzt, hat die Chance, den Zug nicht – oder nicht wieder – zu verpassen. Dazu sind aber eine gesunde Fehlerkultur und eine schnelle Adaption von Neuem notwendig. Digital ist denn Kopfsache. Heute ist technologisch alles möglich. Ist das Fehlen einer Fehlerkultur in der Schweiz ein Hindernis für disruptive Projekte? Die Haltung in der Schweiz hat sich mei­ nes Erachtens in diese Richtung schon deutlich verbessert. Viele erfolgreiche Unternehmer von heute sind auch hierzu­ lande schon gescheitert. Auch Business Angels und Inkubatoren sind heute be­ dacht, ihre Schützlinge Fehler machen zu lassen, damit sie daraus lernen können. Diesen Spirit spüre ich in Zürich und auch in anderen Städten. Da gibt es auch viel Austausch und Kooperation zwischen ver­ schiedenen Unternehmern, Startups und anderen Stakeholdern. Wir haben eine sehr aktive Gründerszene. Ich habe die Hoffnung, dass das nächste Unicorn aus der Schweiz kommt. Wenn ich nur mit Sicherheit wüsste, welches Unternehmen es sein wird …


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Der nächste Schritt der digitalen Transformation: «Intelligente Automatisierung»

Der Kundendialog ist schon immer im Spannungsfeld von gelungener Customer Experience und enormem Effizienzdruck. Die Automatisierung mit Robotik oder intelligenten Systemen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) gilt dabei als neuer Hoffnungsschimmer. Dank selbstlernenden Automatisierungslösungen ist es möglich, End-to-End-Prozesse zu automatisieren und damit schneller und effizienter zu steuern. Richtig eingesetzt hilft die Intelligente Automatisierung Kosten zu senken und nicht zuletzt Geschäftsmodelle zu verbessern.

beiter durch den Wegfall von reiner Datenerfassung intensiver mit der Kundenbetreuung befassen können. Effiziente Roboter für Inkassofälle von PostFinance

unter der Beachtung aller nötigen Geschäftsregeln beinahe in Echtzeit. Über Swiss Post Solutions (SPS)

Swiss Post Solutions (SPS) ist eine führende Anbieterin von Lösungen zur Auslagerung von GeschäftsproWenn Herr Suter oder Frau Meier vergessen haben, ihre Kreditkarten- zessen und innovativen Dienstleistungen im Dokumentenmanagerechnung zu bezahlen, wurde bei ment. Zahlreiche internationale PostFinance bislang ein komplexer Geschäftskunden schätzen SPS Prozess ausgelöst: Eine Liste mit Angaben der säumigen Kundinnen aufgrund ihrer Kompetenz Neu ist, dass mit Hilfe von intelViele Dienstleistungsunternehmen, bei der Konzeption, Entwicklung und Kunden wurde dazu in regelligenter Automatisierung auch wie Banken oder Versicherungen, und Umsetzung von End-to-Endmässigen Abständen von einem das Auslesen und Weiterverarbeikönnen heute die TransaktionsTeam der Bank manuell bearbeitet. Lösungen wie auch bei der komten unstrukturierter Daten, wie und Informationsverarbeitung und petenten Beratung zu Fragen rund Dabei mussten ein mehrstufiger z.B. frei formulierte Briefe oder die damit verbundenen Prozesse um die zentralen Werttreiber im Ablauf beachtet und verschiedene noch nicht kanalübergreifend bear- E-Mails, möglich ist. Diese TätigBusiness Process Outsourcing (BPO) Systeme bedient werden. beiten und tagfertig erledigen. Sehr keiten haben bisher den Einsatz Standortkonzept, Prozessoptimiemenschlicher Intelligenz erforoft handelt es sich dabei auch um rung und Technologie, wie beiProzessautomatisierung mit Roderlich gemacht. Ob E-Mails mit Backoffice- oder Supportprozesse. spielsweise Intelligent Automation. botik: Swiss Post Solutions entProzesse, die im Rahmen der Unter- PDF-Anhängen, Word-Dateien oder wickelte für PostFinance eine SPS ist ein Konzernbereich der Excel-Files: Die neuen Technologien Lösung, bei der Robotic Process nehmenstätigkeit zwar notwendig Schweizerischen Post mit Hauptsitz sind, aber nicht zu der eigentlichen lernen, den Inhalt zu verstehen und Automation (RPA) eingesetzt wird. in Bern (Schweiz), dessen 6800 die Dokumente dann entsprechend Ein Roboter durchforstet dabei Haupttätigkeit des Unternehmens Mitarbeitende und spezialisierte gehören. Während die Industrie bei zuzuordnen. Partner Kunden in nahezu allen regelmässig – auch ausserhalb der Automatisierung eine VorreiBranchen – von Banken und Versivon Bürozeiten – die Konten der terrolle übernimmt, schöpfen viele cherungen über Telekommunikatibetreffenden Kunden und ermögEin typisches Beispiel ist ein ReklaDienstleistungsunternehmen das licht so eine effiziente Bearbeitung on, Medien, Detailhandel und mationsschreiben. Es ist mit den Potenzial der digitalen Transforma- neuen Technologien nun möglich, Energieversorgung bis hin zu Reider Inkassofälle. Er erkennt Daten tion für ihre Geschäftsmodelle und all die relevanten Informationen sen und Transport – in über 20 wie IBAN-Nummer oder Kreditkarfür ihre Transaktions- und Informa- auszulesen, aufzubereiten und Ländern betreuen. tentyp und startet verschiedene tionsverarbeitung noch nicht aus. Backoffice-Applikationen, um das vollautomatisch in das Geschäftsvorhandene Guthaben zu analysie- www.swisspostsolutions.com system der Kunden einzupflegen, was die Grundvoraussetzung ist für ren und zu prüfen, wann vorherige Automatisches Auslesen und VerKreditkartenrechnungen beglichen eine digitale Weiterverarbeitung arbeiten von strukturierten Daten, wurden. In einem nächsten Schritt dieser Daten. Daraus ergeben sich die exakt vorgegebenen Schreiben teilt der Roboter den Mitarbeitenbislang ungeahnte Möglichkeiten, entstammen, wie beispielsweise den mit, welche Konten verrechenProzesse effizienter und deutlich Rechnungen, und die mittels OCR bare Beträge aufweisen. So unkostengünstiger zu gestalten. Ein extrahiert werden, ist seit langer weiterer Vorteil ist, dass sich Mitar- terstützt der Roboter den Prozess Zeit ein bewährtes Verfahren.


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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Ein täuschender erster Eindruck

MATTHIAS NIKLOWITZ

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usik-Streaming, OnlineMedien, Kleidung von Zalando, mobiles Buchen von Flügen und ebenso mobiles Bezahlen für Airbnb-Betten und Uber-Fahrten: Die Welt funktioniert bereits weitgehend digital auf der Basis von Daten und mit Zugriffsmöglichkeiten via Apps. Aber der erste Eindruck täuscht: E- und M-Commerce sowie digitalisierte Medien sind laut den Analysten von Morgan Stanley die hinsichtlich der Digitalisierung am weitesten fortgeschrittenen Branchen. Viele weitere Sektoren wie die Finanzdienstleister, die Industrie und die Autohersteller holen erst auf. Denn es gibt weiterhin eine bemerkenswerte Lücke zwischen den technologischen Neuerungen im Alltag und dem, was im Hintergrund passiert. Jede Branche hat bei ihrer Transition Richtung digitale Unternehmen eigene Vorlieben. Es gibt bemerkenswerte zirkuläre Prozesse, die hoch digitalisierte Firmen wie Amazon oder Alibaba begehen: Diese arbeiten an Filialkonzepten der nächsten Generation, die auf den ersten Blick den heutigen Filialen ähneln, aber bezüglich der Supply Chain ganz anders funktionieren und auch eine andere Rolle im digitalen Multichannel-Universum haben. Zwischen den relativ weit fortgeschrittenen und den rückständigen Branchen steht gegenwärtig die Industrie: Da gibt es

laut ABB hinsichtlich der Transition in Richtung Digitalisierung eine grosse Spanne zwischen schon etwas vorangekommenen Branchen wie Roboterherstellung und Automobilproduktion und den erst am Anfang stehenden Industriesegmenten wie Gebäudetechnik sowie Metallherstellung und -verarbeitung. General Electric, das in einem grossen Konsortium an einem «Industrie-Internet» arbeitet, veranschlagt das globale Geschäftsvolu-

Bei der digitalen Transition verlassen sich gerade grosse Industrieunternehmen auf Partnerschaften. men der Digitalisierungssoftware für die Industrie für 2020 auf 225 Milliarden Dollar. Das wäre mehr, als heute die Konsumenten weltweit für Software ausgeben.

Kein Rezept für alle Besonders lohnend ist die digitale Transition laut den Analysten von Morgan Stanley für Firmen und Branchen mit grossen dezentralen Systemen beziehungsweise Anlagen, wo die Integrität dieser Systeme für das Funktionieren des Geschäftsmodells kritisch ist. Beispiele sind Versorger, Telekom-Netzbetreiber, Transportfirmen und Pipeline-Betreiber. Bei hoch zentralisierten Unternehmen wie Chemiewerken liegt der Hebeleffekt

der Digitalisierung bei der Früherkennung von möglichen Störungen, höherer Effizienz und besseren Qualitätskontrollen. Und noch mehr haben Firmen, die komplexe Fertigungsstrassen unterhalten, von einer digitalen Transition. Unternehmen wie Dell oder Volkswagen sind sich in einer Hinsicht ähnlich: Ausfälle in der Supply Chain oder bei den Industrierobotern schlagen sofort auf die Produktion durch. Bei der digitalen Transition verlassen sich gerade die grossen Industriefirmen auf Partnerschaften: ABB beispielsweise hatte im Herbst 2016 eine Partnerschaft mit Microsoft für den Aufbau einer internen Digitalisierungsplattform Ability angekündigt. General Electric kooperiert mit Intel und Cisco für die Weiterentwicklung der eigenen Predix-Software, mit der Anlagen, Maschinen und Computer untereinander verbunden werden. Und Siemens, das unter den grossen Industriefirmen bereits heute das grösste Softwareportfolio hat, verstärkt sich laufend weiter mit Zukäufen. Der jüngste grössere Zukauf erfolgte im November 2016, das Ziel war die Firma Mentor. Mit der Software dieses Unternehmens lässt sich die Funktionsweise elektronischer Komponenten simulieren, bevor erste Prototypen entstehen. Die Börse zeigte sich trotz dem hohen Kaufpreis erfreut: Denn die Kombination von mechanischen, elektronischen und Software-Elementen unter einem Dach gilt als langfristig besonders vielversprechend.

ZVG

Digitale Transition In der Industrie hat die Transition erst begonnen. Gesucht werden passende Geschäftsmodelle.

Dringende Medikamente in kurzer Zeit beim Patienten: Der autonome Zulieferroboter steht im Test der Post für Zustellvarianten auf der letzten Meile.

HERAUSFORDERUNGEN

Wem gehören die Daten? Die Herausforderungen der Transition der Industrie, in sechs Punkten: • Passendes Bezahlmodell Nicht nur Medien und Content-Produzenten schlagen sich mit der Frage herum, wie die Kunden zukünftig bezahlen werden. Hier zeigt sich die Herausforderung, dass sich der Wert einer über Software gesteuerten Maschine nicht mehr konventionell via Anschaffungs-, Produktions- und Abschreibungsregeln ermitteln lässt. In der Praxis zeigt sich, dass die Industrie dem Software-als-Service(Saas-) bzw. Plattform-als-Service(PaaS-)Modell folgt, wo die Kunden die Installationen in Abhängigkeit vom tatsächlichen Gebrauch bezahlen. • Installierte Basis Die Grösse der installierten Basis bildet in der Industrie eine

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Art Rückversicherung für schlechte Zeiten: Wenn es mit den Verkäufen harzt, dann sorgen die Serviceerträge für das Existenzminimum. Mit einsetzender digitaler Revolution hat sich indes gezeigt, dass sich Hersteller von Maschinen in etlichen Bereichen nicht mehr blind auf die bisherigen Kunden verlassen können – es drohen ständig neue disruptive Verfahren neben den Klassikern wie Standortkonsolidierung und Verlagerung von Kapazitäten. • Halbwertszeit des Wissens Nicht nur bei Schülern, auch in der Industrie verringert sich die Halbwertszeit des Wissens ständig: Die Software, die bei der Digitalisierung eine immer wichtigere Rolle spielt, sollte immer mehr Anlageteile unterschiedlicher Hersteller handhaben können, gelangt aber an

ihre Grenzen. Es gibt denn auch grosse Anlagebauer wie Siemens oder ABB, die sagen, dass es wenig Sinn gibt, alle Daten selber zu sammeln. Denn der Betrieb einer grossen Anlage umfasst mehr als die Summe von gesammelten Daten und Prozesswissen. • Besitz der Daten Gerade in der Autoindustrie macht man sich derzeit viele Gedanken, wem die Daten, welche die Fahrzeuge produzieren, gehören. Tesla beispielsweise kontrolliert weiterhin die ganze Kombination von Daten und Hardware. Google und Apple konzentrieren sich auf die Daten. Der Kauf von Mobileye durch Intel zeigt, wie und dass das Rennen um die Kontrolle offen ist. In der Praxis zeichnen sich zwei Modelle ab: Erstens gibt der Maschinenlieferant die Kontrolle der Daten und die Handhabung

an den Betreiber der Fabrik. General Electric handhabt das gegenwärtig so: Die Kunden sollen ihrerseits (mithilfe von GE-Software) das Maximum aus ihren Daten herausholen. Zweitens handhabt der Maschinenlieferant die Daten, aber sie gehören weiterhin dem Anwender: Der Lieferant analysiert hierbei die Daten mit und gibt dem Betreiber der Anlage allerhand gute Hinweise, wo und wie der Betrieb verbessert werden könnte. • Wartung und Reparaturen Jede Anlage, jede Maschine und jeder Industrieroboter geht mal kaputt. Neben den Kosten für die Ersatzteile spielen aus Sicht von Industriefirmen die Kosten des Ausfalls oft die wichtigste Rolle: Laut einem Beitrag in der «MIT Sloan Management Review» kostet der Ausfall einer mittelgrossen Erdgasverflüssigungs-Anlage

rund 125 Millionen Dollar. In der Industrie kursiert deshalb das Zauberwort der «prädiktiven Wartung», bei der spezielle Computerprogramme die Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Vibrationen ständig erfassen, um sich abzeichnende Ausfälle rechtzeitig zu erkennen. Die Herausforderung hier: Wer kommt in den Genuss der daraus resultierenden Einsparungen? In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Hersteller Einsparungen in der Regel an die Betreiber weiterreichen. • Neue Verfahren Gerade das 3DDrucken von Ersatzteilen hat das Zeug, mittelfristig das Wartungs- und Servicegeschäft zu disruptieren, denn teure Ersatzteile müssen nicht mehr um den halben Planeten geflogen, sondern können praktisch vor Ort hergestellt werden.


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Sesam öffne dich: Dank Codeübermittlung auf Handy oder Tablet können Pakete und eingeschriebene Briefe in den über achtzig Paketautomaten «MyPost24» der Post rund um die Uhr abgeholt oder aufgegeben werden.

Innovation braucht Freiräume Digital Labs Innovative Think-Tanks, befreit von verkrusteten Strukturen, sollen disruptive Ideen entwickeln und realisieren.

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FREDY HÄMMERLI

er Groove ist unverkennbar: bunte Neonröhren im Treppenhaus, die Wände der umfunktionierten Altbauwohnung weiss gestrichen, Getränkeautomat, Kaffee aus dem Becher, Ikea-Tische, die Kabel der Computer nur lose verlegt. Selbst der unvermeidliche «Töggelikasten» fehlt nicht. Pegasus Digital, ein kürzlich gegründetes Unternehmen an der Zürcher Kanzleistrasse, – einst mitten im Arbeiterviertel, heute im Zen­ trum des kulturellen und gesellschaft­ lichen Meltpot der Stadt – strömt alles aus, was man von einem Startup erwartet. Hier arbeitet ein halbes Dutzend junger Menschen an kreativen Lösungen für Fragen, die sich vielleicht erst morgen stellen.

Immer «the next big thing» vor Augen. Im Gegensatz zu klassischen Startups arbeiten sie aber nicht an eigenen Projekten, sondern an Aufgaben, die ihnen meist ­grössere Konzerne gestellt haben: Banken, Versicherungen, aber auch Industrie­ unternehmen, die sich davor fürchten, von disruptiven Geschäftsmodellen überrollt zu werden. Facebook, Uber, Airbnb und Whatsapp lassen grüssen.

Geschützt vor etablierten Strukturen «Grossen Unternehmen fehlen agile Einheiten, welche mit Vollgas etwas ent­ wickeln und vermarkten können, mit voller Profit-and-Loss-Verantwortung», weiss Elisa Eikevaag, Chefin von Pegasus Digital, mit Abschluss in Betriebswirtschaft und einem MBA der EDHEC Business School. «Es fehlt an ‹geschützten Werkstätten›, in

Handlungsbedarf bei «digitalen» Talenten und Kulturen Wo besteht aus Ihrer Sicht ein besonders hoher Handlungsbedarf? (Mehrfachnennungen)

55% 48% 48% 43% 36% 15% 6% Schaffung Implemen­ eines attrak­ tierung eines tiven Umfelds nachhaltigen und effektiver Innovations­ Anreizmecha­ prozesses für nismen, um disruptive Ideen notwendige sowie einer digitale Talente unternehmens­ zu gewinnen übergreifenden und zu halten Innovations­ kultur

Forcierung einer unter­ nehmerischen Risiko- und Fehlerkultur

Erarbeitung Schaffung Unterstützung einer ganz­ inspirierender, der digitalen heitlichen geschützer Aktivitäten Strategie und Räume, in durch hoch­ Vision für das denen sich neue kompetente digitale ­Zeit­alter Ideen und UnternehmerTalente voll und Startupentfalten Profis mit ­können digitaler Erfahrung

Sonstiges

QUELLE: 123 TOP-EXECUTIVE-TEILNEHMENDE DES STRATEGIE-FORUMS AM ZÜRICHSEEE – 17. NOVEMBER 2016.

denen sich Innovationsvorhaben frei entfalten können, ohne durch das dominante Kerngeschäft und mächtige Stabseinheiten ausgebremst zu werden.» Tools wie Design Thinking, Rapid Prototyping und Weekly Sprints würden sich mit bestehenden Kulturen nicht vertragen, erklärt sie im Jargon der jungen, kreativen Elite. «Geschützte Werkstatt?» «Geschützt vom Corporate, aber hart am Wind, was den Markt betrifft», präzisierte Rasoul Jalali, Uber-Chef für die Schweiz, Deutschland und Österreich, den leicht missverständlichen Begriff kürzlich an einem Strategieforum des Executive-Netzwerks C-Level. Frank Marthaler gibt ihm recht: «Oft bremsen Compliance, Regulierung, IT und auch Stäbe der bestehenden Organisation, obwohl sie es eigentlich nicht böse meinen», weiss der ehemalige CEO von Swiss Post Solutions aus eigener ­Erfahrung. Heute ist er als Berater und Verwaltungsrat verschiedener Startups und KMU unterwegs. Seine Erkenntnis: «Nichts ist so schwer, wie eine Kultur zu ändern.»

Zürcher Innovationsmanufaktur Ein ähnliches Geschäftsmodell wie ­Pegasus Digital verfolgt auch die Zürcher Firma Quo. Auch sie bietet sich als externe Ideenschmiede an. Quo versteht sich aber eher als Innovationsmanufaktur und hat sich auf die Entwicklung von technischen Lösungen und Design spezialisiert. Hinter Quo stecken die Ingenieure Walter Weiler (CEO) und Andreas Schlegel (Verwaltungsrat) sowie die Noser-Management-Gruppe des Zürcher FDP-Ständerats Ruedi Noser.

In der Regel arbeitet das Quo-Team g­ emeinsam mit Leuten des Auftraggebers an den Projekten. Ihnen stehen im Glattpark im Kanton Zürich eine eigens dafür eingerichtete Werkstatt für den Modellbau sowie ein Versuchslabor zur Verfügung.

zu entwickeln, sondern auch den Puls der Fintech-Szene zu fühlen. Dazu engagiert sich das RAI Lab auch in Communities wie Swiss Fintech Innovations, Swiss Finance Startups, Digital Switzerland ­ oder Kickstart Accelerator. Weiter soll das RAI Lab mithelfen, in der RaiffeisenGruppe eine Innovationskultur zu etabDigital Lab von Swisscom und EPFL lieren und neue Arbeitsmethoden wie Aber auch die Grossen schlafen nicht: Hack, Accelerator oder Incubator aus­ Die Swisscom hat zusammen mit der zuprobieren. Nicht zuletzt geht es aber Ecole Polytechnique Fédérale de Lau- auch darum, völlig neue Geschäftsfelder sanne (EPFL) ein eigenes Digital Lab auf- für die Bankengruppe zu entwickeln. Das gebaut, das nicht nur der Hochschule und kann die Öffnung der Bank als lokaler dem Telekomriesen als BrutArbeitsort und Treffpunkt ­ stätte für neue, kreative Ideen beinhalten, aber auch die Es geht zur Verfügung steht, sondern Förderung des E-Sport (etwa auch ­darum, auch von Kundenaufträgen Video­games, E-Learning), lebt. Ziel ist es, «die digitale wie Kurz ausführt. völlig neue Völlig losgelöst von äus­ Transformation voranzutrei­Geschäftsfelder ben». «Ideen», so der hochseren Zwängen und Bezu entwickeln. gesteckte Anspruch an sich schränkungen darf allerdings selbst, sollen «innerhalb von auch das RAI Lab nicht werzwei Wochen in eine konkrete Lösung ken: Erstens muss Kurz bis Ende Jahr zählbare Resultate präsentieren. Noch umgewandelt» werden. Ganz ohne Drittkunden arbeitet das wichtiger aber: Allzu kühne Höhenflüge RAI Lab der Raiffeisen Bank. Das zehn- sind denn doch wieder nicht erwünscht. köpfige Team von Head Rudolf J. Kurz ist So findet Raiffeisen-Chef Gisel beispielsdirekt dem CEO der Raiffeisen-Gruppe, weise die in Finnland praktizierte ZuPatrik Gisel, unterstellt und profitiert sammenarbeit zwischen dem Ban­kenvon einem ausgesprochenen Nerd-Status und Gesundheitswesen im Bereich (Eigeneinschätzung): Es arbeitet völlig ­Datenverarbeitung, Finanzdienstleistung ausserhalb der etablierten Raiffeisen- und medizinische Behandlung zwar Strukturen und auch die Mitarbeiter ­«innovativ». Trotzdem plane Raiffeisen ­entsprechen in keiner Art dem Bild tradi- nicht, in den Schweizer Gesundheitstioneller Banker. Es handelt sich um markt einzusteigen, sagt Gisel. Eigentlich Kunstschaffende, Leistungssportler, Me- schade, denn die finnischen Bankkundienleute, Physiker, NGO-Aktivisten und den zahlen dank der Kooperation bloss Startup-Gründer. Ziel ist nicht nur, eigene noch die Hälfte der sonst üblichen Ideen und Prototypen für das Banking 4.0 ­Behandlungskosten.

