DOCAT Was tun?
deutsch
Was tun?
DOCAT Was tun?
Was tun? Die Soziallehre der Kirche
Mit einem Vorwort von Papst Franziskus
Impressum Herausgegeben von der Österreichischen Bischofskonferenz. Die Approbation durch den Päpstlichen Rat für die Förderung der Neuevangelisierung mit Zustimmung der Kongregation für die Glaubenslehre erfolgte am 07.04.2016. Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Das Werk wurde erarbeitet von Arnd Küppers und Peter Schallenberg in Kooperation mit Stefan Ahrens, Nils Baer, Thomas Berenz, Christoph Böhr, Marco Bonacker, Luisa Fischer, Julia Horstmann, Joachim Hüpkes, Christoph Krauß, Markus Krienke, Gerhard Kruip, Hermann von Laer, Weihbischof Anton Losinger, Bertram Meier, Bernhard Meuser, Elmar Nass, Ursula Nothelle-Wildfeuer, Martin Schlag, Walter Schweidler, Christian Stoll, Cornelius Sturm, Markus Vogt, Anno Zilkens und Elisabeth Zschiedrich.
Über dieses Buch Der DOCAT ist eine populäre Übersetzung der Sozial- und Gesellschaftslehre der Katholischen Kirche, wie sie in
wichtigen Dokumenten seit Leo XIII. entwickelt wurde. Be-
sonders junge Menschen sollen sich davon angesprochen fühlen, die großen Dokumente der Kirche im Originaltext
zu lesen und ihr Handeln an den Maximen von Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe zu orientieren. Immer wieder fordert Papst Franziskus die Christen auf, sich aktiv für eine
andere gerechtere Welt zu engagieren: „Ein Christ, der in diesen Zeiten kein Revolutionär ist, ist kein Christ.“
Projektleitung und Redaktion: Bernhard Meuser Projektassistenz: Clara Steber © 2016 YOUCAT Foundation gemeinnützige GmbH. Alleiniger Gesellschafter der YOUCAT Foundation ist das Internationale Päpstliche Hilfswerk KIRCHE IN NOT mit Sitz in Königstein im Taunus. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Marke YOUCAT erfolgt mit Zustimmung der YOUCAT Foundation. YOUCAT® ist eine international geschützte Wort- und Bildmarke. Eingetragen unter GM: 011929131 Umschlaggestaltung, Layout, Illustrationen und Satz: Alexander von Lengerke, Köln Druck und Bindung: FINIDR, s.r.o. Tschechien Produktionskoordination: Druckmedien Speyer GmbH, Speyer Papier: 80 g/qm Offset 1.15 Vol. ISBN: 978-3-945148-06-8 www.youcat.org
Die YOUCAT Foundation gemeinnützige GmbH fördert durch ausgeschüttete Gewinne der Verlagsarbeit und eingegangene Spenden weltweit Projekte der Neuevangelisierung, in denen junge Menschen ermutigt werden, den christlichen Glauben als Grundlage für ihr Leben zu entdecken. Sie können die Arbeit der YOUCAT Foundation gemeinnützige GmbH mit einer Spende unterstützen. Deutsche Bank AG BLZ: 720 700 24 Konto-Nr.: 031 888 100 IBAN: DE13 7207 0024 0031 8881 00 BIC: DEUTDEDB720
Die Zeichen und ihre Bedeutung Hier wird eine Bibelstelle aus einem anderen Buch zitiert, die dir ein tieferes Verständnis der Stelle ermöglicht, die du gerade liest. Hier steht ein Zitat. Manchmal unterstreicht es die Bedeutung des Textes, manchmal baut es eine Spannung zum Text auf. Immer geht es um die lebendige Auseinandersetzung mit der Wahrheit.
Die Zitate, die mit dem Signet des Petersdomes gekennzeichnet sind, enthalten die aktuelle Lehrverkündigung des Papstes, aber auch wichtige Worte seiner unmittelbaren Vorgänger.
Hier werden Begriffe erklärt.
