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Gitter mit Gaben

Hilfe für Abgehängte versprechen so genannte Gaben- oder Spendenzäune. Sie haben im Moment Konjunktur. Und sind gut gemeint.

Spendenzäune sprießen im Land. In Oldenburg, in Göttingen, in Braunschweig, Dissen, Düren und anderswo in Niedersachsen. Und in Hannover: erst in der Oststadt, bald in Limmer und in der Calenberger Neustadt. Landauf landab hängen Menschen dieser Tage Tüten mit Nahrung und Utensilien an Bauzäune, Absperrzäune, Gartentore. Tüten mit Dingen, von denen sie annehmen, dass Obdachlose oder sonst wie arme Bürger sie vielleicht gebrauchen könnten. Die InitiatorInnen sind ErzieherInnen, StudentInnen, Linke, Rechte, Marketingexperten und Fotomodelle. Sie alle eint der Glaube zu wissen, dass das gut ist. Hilfsorganisationen und Stadt Hannover sehen den neuen Trend skeptisch.

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Der erste Spenden- oder Gabenzaun Deutschlands entstand vor gut vier Jahren in Darmstadt. Am 2. Januar 2016 hatte eine Handvoll Freiwilliger einen Maschendrahtzaun zwischen die Träger einer Pergola gespannt, um ein paar Tüten anzuhängen. Das war der Beginn des »Sozialen Zauns« Darmstadt. Kurze Zeit später folgten ähnliche Beispiele in Hamburg, Frankfurt und Berlin. Unter dem zweifelhaft beschönigendem Begriff »StreetStores« landete die Idee mittlerweile in großen Städten weltweit. Richtig Fahrt aber nahm die Idee erst in den vergangenen Wochen auf. Seit Beginn der Corona-Zeit. Offenbar aus Sorge um die Ärmsten, die in den Straßen des Shutdowns ausharren müssen. Mal sind solche Zäune gut organisiert wie

Bücherschränke, mal bieten sie ein Bild von Verwüstung und Müllhalde. Stets geht es darum, Menschen, die von anderen als bedürftig wahrgenommen werden, durch milde Gaben zu erfreuen. Und Schenken und Entsorgung so einfach und bequem wie möglich zu machen: »Wie oft haben Sie Dinge, die

Foto: G. Rinke

Der erste Zaun in der hannoverschen Oststadt ist von der Stadt bereits untersagt worden. sie nicht mehr benötigten weggeworfen, da sie nicht wussten wohin damit? Oder sie hatten nicht die Zeit, diese zu entsprechenden Institutionen zu bringen?«, erläuterten Die Macher des Darmstädter Originals seinerzeit ihren Impuls. Der neue Zaun diene dazu, die »Dinge nun unkompliziert und schnell zu verschenken«. Er sei gedacht für »Bedürftige wie Obdachlose, Asylsuchende oder andere Menschen.« Bis heute klingen die häufig selbst gemalten Schilder an den Zäunen ähnlich. Rechtlich verbindlich ist das natürlich nicht. Jeder könnte sich dort bedienen, wenn er denn für sich Interessantes dort fände.

Von Asphalt auf die Zäune angesprochen, unterstützt die Stadt Hannover die Idee der Spendenzäune explizit nicht. Im Gegenteil: Der Versuch der Initiatorinnen des ersten Zauns in der List, diesen nachträglich genehmigen zu lassen, scheiterte. Auch weitere Initiativen, »städtische Grundstückseinfriedungen für diesen Zweck« zu nutzen, »würden wir ablehnen«, so eine Stadtsprecherin. Und führt vor allem hygienische und organisatorische Gründe an. Man unterstütze »das Engagement und die Hilfsbereitschaft der BürgerInnen und privaten Initiativen« als »Zeichen großer Solidarität«. Sehe Spendenzäune aber kritisch: »Die Haltbarkeit von Lebensmitteln kann nicht sichergestellt werden und kann unter Umständen zu gesundheitlichen Schäden führen«, so eine Stadtsprecherin. »Auch hygienische Aspekte und die mögliche Abfallentsorgung vor Ort sprechen dagegen. Ferner können die Lebensmittel und deren Abfälle Ratten und Mäuse anziehen.« Sandra Lüke von der ehrenamtlichen Hilfsorganisation Bollerwagen-Café ergänzt noch einen weiteren Punkt: »Hasser könnten Gift in die Lebensmittel packen.« Volker Macke

HANNOVER KANN DAS BESSER

Kommentar

Echte Hilfe für andere, egal wie sie leben, geht nur über das Wissen, was sie brauchen. Es braucht also Nähe, Gespräche, Augenhöhe. Von Mensch zu Mensch. All das fehlt bei den so genannten Gabenzäunen. So nett die Idee auf den ersten Blick ist, Spendenzäune sind nichts anderes als hilflose Almosenwirtschaft. Wollen wir dahin zurück? Nicht nötig! Jedenfalls nicht in Hannover. In der Landeshauptstadt gibt es seit Jahren gut organisierte ehrenamtliche Hilfen für Obdachlose und Arme. Still und leise versorgen sie – auch in Corona-Zeiten – alle Obdachlosen der Stadt mit dem Nötigsten. Mit Essen, Getränken, warmer Kleidung und jeder Menge Wissen über Anschlussversorgung, Unterkünfte, medizinische Hilfen. Das machen sie fair, gleich und nach Bedarf. Dazu kommt ein ordentlich vernetztes professionelles Hilfesystem aus Straßensozialarbeit, Tagestreffs und Beratungsstellen. Das heißt nicht, dass alles gut ist in Hannover. Bei weitem nicht. Es fehlt an menschenwürdigem Wohnraum, an Sucht- und Schuldenhilfe auch für Gestrandete und an Teilhabe und Tätigseindürfen. In einem zweiten oder dritten Arbeitsmarkt. Woran es aber nicht fehlt: an Zäunen mit Almosen. Volker Macke

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