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Hybrides Denken macht den Unterschied. Die neuen Realitäten wie Globalisierung, Digitalisierung oder die explodierende Komplexität zwingen uns, etablierte Business- und Marketing-Paradigmen über Bord zu werfen. Deshalb denken wir bei Crosswalk Strategien grundsätzlich aus verschiedenen Perspektiven. Analytisch und intuitiv: Kreativität basiert selten auf blosser Analytik. Hier zählt auch die Intuition. Physisch und digital: Die Welt ist nicht analog. Aber auch nicht digital. Sie ist zunehmend hybrid. Transaktional und transformational: «Run the System» sichert die Gegenwart. «Change the System» die Zukunft. Es gewinnt der, der beides beherrscht.

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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Die innovative Bank und ihr Motor

Finanzinstitute Um in der digitalen Welt bestehen zu können, müssen Banken ihre gewachsenen Strukturen ändern.

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ie Finanzwelt ändert sich momentan rasant. Banken setzen sich intensiv mit Themen wie Instant Payment, Bezahlen per QRCode, Peer-to-Peer-Kreditvergabe oder Blockchain-Anwendungen auseinander. Zudem öffnet sich der Markt durch zahlreiche Regulierungsvorschriften, allen voran PSD2, für neue Anbieter – für Fintechs genauso wie für Unternehmen fremder Branchen. Da sie meist Nischen besetzen, haben diese die Möglichkeit, ihre Leistungen kostengünstiger anzubieten – gleichzeitig punkten sie durch zukunftsorientierte und kundenfreundliche Angebote. Für die digitalen Herausforderungen müssen die Banken gewachsene Strukturen anpassen, müssen agiler und innovativer werden. Neue Geschäftsmodelle sind notwendig, um im Wettbewerb weiterhin erfolgreich sein zu können. Doch wie findet die Digitalisierung Eingang in die Strategie der Banken? Wie lässt sich eine Innovationskultur aufbauen und was ist deren Motor? Zunächst ist es entscheidend für die Bank zu definieren, wie die Digitalisierung in das Geschäftsmodell einfliessen soll und wo sie sinnvoller Bestandteil werden kann. Dafür muss in den meisten Fällen zunächst die Infrastruktur auf den neuesten technischen Stand gebracht werden – beispielsweise durch eine Architektur mit offenen Schnittstellen, sodass Drittanbieter eingebunden werden können. Erst dann können neue Ideen realisiert werden – und zwar möglichst schnell. Denn wer als Erster attraktive digitale Angebote auf den Markt bringt, profitiert am meisten. Dafür kann es notwendig sein, ganz bewusst Medienbrüche in Kauf zu nehmen und mit Umgehungslösungen zu arbeiten, bis die IT mit der eigentlichen Lösung fertig ist. An dieser Stelle müssen viele Finanzinstitute umdenken und eine neue Innovationskultur aufbauen. Das bedeutet: Raus aus dem alltäglichen Arbeitsumfeld, über den Tellerrand schauen und zulassen, dass neue Ideen auch scheitern dürfen.

Wie sieht gelebte Innovation in der Praxis aus? Die folgenden drei Beispiele zeigen, welche Schritte Finanzinstitute gehen können, um sich neu zu orientieren.

1. Innovation in lebendigen Ökosystemen

Auf zahlreiche Initiativen hin sind mittlerweile Ökosysteme entstanden, welche verschiedene Akteure der Digitalisierung zusammenbringen, Kräfte bündeln und dadurch neuen Ideen einen Raum geben. In der Schweiz bilden beispielsweise unter dem Namen Digital Switzerland mehr als sechzig Akteure aus verschiedenen Branchen ein Netzwerk, das es sich auf die Fahne geschrieben hat, den digitalen Wandel aktiv voranzutreiben. Bereits Ende 2015 startete im Stuttgarter Corporate Center des IT-Spezialisten GFT der Innovationscampus Code-N Spaces. Gründer, Innovationsteams internationaler Unternehmen und erfahrene Manager aus verschiedenen Branchen können hier losgelöst von ihren Arbeits- und Konzernstrukturen an neuen Projekten arbeiten – so zum Beispiel ein internationales Team von Daimler Trucks. Entscheidend für etablierte Unternehmen ist dabei der Umgebungswechsel, der – fernab der Unternehmenszentrale – neue Sichtweisen ermöglicht. Gleichzeitig profitieren die Spaces-Nutzer von einem grossen Netzwerk mit Zugang zu wertvollem Know-how. Dabei entstehen neue Ideen zum Beispiel auch bei einem Gespräch mit Branchenkollegen aus anderen Unternehmen, mit denen man im «Normalfall» nie zusammengekommen wäre. Wer als Startup in die Spaces einziehen möchte, kann sich mit seinem digitalen Geschäftsmodell um einen Platz bewerben. So überzeugte beispielsweise Blickshift, eine Ausgründung des Instituts für Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart, mit ihrer visionären Eye-Tracking-Lösung. Das Startup nutzt die neusten Forschungsergebnisse, um auf Basis von Big Data die Interaktion zwischen Nutzer und Produkten detailliert zu analysieren. Das SpacesKonzept stösst auf rege Nachfrage: Mittlerweile wurde der Stuttgarter Campus erweitert. Auch für den Schweizer GFT-

Standort in Zürich laufen bereits erste Planungen.

2. Zukunftstechnologien greifbar machen

Welche Bedürfnisse haben die Bankkunden, welche Technologien können diese erfüllen? In ihren Digital Innovation Labs hat GFT reale Szenarien nachgebildet: in der Bankfiliale, beim Shopping in der Stadt oder auch zu Hause auf der Couch. Beispielsweise gibt es ein Modegeschäft, das Einkaufsmöglichkeiten über verschiedene Kanäle anbietet, um die digitalen Anwendungen mit echten physischen Szenarien zu verbinden. Die Labs beinhalten ausserdem modernste technische Bezahltechnologien. Beispielsweise wird beim Verlassen des Ladens automatisch erkannt, welche Kleidungsstücke der Kunde kaufen möchte. Per Handy kann er diese dann an einem speziellen Terminal autonom bezahlen. Durch die Nachbildung reeller Situationen können Banken gezielter testen, welche Dienstleistungen erfolgversprechend sind. In Design Thinking Workshops entwickeln Berater und Banken mit diesen Informationen neue Ideen und Geschäftsmodelle, welche im Anschluss in einem Prototyp umgesetzt werden. Diesen nimmt der Kunde mit in seine Institution, um auf dieser Basis weiterzuentwickeln.

3. Kooperation mit Fintechs

Die Digital Innovation Labs integrieren neben Finanzdienstleistern auch die Angebote von mehr als zwanzig Startups, hauptsächlich Fintechs. An konkreten Beispielen zeigen sie, wie die neuen Ideen ihre Geschäftsprozesse verbessern können. Etwa durch den Einsatz von virtuellen Assistenten oder neuen Identifizierungslösungen. Fintechs werden heute von Banken nicht mehr als Gegner, sondern vielmehr als Partner und Ideengeber wahrgenommen. Der Kulturwandel hat hier also bereits begonnen. Daniel Rutishauser, Managing Director, GFT Schweiz, Zürich, und Moritz Gräter, Managing Director, Code_n, Stuttgart.

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DANIEL RUTISHAUSER UND MORITZ GRÄTER

Das autonome Postauto: Die Post fährt im Testbetrieb als europaweite Pionierin Passagiere mit dem «Smartshuttle» durch die engen Gassen der Altstadt von Sion.

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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Nicht warten, sondern wagen Digital Journey In vielen KMU findet trotz Mehrwissen keine digitale Revolution statt. Sich nur informieren und abwarten reicht immer weniger. Die Gründe.

schulen einzugehen, um sich aktiv und neutral über Technologien und Möglichkeiten zu informieren und sie an Projekten konkret auszutesten. Das in Rapperswil neu gestartete DigitalLab@HSR seinerseits holt sich laut Hänggi das technologische Wissen an den insgesamt 16 eigenen Forschungsinstituten der HSR, beim internationalen Partner Cognizant sowie bei Technologiepartnern wie zum Beispiel Microsoft.

JOHANNES J. SCHRANER

Austausch mit vielen Partnern Warum der CAS Digital Banking offenbar am digitalen Puls der Zeit ist, verdeutlicht Co-Studienleiter Nils Hafner. «Der zweite CAS, der im April starten wird, musste inhaltlich zu 40 Prozent komplett neu aufgestellt werden. Dieser CAS hat so viel Vorbereitungszeit benötigt wie kein anderer», stellt Hafner trocken fest. Wo aber misst Hafner seinerseits den digitalen Puls? Der wirblige Co-Studienleiter berät selber Unternehmen auf der strategischen Ebene. Der entsprechende Austausch sei sehr offen. Ausserdem habe die Studienleitung einen Blog eingerichtet, auf welchem ein intensiver Austausch mit

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W

o können Unternehmer digitales Wissen und erfolgreiches Know-how heute abholen und umsetzen, ohne damit rechnen zu müssen, dass es morgen schon veraltet ist? «Die Halbwertszeit des Wissens ist tatsächlich sehr kurz», stellt Claudio De Biasio fest. Der Leiter E-Business der Thurgauer Kantonalbank hat vor kurzem den neuen CAS Digital Banking der Hochschule Luzern absolviert. Der Kurs habe ihm geholfen, sich einen aktuellen Überblick über die zahlreichen Facetten der Digitalisierung im Banking zu verschaffen. Das sowohl aus einer strategischen Perspektive als auch aus Kundensicht, so De Biasio.

Einkäufe in den Kofferraum: Das Tablet weist dem Paketboten den Weg zum Fahrzeugkofferraum des Paketempfängers.

verschiedensten Ansprechpartnern stattfinde. «Wir haben einen Informationsdienst des Swisscom-Think-Tanks E-foresight abonniert, über den wir regelmässig Inputs und Hintergrundinformationen aus der Welt der Digitalisierung erhalten, an die wir anderweitig nur mit sehr viel Aufwand kommen würden», schildert Kantonalbank-Mann De Biasio seinen Zugang zum laufenden Wandel. Nicht zuletzt helfe auch das Netzwerk aus Dozenten und Alumni des CAS Digital Banking. Das sei einer der grössten Mehrwerte des CAS. Gut sei, dass Kursteilnehmer sowohl aus kleineren als auch aus Grossbanken dabei gewesen seien und dass man sich mit Providern und Beratern ausgetauscht habe.

Fast alle reden vom digitalen der HSR, die digitale BefindPotenzial für lichkeit der teilnehmenden Wandel. Die grosse Revolution KMU steckt in KMU zusammen. in der Welt der Unternehmer «Sich nur informieren allerdings findet bisher nicht der Einbindung aber reicht nicht», mahnt statt, trotz allem auch nicht in von Kunden in Hänggi. Digital Journey der Finanzindustrie. Das stellte unlängst Aniello Bove, CEO die Entwicklung. brauche eine längere Zeit und lasse sich nicht von und Partner von Andrion, fest. Bove ist Digital-Berater für Banken. Nicht heute auf morgen realisieren. Dazu sei von nur diese warten ab. Auch viele KMU tun es. entscheidender Bedeutung, konkrete Ideen Das jedenfalls ergab eine Umfrage unter umzusetzen und vor allem diese ersten den rund 150 Teilnehmern der Konferenz Schritte mit Kunden zu testen. Das schnelle «Digitalisierung in der Industrie» an der Lernen sei ein wichtiges Element der DigiHochschule für Technik Rapperswil (HSR). talisierung. Dazu brauche es eine breite Ein Grossteil der Firmen sammle derzeit Kompetenzbasis und eine Möglichkeit, auf Informationen über die Digitalisierung dieses immer wieder neue Wissen zuzuoder evaluiere Projekte, fasst Roman Häng- greifen. Hänggi rät deshalb Unternehmen, gi, Dozent für Produktionsmanagement an Partnerschaften unter anderem mit Hoch-

Druck auf die Zulieferer Den Befund von HSR-Mann Hänggi, dass sie meisten KMU sich bisher nicht digital wandeln, sondern warten und sich informieren, bestätigt Alexandra Boger von der Hochschule Konstanz (HTWG). «Während einige wenige KMU digitale Innovationen selbst forcieren, sehen sich andere von internationalen Grossunternehmen unter Druck, ihre Digitalisierung voranzutreiben, wenn sie deren Zulieferer bleiben wollen», fasst die Koordinatorin des im März ebenfalls neu gestarteten KMUdigital Lab der Internationalen Bodensee Hochschule (IBH) die harte Realität zusammen. Am KMUdigital Lab beteiligen sich Forschende von insgesamt sieben Hochschulen rund um den Bodensee. Dazu zählen die Fachhochschule St. Gallen, die Hochschule für Technik Buchs, die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sowie die Pädagogische Hochschule Thurgau. Bei der Auftaktveranstaltung für das KMUdigital Lab im österreichischen Dornbirn bestätigte Marcus Kurth im Übrigen eine entscheidende Beobachtung von Roman Hänggi: «Beim Thema Produktion gibt es noch viel Potenzial für KMU, um effizienter zu werden. Dazu gehört auch die Einbindung von Kunden in die Produktentwicklung», erklärt der Dozent an der HTWG Konstanz. An diesem Punkt beginnt für viele Unternehmen möglicherweise die eigentliche digitale Revolution.

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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Rahm, ­Joghurt und Käse 4.0 Emmi Die Milchverarbeiterin hat mithilfe von ­Bearingpoint und Acs ihre heterogene Systemund Prozesslandschaft vereinheitlicht.

Molkerei Schweiz sitzt in der erweiterten Konzernleitung und vertrat Emmi bei der jüngsten Präsentation des Digitalisierungsprojekts am Standort im luzernischen Kaltbach, wo sich die berühmte Käse-Höhle befindet. Allein in der Schweiz führt Emmi nicht weniger als 25 verschiedene Produk­tionsbetriebe. Dazu kommen Tochtergesellschaften in 13 Ländern, sieben davon ebenfalls mit eigener Produktion. «Die einzelnen Produk­tionsbetriebe funktionierten in der Vergangenheit wie Silos mit je eigenen IT-­Systemen, die über ganz unterschiedliche Automatisierungsgrade verfügten», erklärt Dubach die Ausgangslage, die den Handlungsbedarf zum Projekt One-ERP ausgelöst hatte.

orrätig oder nicht? Neu kann ich den Bestand im Materiallager zentral abrufen.» Der Emmi-Mitarbeitende mit weissem Kittel und Hygienehaube steht im Lager zwischen zwei turmhohen Regalen vollge­ laden mit Milch­packungen. Sein Lächeln und das Smartphone in der Hand deuten darauf hin, dass er den Durchblick hat. Genau wie seine Kollegin, die im gleichen Outfit zwischen riesigen Produktionsan­ lagen steht. Auch sie hantiert mit einem mobilen ­Gerät. Ihr Zitat: «Ob maximale Produktion oder Maschinenstillstand: Die Maschine sendet die prä­zisen Daten neu direkt auf meinen Scanner.» Solche und Zusammenarbeit mit den Beraterteams Nach einem ersten erfolglosen Versuch weitere fotografisch dokumentierte Alltagsszenen von eigenen Mitarbeitenden zur Vereinheitlichung der Prozesswelt sind zurzeit in hoher Zahl an diversen schloss sich Emmi vor rund vier Jahren mit Standorten von Emmi gut sichtbar in Gän- Bearingpoint und Acs zusammen. Vordergen, Hallen und Büros angebracht. gründiges Ziel der gemeinsamen AnstrenDie Zentralschweizer Milchverarbei­ gungen war, sämtliche Geschäftsprozesse von Emmi zu harmonisieren terin gibt damit dem Projekt und im SAP-Standard ab­ ein Gesicht, das sie in den Veränderungen zubilden. Dies sollte die letzten Jahren ordentlich auf der Prozesswelt IT-Komplexität verringern Trab gehalten hat. Der Slogan am unteren Ende der und damit auch Betriebsmuss man kosten einsparen. Neben alPlakate klärt auf. «Heute gut ­verdaubar len technischen Verbesse– morgen besser. OneERP» ­gestalten. rungen war und ist für Othlautet er und führt den Betrachter unweigerlich auf mar Dubach ein Punkt ganz die digitale Fährte. In der Tat hat sich wesentlich: «All diese teilweise markanten Emmi im Rahmen ihrer One-ERP-Initiati- Veränderungen in unserer Prozesswelt ve sehr intensiv den Herausforderungen müssen für Emmi und die Mitarbeitenden der digitalen Transformation gestellt. verdaubar gestaltet werden.» Ein AutomaDas Resultat ist, wie es der Name des tisierungsprojekt, so ­visionär es auch sei, Projekts verrät, ein einheitliches ERP- dürfe letztlich die Menschen, denen es zugutekommen soll, nicht überfordern. (Enterprise-Resource-Planning-)System, Diesen Ansatz haben sich auch die das die gesamten Produktionsprozesse des Konzerns ab sofort umfassend ver- ­Beraterteams von Bearingpoint und Acs zu netzt und zentral steuert. Nicht weniger Herzen genommen. «Wir haben sämt­liche als vier Jahre Arbeit waren dafür notwen- Prozesse stets mit Vertretern der einzelnen dig. In enger Zusammenarbeit mit den Emmi-Standorte diskutiert und ­gemeinsam ­Beratungspartnern Bearingpoint und Acs zukünftige Sollprozesse definiert», sagt Pehat Emmi in dieser Periode sämtliche ter Moraw, Projektleiter bei Bearingpoint. ­betriebswirtschaftlichen Prozesse in der Es habe sich von Beginn weg eine sehr kongesamten Produktion bis ins Detail analy- struktive und daher hochprofessionelle siert und anschliessend harmonisiert. Zusammenarbeit zwischen den Teams von Emmi und den ­Beratern entwickelt. Das ist Geschäftsprozesse harmonisieren keine Selbstverständlichkeit bei Projekten Für Emmi ist das Projekt ein wichtiger mit einer derart hohen Komplexität. EntMeilenstein für die Zukunftsgestaltung scheidend mitgeholfen habe sicherlich der und aus einer dringenden Notwendigkeit Umstand, dass das gesamte Emmi-Maheraus entstanden. «Unser Unternehmen nagement von Beginn weg geschlossen war und ist wegen seiner Geschichte sehr hinter der stringenten Umsetzung gestanheterogen aufgestellt, was sich infolge den habe, sagt Othmar Dubach. Gleichwohl ist nach der langen Projektzahlreicher Zukäufe auch im Ausland in der jüngeren Vergangenheit noch akzen- dauer und Kosten von über 20 Millionen tuiert hat», erklärt Othmar Dubach. Der Franken die Erleichterung über den erfolgLeiter der Geschäftsbereiche Käse und reichen Abschluss deutlich spürbar. «Eine ANZEIGE

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ROBERT WILDI

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derart einschneidende Neukonfiguration der gesamten Prozess- und Systemlandschaft vollzieht man nicht dreimal im Leben», sagt Othmar Dubach. Umso schöner sei das Resultat: Es konnte im Rahmen des Projekts One-ERP neben der Harmonisierung der System- und Prozesslandschaft auch eine flexible Integrationsplattform geschaffen werden, um so den im Emmi-Konstrukt standortspezifischen Anforderungen

gerecht zu werden und Systembrüche zu vermeiden. «Das ermöglicht die prozesskonforme Anbindung von unterschiedlichsten Automations- und Fertigungsanlagen innerhalb kürzester Zeit. Also eine ganzheitliche, vertikale Integration» erklärt Lorenz Meyer, Projektleiter bei Acs. Innerhalb von nur zehn ­Monaten ist bereits die Inbetriebnahme der sechs grössten Schweizer Produk­tionsstandorte von Emmi gelun-

gen. Das freut auch alle Mitarbeitenden vor Ort. So jedenfalls macht es den Anschein beim Mitarbeitenden auf dem Projektfoto mit der Aufschrift: «Von wegen keinen Plan: Von nun an kenne ich meine Arbeitseinsätze schon weit im Voraus.» Die Automatisierung machts. www.bearingpoint.com www.acs-ag.ch

«Viele neue Technologien, engmaschiges Controlling» Wo lagen die Knackpunkte bei diesem riesigen Transformationsprojekt? Peter Moraw: Eine grosse Herausfor­ derung war, dass aufgrund der Kom­ plexität des Emmi-Geschäftsmodells gleich eine Vielzahl von neuen Tech­ nologien parallel eingeführt werden musste. Dies bescherte uns bei diesem Projekt einen enorm hohen Integra­ tionsaufwand. Lorenz Meyer: In der Produktion sollen über tausend Mitarbeitende mit einem neuen System und einheitlichen Prozessen arbeiten. Dieser Wechsel funk­ tioniert nicht von heute auf morgen. Dank einer sehr frühen Pilotphase des MES (Manufacturing Execution System) konnten die Mitarbeitenden an den Anlagen von Anfang an einbezogen werden. Die Zuversicht und die Akzeptanz konnten so gestärkt werden, was sich als einer der Erfolgsfaktoren für das gesamte Projekt herausstellte. Steigt bei einer solchen Komplexität nicht auch die Fehlerquote rasant? Moraw: Auf jeden Fall, sofern man nicht sehr genau arbeitet und vor allem jeden Schritt permanent überprüft. Die Parallelität des Rollouts erforderte von

Peter Moraw Projektleiter, Bearingpoint

allen Beteiligten ein sehr e­ ngmaschiges Projekt-Controlling ­hinsichtlich der Fortschritte an jedem einzelnen EmmiStandort. Wir haben nicht von ungefähr während vier Jahren rund zwanzig Berater mit einer zeitlich hohen Belastung für dieses digitale Transformationsprojekt eingesetzt. Meyer: Die Komplexität der gesamten Systemlandschaft ist nicht zu unterschätzen. Durch die Standardi­sierung der Funktionen sowie der Schnittstellen konnte dem Umstand jedoch entgegengewirkt werden. Anders wäre es nicht möglich gewesen, in der vorgegebenen Zeit über 400 Produk­ tionsanlagen auszurollen. Und dies offenbar mit Erfolg. Moraw: Die Projektziele wurden erreicht.