Die Nummern am Ende eines jeden Textes sind durch Kästchen gekennzeichnet, die auf thematisch verwandte Stellen im Kompendium der Soziallehre der Kirche im Katechismus der Katholischen Kirche oder im YOUCAT verweisen.
Inhalt Vorwort S E I T E 1 0 1
4
Der Masterplan Gottes: Die Liebe
Gemeinwohl, Personalität, Solidarität, Subsidiarität: Die Prinzipien der Soziallehre
Fr a g e n 1 b i s 2 1 unter Mitarbeit von Peter Schallenberg, Marco Bonacker und Nils Baer
Fr a g e n 8 4 b i s 1 1 1
Warum man Gott nicht versteht, wenn man nicht weiß, dass er die Liebe ist.
unter Mitarbeit von Christoph Krauß und Joachim Hüpkes
Warum wir eine „Zivilisation der Liebe“ brauchen und wie man mit Liebe
Warum man von vier großen Prinzipien der Soziallehre spricht, wie man sie ethisch begründet und praktisch anwendet. Und warum sie besonders gut geeignet sind, gesellschaftliche Realitäten zu analysieren und zu verbessern. S E I T E 9 0
die Welt verändern kann. S E I T E
14
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
28
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
110
2
Gemeinsam sind wir stark: Die Kirche und das Soziale Fr a g e n 2 2 b i s 4 6
5
Das Fundament der Gesellschaft: Die Familie
unter Mitarbeit von Thomas Berenz und Christian Stoll
Fr a g e n 1 1 2 b i s 1 3 3
Warum man nicht richtig Christ sein kann, ohne sozial zu sein. Warum die Kirche kein Selbstzweck ist. Warum sie dafür eintritt, dass allen Menschen
unter Mitarbeit von Ursula Nothelle-Wildfeuer und Elisabeth Zschiedrich
Gerechtigkeit widerfährt. S E I T E
exkurs
32
Neue Medien
SEITE 46
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
54
S E I T E 114 132
6
Einmalig und unendlich wertvoll: Die menschliche Person
Beruf und Berufung: Die menschliche Arbeit Fr a g e n 1 3 4 b i s 1 5 7
Fr a g e n 47 b i s 8 3
unter Mitarbeit von Arnd Küppers
unter Mitarbeit von Walter Schweidler, Anton Losinger und Marco Bonacker
Warum der Mensch keinen Wert, aber eine Würde hat. Warum die Menschenrechte einen ebenso guten Grund im Glauben wie in der Vernunft haben, und warum Gott allein die Menschen davor bewahren kann, dass sie einander in die Hände fallen. S E I T E Die Person in der Bioethik Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
Gefährdungen ausgesetzt ist und warum man sie deshalb besonders schützen muss. Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
3
exkurs
Warum die Familie die Keimzelle der Gesellschaft ist, welche Leistungen die Familie für die Gesellschaft erbringt, warum die Lebensform Familie (nicht nur heute) besonderen
58
S E I T E 74 84
Warum die Arbeit kein Fluch, sondern ein Ausdruck menschlicher Selbstverwirklichung ist. Warum uns die Arbeit zu Mitarbeitern Gottes macht. Warum die Arbeit für den Menschen da ist und nicht der Mensch für die Arbeit. S E I T E 1 3 4 Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
152
7
10
Wohlstand und Gerechtigkeit für alle: Die Wirtschaft
Die Schöpfung bewahren: Die Umwelt
Fr a g e n 1 5 8 b i s 1 9 4
Fr a g e n 2 5 6 b i s 2 6 9
unter Mitarbeit von Hermann von Laer und Martin Schlag
unter Mitarbeit von Markus Vogt und Bernhard Meuser
Warum die Wirtschaft ihre eigenen Gesetze hat. Warum wirtschaftliches Handeln nur dann menschengerecht ist, wenn alle Beteiligten etwas davon haben. Warum der Markt
Warum Christen ein besonderes Verhältnis zur Natur und zur Umwelt haben. Warum wir jetzt etwas tun müssen, um die Schöpfung zu bewahren und zu einem nachhaltigen
auch Grenzen hat und wie wir auf die Globalisierung reagieren können. S E I T E Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
156
Umgang mit den Ressourcen der Erde zu gelangen. S E I T E Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
180
236
248
8
11
Macht und Moral: Die politische Gemeinschaft