Lorenz Meyer Projektleiter, Acs

Emmi hat die Geschäftspro­zesse harmonisieren und die IT-Komplexität reduzieren können. Die IT-Systeme verfügen über einen hohen Integrationsgrad, was einen konsistenten und durchgängigen Wertefluss über alle Bereiche hinweg gewährleistet. Und das alles schafften wir im definierten Zeitrahmen zum im Voraus veranschlagten Budget. Meyer: Das MES in der Produk­tion erfreut sich einer sehr hohen Akzeptanz. Die Mitarbeiter erkennen die Vereinfachung und den Mehrwert durch das neue System. Keiner möchte wieder zur früheren Arbeitsweise zurück. Auch Ideen für weitere Optimierungen, die durch die neue Plattform möglich sind, werden schon rege diskutiert. INTERVIEW: ROBERT WILDI






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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Stimmabgabe auch auf elektronischem Weg: Die E-Voting-Lösung der Post ist im Einsatz und steht für die Kantone bereit – Transfer der urdemokratischen Prozesse in die digitale Welt.

Wer kennt Insurtech?

Versicherung Veränderte Kundenbedürfnisse und wendige Konkurrenten zwingen Konzerne, sich neu zu erfinden.

CAROLA WAHL

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ach anderen Branchen wie der Reisebranche oder den Medien steht nun das Versicherungs­ geschäft aufgrund der Digitalisierung vor einem grundlegen­ den Wandel. Die Digitalisierung führt zu einer zunehmenden Transparenz des Marktes und erleichtert es den Konsumenten, blitzschnell Angebots­ vergleiche zu erstellen. Die Position der Konsumenten wird damit gestärkt. Sie haben nicht nur mehr Vergleichs­ möglichkeiten als früher, sondern sie sind auch viel informierter – wobei ihnen hier auch die Aufgabe zufällt, die Flut der unwesentlichen oder un­ wahren Informationen aus dem Netz zu filtern. Dennoch steigt das Preis­ bewusstsein und sinkt damit die Loya­ lität zu einer Marke, was zu einem verschärften Wettbewerb unter den Anbietern führt.

Verständlicheres Baukastenprinzip Darüber hinaus erwarten Kunden heutzutage digitale Kundenerlebnisse über alle Kontaktpunkte hinweg. Um ihnen im Kerngeschäft solche bieten zu können, müssen sich die Versiche­ rer entlang der gesamten Wertschöp­ fungskette digitalisieren und die On­ line­Kundeninteraktion erhöhen. Der Trend dürfte dahin gehen, dass es künftig noch verständlichere, weniger beratungsintensive Möglichkeiten braucht, damit Kunden die passenden Versicherungspolicen im Baukasten­ prinzip schnell und sicher online abschliessen können. Oder, aus Sicht der Versicherungsunternehmen for­ muliert: Die Digitalisierung bietet uns die Chance, neue Smart Services zu entwickeln, die neue, schnelle Wege der Kundeninteraktion ermöglichen und zur Kundengewinnung und ­bin­ dung beitragen. Plötzlich ist Wendigkeit gefragt Schnelligkeit ist insgesamt ein Grundtenor der Digitalisierung: Die Welt wird durch sie immer schnell­ lebiger, Produktzyklen verkürzen sich und stellen die Unternehmen vor die Herausforderung, immer agiler auf Veränderungen zu reagieren, Trends frühzeitig zu antizipieren und Innova­ tionen schneller zu entwickeln. Dies stellt Konzerne vor ungewohnte Her­ ausforderungen. Plötzlich ist Wendig­

keit gefragt – auch für Grossunterneh­ men, die sich gemäss ihrer Natur eher behäbig, aber auch verlässlich wie Tanker bewegen. Damit diese Tanker schneller die Richtung ändern können, bedienen sie sich auch gerne der Hilfe von klei­ nen, wendigen Beibooten und lassen sich von ihnen inspirieren: Startups, die den etablierten Firmen zeigen, wie die neuen technologischen Möglich­ keiten ihr Business schneller, ein­ facher und intuitiver machen können; Jungunternehmen, die neue Ideen von der grünen Wiese aus entwickeln können und von deren Arbeitsweisen die Grossfirmen sich etwas abschauen möchten. Das Eingehen von strategi­ schen Kooperationen mit Startups, die mit ihren innovativen Ideen das eigene Geschäftsmodell unterstützen, ist da­ her für die meisten Konzerne ein integraler Bestandteil ihrer Digitalisie­ rungsstrategie.

Insurtechs sind agiler Im Bereich der Versicherungsbran­ che erobern derzeit die sogenannten Insurtechs den Markt, die an verschie­ denen Stellen der Wertschöpfungskette ansetzen. Insurtech steht im Vergleich zu Fintech eher noch am Anfang. Der­ zeit gibt es einige Startups im Markt,

Insurtechs sind in ihren Handlungsabläufen und Prozessen viel agiler und nutzen neue Technologien. die in Vertrieb und Brokerage anset­ zen. Die Digitalisierung wird jedoch entlang der gesamten Wertschöp­ fungskette Veränderungen mit sich bringen. Neue Technologien werden zum Pricing von Produkten, zur Be­ trugserkennung, zur Prävention von Schäden beitragen und eine schnel­ lere und bessere Schadenerledigung ermöglichen sowie die Interaktion zwischen Kunden und Versicherern verstärken. Insurtechs sind in ihren Prozessen und Handlungsabläufen viel agiler und nutzen vielfältige neue Techno­ logien. Davon können Grossunter­ nehmen profitieren, frühzeitig neue Trends erkennen und schneller auf Marktentwicklungen reagieren. Um­

gekehrt können Startups von einer Zusammenarbeit mit einem etablier­ ten Unternehmen profitieren, weil sie damit spezifisches Know­how, Zu­ gang zu Kunden und Unterstützung bei der Internationalisierung er­ halten. Die Herausforderung für die Konzerne besteht hierbei aber darin, die zur eigenen Strategie passenden Startups zu finden – und für sich zu gewinnen. Diesbezüglich fahren die meisten Konzerne mehrgleisig: Dazu screenen sie permanent die Startup­ Szene, stellen Venture Capital zur Ver­ fügung oder kooperieren mit Hoch­ schulen und anderen Innovations­ netzwerken.

Eigene Ideen entwickeln Aber das ist nicht der einzige Weg. Ebenso virulent ist die interne Ent­ wicklung eigener innovativer Ideen. In internen Ideenwerkstätten oder Inno­ vation­Hubs denken erfahrene Mit­ arbeitende das angestammte Geschäft neu, entwickeln neue Services und Features. Denn insgesamt muss die Digitalisierung vor allem als Chance gesehen werden, um sich von den Mit­ bewerbern zu differenzieren. Daher ist die Digitalisierung des Kerngeschäfts einer der wichtigsten strategischen Unternehmensschwerpunkte dieser Zeit. Integraler Bestandteil der Digitali­ sierungsstrategie muss aber auch die Stärkung der internen Fähigkeit zur Transformation sein, die das Unter­ nehmen auf die veränderten Rah­ menbedingungen einstellt und fit macht. Dies erfordert ein neues Den­ ken, eine neue Herangehensweise von allen Mitarbeitenden und Füh­ rungskräften – kurzum: eine neue Unternehmenskultur. Gefragt ist hier vor allem eine im Vergleich zur alten Welt mutigere und agilere Arbeits­ weise jedes Einzelnen, um so flexibler und beweglicher zu werden, die Pro­ dukte noch kundennäher gestalten zu können und die Time­to­Market deutlich zu verkürzen. Ein wichtiges Ziel der Umsetzung der Digitalisie­ rungsstrategie ist es daher, die Agilität in der gesamten Unternehmenskultur breit zu verankern, ohne die Stabilität der Organisation zu gefährden, und so eine neue, tragkräftige Unterneh­ menskultur aufzubauen. Carola Wahl, Leiterin Transformation & Market Management, Axa Winterthur, Winterthur.

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PETER FROMMENWILER

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Belegung der Arbeitsplätze am Konzernsitz der Post: So finden Mitarbeitende den Weg in ruhigere Arbeitsbereiche oder an freie Büroplätze – und das Personalrestaurant weiss, wie viele Essen nachgefragt sein könnten.

Wie die Industrie punktet

Digital Services Für viele KMU im Maschinen- und Anlagenbau steht das Thema auf der Agenda der Geschäftsleitung. ROBIN DROST

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iel der Digital Services ist es, neben dem eigentlichen Maschinenverkauf mit Digital Services zusätzlichen Umsatz zu generieren. Viele KMU erarbeiten heute schon Ideen für digitale Angebote, und gerne konzentriert man sich dabei auf Features, die technische Umsetzung und den Datenzugang. Die Identifikation von relevanten Bedürfnissen, für die Digital Services einen wahren Kundennutzen erbringen, ist für den Erfolg von zentraler Bedeutung. Bei vielen industriellen Grosskonzernen werden die Digital Services stark gefördert, da das Geschäft mit Anlagen und Maschinen weltweit stagniert und Wachstum lediglich mit zusätzlichen Services möglich ist. Der Ausbau von Service-Leistungen im Geschäft der Gasund Dampfturbinen zum Beispiel wurde bereits vor vielen Jahren lanciert. Weltweiter 24-Stunden-Service, Fernwartung und Prozessoptimierung oder Betreibermodelle zum Beispiel generieren heute oft mehr Umsatz als der Verkauf von Maschinen oder Anlagen. Mit den erweiterten Möglichkeiten im Bereich von Industrie 4.0 ist es die logische Fortsetzung, die Serviceleistungen zu digitalisieren und den heute möglichen Datenaustausch in Echtzeit zu nutzen. Als globaler Player hat ABB im März 2017 an einer bedeutenden Kundenmesse in Houston unter dem Namen

«Ability» 180 digitale Produkte und Dienstleistungen angekündigt, um den Mehrumsatz mit ihren Kunden zu generieren. Bei vielen Schweizer KMU hingegen sind die digitalen Angebote teilweise noch wenig umsatzwirksam. Der Ausbau von digitalen Angeboten steht darum zurzeit weit oben auf der Agenda vieler Geschäftsleitungen. Da Ressourcen und Know-how bei den meisten KMU beschränkt sind, treffen sich nun zahlreiche Manager in Arbeitsgruppen für einen regelmässigen Erfahrungsaustausch.

Daten in der Produktion bei den Kunden zu verbessern. Im Unterschied zu den Grossunternehmen haben KMU eher weniger die Möglichkeit, einen MES-Dienstleister zu akquirieren, sodass hier alternative

Einfacher und kostengünstiger Die Produktionsprozesse bei den Kunden der Maschinen- und Anlagenbauer wurden in der Vergangenheit über eine Vielzahl von teilweise hierarchisch gegliederten IT-Systemen geplant und gesteuert. Inzwischen haben die notwendigen Geschäftsapplikationen teilweise einzelne Anwendungsfelder und -ebenen durchdrungen. Die Produktionsprozesse werden heute in einem ERP-System geplant und via Manufacturing Execution System (MES) gesteuert. Heutige MES ermöglichen die Steuerung und Kontrolle der Produktion in Echtzeit inklusive der Erfassung von Betriebsdaten, Prozessdaten sowie Maschinendaten und sind damit ein wesentlicher Baustein, um digitale Angebote zu realisieren. Kein Wunder, haben zahlreiche Grossunternehmen in den letzten paar Jahren MES-Dienstleistungsanbieter zugekauft, um den Zugang zu den

1. Identifikation wahrer BusinessCases (relevante Bedürfnisse bei den Kunden der Maschinen-/Anlagenbauer) 2. Analyse des Buying-Center (Anwender, Einkäufer, Beeinflusser und Entscheider) 3. Nutzbringende Kombination von Technologien und Konzepten von Industrie 4.0 4. Ansatz zur Integration in der bestehenden IT-Systemlandschaft beim Kunden unter Berücksichtigung von IT-Security-Aspekten durch den Maschinen-/Anlagenbauer 5. Aufwand und Zeitbedarf zur Erstellung der Digital Services für die einzelnen Business-Cases 6. Rasche Realisierung von Digital Services inklusive Validierung am Markt im Rahmen einer Digital Service Roadmap

DIGITAL SERVICES

Diese sechs Punkte sind zu beachten

Ansätze gefragt sind. Immerhin ist davon auszugehen, dass die Geschäftsapplikationen nicht nur die Anwendungsfelder und -ebenen durchdringen, sondern zukünftig mehrheitlich in der Cloud zur Verfügung gestellt werden. Mit diesem Trend kann der Austausch von Daten zwischen Maschinenherstellern und ihren Kunden bis auf die Maschinenebene zukünftig massgeblich vereinfacht und die Investitionskosten reduziert werden.

Typische Fehler Neben dem Zugang und dem Austausch von Daten mit den Kunden stellt die Identifikation von relevanten Bedürfnissen, für die Digital Services einen wahren Kundennutzen stiften, viele KMU vor erhebliche Herausforderungen. Anstatt die latenten Bedürfnisse der Kunden systematisch im Dialog zu ermitteln, wird vielfach versucht, Digital Services aus anderen Geschäften zu kopieren oder technisch getriebene Ideen umzusetzen. Oft erkennt man später, dass die teilweise aufwendig realisierten Lösungen keinen nachhaltigen Umsatz generieren. Als Ursache lässt sich beobachten, dass das Buying-Center bei der Generierung der Digital Services zu wenig berücksichtigt wird; Anwender, Einkäufer, Beeinflusser und Entscheider werden zu wenig unterschieden, wie folgende Beispiele illustrieren sollen: • Für einen angelernten Maschinenoperateur ist eine 24-Stunden-Hotline ein

grosses Bedürfnis, wenn in seiner Sonntagsnachtschicht bei einer Maschinenstörung kein hausinterner Reparaturservice zur Verfügung steht. Der Entscheid für diesen Service wird üblicherweise von der Produktionsleitung gefällt. • Für den Produktionsleiter ist es ein Vorteil, wenn er auf seinem Smartphone abfragen kann, wie die Betriebszustände der einzelnen Maschinen sind. Den Entscheid für dieses Feature fällt er tendenziell in Eigenregie. • Für den Finanzchef ist es von grossem Nutzen, wenn er nicht Anlagen beschaffen muss, welche auf Maximalauslastung ausgelegt sind, sondern lediglich den Preis für eine mittlere Auslastung bezahlt und die zusätzlichen Leistungen, um Peaks abzudecken, kurzfristig zukaufen und bezahlen kann («pay per use»). Hier wird er als Beeinflusser der Geschäftsleitung fungieren, um die Investitionen zu begrenzen. Die Ermittlung wahrer Business-Cases, die Identifikation nutzbringender Konzepte und Technologien von Industrie 4.0 sowie eine geeignete Anbindung an die IT-Landschaft beim Kunden sind wesentliche Erfolgsfaktoren für Digital Services seitens der Maschinen- und Anlagenbauer. Mit einem geführten Prozess, unter Einbezug der richtigen Spezialisten, werden die Erfolgsaussichten für Digitale Services in der Industrie massgeblich gestärkt. Robin Drost, Director, Helbling Business Advisors, Zürich.

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Digitale Transformation | 55

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Lego Banking – wie mit dem Baukasten Finanzindustrie Digitale Transformation wird mit «Application ­Programming Interface (API)»-basierten «Bausteinketten» geschrieben.

as Wort «Lego» wird dänisch von «leg godt» (spiel gut) ­abgeleitet. Das gleichnamige Baukastensystem weist interessante Parallelen zur laufenden Diskussion über das zukünftige ­digitale Finanz-Ökosystem in der Schweiz auf. Aspekte wie Modularisierung, Standardisierung und Potenzial charakterisieren sowohl das Bauen mit Legosteinen als auch den Aufbau einer digitalen Finanz­ industrie. Die Frage, die sich für Finanzdienstleister und insbesondere Banken aufdrängt, ist: Wie kann ich digital «gut spielen»?

Bauanleitung Ausgangspunkt ist das Businessmodell oder in Anlehnung an Lego: die Bauanleitung. Das Problem mit «Finanzdienstleister-Bauanleitungen» ist deren historische Linearität. Getrieben von Kontrolle und Autonomie wurden identische «Full Value Chain»-Bauanleitungen mit vergleich­ baren Bausteinen rezykliert und sklavisch umgesetzt. Diese Eindimensionalität, Austauschbarkeit sowie die «Cost of Ownership» ­geschlossener (IT-)Lösungen führen im Zeitalter der digitalen Transformation zu Identitäts- und Leistungskrisen bei den traditionellen Finanzdienstleistern. Fintechs sowie dem Ökosystem nahe/ferne Marktteilnehmer wie PayPal, Apple, Amazon und Facebook nutzen geschickt die strukturellen Schwächen im Finanzsystem zum Markteintritt respektive zur ­Erweiterung des Systems. Unterstützung finden sie bei Regulatoren, welche die ­Finanzmarktregulierung zugunsten von Fintechs abändern, spezielle Fintech-­ lizenzen gesetzlich verankern sowie mittels neuer Regulierungen (etwa PSD2) die Standardisierung vorantreiben und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Die Strategie: Öffnung Die «Digital Extinction» von traditionellen Finanzdienstleistern anhand der Bauanleitung abzuleiten, greift jedoch zu kurz. Die digitale Transformation in der Finanzindustrie ist gleichermassen Chance und Risiko. ANZEIGE

Um am Upside der Digitalisierung zu partizipieren, müssen die Veränderungstreiber verstanden werden. Neben der Konvergenz von Branchen, der sich verändernden Verhandlungsmacht von Kunden und der durch Standardisierung erhöhten Markttransparenz handelt es sich dabei um Kooperation beziehungsweise «CrowdSkaleneffekte». Der Finanzintermediär muss folglich eine höhere Spezialisierung anstreben, die in der eigenen Bauanleitung verankerte Service-Identität kompromisslos herauskristallisieren und sich mittels Technologie- und Plattform-Anbindungen gegenüber der Aussenwelt öffnen. Dadurch lassen sich besonders Elemente der Wertschöpfungskette, deren Austauschbarkeit keinen Mehrwert schaffen, in das Ökosystem auslagern, wo sie durch Netzwerkpartner, insbesondere Fintechs, kostengünstiger und effizienter realisiert werden.

Open (API) Banking Das Konzept von Open Banking greift diese Transformationsstrategie für Banken auf. Die Grundidee besteht darin, dass eine Bank Schnittstellen (API) anstatt schwerfällige Applikationen bereitstellt.

Finanzdienstleister müssen historische Vorstellungen über die «Service-Identität» emotionslos aufgeben. Sie ermöglichen die Anbindung an DrittIT- und Business-Service-Infrastrukturen wie Multi-Asset-Handels- und Investment-­ Plattformen und damit den Zugriff auf «Turnkey»-Lösungen.

Spielerisch angehen API hilft Banken, notwendige Produktund Service-Innovation flexibel und kosteneffizient in die eigene Value Chain und Legacy-IT-Infrastruktur einzuflechten, wertschwache Prozesse als substitutive Produkte auszulagern, breitere Distribu­ tion zu erzielen, die Service-Agilität und das Kundenerlebnis zu erhöhen, Koope­ rationsfähigkeit zu demonstrieren und IT-Risiken zu reduzieren. Schliesslich eröffnet API-Banking auch die Möglichkeit, die Transformation spie-

lerisch (Baustein-basiert) anzugehen sowie die Organisation kontrolliert und mit erfahrenen Partnern neu auszurichten, ohne die betrieblichen Optionen mittelfristig zu reduzieren. Die Bandbreite ist gross und reicht von singulärer Produkt­ anbindung (zum Beispiel Research ­Da­ta), White-Label-Lösungen mit Plattformanbindung (etwa für Trading und Investing) bis hin zur Auslagerung möglichst vieler Infrastruktur-, Produkt- und Serviceleistungen und folglich zur Schaffung neuer Businessmodelle.

VR und Management sind gefordert Digitale Transformation führt ferner dazu, dass die klassische Strategieentwicklung zu überdenken ist. Angesichts ihrer Treiber wie Technologie ist der Wandel iterativ und die Strategieentwicklung muss adaptiv sein. Finanzdienstleister müssen ihre Vorstellungen über die his­ torische «Service-Identität» emotionslos aufgeben können und sich kontinuierlich im Finanzökosystem (re)positionieren. «Management Uncertainty» hat mit der digitalen Transformation deutlich zugenommen und das Augenmerk richtet sich zusehends auf «I don’t know what I don’t know». Die Priorität von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung besteht darin, adaptiven und modularen Input zu liefern und die Organisation auf kontinuierliche digitale Entwicklung auszurichten. Only the Open play well! Die eigene Service-Identität wird durch die Positionierung im Ökosystem bestimmt. Die reaktive Positionierung oder Margina­ lisierung wird das Schicksal vieler Finanzdienstleister sein, sofern sie sich nicht öffnen, aktiv die technologische Vernetzung suchen und Service-Agilität erzielen. Die vorausschauende Anbindung an Dritt-ITund Business-Service-Infrastrukturen und -Lösungen ist dabei entscheidend. «Gut spielen» hängt davon ab, wie der eigene «Value Flow» innovativ, ent­ wickelnd und effizient mit der Aussenwelt verbunden werden kann – bei Lego, einem der erfolgreichsten Spielzeughersteller, können alle Bausteine miteinander kombiniert werden. Patrick Hunger, CEO, Saxo Bank (Schweiz), Zürich.

PETER FROMMENWILER

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PATRICK HUNGER

Unterhalt und Service der Zukunft im Konzernsitz der Post: Via Smartbutton kommt der Gebäudeunterhaltsdienst, und zwar genau dann, wenn es ihn braucht.


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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Der Arzt der Zukunft ist digital

ANGELO EGGLI

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ie digitale Transformation der Gesellschaft und das mobile Mediennutzungsver­ halten verändern sämtliche Rahmenbedingungen für die Akteure im Gesundheitswesen. Und dies in immer kürzeren Innovationszyklen. Der Wissens­ und Informationsstand der Patienten wird laufend besser. Sie ver­ fügen über ein medizinisches Grund­ wissen, welches sie sich über das Internet, Gesundheits­Apps, eigene Erfahrungen oder den Erfahrungsaustausch angeeignet haben. Das Bedürfnis nach einer unkompli­ zierten medizinischen Anlaufstelle, die schnell, rund um die Uhr und ortsunab­ hängig die Anliegen entgegennimmt und umgehend hilft, wächst. Darüber hinaus etablieren sich immer neue Kommunika­ tionsmittel und ­kanäle für den Zugang zu medizinischen Informationen und Dienstleistungen.

Dr. AI übernimmt Der Innovationsdruck durch die tech­ nologischen Möglichkeiten ist in den Arztpraxen angekommen. Wir erleben die Industrialisierung und Revolutionierung der Medizin. Der traditionelle, ehemalige Gott in Weiss ist kaum noch unantastbar, er wird zunehmend austauschbar. Und an seiner Stelle übernimmt der Computer mehr und mehr Aufgaben. Dank Artificial

Intelligence (AI) ist die Maschine zu einer lernenden Einheit geworden, deren Kapa­ zitäten und Kompetenzen laufend wach­ sen. Dr. AI steht vor der Tür. Durch die laufend weiterentwickelten Spitzentechnologien unterliegen selbst die Arbeiten im medizinischen Bereich einem grundlegenden Wandel. Compu­ ter übernehmen künftig Aufgaben, die vormals ein Arzt erledigt hat. So sind sie im Zuge von roboterassistierten Ope­ rationen bereits heute chirurgisch tätig. Doch das ist erst der Anfang. Die digitale Welt dringt mit einer hohen Geschwin­ digkeit bis in die ärztliche Diagnostik vor. Mittlerweile ist der weitaus grösste Teil der medizinischen Informationen digi­

Mit ihrem Wissen ersetzt die Technologie die Ärzte nicht, sondern ergänzt sie bei der Suche nach Lösungen. talisiert. Online­Dienste ersetzen dicke Medizinwälzer und liefern Fachinfor­ mationen und Medikamentenauskünfte in Sekundenbruchteilen direkt auf das Smartphone, den Laptop oder den Com­ puter des Arztes. Und Big Data verein­ facht die Diagnose, indem individuelle Symptome blitzschnell mit zahlreichen Krankheitsmustern abgeglichen und aus­ gewertet werden.

Nicht Ersatz – intelligente Ergänzung AI vermag die richtige Therapieent­ scheidung zu fällen, weil sie heute extrem schnell Informationen aufnehmen, ver­ netzen und verarbeiten kann. Zudem zieht sie aus den relevanten Informationen innerhalb kürzester Zeit die richtigen Schlüsse, speichert diese und lernt daraus. Hunderte Medizinbücher, Journal­Artikel sowie wissenschaftliche

Arbeiten, zusammen mit Tausenden von Patientenakten, bilden die Wissens­ und Erkenntnisbasis. Mit diesem Wissen ersetzt die Techno­ logie Ärzte zwar nicht, ergänzt diese aber und bettet Entscheidungsgrundlagen so in eine Vielzahl von Szenarien und Para­ metern ein, dass zeitnah und rasch die richtigen und zielführenden Lösungen gefunden werden können. Gute Diagnose­ und Therapieentscheidungen werden vorläufig noch nicht alleine von Algorith­ men gefällt. Aber in enger digitaler Abstim­ mung.

Telemedizin hilft Kosten sparen Andere Anwendungsszenarien von AI greifen noch deutlicher in die Arzt­Patien­ ten­Beziehung ein. AI kann als eine Art digitaler Arzthelfer fungieren, welcher den Patienten telefonisch in Empfang nimmt und mittels gezielter Erstbefragung und auf der Basis eines klugen Algorithmus die Triage vornehmen kann. Damit setzt AI dort ein, wo die Telemedizin heute bereits aktiv ist, und eröffnet dieser zusätzliche Perspektiven. Die Telemedizin ermöglicht computergestützt die effi­ ziente und zielführende Beratung von Patienten. Die Statistik zeigt: Wir können in der Telemedizin bei einem Anrufaufkommen an Spitzentagen von bis zu 7000 Telefo­ naten neun von zehn Fälle abschliessend und zur Zufriedenheit der Patienten lösen. Was auch zu einer nachhaltigen Kos­ tenentlastung für das Gesundheitssystem führt. Das Headset und zwei Bildschirme ersetzen dabei das Stethoskop. Wir stehen heute erst ganz am Anfang einer Entwicklung, deren Möglichkeiten und Potenzial noch nicht absehbar sind. Die Revolutionierung der heutigen Arzt­ praxis hat jedenfalls begonnen. Angelo Eggli, CEO, Medi24, Bern.

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Dr. «AI» Die Arztpraxis muss revolutioniert werden, in erster Linie durch Nutzung künstlicher Intelligenz, also der Artificial Intelligence (AI). Wir stehen erst am Anfang.

E-Post-Office: Mit dieser digitalen Plattform bestimmt der Kunde, wie er seine Post erhalten will – in Papierform im Briefkasten oder auf elektronischem Weg.


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HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Patientendossier Vivates: So wird der Behandlungsplan effizienter und kostengünstiger – zum Wohl der Patienten.

Auch kleine Schritte führen zum Ziel KMU Investitionen in die Digitalisierung sollten fokussiert erfolgen. Das müssen keine grossen Sprünge sein.

fähigkeit des Schweizer Werkplatzes weiter erhöhen können. Dass der derzeit rapide technologische Wandel von der Mehrheit der KMU als Chance und nicht als Gefahr wahrgenommen wird, ist eine positive Nachricht.

ANDREAS GERBER

Der Faktor Mensch Die Digitalisierung birgt zweifelsohne immenses Potenzial. Lernfähige Maschinen oder Big Data, um nur zwei Beispiele zu nennen, werden die Arbeitswelt nachhaltig verändern. Dieser Prozess, der längst begonnen hat, wird nicht nur in den Dienstleistungs-, sondern auch weit in den Industriesektor hineinreichen. Bekanntlich wird diese Entwicklung mit sich bringen, dass gewisse Berufe automatisiert werden und somit verschwinden, gleichzeitig aber auch neue entstehen. Die Digitalisierung bringt den KMU eine Vielzahl von Möglichkeiten zur unternehmerischen Weiterentwicklung, die auch die Erschliessung von neuen Geschäftsfeldern und Märkten umfasst. Oft wird dabei fast ausschliesslich auf die verfügbaren Technologien fokussiert. Aus Sicht der Unternehmen mindestens so entscheidend muss die Frage sein, wie sie den Mehrwert materialisieren können,

W

ie der demografische Wandel und die Frankenstärke stellt auch die fortschreitende Digitalisierung für unsere Wirtschaft einen branchenübergreifenden Einflussfaktor dar, welcher für grundlegende Transformationen sorgt und auch zukünftig zum Strukturwandel vieler Branchen beitragen wird. Der Einsatz neuer Technologien, die unter anderem der Optimierung der Wertschöpfungskette und den damit verbundenen Prozessen dienen, ist für einen grossen Teil der Schweizer Unternehmen bereits Realität. Wie eine umfangreiche Erhebung der Credit Suisse zeigt, steht die grosse Mehrheit der Schweizer KMU den neuen Technologien offen gegenüber, hat sie bereits verschiedentlich implementiert und ist der Auffassung, dass sie die Wettbewerbs-

den die Digitalisierung und der techno- verfügbaren technischen Möglichkeiten logische Fortschritt mit sich bringen. Der festgelegt werden, sondern muss in einer Faktor Mensch wird hier weiterhin absolut langfristigen Digitalisierungsstrategie bewichtig sein: Auf der einen Seite der gründet sein. Dabei ist es wichtig, sich als Kunde, der mit dem Wandel Schritt halten Unternehmen zu fokussieren und sich auf und die digitalen Errungenschaften auch Bereiche zu konzentrieren, die das grösste nachfragen muss, auf der Potenzial bieten. Dabei sind anderen Seite die Mitarbeiter, Digitalisierung Schnellschüsse gefährlich – die sich in der neuen, digitasie können das Unternehdarf nicht als lisierten Welt zurechtfinden men im Innern überfordern und helfen müssen, das Pound auch bei Kunden für IrriRennen tenzial auch auszuschöpfen, tationen sorgen. betrachtet welches die neuen TechnoInvestitionen in Digitawerden. logien bieten. Wer diesen lisierung muss als ein konAspekt missachtet, wird nicht tinuierlicher, evolutionärer den gewünschten Effekt hinsichtlich Ef- Prozess verstanden werden. Wo anderswo fektivität und Effizienz erzielen, sondern manchmal grosse Schritte – «bold actions» riskiert ein Scheitern des Vorhabens. – gefragt sind, empfiehlt es sich für die meisten KMU deshalb, mit kleinen SchritGefährliche Schnellschüsse ten voranzugehen und sehr fokussiert zu Während junge KMU digitale Techno- investieren. Dabei lohnt sich insbesondere logien und ihre Anforderungen gleich bei auch die Zusammenarbeit und Nutzung der Unternehmensgründung implemen- von Lösungen externer Anbieter – ob in tieren und somit spätere Umrüstungen Logistik, IT oder Zahlungsverkehr. Digitavermeiden können, sieht die Situation lisierung darf nicht als Rennen betrachtet bei traditionelleren Unternehmen meist werden, das man gewinnen oder verlieren anders aus. Der Einsatz neuester Techno- kann. Denn obschon die Digitalisierung logien erfordert dort in der Regel hohe an Fahrt gewinnt: Der entscheidende Investitionen in die Infrastruktur. Deren Faktor ist nicht das Tempo der technoUmfang darf aber nicht allein über die logischen Entwicklung, sondern die Frage,

wie schnell sich schliesslich Kunden und Mitarbeitende an den technologischen Wandel anpassen und somit das entsprechende Potenzial voll ausgeschöpft werden kann.

Zuversichtlich nach vorne blicken KMU tun gut daran, den bereits eingeschlagenen Weg der Digitalisierung konsequent weiterzugehen, heute für ein erfolgreiches Morgen zu investieren. Wie Beispiele bei Grossunternehmen zeigen, sind es auch die kleinen Schritte, die zum Ziel führen. Denn die Welt dreht sich auch hinsichtlich Digitalisierung nicht ganz so schnell, wie einem manchmal suggeriert wird. Abwarten und zögerliches Handeln sind aber gleichzeitig keine Alternativen. KMU können zuversichtlich nach vorne schauen. Es gibt gute Gründe, den Wandel positiv anzugehen und aktiv an der digitalen Zukunft des Unternehmens zu arbeiten. Gelingen die schrittweise Digitalisierung und der entsprechende Einsatz neuer Technologien, bietet dies KMU die Chance, die vielfältigen Wettbewerbsvorteile des Schweizer Werkplatzes noch weiter auszuspielen. Andreas Gerber, Leiter KMU, Credit Suisse, Zürich.

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58 | Digitale Transformation

ZVG

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Sortierzentrum: Dank digitalem Scan jedes Paketes erfahren auf dem Postportal www.post.ch registrierte Empfänger per SMS oder E-Mail, wie gross und schwer die Sendung ist und und an welchem Tag sie zugestellt wird.

Für KMU kein Thema?

Cyber-Kriminalität KMU stellen ein leichtes Ziel dar, da sie der Sicherheit oft nicht genug Aufmerksamkeit widmen.

C

ROMAN HALTINNER

yber-Kriminalität ist ein globales Milliardengeschäft. Auch mit Opfern in der Schweiz. Erpressung mit der Hilfe von Verschlüsselungs­ trojanern und Manipulation von Zahlungsflüssen unter Verwendung von Trojanern ist derzeit eine beliebte Masche der Cyber-Kriminellen, die auf einen schnellen finanziellen Gewinn aus sind. Anfang dieses Jahres beispielsweise wurde publik, dass ein KMU Opfer eines Cyber-Angriffes geworden war. Cyber-Kriminelle waren mittels Schadsoftware in das Netzwerk der Firma eingedrungen. Sie gaben im Namen des Unternehmens Zahlungen in der Höhe von 423 000 Franken über diverse Banken in Auftrag. Nur verschieden nachgelagerte Sicherheits­ mechanismen bei den involvierten Banken verhinderten einen Totalverlust und hohen finanziellen Schaden. Dieses Ereignis zeigt, welche Gefahren für KMU durch Cyber-Angriffe entstehen, verursacht durch einzelne Hacker oder professionelle kriminelle Organisationen. Das Management eines KMU steht vor der Herausforderung, sicherzustellen, dass die Be-

drohung für das Unternehmen verstanden ­sowie die Art der Durchführung solcher wird, die richtigen Massnahmen getroffen ­Angriffe, ist unerlässlich für effektive Massund die richtigen Prioritäten gesetzt wer- nahmen gegen Cyber-Kriminalität. den. Dies ist, angesichts der Komplexität Ein wesentlicher Teil analoger Straf­ der Technologie und des Tempos der Ver- taten, die einen direkten Vermögensvoränderung, der sie unterworfen ist, keine teil zum Ziel haben, verschiebt sich in die leichte Aufgabe. Für Nichtspezialisten in digitale Welt – das heisst, dass sie sich im diesem Gebiet ist es oft Internet abspielen. Verbreschwierig, zu verstehen, wie Verantwortung chen geschehen nicht mehr nur im Rahmen krimineller sie mit der Thematik umgehen sollen und sich auf die den Experten zu Strukturen, sondern jederwesentlichen Massnahmen überlassen, gilt zeit und überall. Genaue Zahlen zu Meldungen und konzentrieren können. Das nicht als Verurteilungen von CyberVerständnis der Bedrohung sowie die Art des Angriffes ­Entschuldigung. Delikten gibt es aufgrund einer hohen Dunkelziffer zwar sind jedoch zentral, um eine essenzielle Voraussetzung zur Beurteilung nicht, doch – ausgehend von aktuellen zu schaffen und Aussagen darüber zu tref- Entwicklungen – wird die Bedeutung von fen, inwieweit die Organisationen ein Ziel Cyber-Kriminalität weiter zunehmen. für solche kriminellen Handlungen sind. Dass das Ziel solcher Aktivitäten sich nicht nur auf grosse Unternehmen beschränkt, Wer sind die Täter? sondern auch kleinere Unternehmen beUnter Cyber-Kriminalität versteht man troffen sind, zeigt das eingangs erwähnte Straftaten unter Ausnutzung elektronischer Beispiel. Cyber-Risiken sind eine grosse und Infrastruktur, die bei Unternehmen materielle oder auch immaterielle Schäden verur- vielfältige Herausforderung für die Fühsachen. Der Begriff deckt ein breites Spekt- rung von Unternehmen. Die Entschuldirum von Zielen und Angriffsmethoden ab. gung, die Verantwortung den Experten zu Das Verstehen von Tätern, also deren Moti- überlassen, soll dabei nicht gelten. Es ist vation, Organisation und Auftraggeber wichtig und unerlässlich, dass die Unter-

nehmensführung das Unternehmen in den folgenden Bereichen lenkt und verantwortet: –  Zuteilung von Ressourcen, um CyberSecurity betreiben zu können. –  Eine unternehmensweite Governance, die eine risikobasierte Entscheidungs­ findung erlaubt. –  Eine Unternehmenskultur, in der jeder um seine Verantwortung weiss. Unternehmen können die Risiken für ihr Geschäft durch den Aufbau von Kapazitäten in den folgenden drei kritischen Bereichen reduzieren: Prävention, Erkennung und Reaktion. Prävention: Beginnt mit der Governance und Organisation des Unternehmens. Es geht neben strategischen und taktischen auch um technische Massnahmen, einschliesslich der Verantwortung für den Umgang mit Cyber-Security innerhalb der Unternehmung, sowie Sensibilisierungsmassnahmen für die Schlüsselmitarbeiter. Erkennung: Durch die Überwachung von kritischen Ereignissen und Sicherheitsvorfällen kann ein Unternehmen ­seine Erkennungsmassnahmen stärken. Überwachung und Aufzeichnung von ­Daten bilden zusammen ein ausgezeich-

netes Instrument, um auffällige Muster im Datenverkehr zu erfassen und den Ort der Angriffe zu lokalisieren. Reaktion: Bezieht sich auf die Aktivierung eines Plans, sobald ein Angriff stattfindet. Bei einem Angriff sollte die Unternehmung in der Lage sein, die betroffene Technologie sofort zu deaktivieren. Bei der Entwicklung einer Reaktion und dem Wiederherstellungsplan sollte eine Unternehmung Informationssicherheit als kontinuierlichen Prozess etablieren und nicht als eine einmalige Aktivität ansehen.

Vertrauen der Stakeholder gewinnen Das Thema Cyber-Security muss auf jeder Managementagenda eines KMU ­ ­stehen. Alle Stakeholder – der Verwaltungsrat, die Aktionäre und die Kunden – erwarten, dass das Unternehmen dieser Herausforderung genügend Aufmerksamkeit schenkt. Die Unternehmensleitung muss also in der Lage sein, bei der Umsetzung von Cyber-Security die richtigen Fragen zu stellen, um so durch die Komplexität des Themas zu navigieren und damit das Vertrauen aller Beteiligten zu gewinnen. Roman Haltinner, Director Cyber Security Services, KPMG, Zürich.