Leben in Freiheit und Gewaltlosigkeit: Der Friede
Fr a g e n 1 9 5 b i s 2 2 8
Fr a g e n 2 7 0 b i s 3 0 4
unter Mitarbeit von Markus Krienke und Christoph Böhr
unter Mitarbeit von Stefan Ahrens, Nils Baer und Cornelius Sturm
Warum Politik Begründungen, Legitimationen und ethische Rahmenbedingungen braucht, um menschenfreundlich und nützlich zu sein. Warum Christen sich nicht aus der Politik heraushalten können. Warum sich Christen für die Freiheit und Gerechtigkeit aller einsetzen. Und warum sie ein hohes Interesse daran haben,
Warum wir Gott brauchen, um zu dauerhaftem und grundlegendem Frieden zu kommen. Warum die Kirche Friedensstifterin sein muss und was sie zur De-eskalation von Konflikten beitragen kann. Warum ein radikaler Pazifismus die Konflikte nicht löst und
gute Staatsbürger zu sein. S E I T E
184
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
wann man zum letzten Mittel des Krieges greifen darf. S E I T E
exkurs
206
250
Freiheit der Forschung und ihr möglicher Missbrauch Seite 270 Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
272
9 12
Eine Welt – eine Menschheit: Die internationale Gemeinschaft
Das persönliche und gemeinschaftliche Engagement: Die Liebe tun
Fr a g e n 2 2 9 b i s 2 5 5 unter Mitarbeit von Gerhard Kruip, Julia Horstmann und Luisa Fischer
Fr a g e n 3 0 5 b i s 3 2 8
Warum Christen auf eine radikal sich verändernde Welt mit neuen Mitteln reagieren müssen. Warum die Kirche eine besondere Option für die Armen hat und wie man
unter Mitarbeit von Elmar Nass, Bertram Meier und Anno Zilkens
Solidarität und globale Zusammenarbeit organisieren kann. S E I T E
208
exkurs
Was ist Armut
Seite 217
exkurs
Globale öffentliche Güter/Weltgemeinschaftsgüter
Seite 221
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
234
Warum Christen sich engagieren müssen und wo ihr Engagement gefragt ist: in der Kirche, in der Gesellschaft, in sozialen Nöten und gesellschaftlichen Konflikten, in Parteien und Verbänden. Warum Christen ihren Zeitgenossen etwas zu geben haben, was ihnen sonst niemand gibt. S E I T E
2 74
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten S E I T E
298
Namensregister S E I T E 3 0 4 Abkürzung der Bibelstellen S E I T E 3 0 7 Stichwortverzeichnis S E I T E 3 0 8
Abkürzungen, Bildnachweise S E I T E 3 19 Danksagung S E I T E 3 2 0
papst fr anziskus
Vorwort
11
Jesus sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Viele Heilige wurden von dieser Bibelstelle
bis ins Mark getroffen. Der heilige Franz von Assisi hat deswegen sein ganzes Leben geändert. Mutter Teresa hat sich über diesem Wort bekehrt. Und Charles de Foucauld bekennt: „Es gibt im ganzen Evange-
lium kein Wort, das auf mich einen größeren Einfluss gehabt hat und das mein Leben auf tiefere Weise verändert hat, als dieses: All das,
was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Wenn ich daran denke, dass diese Worte aus dem Mund
Jesu, dem ewigen Worte Gottes, stammen und dass es derselbe Mund
ist, der da sagt: Dies ist mein Leib, ... dies ist mein Blut … Wie sehr
sehe ich mich dann dazu berufen, Jesus vor allem in diesen Kleinen, den Geringsten zu suchen und zu lieben.“
Liebe junge Freunde! Unsere Erde voller Terror und Gewalt kann nur die Bekehrung des Herzens menschlicher machen. Und das bedeutet Geduld, Gerechtigkeit, Besonnenheit, Dialog, Unbestechlichkeit,
Solidarität mit den Opfern, den Armen und Ärmsten, Hingabe ohne Grenzen, Liebe, die für den anderen sogar in den Tod geht. Wenn Ihr
das ganz tief verstanden habt, dann könnt Ihr als engagierte Chris-
tinnen und Christen die Welt verändern. So wie es im Moment in der Welt zugeht, kann es nicht bleiben. Wenn ein Christ in dieser Zeit an
der Not der Ärmsten der Armen vorbeischaut, dann ist er in Wirklichkeit kein Christ!