Cyber-Sicherheit: Die fünf grössten Irrtümer Irrtum 1: «100 Prozent Sicherheit» Die Entwicklung eines Bewusstseins, dass es 100 Prozent Schutz vor Cyber-Kriminalität gibt. Dies ist weder machbar noch ein geeignetes Ziel. Es ist aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer effektiven ­Sicherheitspolitik, die es dem Unternehmen erlaubt, Entscheidungen über sein Abwehrdispositiv zu treffen. Wirksame Abwehrmassnahmen setzen beim Verständnis der Bedrohung (der Täter und ­ihrer Tathandlungen) an. Diese enthalten Massnahmen in Bezug auf organisato­ rische Schwachstellen (Prävention), die ­Implementierung von Mechanismen, um drohende oder tatsächliche Vorfälle (Erkennung) zu erfassen, sowie die Fähigkeit, auf Vorfälle (Reaktion) sofort zu reagieren, um Verluste zu minimieren. Irrtum 2: «Wir investieren in die Sicherheit, indem wir die besten erhältlichen ­Sicherheits-Tools implementieren»

Das Thema Cyber-Security wird auf dem Irrtum 3: «Unsere Abwehrmassnahmen Markt durch spezialisierte Anbieter von reichen gegen Angriffe der Hacker aus» technischen Sicherheitsprodukten ge- Die Bekämpfung von Cyber-Kriminalität prägt. Diese Werkzeuge sind für die Basis- ist ein markantes Beispiel für einen nicht sicherheit unerlässlich und zu gewinnenden Wettmüssen in die IT-ArchitekCyber-Sicherheit lauf. Die Angreifer sind tur integriert werden. Sie bei der Entwicklung neuwird oft als er Methoden und Techsind aber nur ein Teil und ­Verantwortung nologien gegenüber den nicht die Grundlage einer Verteidigern immer eiganzheitlichen und robuseiner Abteilung ten Cyber-Security-Politik. nen Schritt voraus. Aber gesehen. Die Investition in techniist es wirklich sinnvoll, in sche Hilfsmittel sollte eine Abwehr­m assnahmen zu Massnahme und nicht der Treiber der investieren, um mit den immer raffinierCyber-Security-Strategie sein. Es ist wich- ter werdenden Werkzeugen der Angreitig, dass Führungskräfte Verantwortung fer Schritt zu halten? Ja, es ist wichtig, den ­präventiven Anfür den Umgang mit dieser Herausfor­ derung übernehmen. Die Technologie satz und die damit verbundenen Abwehr­allein kann in dieser Hinsicht nicht ­helfen. massnahmen auf dem neuesten Stand zu Sie müssen auch bereit sein, Mit­arbeiter halten, um so einen Einblick in die Absichzu schulen, um das Bewusstsein für ten der Angreifer und deren Methoden zu die Bedrohung durch Cyber-Angriffe zu erhalten. Das Management muss den Wert fördern. der Informationen im Unternehmen und

die Implika­tion auf das Kerngeschäft bei ­einem ­Verlust dieser Informationen verstehen. Die ­Cyber-Security-Strategie und -Politik braucht es, um Investitionen in diesem Bereich zu priorisieren, anstatt zu ver­suchen, alle Risiken abzudecken. Kurz gesagt sollte das Management sich der neuesten Techniken bewusst sein, sie aber risikobasiert und gezielt gegen ihre Bedrohungen einsetzen. Irrtum 4: «Überwachung ist alles» Nur Unternehmen, die in der Lage sind, externe Entwicklungen und Trends zu verstehen, und diese Erkenntnis nutzen, um die Sicherheitspolitik und -strategie anzupassen, sind auf lange Sicht in der Prävention erfolgreich. Die Praxis zeigt, dass Cyber-Security stark von der Com­ pliance getrieben wird. Dies ist verständlich, denn viele Unternehmen müssen eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften erfüllen. Allerdings ist es kontrapro-

duktiv, die Compliance alleine als das ­ultimative Ziel der Cyber-Security-Politik zu betrachten. Irrtum 5: «Wir stellen die besten ­Experten an, um uns gegen Cyber­-Kriminalität zu schützen» Cyber-Sicherheit wird oft als Verantwortung einer Fachabteilung von Informations­ sicherheitsexperten gesehen. Diese Denkweise kann ein falsches Gefühl von Sicherheit hervorrufen. Die eigentliche ­ ­Herausforderung ist, Cyber-Sicherheit zu einem Mainstream-Ansatz zu machen. Dies b ­ edeutet, dass Cyber-Sicherheit zu ­einem Teil der organisationsweiten Vor­ gaben und Richtlinien wird. Dies bedeutet aber auch, dass CyberSicherheit als eine zentrale Funktion in die Entwicklung neuer IT-Systeme einbe­ zogen wird und dass nicht – wie häufig – erst am Ende solcher Projekte um ihre Zustimmung angefragt wird. (rh)



60 | Digitale Transformation

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Von der ­Zahlung zum Erfolgsfaktor

News vom Nähkästchen

Online-Banking Die Nachfrage im Geschäftsumfeld nach dem Online-Zugriff aufs Konto ist relativ gering. Dabei könnten KMU so ihre Performance optimieren.

ie ersten Schweizer Banken wagten 1997 den Schritt in die Zukunft. Mit OnlineBanking wollten sie ihrer Kundschaft die Möglichkeit bieten, örtlich und zeitlich flexibel zu sein. Das Internet wurde aber anfänglich als Spielwiese abgetan. Darum kamen nur wenige Nutzer in den Genuss, zu Hause nach Feierabend ihren Kontostand prüfen oder in Echtzeit Kursinformationen abru­ fen zu können. Interessant ist, dass Bör­ sentransaktionen damals besonders ge­ fragt waren. Darum überrascht es kaum, dass die webbasierten Bankangebote ste­ tig ausgebaut wurden. Nur zwei Jahre nach der Einführung der ersten Online-Banking-Oberfläche zählten ergänzende Funktionen wie das

DIGITALE BANKANGEBOTE

Strategiefaktor für KMU

Gesamtüberblick Wenn alle Kontoinformationen aller Bankbeziehung­en an einer Stelle einsehbar sind, ­lassen sich Routineaufgaben schneller erledigen. Die so eingesparte Zeit kann man fürs Wesentliche einsetzen. Handlungsfähigkeit Dank Liquiditätsmanagement lässt sich das Budget effizienter verwalten. So kann man die nächsten Schritte optimal planen und umsetzen. Perspektive KMU-Angebote erlauben unter anderem, sich auf Community-Plattformen auszutauschen. Vergleichbar werden zum Beispiel Versicherungskosten mit jenen der Mitbewerber.

Digital Brokerage zur Angebotspalette. Im gleichen Zeitraum stiegen die monat­ lichen Online-Transaktionen um das Fünffache. Heute zeigen führende Ange­ bote eine personalisierte und personali­ sierbare Übersicht über Kontos, Karten und Depots. Nutzer können auf ihren Notebooks Transaktionen tätigen, Dauer­ aufträge bearbeiten und werden über Be­ wegungen benachrichtigt. Die Anzahl mo­ natlich durchgeführter Zahlungen bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich. Trotz Elektrifizierung des Bankangebots waren nicht alle Kanäle von Beginn an von Erfolg gekrönt. Das erste Mobile-Banking über WAP-(Wireless Application Protocol) fähige Geräte war im Jahr 2001 seiner Zeit voraus. Erst zehn Jahre später setzte sich das mobile Format dank diversen Apps durch. Heute entwickeln sich Tablets und Smart­ phones vom Hilfskanal zum voll ausgestatteten Online-Banking: Durch ausgeklügelte Login-Verfahren über PushAuthentifizierung ist es möglich, jederzeit und überall Zahlungen zu tätigen oder das Wertschriftenportfolio zu optimieren.

Blick in die Zukunft Laut dem World Internet Project ­wickeln aktuell mehr als 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung den privaten Zah­ lungsverkehr über Online- und MobileBanking ab. Die Digitalisierung im Ban­ kengeschäft ist aber erst in den Anfängen. Gewohnte Funktionen werden angerei­ chert mit innovativen und spezialisierten Dienstleistungen von Drittanbietern oder Fintechs wie Paypal. In Zukunft kommen neue Technologien wie Virtual Reality hinzu. Nutzer können so etwa auf Immo­ bilienportalen ihre Traumwohnung drei­ dimensional ansehen. Mit der Anbindung externer Dienstleister an das Online-­ Banking fliessen Informationen wie Miet­ kosten in «Was wäre wenn»-Szenarien. Animierte Geldflüsse führen im wahrsten Sinne vor Augen, ob die Wohnung ins Budget passt. Durch das Erlebbar-Machen der finanziellen Situation werden die

Strategie Nicht jedes KMU muss das neue Google werden. Praktische Tipps aus dem ­Berateralltag.

M

ANDREAS RÜTER UND ROMAN FRIEDRICH

PABLO GIANINAZZI /KEYSTONE/TI-PRESS

D

RICHARD DRATVA

Dank digitaler Transformation Leben retten: Zwischen Ospedale Italiano und Ospedale Civico fliegt die autonome Postdrohne nur

Bankkunden sensibilisiert, sorgsamer mit ihrem Vermögen umzugehen, nur bere­ chenbare Risiken einzugehen und eine Überschuldung zu verhindern. Was im Privatleben zur Selbstverständ­ lichkeit geworden ist, spielt zurzeit noch eine untergeordnete Rolle im Geschäfts­ umfeld. Die Mehrheit der kleinen und mittelgrossen Unternehmen arbeitet bevorzugt mit Papierrechnungen. Eine ­ vor kurzem veröffentlichte Studie von Swisscom und dem Institut für Finanz­ dienstleistungen Zug zeigt, dass KMU den ­Nutzen digitaler Bankangebote noch nicht sehen. Dies auch, weil aktuell neben der reinen Informationsvermittlung noch kein erkennbarer Mehrwert geboten wird. Der Bedarf an effizienzsteigernden Lös­ ungen ist jedoch vorhanden. Banken bau­

en ihr Angebot für das Firmenkunden­ geschäft deshalb schrittweise aus. Diese Dienstleistungen werden zum Strategie­ faktor für KMU. Sie bieten nämlich ein enormes Potenzial, den finanziellen Handlungsspielraum zu vergrössern.

Vorsprung dank Bündelung Eine Analyse des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat gezeigt, dass neun von zehn Konkursen auf Liquiditäts­ engpässe zurückzuführen sind. OnlineDienstleistungen von Banken wirken hier entgegen. So haben KMU zum Beispiel die Möglichkeit, alle Kontoinformationen ­aller Banken auf einer Plattform zu bün­ deln. Diese Zusammenfassung verschafft ihnen einen Überblick über ihre gesamte Finanzsituation. Moderne Online-Platt­

formen unterstützen darüber hinaus auch das Liquiditätsmanagement. So können Unternehmen den Einsatz ihrer flüssigen Mittel besser steuern. Gleichzeitig können die Arbeitsabläufe optimiert und sämtli­ che Zahlungen zentral abgewickelt wer­ den. Interne Systeme wie das Buchhal­ tungsprogramm können direkt mit dem Portal verbunden und automatisch mit den relevanten Kontodaten versorgt werden. Nicht zuletzt können Banken ­ ­aufgrund der von den KMU aktiv freigege­ benen Daten zielgerichteter beraten. Das Unternehmen verschafft sich mit dem Einsatz digitaler Bankangebote einen Wettbewerbsvorteil. Richard Dratva, Mitgründer und Strategiechef, Cralogix, Zürich.

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Die neuen Technologien haben einen grossen Einfluss auf die Arbeitswelt von heute und morgen. Wer weiterhin Erfolg haben will, muss im Web überzeugen und Kunden anders ansprechen. Aber wie gelingt der Wechsel? Die Klubschule Migros bietet praxisorientierte Kurse und Lehrgänge für Einsteiger und für alle, die ihr erworbenes Wissen auffrischen oder ausbauen möchten. Profitieren Sie vom Fachwissen und der Erfahrung unserer Dozenten.

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10.08.16 10:21

itten in der Digitalisie­ rung der Wirtschaft fin­ det sich kaum noch ein CEO, welcher die Not­ wendigkeit zur digitalen Transformation von sich weist. Fast alle kotierten Unternehmen haben die He­ rausforderungen des digitalen Zeitalters als Toppriorität erkannt und die Ent­ wicklung digitaler Geschäftsmodelle als wichtigste strategische Aufgabe formuliert – dennoch stossen viele auf Implemen­ tierungshürden. Für die gebotene rasche Neuausrichtung des Unternehmens und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist eine optimale Kombination aus Strategie, Organisation, Führung und kulturellem Wandel gefragt.

Radikal betrachten und umsetzen Denn je grösser ein Unternehmen ist, desto geringer sind die Chancen, alther­ gebrachte Erfolgsmodelle in der digitalen Welt fortzusetzen oder durch neue zu er­ setzen. Ohne allen Konzernen das Schick­

sal von Kodak prophezeien zu wollen – Beispiele für einen gelungenen Wandel wie bei GE, das heute ein veritabler Indus­ trie-4.0-Player ist, sind noch die Ausnah­ me. Viele kleinere Firmen sind führend bei der Agilität und der Anpassungsfähig­ keit der Geschäftsmodelle: Geben sie das im Mittelstand noch oft typische Zögern auf, wird die digitale Transformation umso entschlossener angegangen. Zu Recht, denn laut einer Studie des MIT Center for Information Systems Research konnten bisher nur die Unternehmen echte Wettbewerbsvorteile erzielen, welche die Digitalisierung radikal betrachtet und ­ ­umgesetzt haben.

Eine ehrliche Ist-Analyse der digitalen Fähigkeiten im ­Unternehmen ist unerlässlich für digitale Transformation. Für den oft eklatanten Unterschied zwischen kleinen und grossen Unter­ nehmen gibt es mehrere Ursachen. Gross­ unternehmen tendieren zur organisatori­ schen Trägheit: Der Widerstand gegen die Schaffung agilerer Strukturen steigt rasant mit der Zahl der betroffenen Führungs­ kräfte an – so entstehen oft Ängste vor Kompetenzverlust etwa bei der Integra­ tion von IT und Produktentwicklung oder

durch einen neuen Chief Digital Officer. Hohen Erwartungen steht oft wenig Ein­ fluss gegenüber.

Es geht auch um die Machbarkeit Zudem fehlt es oft an Führungsstärke: Ein CEO mit begrenzter Vertragslaufzeit und einem guten, aber nicht extraordi­ nären Gehalt zielt eher auf inkrementelle Veränderungen als auf risikoreichere Transformationen. Und Anteilseigner sind oftmals risikoavers – sie strafen allzu radi­ kale Schritte schnell ab. Innovationen im Trippelschritt sind die Folge. Um die Chancen für eine erfolgreiche digitale Transformation trotzdem zu er­ höhen, sollte eine klare, differenzierende Digitalstrategie formuliert werden, welche Machbarkeiten realistisch einschätzt (nicht jede Firma muss das neue Google werden). Unerlässlich sind auch eine ehr­ liche Ist-Analyse der digitalen Fähigkeiten im Unternehmen und ein Programm zur Schliessung strategischer Kompetenz­ lücken. Um die strategischen Ziele zu ­erreichen, sollten zudem digitale Orga­ nisationsprinzipien und Kulturelemente ­genutzt werden. Nur wenn diese Mass­ nahmen als nicht delegierbare Topma­ nagement-Aufgaben verstanden werden, haben sie Erfolg. Andreas Rüter und Dr. Roman Friedrich, Managing Directors, AlixPartners, Zürich.

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Chatbots, wir wollen reden! Jürg Truniger, Appway Was zum Teufel ist ein «Chatbot»? Seit ein paar Monaten sind sie in aller Munde: Chatbots. Mit künstlicher Super­ intelligenz gefütterte Alleskönner, die in Windeseile unsere Arbeitsplätze überneh­ men und bald den Planeten beherrschen werden. Manchmal wird tatsächlich dieser Eindruck ausgelöst, wenn über Chatbots debattiert wird – ob absichtlich oder un­ gewollt. Gemäss Wikipedia sind Chatbots textba­ sierte Dialogsysteme, die es erlauben, in natürlicher Sprache mit einem System zu kommunizieren. Forschen wir also gleich weiter in Wikipedia und schauen, was da unter «Dialog» beschrieben ist: «Ein Dia­ log ist eine mündlich oder schriftlich zwi­ schen zwei oder mehreren Personen ge­ führte Rede und Gegenrede.» Und dann kam die Informatik und auf einmal gab es solche Dinge wie den «Speicher­Dialog» und andere Abstrusitäten, welche nun ge­ nau gar nichts mit «Rede» zu tun haben. Kein Wunder, wollen wir dies wieder los­ werden. Können uns Chatbots dabei hel­ fen?

Vor dem technologisierten Zeitalter fan­ den Dialoge «frei von der Leber weg» statt. Die Zunahme der Komplexität des gesellschaftlichen Lebens machte es aber notwendig, Hilfsmittel zu entwickeln, diese Konversationen besser zu führen – um Fehler zu reduzieren, Konsistenz zu gewährleisten und die Dialoge zu doku­ mentieren. Zu diesem Zweck wurden Formulare erfun­

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den. Seither haben sie einen erstaunlichen Siegeszug angetreten und das Internet hat ihnen nochmals einen massiven Schub verliehen. Heute füllen wir mehr Formu­ lare aus denn je. «Self­service» ist eines der dominanten Elemente vieler Digitali­ sierungsinitiativen und Formulare spielen eine zentrale Rolle an der Kunden­ und Benutzerschnittstelle. Aber bei den Formularen verhält es sich wie beim E­Mail: Sie sind ein einfach ein­ setzbares Mittel und werden deshalb für Zwecke genutzt, für die sie nicht geschaf­ fen sind. Die Konsequenzen spüren wir täglich. Wie oft passiert es uns, dass wir uns beim Ausfüllen eines Online­Formulars überfordert fühlen und deshalb schliess­ lich doch zum Telefonhörer greifen? Oder wer findet es toll, ein komplexes Formular auf dem Mobiltelefon auszufüllen? Deren übermässige Verwendung kann zudem den Eindruck erwecken, dass Banken, Ver­ sicherungen und Behörden ihre Arbeit uns Konsumenten oder Bürgern aufhalsen, statt sie für uns zu erledigen. Aber erinnern wir uns, Formulare wurden einst erfunden, um Konversationen besser zu strukturieren. Wie die Chatbot­Diskus­ sion zeigt, geht das Pendel momentan ge­ nau in die entgegengesetzte Richtung: die Sehnsucht nach Rückkehr zum «reinen» Dialog. Dies geht auch einher mit dem Drang, starre Strukturen zu überwinden und die Individualität wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Vom Formular zur Konversation Messaging­Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger und andere haben mittlerweile eine immer grössere Popularität erhalten. Wir nutzen sie tagtäglich und haben uns an die textbasierten Interfaces von Chats gewöhnt. Heute sind sie nicht nur in der Mensch­zu­Mensch­Kommunikation ein­ setzbar, sondern stellen eine immer wich­

tiger werdende Interaktionsmethode für die Mensch­Maschine­Kommunikation dar, die bislang von Online­Formularen und Dingen wie dem «Speicher­Dialog» dominiert war. Bei Chatbots steht die natürliche Sprache im Zentrum. Der dialogunterstützende Aufbau von «Conversational Interfaces» erlaubt es, Informationen auf natürliche­ re Weise zugänglich zu machen und so Informationserfassungs­ und Entschei­ dungsprozesse benutzerfreundlicher zu gestalten. Es gibt diverse Anwendungs­ fälle, in denen Conversational Interfaces die geeignetere Alternative zum Formular darstellen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir nun alle Formulare abschaffen und die Benut­ zer ihre Anwendungen nur noch via Chat bedienen werden. Für gewisse Interaktio­ nen stellen Formulare durchaus die besse­ re Wahl dar – gerade bei häufig wieder­ kehrenden Aufgaben. Wichtig ist es zu

Online-Formular

identifizieren, wo die Nutzer Probleme mit bestehenden Formularen haben, um die­ se dort durch Conversational Interfaces zu ersetzen. Dabei können Business­Analysten und Ap­ plikationsentwickler wichtige Erfahrungen mit einem stattfindenden Paradigmen­ wechsel machen: Bei den Conversational Interfaces steht die Konversation im Zen­ trum und damit Elemente wie sprachliche Präzision und Tonalität, und nicht die aus­ geklügelte zweidimensionale Aufbereitung von Information und Funktionalität. Zurück zur Anfangsfrage zu Chatbots: ja, machen wir den Schritt, Dialoge in ih­ rer ursprünglichen Form auch für die Mensch­Maschine­Kommunikation zu nut­ zen! Künstliche Intelligenz ist da gar nicht zwingend notwendig. «Lesen Sie mehr dazu in unserer Chatbot­Serie auf appway.com»

Conversational Interface


60 | Digitale Transformation

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Von der ­Zahlung zum Erfolgsfaktor

News vom Nähkästchen

Online-Banking Die Nachfrage im Geschäftsumfeld nach dem Online-Zugriff aufs Konto ist relativ gering. Dabei könnten KMU so ihre Performance optimieren.

ie ersten Schweizer Banken wagten 1997 den Schritt in die Zukunft. Mit OnlineBanking wollten sie ihrer Kundschaft die Möglichkeit bieten, örtlich und zeitlich flexibel zu sein. Das Internet wurde aber anfänglich als Spielwiese abgetan. Darum kamen nur wenige Nutzer in den Genuss, zu Hause nach Feierabend ihren Kontostand prüfen oder in Echtzeit Kursinformationen abru­ fen zu können. Interessant ist, dass Bör­ sentransaktionen damals besonders ge­ fragt waren. Darum überrascht es kaum, dass die webbasierten Bankangebote ste­ tig ausgebaut wurden. Nur zwei Jahre nach der Einführung der ersten Online-Banking-Oberfläche zählten ergänzende Funktionen wie das

DIGITALE BANKANGEBOTE

Strategiefaktor für KMU

Gesamtüberblick Wenn alle Kontoinformationen aller Bankbeziehung­en an einer Stelle einsehbar sind, ­lassen sich Routineaufgaben schneller erledigen. Die so eingesparte Zeit kann man fürs Wesentliche einsetzen. Handlungsfähigkeit Dank Liquiditätsmanagement lässt sich das Budget effizienter verwalten. So kann man die nächsten Schritte optimal planen und umsetzen. Perspektive KMU-Angebote erlauben unter anderem, sich auf Community-Plattformen auszutauschen. Vergleichbar werden zum Beispiel Versicherungskosten mit jenen der Mitbewerber.

Digital Brokerage zur Angebotspalette. Im gleichen Zeitraum stiegen die monat­ lichen Online-Transaktionen um das Fünffache. Heute zeigen führende Ange­ bote eine personalisierte und personali­ sierbare Übersicht über Kontos, Karten und Depots. Nutzer können auf ihren Notebooks Transaktionen tätigen, Dauer­ aufträge bearbeiten und werden über Be­ wegungen benachrichtigt. Die Anzahl mo­ natlich durchgeführter Zahlungen bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich. Trotz Elektrifizierung des Bankangebots waren nicht alle Kanäle von Beginn an von Erfolg gekrönt. Das erste Mobile-Banking über WAP-(Wireless Application Protocol) fähige Geräte war im Jahr 2001 seiner Zeit voraus. Erst zehn Jahre später setzte sich das mobile Format dank diversen Apps durch. Heute entwickeln sich Tablets und Smart­ phones vom Hilfskanal zum voll ausgestatteten Online-Banking: Durch ausgeklügelte Login-Verfahren über PushAuthentifizierung ist es möglich, jederzeit und überall Zahlungen zu tätigen oder das Wertschriftenportfolio zu optimieren.

Blick in die Zukunft Laut dem World Internet Project ­wickeln aktuell mehr als 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung den privaten Zah­ lungsverkehr über Online- und MobileBanking ab. Die Digitalisierung im Ban­ kengeschäft ist aber erst in den Anfängen. Gewohnte Funktionen werden angerei­ chert mit innovativen und spezialisierten Dienstleistungen von Drittanbietern oder Fintechs wie Paypal. In Zukunft kommen neue Technologien wie Virtual Reality hinzu. Nutzer können so etwa auf Immo­ bilienportalen ihre Traumwohnung drei­ dimensional ansehen. Mit der Anbindung externer Dienstleister an das Online-­ Banking fliessen Informationen wie Miet­ kosten in «Was wäre wenn»-Szenarien. Animierte Geldflüsse führen im wahrsten Sinne vor Augen, ob die Wohnung ins Budget passt. Durch das Erlebbar-Machen der finanziellen Situation werden die

Strategie Nicht jedes KMU muss das neue Google werden. Praktische Tipps aus dem ­Berateralltag.

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ANDREAS RÜTER UND ROMAN FRIEDRICH

PABLO GIANINAZZI /KEYSTONE/TI-PRESS

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RICHARD DRATVA

Dank digitaler Transformation Leben retten: Zwischen Ospedale Italiano und Ospedale Civico fliegt die autonome Postdrohne nur

Bankkunden sensibilisiert, sorgsamer mit ihrem Vermögen umzugehen, nur bere­ chenbare Risiken einzugehen und eine Überschuldung zu verhindern. Was im Privatleben zur Selbstverständ­ lichkeit geworden ist, spielt zurzeit noch eine untergeordnete Rolle im Geschäfts­ umfeld. Die Mehrheit der kleinen und mittelgrossen Unternehmen arbeitet bevorzugt mit Papierrechnungen. Eine ­ vor kurzem veröffentlichte Studie von Swisscom und dem Institut für Finanz­ dienstleistungen Zug zeigt, dass KMU den ­Nutzen digitaler Bankangebote noch nicht sehen. Dies auch, weil aktuell neben der reinen Informationsvermittlung noch kein erkennbarer Mehrwert geboten wird. Der Bedarf an effizienzsteigernden Lös­ ungen ist jedoch vorhanden. Banken bau­

en ihr Angebot für das Firmenkunden­ geschäft deshalb schrittweise aus. Diese Dienstleistungen werden zum Strategie­ faktor für KMU. Sie bieten nämlich ein enormes Potenzial, den finanziellen Handlungsspielraum zu vergrössern.

Vorsprung dank Bündelung Eine Analyse des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat gezeigt, dass neun von zehn Konkursen auf Liquiditäts­ engpässe zurückzuführen sind. OnlineDienstleistungen von Banken wirken hier entgegen. So haben KMU zum Beispiel die Möglichkeit, alle Kontoinformationen ­aller Banken auf einer Plattform zu bün­ deln. Diese Zusammenfassung verschafft ihnen einen Überblick über ihre gesamte Finanzsituation. Moderne Online-Platt­

formen unterstützen darüber hinaus auch das Liquiditätsmanagement. So können Unternehmen den Einsatz ihrer flüssigen Mittel besser steuern. Gleichzeitig können die Arbeitsabläufe optimiert und sämtli­ che Zahlungen zentral abgewickelt wer­ den. Interne Systeme wie das Buchhal­ tungsprogramm können direkt mit dem Portal verbunden und automatisch mit den relevanten Kontodaten versorgt werden. Nicht zuletzt können Banken ­ ­aufgrund der von den KMU aktiv freigege­ benen Daten zielgerichteter beraten. Das Unternehmen verschafft sich mit dem Einsatz digitaler Bankangebote einen Wettbewerbsvorteil. Richard Dratva, Mitgründer und Strategiechef, Cralogix, Zürich.

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10.08.16 10:21

itten in der Digitalisie­ rung der Wirtschaft fin­ det sich kaum noch ein CEO, welcher die Not­ wendigkeit zur digitalen Transformation von sich weist. Fast alle kotierten Unternehmen haben die He­ rausforderungen des digitalen Zeitalters als Toppriorität erkannt und die Ent­ wicklung digitaler Geschäftsmodelle als wichtigste strategische Aufgabe formuliert – dennoch stossen viele auf Implemen­ tierungshürden. Für die gebotene rasche Neuausrichtung des Unternehmens und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist eine optimale Kombination aus Strategie, Organisation, Führung und kulturellem Wandel gefragt.

Radikal betrachten und umsetzen Denn je grösser ein Unternehmen ist, desto geringer sind die Chancen, alther­ gebrachte Erfolgsmodelle in der digitalen Welt fortzusetzen oder durch neue zu er­ setzen. Ohne allen Konzernen das Schick­

sal von Kodak prophezeien zu wollen – Beispiele für einen gelungenen Wandel wie bei GE, das heute ein veritabler Indus­ trie-4.0-Player ist, sind noch die Ausnah­ me. Viele kleinere Firmen sind führend bei der Agilität und der Anpassungsfähig­ keit der Geschäftsmodelle: Geben sie das im Mittelstand noch oft typische Zögern auf, wird die digitale Transformation umso entschlossener angegangen. Zu Recht, denn laut einer Studie des MIT Center for Information Systems Research konnten bisher nur die Unternehmen echte Wettbewerbsvorteile erzielen, welche die Digitalisierung radikal betrachtet und ­ ­umgesetzt haben.

Eine ehrliche Ist-Analyse der digitalen Fähigkeiten im ­Unternehmen ist unerlässlich für digitale Transformation. Für den oft eklatanten Unterschied zwischen kleinen und grossen Unter­ nehmen gibt es mehrere Ursachen. Gross­ unternehmen tendieren zur organisatori­ schen Trägheit: Der Widerstand gegen die Schaffung agilerer Strukturen steigt rasant mit der Zahl der betroffenen Führungs­ kräfte an – so entstehen oft Ängste vor Kompetenzverlust etwa bei der Integra­ tion von IT und Produktentwicklung oder

durch einen neuen Chief Digital Officer. Hohen Erwartungen steht oft wenig Ein­ fluss gegenüber.

Es geht auch um die Machbarkeit Zudem fehlt es oft an Führungsstärke: Ein CEO mit begrenzter Vertragslaufzeit und einem guten, aber nicht extraordi­ nären Gehalt zielt eher auf inkrementelle Veränderungen als auf risikoreichere Transformationen. Und Anteilseigner sind oftmals risikoavers – sie strafen allzu radi­ kale Schritte schnell ab. Innovationen im Trippelschritt sind die Folge. Um die Chancen für eine erfolgreiche digitale Transformation trotzdem zu er­ höhen, sollte eine klare, differenzierende Digitalstrategie formuliert werden, welche Machbarkeiten realistisch einschätzt (nicht jede Firma muss das neue Google werden). Unerlässlich sind auch eine ehr­ liche Ist-Analyse der digitalen Fähigkeiten im Unternehmen und ein Programm zur Schliessung strategischer Kompetenz­ lücken. Um die strategischen Ziele zu ­erreichen, sollten zudem digitale Orga­ nisationsprinzipien und Kulturelemente ­genutzt werden. Nur wenn diese Mass­ nahmen als nicht delegierbare Topma­ nagement-Aufgaben verstanden werden, haben sie Erfolg. Andreas Rüter und Dr. Roman Friedrich, Managing Directors, AlixPartners, Zürich.

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Chatbots, wir wollen reden! Jürg Truniger, Appway Was zum Teufel ist ein «Chatbot»? Seit ein paar Monaten sind sie in aller Munde: Chatbots. Mit künstlicher Super­ intelligenz gefütterte Alleskönner, die in Windeseile unsere Arbeitsplätze überneh­ men und bald den Planeten beherrschen werden. Manchmal wird tatsächlich dieser Eindruck ausgelöst, wenn über Chatbots debattiert wird – ob absichtlich oder un­ gewollt. Gemäss Wikipedia sind Chatbots textba­ sierte Dialogsysteme, die es erlauben, in natürlicher Sprache mit einem System zu kommunizieren. Forschen wir also gleich weiter in Wikipedia und schauen, was da unter «Dialog» beschrieben ist: «Ein Dia­ log ist eine mündlich oder schriftlich zwi­ schen zwei oder mehreren Personen ge­ führte Rede und Gegenrede.» Und dann kam die Informatik und auf einmal gab es solche Dinge wie den «Speicher­Dialog» und andere Abstrusitäten, welche nun ge­ nau gar nichts mit «Rede» zu tun haben. Kein Wunder, wollen wir dies wieder los­ werden. Können uns Chatbots dabei hel­ fen?

Vor dem technologisierten Zeitalter fan­ den Dialoge «frei von der Leber weg» statt. Die Zunahme der Komplexität des gesellschaftlichen Lebens machte es aber notwendig, Hilfsmittel zu entwickeln, diese Konversationen besser zu führen – um Fehler zu reduzieren, Konsistenz zu gewährleisten und die Dialoge zu doku­ mentieren. Zu diesem Zweck wurden Formulare erfun­

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acht Minuten – statt der Kurierfahrt durch die verstopfte Innenstadt Luganos.

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den. Seither haben sie einen erstaunlichen Siegeszug angetreten und das Internet hat ihnen nochmals einen massiven Schub verliehen. Heute füllen wir mehr Formu­ lare aus denn je. «Self­service» ist eines der dominanten Elemente vieler Digitali­ sierungsinitiativen und Formulare spielen eine zentrale Rolle an der Kunden­ und Benutzerschnittstelle. Aber bei den Formularen verhält es sich wie beim E­Mail: Sie sind ein einfach ein­ setzbares Mittel und werden deshalb für Zwecke genutzt, für die sie nicht geschaf­ fen sind. Die Konsequenzen spüren wir täglich. Wie oft passiert es uns, dass wir uns beim Ausfüllen eines Online­Formulars überfordert fühlen und deshalb schliess­ lich doch zum Telefonhörer greifen? Oder wer findet es toll, ein komplexes Formular auf dem Mobiltelefon auszufüllen? Deren übermässige Verwendung kann zudem den Eindruck erwecken, dass Banken, Ver­ sicherungen und Behörden ihre Arbeit uns Konsumenten oder Bürgern aufhalsen, statt sie für uns zu erledigen. Aber erinnern wir uns, Formulare wurden einst erfunden, um Konversationen besser zu strukturieren. Wie die Chatbot­Diskus­ sion zeigt, geht das Pendel momentan ge­ nau in die entgegengesetzte Richtung: die Sehnsucht nach Rückkehr zum «reinen» Dialog. Dies geht auch einher mit dem Drang, starre Strukturen zu überwinden und die Individualität wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Vom Formular zur Konversation Messaging­Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger und andere haben mittlerweile eine immer grössere Popularität erhalten. Wir nutzen sie tagtäglich und haben uns an die textbasierten Interfaces von Chats gewöhnt. Heute sind sie nicht nur in der Mensch­zu­Mensch­Kommunikation ein­ setzbar, sondern stellen eine immer wich­

tiger werdende Interaktionsmethode für die Mensch­Maschine­Kommunikation dar, die bislang von Online­Formularen und Dingen wie dem «Speicher­Dialog» dominiert war. Bei Chatbots steht die natürliche Sprache im Zentrum. Der dialogunterstützende Aufbau von «Conversational Interfaces» erlaubt es, Informationen auf natürliche­ re Weise zugänglich zu machen und so Informationserfassungs­ und Entschei­ dungsprozesse benutzerfreundlicher zu gestalten. Es gibt diverse Anwendungs­ fälle, in denen Conversational Interfaces die geeignetere Alternative zum Formular darstellen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir nun alle Formulare abschaffen und die Benut­ zer ihre Anwendungen nur noch via Chat bedienen werden. Für gewisse Interaktio­ nen stellen Formulare durchaus die besse­ re Wahl dar – gerade bei häufig wieder­ kehrenden Aufgaben. Wichtig ist es zu

Online-Formular

identifizieren, wo die Nutzer Probleme mit bestehenden Formularen haben, um die­ se dort durch Conversational Interfaces zu ersetzen. Dabei können Business­Analysten und Ap­ plikationsentwickler wichtige Erfahrungen mit einem stattfindenden Paradigmen­ wechsel machen: Bei den Conversational Interfaces steht die Konversation im Zen­ trum und damit Elemente wie sprachliche Präzision und Tonalität, und nicht die aus­ geklügelte zweidimensionale Aufbereitung von Information und Funktionalität. Zurück zur Anfangsfrage zu Chatbots: ja, machen wir den Schritt, Dialoge in ih­ rer ursprünglichen Form auch für die Mensch­Maschine­Kommunikation zu nut­ zen! Künstliche Intelligenz ist da gar nicht zwingend notwendig. «Lesen Sie mehr dazu in unserer Chatbot­Serie auf appway.com»

Conversational Interface


62 | Digitale Transformation

Digital-Beratungen Externe Partner können eingeprägte Denkmuster aufbrechen und mit ihren Kunden den Weg der Transformation gehen. PHILIPP ROSENTHAL

«Die Zeiten, in denen wir unsere Digitalisierung in Grossprojekten ausgelagert haben, sind vorbei», sagt Emanuele Diquattro, Leiter Vertrieb und Marketing, der Sanitas Krankenversicherung. «Wir müssen den Takt unserer Veränderung selbst vorgeben. Digitale Kompetenz ist nicht mehr auf Beratungs- und Technologiefirmen beschränkt.» Der Trend zu diesem Selbstverständnis entwickelt sich bei Schweizer Grossunternehmen zur gelebten Realität. Wenn Talente und Experten für diese Transformation bis vor ein paar Jahren noch eher im Beratungsumfeld angeheuert haben, findet heute ein signifikanter Teil dieser Talente ein Zuhause auf der Seite der Unternehmen. In digital geprägten Märkten vorne mitzuspielen bedeutet, dass die un­ter­nehmenseigene DNA entsprechend entwickelt werden muss. Externe Fachkräfte sind zunehmend eine Ergänzung der eigenen, digitalen Kompetenz. Unternehmen wissen immer besser, wo sie stehen, wohin sie wollen und welche Wegoptionen bestehen. Externe Unterstützung benötigen sie jedoch häufig im Bereich digitaler Innovation. Dies lässt sich anhand der fast inflationär gegründeten, externen Inkubatoren von Grossunternehmen erkennen. Auch bei der Verbindung und Orchestrierung von oft isoliert gestarteten Initiativen können externe Partner alteingesessene Denkmuster aufbrechen. Dafür werden sie zunehmend in interne Teams inte­griert.

Neue Rollen, neue Profile Dieser stetig steigende Reifegrad auf Unternehmensseite stellt schleichend, aber nachhaltig das klassische Projektund Beratungsgeschäft auf den Kopf. «Es wird immer seltener, dass wir geschlossene Projekte schlüsselfertig abzuliefern haben. Im strategischen, konzeptionellen und technischen Umfeld werden wir zunehmend zum Coach unserer Kunden, indem wir ­deren Gestaltungs- und Veränderungsprozess begleiten. Sie verlangen methodische Kompetenz in Kombination mit der Anpassungsfähigkeit für die ­individuellen Anforderungen der Unternehmen», beschreibt Marc Maret, CEO von Infocentric, die neue Welt. «Es geht

darum, gemeinsam den Weg zu planen, konkrete Schritte zu beschreiben sowie auf agile Weise relevantes Fach- und Methodenwissen in die Teams der Kunden zu übertragen.»

Das Überleben hängt davon ab Was früher Drang nach Unabhängigkeit war, ist inzwischen das V ­ er­ständnis dafür, dass in vielen Geschäftsmodellen das Überleben vom Gelingen der Transformation abhängt. Differenzierung und Inno­vation kann man sich nicht ständig ­zukaufen. Speziell dann, wenn sich die Rahmenbedingungen aufgrund der immer schneller werdenden Innovations­ zyklen kontinuierlich verändern. «Es ist nicht mehr die Frage, ob man ein Geschäftsmodell hat, das in sich ­digitalisiert werden kann. Die Welt erwartet, dass wir Beziehungen mit Partnern, Zielgruppen und auch Mitarbeitenden mit digitalen Mitteln einfacher und effektiver gestalten», beschreibt Julien Buro, Leiter Marketing der Privatklinikgruppe Hirslanden, die Situation. «Im Bereich Akutmedizin erwartet ein Patient neben seinem Erleben des Klinikaufenthalts auch das digitale Erlebnis wie die Website der Klinik oder die digitale Interaktion via Patientenportal. Auch digital müssen wir Vertrauen und Kompetenz vermitteln.» Mit branchenübergreifender Erfahrung oder dem Blick über den Tellerrand an Bord zu kommen, wird das T ­ages­geschäft der Beratung. «Berater müssen heute vor allem eines können: zuhören», sagt Marc Maret. «Es kommt gar nicht darauf an, ob man gemeinsam mit dem Kunden an der Digita­lisierung ganzer Geschäftsmodelle, einzelner Prozesse oder neuen Applikationen arbeitet. Die Ergebnisse und der damit verbundene Veränderungsprozess müssen zum Unternehmen ­sowie zu Kultur und Menschen passen. Marktanalysen und Business Cases auf Basis des identifizierten Potenzials sind gut und schön; wirklich erfolgreich ist man aber nur dann, wenn man den Weg auch nachhaltig gehen kann. Aktionistische Massnahmen kann und will sich heute niemand mehr leisten. Dafür muss ich auf Beraterseite genau verstanden haben, mit wem und womit ich es zu tun habe – auf allen relevanten Ebenen.» Integrierte Zusammenarbeit wird also zum neuen Credo einer ganzen Branche. Nicht mehr für, sondern mit dem Kunden wird der Weg der ­digitalen Transformation in Zukunft beschritten. Philipp Rosenthal, Principal Consultant, Infocentric, Baden.

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Konzepte auf dem digitalen Prüfstand Arbeitswelt Wie begegnen Unternehmen der wachsenden Anzahl Mitarbeitender, die nicht mehr im traditionellen Arbeitsmodell sein wollen?

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in der Arbeitswelt wahrnehmen: Sie sehen sich selbst und ihre Kompetenzen immer as Zeitalter der Digitalisie- weniger als Teil der Gemeinschaft eines rung verläuft parallel mit der Unternehmens, sondern wollen ihr WisEntwicklung der westlichen sen und ihre Erfahrung selbstbestimmt Menschheit hin zu einer zur Verfügung stellen. Der Entscheid, ob, starken Individualisierung. in welchem Ausmass und in welcher Diese Verknüpfung führt zu einer disrup- ­Lebensphase sie ihre Kompetenzen mehr tiven Veränderung der Arbeitswelt. Der für den Beruf oder mehr für die Familie Mitarbeitertypus, der vierzig Jahre lang im einsetzen, bildet das neue Lebenskonzept. 100-Prozent-Pensum für dieselbe Firma Die heutigen Technologien erlauben arbeitet, ist ein Auslaufmodell. Dass er es, genau solche Lebenskonzepte zu realiseine Loyalität nicht mehr uneinge- sieren und mit der Arbeitswelt zu kombi­ schränkt ­einer Firma schenkt, ist in Zeiten nieren. Sozial etabliert und akzeptiert sind von O ­ ffshoring, Stellenabsolche Lebensformen allerbau und Reor­gani­sa­tionen dings heute noch nicht. FaImmer mehr milien, bei denen beispielsnicht ganz unverständlich. Aber es gibt auch noch eine Menschen ­suchen weise beide Elternteile in ­einem 60-Prozent-Pensum soziologische Begründung den Weg zum dafür, dass Menschen heute Arbeitsverhältnis arbeiten, gelten noch als Ausnahmen. Unsere Plattimmer expliziter nach flexibder eigenen Art. form, auf welcher bereits fast len Arbeits­modellen verlangen. Es ist der fortgeschritte130 000 Arbeitnehmer einne Prozess der Individualisierung, bei der geschrieben sind, die ihre Kompetenzen sich der Mensch selber in den Mittelpunkt und ihre Zeit für ausgewählte Firmen zur stellt und ein möglichst selbst­be­stimm­tes Verfügung stellen, ist jedoch ein Indiz (Arbeits-)Leben führen will. ­dafür: Immer mehr Menschen suchen den Wie stark sich das Bedürfnis der Weg zu selbstbestimmten ArbeitsverhältMenschheit nach ­Individualisierung ver- nissen und wollen ihre Jobs ihrem Leben stärkt hat, zeigt ein kleiner Exkurs in die anpassen und nicht umgekehrt. Kunstgeschichte: Sucht man bei Bauwerken, die aus dem Zeitalter von Romanik Sind die Unternehmen bereit? Es stellt sich also, wenn wir von der und Gotik stammen, den Namen des Architekten, ist dieser meistens nicht be- ­digitalen Transformation der Arbeitswelt kannt. Diese oft herausragenden Leistun- sprechen, neben der Frage, ob die Mit­ gen waren das Werk von Gemeinschaften. arbeitenden bereit sind dafür, auch um­ Auf dem Weg in die Moderne hat sich die gekehrt die Frage zur Bereitschaft der Individualisierung immer stärker akzen- ­Unternehmen, mit dieser Transformation tuiert. ­umzugehen. Sind die Arbeitgeber bereit, Die Digitalisierung der Kommunika­ Menschen mit neuen Lebenskonzepten tion hat dem Individuum Mensch das fina- den dafür benötigten Freiraum zu geben? le Werkzeug in die Hand gegeben. Heute Wissen sie schon, wie solche Mitarbeitenzelebrieren Millionen von Menschen auf den zu führen sind? Können sie das nötige Social-Media-Kanälen ihr ganz normales Vertrauen gewähren und die richtigen Leben und feiern ihren individuellen Ziele für solche Arbeitsformen vorgeben? Haben die Personalchefs schon Strategien ­Auftritt. Damit einher geht auch ein völlig ver- und digitale Tools, um diese «flexible ändertes Bild, wie Menschen ihren Platz work­force» zu managen? GIANNI VALERI

ZVG

Blick über den Tellerrand

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Das digitale Portemonnaie: Was als Startup von Postfinance startete, entwickelt sich heute zu der Mobile-Payment-App in der Branche des bargeldlosen Bezahlens mit Anbindung an die Schweizer Banken.