Können wir nicht mehr dafür tun, dass diese Revolution der Liebe und Liebe Jugendliche! Mein Vorgänger, Papst Benedikt XVI., hat Euch einen Jugendkatechis-
mus, den YOUCAT, in die Hände gegeben. Ich möchte Euch heute ein weiteres Buch übergeben, den DOCAT, der die Soziallehre der Kirche enthält.
In dem Titel steckt das englische Wort „to do“, tun. Der DOCAT antwortet auf die Frage „Was tun?“ – und er ist so etwas wie eine Gebrauchsanweisung, die uns hilft, mit dem Evangelium erst einmal uns selbst, dann unser nächstes Umfeld und am Ende die ganze Welt zu
verändern. Denn wir können mit der Kraft des Evangeliums die Welt wirklich verändern.
Gerechtigkeit in vielen Teilen dieses gequälten Planeten Wirklichkeit
wird ? Die Soziallehre der Kirche kann so vielen Menschen helfen! Unter der bewährten Anleitung der Kardinäle Christoph Schönborn
und Reinhard Marx hat sich ein Team an die Arbeit gemacht, um die befreiende Botschaft der katholischen Soziallehre vor die Jugend der
Welt zu bringen. Dabei haben bekannte Wissenschaftler mitgearbei-
tet und auch Jugendliche. Junge Katholikinnen und Katholiken aus aller Welt haben ihre besten Fotos eingesandt. Andere Jugendliche haben über den Text beraten, ihre Fragen und Anregungen einge-
bracht und dafür gesorgt, dass man den Text gut verstehen kann. „Partizipation“ nennt das die Soziallehre: Beteiligung!
Das Team hat ein wichtiges Prinzip der Soziallehre gleich selbst angewandt. So ist der DOCAT eine großartige Anleitung zum christlichen Handeln geworden.
12
vorwort
papst fr anziskus
13
Das, was wir heute katholische Soziallehre nennen, entstand im
Weltvermögens, und zehn Prozent der Weltbevölkerung besitzen 85
taler Kapitalismus aufgekommen: eine Menschen vernichtende Art
de einmal ein Prozent an dieser Welt. Eins Komma vier Milliarden
neunzehnten Jahrhundert. Mit der Industrialisierung war ein bruder Wirtschaft. Gewissenlose Großindustrielle brachten die verarmte
Landbevölkerung dazu, zu Hungerlöhnen in Bergwerken oder verruß-
Prozent. Andererseits „gehört“ der Hälfte der Weltbevölkerung gera-
Menschen leben von weniger als einem Euro täglich.
ten Fabrikhallen zu schuften. Kinder sahen das Licht des Tages nicht
Wenn ich Euch alle nun einlade, die Soziallehre der Kirche wirklich
wagen zu ziehen. Christen halfen in dieser Not mit viel Engagement,
Bäumen sitzen und darüber diskutieren. Das ist gut! Macht das! Mein
mehr. Sie wurden wie Sklaven unter die Erde geschickt, um Kohle-
aber sie merkten, dass das nicht reichte. So entwickelten sie Ideen, auch gesellschaftlich und politisch gegen das Unrecht vorzugehen. Die eigentliche Gründungsurkunde der katholischen Soziallehre bleibt das Schreiben von Papst Leo XIII., Rerum Novarum, über die
neuen sozialen Probleme aus dem Jahre 1891. Der Papst schrieb klar und unmissverständlich: „Dem Arbeiter den ihm gebührenden Verdienst vorenthalten ist eine Sünde, die zum Himmel schreit.“ Die Kir-
che setzte ihre ganze Autorität ein, um für die Rechte der Arbeiter zu kämpfen.