Mit gutem Beispiel voran gehen die Unterzeichner der Charta «Work Smart ­Initiative». Sie verpflichten sich, das Engagement und die Motivation ihrer Mit­ arbeitenden durch eine selbstständigere Arbeitsgestaltung zu steigern. Insbesondere wollen sie ihren Beitrag dazu leisten, die Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensbereichen zu fördern. Dieser Initiative gehören derzeit gerade einmal etwas mehr als hundert Firmen mit 70 000 Mitarbeitenden an. Das ist eine eher bescheidene Zahl angesichts von rund 4,9 Millionen Beschäftigten in der Schweiz und einem zweifelsohne steigenden Bedürfnis nach der Freiheit zu entscheiden, für wen sie wann und wie lange arbeiten wollen. Gianni Valeri, Managing Director Switzerland, Staff Finder, Zürich.

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Zürich | Basel | Bern | Brig

Raus aus den Silos und umdenken Internet of Things Mit der ­Digitalisierung müssen neue Services angeboten werden, die die Grenzen zwischen den Branchen aufbrechen.

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HANSJÜRG INNIGER

ie Digitalisierung macht vor keiner Branche Halt. Sie fordert sämtliche Firmen he­ raus. Heute interessiert es den Kunden nicht mehr, aus welcher Branche ihm eine passende ­Lösung geliefert wird. Ihm ist wichtig, dass sein Problem gelöst wird und dass die ­Lösung sein Leben angenehmer und einfacher macht. Diejenigen Firmen, die Neues wagen, werden mit Erfolg belohnt. Die meist­ genannten Beispiele dafür sind Uber und Airbnb. Wer es nicht geschafft hat, ist zum Beispiel Kodak. Zwar war Kodak die erste Firma, die eine digitale Kamera auf den ANZEIGE

Markt brachte. Aber sie hat ihr Potenzial völlig falsch eingeschätzt und dadurch ­ihren Untergang verursacht. Von Unternehmen, die sich nicht vor firmeninternen Kulturtransformationen scheuen und sich branchenübergreifende Lösungen ausdenken, gibt es immer mehr erfolgreiche Beispiele. Drei davon sollen hier angeführt werden: Dormakaba, Setza und Drivy. Diese Firmen haben vor allem drei Dinge verstanden: Die Welt ist ihnen zu komplex, um alles alleine zu bewerkstelligen. Und zweitens: Kulturwandel im Unternehmen ist ein Must. Dieser bedeutet: Auch wenn Ideen nicht im ersten Anlauf zum Erfolg führen, die Ideenbringer sollen nicht den Kopf lassen müssen. Und drittens: «Fail fast and cheap». Dazu muss man übrigens nicht zwangsläufig ein Startup gründen. Es geht in erster Linie darum, neue Ideen ausserhalb der gewachsenen Strukturen und Prozesse zu entwickeln. Ob das juristisch in der Firma oder komplett ausserhalb geschehen soll, dazu gibt es keine allgemeinen Regeln.

Entscheidend ist, dass das Unternehmen als Ganzes nicht in Schieflage gerät, wenn die entwickelte Idee ein Misserfolg wird.

Exivo: Gesamtdienstleistungspaket Als eine der ersten Unternehmungen in ihrem Markt nutzte Dormakaba, eine weltweit führende Anbieterin von Sicherheits- und Zutrittslösungen, die Möglichkeiten des Internet of Things (IoT). Mit ­ihrer webbasierten Zutrittslösung Exivo kann man nun digitale Zutrittssysteme verwalten. Installation und Planung wurden bewusst als eigenständige Pro­zesse beibehalten. Damit entwickelte sich Dormakaba vom Produkthersteller zum digitalen Service-Provider. Die Firma verkauft nun nicht mehr nur Schlüssel und Türschlösser, sondern die Dienstleistung «Zutrittssystem». Zühlke begleitete den Innovationsprozess von der Ideenfindung bis zur Realisierung der neuen Plattform. Drivy: Privat Auto (ver)mieten Ein weiteres erfolgreiches Beispiel ist die 2014 gegründete private Carsharing-

Plattform www.drivy.de. Sie umfasst bereits eine Million Mieter mit rund 40 000 Mietwagen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien und Belgien. Partner von Drivy ist der Versicherer Allianz. Er bietet den Automietern und -vermietern automatisch den notwendigen Versicherungsschutz. Über Drivy kann man schnell und günstig ein Auto in der Nachbarschaft mieten oder sein nicht benötigtes Auto an andere vermieten und damit Geld ver­ dienen. Ohne Vernetzung über Branchengrenzen hinweg wäre eine solche Lösung nie denkbar g­ ewesen.

Roomz: Innovative Beschriftung Das dritte Beispiel für eine perfekt vernetzte Lösung ist Roomz des Schweizer Startup-Unternehmens Setza: Ein kabelloses und batteriebetriebenes Display zeigt alle nötigen Informationen zur Belegung eines Raums an. Kurzfristige Änderungen sind sofort sichtbar, und gleichzeitig kann der Raum direkt über Tasten am Display gebucht oder freigegeben werden.

Dabei handelt es sich um eine integrierte und ergänzende Lösung für bestehende Systeme. Zühlke unterstützte Setza bei der Erarbeitung der Systemarchitektur ­sowie bei der technischen Cloud-Entwicklung von Roomz. Und wie sieht es mit branchenübergreifenden Inputs aus? Die Daten der Raumbelegung können zum Beispiel für die «condition-based maintenance», Reinigung und Wartung, eingesetzt werden. Ausserdem können einfach weitere ­Sensoren ergänzt werden, um Informationen zu Anwesenheiten, Raumklima und ­vielem mehr zu liefern, was Eigentümer, Mieter oder das Facility Management interessieren könnte. Es ergeben sich also zahlreiche neue Geschäftsmodelle. Hansjürg Inniger, Director Solution Center Internet of Things (IoT), Partner, Zühlke, Bern/Zürich. Über weitere Beispiele zum vernetzten Denken wird Hansjürg Inniger am Digital Economic Forum im «Park Hyatt» in Zürich am 10. Mai 2017 von 11.50 bis 12.20 Uhr sprechen.


62 | Digitale Transformation

Digital-Beratungen Externe Partner können eingeprägte Denkmuster aufbrechen und mit ihren Kunden den Weg der Transformation gehen. PHILIPP ROSENTHAL

«Die Zeiten, in denen wir unsere Digitalisierung in Grossprojekten ausgelagert haben, sind vorbei», sagt Emanuele Diquattro, Leiter Vertrieb und Marketing, der Sanitas Krankenversicherung. «Wir müssen den Takt unserer Veränderung selbst vorgeben. Digitale Kompetenz ist nicht mehr auf Beratungs- und Technologiefirmen beschränkt.» Der Trend zu diesem Selbstverständnis entwickelt sich bei Schweizer Grossunternehmen zur gelebten Realität. Wenn Talente und Experten für diese Transformation bis vor ein paar Jahren noch eher im Beratungsumfeld angeheuert haben, findet heute ein signifikanter Teil dieser Talente ein Zuhause auf der Seite der Unternehmen. In digital geprägten Märkten vorne mitzuspielen bedeutet, dass die un­ter­nehmenseigene DNA entsprechend entwickelt werden muss. Externe Fachkräfte sind zunehmend eine Ergänzung der eigenen, digitalen Kompetenz. Unternehmen wissen immer besser, wo sie stehen, wohin sie wollen und welche Wegoptionen bestehen. Externe Unterstützung benötigen sie jedoch häufig im Bereich digitaler Innovation. Dies lässt sich anhand der fast inflationär gegründeten, externen Inkubatoren von Grossunternehmen erkennen. Auch bei der Verbindung und Orchestrierung von oft isoliert gestarteten Initiativen können externe Partner alteingesessene Denkmuster aufbrechen. Dafür werden sie zunehmend in interne Teams inte­griert.

Neue Rollen, neue Profile Dieser stetig steigende Reifegrad auf Unternehmensseite stellt schleichend, aber nachhaltig das klassische Projektund Beratungsgeschäft auf den Kopf. «Es wird immer seltener, dass wir geschlossene Projekte schlüsselfertig abzuliefern haben. Im strategischen, konzeptionellen und technischen Umfeld werden wir zunehmend zum Coach unserer Kunden, indem wir ­deren Gestaltungs- und Veränderungsprozess begleiten. Sie verlangen methodische Kompetenz in Kombination mit der Anpassungsfähigkeit für die ­individuellen Anforderungen der Unternehmen», beschreibt Marc Maret, CEO von Infocentric, die neue Welt. «Es geht

darum, gemeinsam den Weg zu planen, konkrete Schritte zu beschreiben sowie auf agile Weise relevantes Fach- und Methodenwissen in die Teams der Kunden zu übertragen.»

Das Überleben hängt davon ab Was früher Drang nach Unabhängigkeit war, ist inzwischen das V ­ er­ständnis dafür, dass in vielen Geschäftsmodellen das Überleben vom Gelingen der Transformation abhängt. Differenzierung und Inno­vation kann man sich nicht ständig ­zukaufen. Speziell dann, wenn sich die Rahmenbedingungen aufgrund der immer schneller werdenden Innovations­ zyklen kontinuierlich verändern. «Es ist nicht mehr die Frage, ob man ein Geschäftsmodell hat, das in sich ­digitalisiert werden kann. Die Welt erwartet, dass wir Beziehungen mit Partnern, Zielgruppen und auch Mitarbeitenden mit digitalen Mitteln einfacher und effektiver gestalten», beschreibt Julien Buro, Leiter Marketing der Privatklinikgruppe Hirslanden, die Situation. «Im Bereich Akutmedizin erwartet ein Patient neben seinem Erleben des Klinikaufenthalts auch das digitale Erlebnis wie die Website der Klinik oder die digitale Interaktion via Patientenportal. Auch digital müssen wir Vertrauen und Kompetenz vermitteln.» Mit branchenübergreifender Erfahrung oder dem Blick über den Tellerrand an Bord zu kommen, wird das T ­ages­geschäft der Beratung. «Berater müssen heute vor allem eines können: zuhören», sagt Marc Maret. «Es kommt gar nicht darauf an, ob man gemeinsam mit dem Kunden an der Digita­lisierung ganzer Geschäftsmodelle, einzelner Prozesse oder neuen Applikationen arbeitet. Die Ergebnisse und der damit verbundene Veränderungsprozess müssen zum Unternehmen ­sowie zu Kultur und Menschen passen. Marktanalysen und Business Cases auf Basis des identifizierten Potenzials sind gut und schön; wirklich erfolgreich ist man aber nur dann, wenn man den Weg auch nachhaltig gehen kann. Aktionistische Massnahmen kann und will sich heute niemand mehr leisten. Dafür muss ich auf Beraterseite genau verstanden haben, mit wem und womit ich es zu tun habe – auf allen relevanten Ebenen.» Integrierte Zusammenarbeit wird also zum neuen Credo einer ganzen Branche. Nicht mehr für, sondern mit dem Kunden wird der Weg der ­digitalen Transformation in Zukunft beschritten. Philipp Rosenthal, Principal Consultant, Infocentric, Baden.

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Konzepte auf dem digitalen Prüfstand Arbeitswelt Wie begegnen Unternehmen der wachsenden Anzahl Mitarbeitender, die nicht mehr im traditionellen Arbeitsmodell sein wollen?

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in der Arbeitswelt wahrnehmen: Sie sehen sich selbst und ihre Kompetenzen immer as Zeitalter der Digitalisie- weniger als Teil der Gemeinschaft eines rung verläuft parallel mit der Unternehmens, sondern wollen ihr WisEntwicklung der westlichen sen und ihre Erfahrung selbstbestimmt Menschheit hin zu einer zur Verfügung stellen. Der Entscheid, ob, starken Individualisierung. in welchem Ausmass und in welcher Diese Verknüpfung führt zu einer disrup- ­Lebensphase sie ihre Kompetenzen mehr tiven Veränderung der Arbeitswelt. Der für den Beruf oder mehr für die Familie Mitarbeitertypus, der vierzig Jahre lang im einsetzen, bildet das neue Lebenskonzept. 100-Prozent-Pensum für dieselbe Firma Die heutigen Technologien erlauben arbeitet, ist ein Auslaufmodell. Dass er es, genau solche Lebenskonzepte zu realiseine Loyalität nicht mehr uneinge- sieren und mit der Arbeitswelt zu kombi­ schränkt ­einer Firma schenkt, ist in Zeiten nieren. Sozial etabliert und akzeptiert sind von O ­ ffshoring, Stellenabsolche Lebensformen allerbau und Reor­gani­sa­tionen dings heute noch nicht. FaImmer mehr milien, bei denen beispielsnicht ganz unverständlich. Aber es gibt auch noch eine Menschen ­suchen weise beide Elternteile in ­einem 60-Prozent-Pensum soziologische Begründung den Weg zum dafür, dass Menschen heute Arbeitsverhältnis arbeiten, gelten noch als Ausnahmen. Unsere Plattimmer expliziter nach flexibder eigenen Art. form, auf welcher bereits fast len Arbeits­modellen verlangen. Es ist der fortgeschritte130 000 Arbeitnehmer einne Prozess der Individualisierung, bei der geschrieben sind, die ihre Kompetenzen sich der Mensch selber in den Mittelpunkt und ihre Zeit für ausgewählte Firmen zur stellt und ein möglichst selbst­be­stimm­tes Verfügung stellen, ist jedoch ein Indiz (Arbeits-)Leben führen will. ­dafür: Immer mehr Menschen suchen den Wie stark sich das Bedürfnis der Weg zu selbstbestimmten ArbeitsverhältMenschheit nach ­Individualisierung ver- nissen und wollen ihre Jobs ihrem Leben stärkt hat, zeigt ein kleiner Exkurs in die anpassen und nicht umgekehrt. Kunstgeschichte: Sucht man bei Bauwerken, die aus dem Zeitalter von Romanik Sind die Unternehmen bereit? Es stellt sich also, wenn wir von der und Gotik stammen, den Namen des Architekten, ist dieser meistens nicht be- ­digitalen Transformation der Arbeitswelt kannt. Diese oft herausragenden Leistun- sprechen, neben der Frage, ob die Mit­ gen waren das Werk von Gemeinschaften. arbeitenden bereit sind dafür, auch um­ Auf dem Weg in die Moderne hat sich die gekehrt die Frage zur Bereitschaft der Individualisierung immer stärker akzen- ­Unternehmen, mit dieser Transformation tuiert. ­umzugehen. Sind die Arbeitgeber bereit, Die Digitalisierung der Kommunika­ Menschen mit neuen Lebenskonzepten tion hat dem Individuum Mensch das fina- den dafür benötigten Freiraum zu geben? le Werkzeug in die Hand gegeben. Heute Wissen sie schon, wie solche Mitarbeitenzelebrieren Millionen von Menschen auf den zu führen sind? Können sie das nötige Social-Media-Kanälen ihr ganz normales Vertrauen gewähren und die richtigen Leben und feiern ihren individuellen Ziele für solche Arbeitsformen vorgeben? Haben die Personalchefs schon Strategien ­Auftritt. Damit einher geht auch ein völlig ver- und digitale Tools, um diese «flexible ändertes Bild, wie Menschen ihren Platz work­force» zu managen? GIANNI VALERI

ZVG

Blick über den Tellerrand

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Das digitale Portemonnaie: Was als Startup von Postfinance startete, entwickelt sich heute zu der Mobile-Payment-App in der Branche des bargeldlosen Bezahlens mit Anbindung an die Schweizer Banken.

Mit gutem Beispiel voran gehen die Unterzeichner der Charta «Work Smart ­Initiative». Sie verpflichten sich, das Engagement und die Motivation ihrer Mit­ arbeitenden durch eine selbstständigere Arbeitsgestaltung zu steigern. Insbesondere wollen sie ihren Beitrag dazu leisten, die Vereinbarkeit von Beruf und anderen Lebensbereichen zu fördern. Dieser Initiative gehören derzeit gerade einmal etwas mehr als hundert Firmen mit 70 000 Mitarbeitenden an. Das ist eine eher bescheidene Zahl angesichts von rund 4,9 Millionen Beschäftigten in der Schweiz und einem zweifelsohne steigenden Bedürfnis nach der Freiheit zu entscheiden, für wen sie wann und wie lange arbeiten wollen. Gianni Valeri, Managing Director Switzerland, Staff Finder, Zürich.

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MAS Business- & IT-Consulting MAS Web4Business DAS Data Science DAS Applikationsentwicklung DAS Web Engineering

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Raus aus den Silos und umdenken Internet of Things Mit der ­Digitalisierung müssen neue Services angeboten werden, die die Grenzen zwischen den Branchen aufbrechen.

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HANSJÜRG INNIGER

ie Digitalisierung macht vor keiner Branche Halt. Sie fordert sämtliche Firmen he­ raus. Heute interessiert es den Kunden nicht mehr, aus welcher Branche ihm eine passende ­Lösung geliefert wird. Ihm ist wichtig, dass sein Problem gelöst wird und dass die ­Lösung sein Leben angenehmer und einfacher macht. Diejenigen Firmen, die Neues wagen, werden mit Erfolg belohnt. Die meist­ genannten Beispiele dafür sind Uber und Airbnb. Wer es nicht geschafft hat, ist zum Beispiel Kodak. Zwar war Kodak die erste Firma, die eine digitale Kamera auf den ANZEIGE

Markt brachte. Aber sie hat ihr Potenzial völlig falsch eingeschätzt und dadurch ­ihren Untergang verursacht. Von Unternehmen, die sich nicht vor firmeninternen Kulturtransformationen scheuen und sich branchenübergreifende Lösungen ausdenken, gibt es immer mehr erfolgreiche Beispiele. Drei davon sollen hier angeführt werden: Dormakaba, Setza und Drivy. Diese Firmen haben vor allem drei Dinge verstanden: Die Welt ist ihnen zu komplex, um alles alleine zu bewerkstelligen. Und zweitens: Kulturwandel im Unternehmen ist ein Must. Dieser bedeutet: Auch wenn Ideen nicht im ersten Anlauf zum Erfolg führen, die Ideenbringer sollen nicht den Kopf lassen müssen. Und drittens: «Fail fast and cheap». Dazu muss man übrigens nicht zwangsläufig ein Startup gründen. Es geht in erster Linie darum, neue Ideen ausserhalb der gewachsenen Strukturen und Prozesse zu entwickeln. Ob das juristisch in der Firma oder komplett ausserhalb geschehen soll, dazu gibt es keine allgemeinen Regeln.

Entscheidend ist, dass das Unternehmen als Ganzes nicht in Schieflage gerät, wenn die entwickelte Idee ein Misserfolg wird.

Exivo: Gesamtdienstleistungspaket Als eine der ersten Unternehmungen in ihrem Markt nutzte Dormakaba, eine weltweit führende Anbieterin von Sicherheits- und Zutrittslösungen, die Möglichkeiten des Internet of Things (IoT). Mit ­ihrer webbasierten Zutrittslösung Exivo kann man nun digitale Zutrittssysteme verwalten. Installation und Planung wurden bewusst als eigenständige Pro­zesse beibehalten. Damit entwickelte sich Dormakaba vom Produkthersteller zum digitalen Service-Provider. Die Firma verkauft nun nicht mehr nur Schlüssel und Türschlösser, sondern die Dienstleistung «Zutrittssystem». Zühlke begleitete den Innovationsprozess von der Ideenfindung bis zur Realisierung der neuen Plattform. Drivy: Privat Auto (ver)mieten Ein weiteres erfolgreiches Beispiel ist die 2014 gegründete private Carsharing-

Plattform www.drivy.de. Sie umfasst bereits eine Million Mieter mit rund 40 000 Mietwagen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien und Belgien. Partner von Drivy ist der Versicherer Allianz. Er bietet den Automietern und -vermietern automatisch den notwendigen Versicherungsschutz. Über Drivy kann man schnell und günstig ein Auto in der Nachbarschaft mieten oder sein nicht benötigtes Auto an andere vermieten und damit Geld ver­ dienen. Ohne Vernetzung über Branchengrenzen hinweg wäre eine solche Lösung nie denkbar g­ ewesen.

Roomz: Innovative Beschriftung Das dritte Beispiel für eine perfekt vernetzte Lösung ist Roomz des Schweizer Startup-Unternehmens Setza: Ein kabelloses und batteriebetriebenes Display zeigt alle nötigen Informationen zur Belegung eines Raums an. Kurzfristige Änderungen sind sofort sichtbar, und gleichzeitig kann der Raum direkt über Tasten am Display gebucht oder freigegeben werden.

Dabei handelt es sich um eine integrierte und ergänzende Lösung für bestehende Systeme. Zühlke unterstützte Setza bei der Erarbeitung der Systemarchitektur ­sowie bei der technischen Cloud-Entwicklung von Roomz. Und wie sieht es mit branchenübergreifenden Inputs aus? Die Daten der Raumbelegung können zum Beispiel für die «condition-based maintenance», Reinigung und Wartung, eingesetzt werden. Ausserdem können einfach weitere ­Sensoren ergänzt werden, um Informationen zu Anwesenheiten, Raumklima und ­vielem mehr zu liefern, was Eigentümer, Mieter oder das Facility Management interessieren könnte. Es ergeben sich also zahlreiche neue Geschäftsmodelle. Hansjürg Inniger, Director Solution Center Internet of Things (IoT), Partner, Zühlke, Bern/Zürich. Über weitere Beispiele zum vernetzten Denken wird Hansjürg Inniger am Digital Economic Forum im «Park Hyatt» in Zürich am 10. Mai 2017 von 11.50 bis 12.20 Uhr sprechen.


64 | Digitale Transformation

PETRA OROSZ/KEYSTONE

HANDELSZEITUNG | Nr. 15 | 13. April 2017

Postfinance als digitale Innovationstreiberin auf dem Finanzplatz Schweiz: Die 1,7 Millionen E-Finance-Kundinnen und -Kunden und eine Million Downloads der Postfinance-App unterstreichen es.

Die Effizienz in der Kette

Blockchain Die Technologie wird die Transaktionen zwischen verschiedenen Marktteilnehmern neu definieren.

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URS KARRER

lockchain hilft, was einen Wert hat, zu digitalisieren und viel effizienter auszu­ tauschen. Blockchain funk­ tioniert wie ein Registeroder Hauptbuch, in dem Transaktionen verzeichnet und in genau der geschehe­ nen Reihen­folge unveränderbar gespei­ chert werden. Dies im Unterschied zur heutigen Situa­tion, in der jedes Unter­ nehmen sein eigenes Transaktions­ register führt und die Synchronisierung ­zwischen Marktpartnern oft eine Her­ ausforderung darstellt. Mit Blockchain können Geschäftspro­ zesse und Wertschöpfungsketten schnel­ ler, transparenter, direkter und kosten­ günstiger gemanaged werden. Oft wird dabei an Bitcoin und Kryptowährungen gedacht. Blockchain hat jedoch das Poten­ zial, nicht nur die Finanzbranche, sondern auch viele andere Branchen radikal zu verändern. Doch wie sehen Schweizer Unterneh­ men die Marktsituation und das Potenzial von Blockchain? Was ist die Motivation, sich damit auseinanderzusetzen, was sind angestrebte Einsatzbereiche sowie Her­ ausforderungen beim Technologieeinsatz? Dazu hat IBM Schweiz eine branchen­ übergreifende Marktstudie bei grösseren Unternehmen in der Schweiz durchge­

führt. Die Studie zeigt auf, dass ein Drittel der befragten Entscheidungsträger bereits an Blockchain-Initiativen arbeitet. Sie ­untersuchen mögliche Einsatzszenarien, führen Machbarkeitsstu­dien durch oder nutzen Blockchain-Technologie bereits produktiv. Ein weiterer Drittel beginnt sich für Blockchain zu interessieren.

End-to-End-Effizienzsteigerung Die Befragten sehen den grössten ­Vorteil von Blockchain in signifikanten ­Effizienzsteigerungen, sowohl für ihre in­ ternen Geschäftsprozesse als auch für die Erbringung von Produkten und Dienst­ leistungen. Zudem sehen je rund 20 Pro­ zent der Befragten die Möglichkeit, mit Blockchain ihr Geschäft in neue Bereiche zu entwickeln oder ihre Kundenbezie­ hungen zu verstärken. Neben der IT sind es vor allem die Strategie-, Business­Development-and-Joint-Venture- sowie die Produktentwicklungs-Teams, welche die Blockchain-Agenda bei den befragten ­Unternehmen am stärksten vorantreiben. Fast alle Befragten gehen davon aus, dass Blockchain ihren Markt beeinflussen wird. Unterschiedlich sind die Meinungen nur zum Zeitpunkt und Ausmass der Wir­ kung: 22 Prozent der Befragten denken, dass Blockchain schon in den nächsten zwei Jahren einen Unterschied für ihr ­Unternehmen und den Markt, in dem sie tätig sind, machen wird. Der Grossteil der

STUDIE

Hier wurde gefragt Branchen Im zweiten Halbjahr 2016 hat IBM Schweiz für die Studie mehr als fünfzig Entscheidungsträger in der Schweiz befragt. Die Unternehmen repräsentieren eine Vielzahl von Branchen sowie den öffentlichen Sektor. Knapp ein Drittel der Befragten ist aus Finanzunternehmen und Versicherungen, ein weiterer Drittel aus dem Distributionssektor, worunter Konsumgüter, Detail­ handel, Pharma, IT-Services sowie die Transport- und Logistikbranche fallen. Geografie Die Unternehmensgrösse variiert von weniger als 500 bis zu mehr als 100 000 Mitarbeitenden. Mehr als die Hälfte der Unternehmen sind international tätig. Befragten rechnet mit einem Einfluss ab 2019. Laut der Umfrage hat der Grossteil der Befragten 2016 weniger als 1 Prozent ihrer Projektbudgets in Blockchain-Initia­ tiven investiert. Ein Zeichen, dass viele

noch in der Ideenfindungsphase sind. Doch die Befragten erwarten in den nächsten zwei Jahren einen signifikanten Budgetanstieg.

Überraschende Vorreiter Oft wird das Banken- und Finanzwesen als Vorreiter in der Schweiz wahrgenom­ men – nicht zuletzt wegen der Fintechs ­beziehungsweise des Schweizer Crypto­ Valley. Hier zeigt die Studie ein anderes Bild: Vorne dabei ist der Distributionssek­ tor, wo Blockchain schon in den kommen­ den zwei Jahren zur Differenzierung am Markt beitragen soll. Der Finanzsektor sieht einen wesentlichen Einfluss erst zwi­ schen 2019 und 2025. Ein Grund dafür ist ein grosses Potenzial für Effizienzsteige­ rungen in der Wertschöpfungskette für den Distributionssektor. Zudem gibt es im Distribu­tionssektor deutlich weniger regu­ latorische Auflagen verglichen mit dem ­Finanzsektor. Spannend ist, dass viele bestehende Blockchain-Initiativen den Fokus auf tech­ nische Machbarkeit setzen, dann aber feststellen, dass eine marktfähige ValueProposition einer der wichtigsten Erfolgs­ faktoren ist. In Gesprächen äussern die Befragten, dass Projekte daran scheitern, dass sie zu klein angelegt, auf einzelne ­Bereiche im eigenen Unternehmen be­ schränkt oder aus einer zu technischen Sichtweise angegangen worden sind. Sol­

che Projekte werden oft abgebrochen, weil die anvisierten Problemstellungen oft mit bereits etablierten Technologien lösbar sind. Die tatsächlichen Vorteile und das Potenzial von Blockchain kommen erst in einem grösseren Kontext über Unterneh­ mens- oder Branchengrenzen hinaus zum Tragen.

Offene Standards als Wegbereiter Die Marktstudie hat auch gezeigt, dass nach wie vor unterschiedliche Konzepte durcheinandergewirbelt werden; das The­ ma Blockchain wird oft undifferenziert ausschliesslich mit Kryptowährungen wie Bitcoin assoziiert, was viel zu kurz greift, da die Anwendungsfelder seit einiger Zeit systematisch ausgebaut werden. Dabei helfen offene Standards, die den Weg ­bereiten für den Einsatz von Blockchain im Unternehmen. Dazu gehört das Hyperledger Project der Linux Foundation, in dem sich über 120 namhafte Unternehmen sowie Ent­ wickler mit dem Ziel zusammengeschlos­ sen haben, eine branchenübergreifende Blockchain-Plattform zu entwickeln. Dies ist ein wichtiger Schritt, da die Einigung auf Standards eine Conditio sine qua non ist, damit die Technologie ihr volles Poten­ zial entfalten kann. Urs Karrer, Digital Consulting Practice Lead, IBM Schweiz, Zürich.

NEWS

Einfach investieren für jedermann

Digital Economic Forum im Mai

Ein neues Fintech tummelt sich seit Ende Februar dieses Jahres auf dem Markt: Simplewealth. Die sehr simpel gestaltete Plattform soll den Kunden helfen, den administrativen Aufwand zu minimie­ ren. Zur Ermittlung des optimalen Port­ folios, das ein Algorithmus verwaltet, wird mithilfe eines Fragebogens das per­ sönliche Risikoprofil erstellt. Investments sind ab einer Eintrittsschwelle von 5000 Franken möglich. D ­ amit liegt das Startup deutlich unter der Schwelle der Konkur­ renz. Ein überall und jederzeit verfüg­ bares Online-Dashboard sowie Gebüh­ ren in der Höhe von jährlich 1 Prozent des investierten Vermögens schaffen Transparenz. Die vier Gründer haben ­bereits erste Kunden g­ ewonnen und ­arbeiten jetzt mit Hochdruck an der Verbesserung und Ausweitung ihres ­Angebots.

Das dritte Digital Economic Forum (DEF) am 9. und 10. Mai im «Park Hyatt» in Zürich versteht sich als integ­ rierte Diskussionsplattform rund um die Digitalisierung und fragt nach, wie sich die Gesellschaft entwickelt und wie weit die dringend n ­ ötige politische Auseinandersetzung hinterherhinkt. Entscheiderinnen und E ­ ntscheider aus Politik und Wirtschaft sind also mehr denn je gefordert, über die Herausforde­ rungen der digitalen Z ­ ukunft up to date zu sein. Das DEF b ­ ildet dazu eine integ­ rierte Plattform mit hochrangigen Präsentationen, Keynotes und Diskus­ sionen über die ökonomischen und gesellschaftlichen Potenziale der Digita­ lisierung. Das Forum zeigt an einem bereits funktionierenden Beispiel den digitalen Kanton der Zukunft. Das DEF präsentiert in verschiedenen BusinessTracks erfolgreiche Visionen, K ­ onzepte und Ideen zur Bewältigung der d ­ igitalen

www.simplewealth.ch

Herausforderungen. Internationale und nationale Unternehmen zeigen dabei ­Future Developments auf und diskutie­ ren mit den Teilnehmenden über künf­ tige Herausforderungen und Möglich­ keiten.

Digital Switzerland: Swiss Industry 4.0 Nationaler Digitaltag Conference Award

Die Startup Challenge 2017 von Swiss­ com ist lanciert. Gesucht sind Tech-Startups aus der Schweiz, insbesondere aus den Bereichen Fintech, Smart Cities, ­Artificial Intelligence, E-Commerce und Hightech. Eine Fachjury wählt die fünf Gewinner aus. Sie erhalten ein Business Acceleration Program im Silicon Valley. Zusätzlich winkt die Chance auf ein In­ vestment oder die Zusammenarbeit mit Swisscom; Anmeldung bis 7. Mai 2017.

Am 21. November 2017 lanciert Digital Switzerland den ersten Digitaltag der Schweiz. Über dreissig renommierte Un­ ternehmen und Organisationen zeigen den Menschen in der ganzen Schweiz, was Digitalisierung für sie und für das ganze Land konkret bedeutet – und wel­ che Chancen sich daraus ergeben kön­ nen. Digital Switzerland möchte die gan­ ze Bevölkerung mit der Digitalisierung in Kontakt bringen: informieren, anregen, unterhalten und mit allen das Gespräch suchen. Die Unternehmen zeigen an Bahnhöfen, in ihren Filialen, auf den Smartphones und vielen weiteren Orten, wie die digitale Revolu­tion alle betrifft. Die SBB spielen am Digitaltag eine zent­ rale Rolle: Bahnhöfe in ­allen Landesteilen werden zu digitalen Arenen und zu Platt­ formen für den Dialog zwischen Bevölke­ rung, Unternehmen und Politik.

Am 14. September 2017 findet im Kulturund Kongresszentrum Baden die Swiss Industry 4.0 Conference statt. Im An­ schluss an die «schweizweit bedeu­ tendste Praxisveranstaltung zur digitalen Transformation» wird dann der z­ weite Swiss Industry 4.0 Award verliehen. Ab sofort können Projekte für den Wett­ bewerb eingereicht werden. Mit der Ver­ gabe des Swiss Industry 4.0 Award wird jährlich ein Unternehmen, eine Organi­ sation oder ein Projekt ausgezeichnet, das in der praktischen Umsetzung von Digitalisierungslösungen der Industrie 4.0 einen bemerkenswerten Beitrag an den Fortschritt der Wirtschaft in der Schweiz geleistet hat oder leistet. Die Swiss Industry 4.0 Conference wird von den Kooperationspartnern Siemens, Swisscom, SAP, der Universität St. Gallen und Autexis durchgeführt.

www.swisscom.ch/startup

www.digitalswitzerland.com

www.industry40.ch

www.digitaleconomicforum.ch

Ein Casting für Startups



Publireportage

Das Internet der Dinge ist keine Kaffeemaschine Seit 11 Jahren ist das Schweizer HLK­Unternehmen Belimo als Pionier im Internet der Dinge unterwegs. Gert Brettlecker, langjähriger Projektleiter und Soft­ wareingenieur beim Entwicklungspartner Ergon Informatik AG, hält Rückschau und fasst wichtige Erkenntnisse zusammen.

Ein erster, im Rückblick matchentscheidender Schritt war, wie Belimo zu Beginn die Weichen stellte. Das Unternehmen hatte bereits 2006 erkannt, dass Software eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft ist, und wandte sich für ein erstes Consulting und die Entwicklungspartnerschaft an ausgewiesene Softwareprofis. Viele andere Industriebetriebe machen – in meinen Augen – den Fehler, die Herausforderung Digitalisierung selbst lösen zu wollen. Der Ansatz scheint zunächst logisch, meistens existiert ja bereits eine Softwareentwicklungsabteilung im Haus und Schlüsseltechnologie will man nicht gerne extern geben. Dadurch wird aber die bestehende interne Sicht auf Softwareentwicklung beibehalten. Sie ist in Industrieunternehmen meist stark durch sogenannte «Embedded»-Systeme geprägt. Diese waren bis vor kurzem leistungsmässig stark begrenzt, sehr spezifisch zu programmieren und hatten wenige, aber stark standardisierte Schnittstellen – etwa wie eine Kaffeemaschine. Ein modernes «Embedded»-System (aka Internet of Things / IoT-Gerät) hingegen ist so leistungsfähig wie ein vollwertiger Linux-Computer und auch preislich extrem konkurrenzfähig. 30 Jahre ohne Softwarefehler Im Belimo-Projekt haben wir dennoch viel von den «Embedded»-Ingenieuren gelernt. So hat für einen Informatikingenieur die funktionale Korrektheit typischerweise einen geringeren Stellenwert als für den «Embedded»-Ingenieur. Dies aus ganz praktischen Gründen: Software ist meist sehr unkompliziert zu aktualisieren, oft haben Fehler keine gravierenden Auswirkungen oder das genaue Verhalten ist noch nicht einmal komplett definiert. Zum Unternehmen: Die 1984 gegründete Ergon Informatik AG ist führend in der Herstellung von individuellen Softwarelösungen und Softwareprodukten. 270 hoch qualifizierte IT-Spezialisten antizipieren dank herausragendem Know-how neue Technologietrends und stellen mit innovativen Lösungen Wettbewerbsvorteile sicher. Neben der international erfolgreichen Security-Software Airlock Suite realisiert Ergon hauptsächlich Grossprojekte im B2B-Bereich.

Mehr Informationen: www.ergon.ch Informationen zum preisgekrönten Internet of Things-Produkt von Belimo: www.energyvalve.com

Ganz anders sind die Industrie-Anforderungen: Belimo-Geräte sind typischerweise nach der Installation fix verbaut, die Software ist nicht aktualisierbar, sondern muss bis zu 30 Jahre ohne Störung einsatzfähig bleiben. Bei der Wartbarkeit der Software, ebenfalls ein Qualitätsmerkmal, ist die Situation anders. Der «Embedded»Ingenieur arbeitet meistens mit kleineren, überschaubaren Programmen, was den Wartungsaufwand verringert. Der Informatikingenieur hingegen lernt von Beginn an, grosse Programme gut zu strukturieren, sodass sie längerfristig verständlich und weiter entwickelbar bleiben. Zudem werden die vielen entstandenen Strukturen (Units) gut durch automatische Tests abgesichert, um versehentliche Verhaltensänderungen zu vermeiden. Unsere Viel lernen in Pionierprojekten: Das smarte Haus «Apartimentum» in Hamburg mit anLehre aus diesem Projekt ist, dass sich spruchsvollen vernetzten Klimaanwendungen. beide Vorgehensweisen für ein gutes IoT-Industrieprodukt ergänzen müssen. Cloud-Services unterstützt. Bei so vielen Komponenten steigt rein matheFrieren für einen guten Zweck matisch die Ausfallwahrscheinlichkeit Eine weitere wichtige Entscheidung stark an. Daher muss die Qualität der im Projektverlauf war, sehr früh echte Einzelteile, auch jene von DrittanbiePilotprojekte mit konkreten Aufgaben tern wie Nest, entsprechend hoch sein zu realisieren. So hat Belimo die Lüf- und das Zusammenspiel in möglichst tungssteuerung ihres grössten Gebäu- allen Situationen geprüft werden. Weil des am zentralen Firmensitz mit der die Qualität einzelner Komponenten neuen Technologie ausgestattet, als nicht unserem Standard entsprach, hadiese noch im Prototypenstadium war. ben wir unser Softwaresystem äusserst Kleinere Probleme bleiben da natürlich stabil und robust implementiert, um nicht aus und die Mitarbeiter froren damit die Auswirkungen auf das Geauch schon mal nach der Installation samtsystem zu kontrollieren. einer neuen Softwareversion. Der Lerneffekt wog dies aber um ein Vielfaches Geschäftslogik von der Software­ auf. Auch in weiteren Gebäuden in entwicklung entkoppeln der Schweiz und im Ausland wurden Für den Projekterfolg sehr wichtig war früh prototypische Installationen mit der «Application Designer» für die Klisehr anspruchsvollen vernetzten Kli- matechnikingenieure. Mit diesem gramaanwendungen realisiert und ver- fischen Modellierungstool können sie mittelten wertvolle Erkenntnisse über selber schnell und ohne Hilfe von Soft- Intelligente Steuerung von Heizung, Anwendungen und ihre technische wareentwicklern neue HLK-Modelle Lüftung und Klima via iPad im smarten realisieren und mit Ideen spielen. Die Haus in Hamburg. Realisierung. Entwicklung des «Energy Valve» der So auch die Arbeiten im Mehrfamili- ersten Generation bis zur Marktreife zierte Überwachungssysteme in der enhaus Apartimentum in Hamburg, dauerte damit nur ein gutes Jahr. Hardware abgesichert. Selbst in Langeinem Vorzeigeprojekt des Xing-Gründers Lars Hinrichs. Dort wurde das Das 2012 präsentierte Energy Valve ist zeit-Testläufen mit mehr als einem Jahr Internet der Dinge mit intelligentem als erstes Internet of Things-Produkt Dauer musste keines dieser Fangnetze Wohnen verbunden: Intelligente Ther- einer der wichtigsten Meilensteine des zuschlagen. Gelegentlich finden wir mostate von Nest erlauben die Hei- gesamten Projekts. Der Regelkugel- dadurch sogar Fehler in sehr bewährter zungssteuerung, mit dem Smartphone hahn mit Linux- und Java-Technologie Open-Source-Software. Der Java-Serwird die Temperatur der Dusche ein- beinhaltet einen Webserver, wurde ver Jetty zum Beispiel wird in Tausenden gestellt oder die Eingangstür geöffnet. über die Softwareplattform von Be- von Softwareprojekten eingesetzt. Ein Die Kommunikation der Systeme und limo programmiert und sogar zu ver- Langzeittest von Belimo zeigte uns eidie Bedienung werden durch neue netzten Anwendungen erweitert. Der nen sehr kleinen Speicherfehler im ProMarkt nahm das Produkt sehr gut auf gramm, der im Laufe der Zeit den beund es gewann viele Auszeichnungen. legten Speicher leicht anwachsen lässt. Im Laufe der Zeit hat es sich zu einem Der Fehler fiel uns erst nach 8 Monaten der erfolgreichsten Produkte von Beli- im Langzeittest auf, davor hatte ihn mo gemausert. Die dritte Generation weltweit niemand bemerkt. Neu haben wird durch spezielle Cloud Services wir nun zusätzlich Speicherkontrollen unterstützt und erlaubt neuartige An- als Fangnetze implementiert, damit wir wendungen wie die individuelle Op- Fehler dieser Art früher finden. timierung von Regelparametern auf Basis einer Datenanalyse durch Belimo. Der Ausblick in die Zukunft des Projekts Dank vieler Optimierungen bei Spei- sieht sehr gut aus. Neue Hardware cher und Rechenleistung verfügt die wird für neue Generationen von Proneuste Generation trotz gleichbleiben- dukten neue Möglichkeiten eröffnen. der Hardware über mehr als doppelt so Anwendungsideen für neue Produkte viele Funktionalitäten wie die Vorgän- existieren dank den vielen Pilotprojekten und Prototypen ausreichend. Neue germodelle. Cloud-Dienste sind am Entstehen. In Fangnetz für weltweit unentdeckte Zukunft wird man noch mehr auf sich etablierende Plattformen im Internet Fehler Das heutige System besitzt eine Viel- der Dinge setzen können. Wie immer zahl von Softwaresensoren, die sich gilt es bei neuen Trends genau zu evaselbst laufend überwachen. Wird eine luieren, verschiedene Lösungen zu verDr. Gert Brettlecker ist Teamleiter und Fehlersituation entdeckt, löst dies au- gleichen und bewährte Standards weiTechnologieverantwortlicher Enterprise tomatisch einen Neustart aus. Diese ter zu verwenden, bis sich die neuen Solutions bei Ergon Informatik AG. Fangnetze werden noch durch dedi- etabliert haben.

Bilder: HGesch, Hennef

In meiner beruflichen Laufbahn durchlebte ich eine ähnliche Entwicklung wie viele Unternehmen in der Digitalisierung: In den 90er Jahren studierte ich Elektrotechnik. Die Erkenntnis, dass Software mehr Gestaltungsmöglichkeiten bietet, liess mich in die Informatik wechseln. In den letzten zehn Jahren durfte ich als Softwareingenieur unseren Kunden Belimo aktiv auf dem Weg zum «Internet der Dinge» begleiten. Der Weg war nicht immer einfach und im Laufe der Zeit habe ich vieles dazugelernt.


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