Weil die Nöte der Zeit es erforderten, wurde die katholische Sozial-
kennenzulernen, so träume ich nicht nur von Gruppen, die unter
Traum ist größer: Ich wünsche mir eine Million junger Christen, ja am besten eine ganze Generation, die für ihre Zeitgenossen „Soziallehre
auf zwei Beinen“ sind. Etwas anderes wird die Welt nicht verändern als Menschen, die sich mit Jesus für sie hingeben, die mit ihm an die
Ränder gehen und mitten in den Schmutz hinein. Geht auch in die
Politik und kämpft für Gerechtigkeit und Menschenwürde, gerade für die Ärmsten. Ihr alle seid die Kirche. Sorgt mit dafür, dass diese Kirche sich verwandelt, dass sie lebendig ist, weil sie sich herausfordern
lässt von den Schreien der Entrechteten, von dem Flehen der Notleidenden und von denen, um die sich niemand kümmert.
lehre mit den Jahren immer weiter angereichert und verfeinert. Viele
Setzt Euch auch selbst in Bewegung. Wenn viele das gemeinsam ma-
wohl. Man fand die Prinzipien der Personalität, der Solidarität und
werden spüren, dass der Geist Gottes durch Euch wirkt. Und vielleicht
diskutierten über Gemeinschaft, Gerechtigkeit, Frieden und Gemeinder Subsidiarität, die auch der DOCAT erklärt. Aber eigentlich kommt die Soziallehre nicht von diesem oder jenem Papst oder diesem oder
jenem Gelehrten. Sie kommt aus dem Herzen des Evangeliums. Sie kommt von Jesus selbst. Jesus ist die Soziallehre Gottes.
„Diese Wirtschaft tötet“, habe ich in meinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“ gesagt, denn es gibt sie heute noch, „jene Wirtschaft der
Ausschließung und der Disparität der Einkommen“. Es gibt Länder,
in denen vierzig oder fünfzig Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit
chen, dann wird es besser werden in dieser Welt und die Menschen seid Ihr dann wie Fackeln, die diesen Menschen den Weg zu Gott heller machen.
So gebe ich Euch dieses großartige kleine Buch, damit es ein Feuer in Euch entzündet. Ich bete jeden Tag für Euch. Betet auch für mich!
Euer
sind. In vielen Gesellschaften werden alte Menschen aussortiert, weil
sie scheinbar keinen „Wert“ haben und nicht mehr „produktiv“ sind.
Ganze Landstriche werden entvölkert, weil die Armen der Erde in die Slums der Metropolen fliehen, in der Hoffnung, dort noch etwas zum
Überleben zu finden. Die Produktionslogik einer globalisierten Wirtschaft hat die bescheidenen ökonomischen und landwirtschaftlichen Strukturen ihrer Heimatregionen zerstört. Etwa ein Prozent der
Weltbevölkerung besitzt mittlerweile vierzig Prozent des gesamten
Papst Franziskus
1 fr agen 1 –2 1
Der Masterplan Gottes die liebe
16
der ma sterpl an got tes
1 – die liebe
17
Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen. I. Vatikanisches Konzil
Ich bin berufen, etwas zu tun oder zu sein, wofür kein anderer berufen ist. Ich habe einen Platz in Gottes Plan auf Gottes Erde, den kein anderer hat. Ob ich reich bin oder arm, verachtet oder geehrt bei den Menschen, Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen. SEL . JOHN HENRY NE WM A N (1801–1890), engl. Kardinal und Philosoph
1
PA PS T BENEDIK T X V I., 9.7.2006
und uns erschuf ?
Ja. Gott hat die gesamte Welt nach seiner Vorstellung und seinem Plan geschaffen. So wie ein Mensch sich
ein Spiel, etwa Mühle oder Schach, ausdenken kann und mit den Spielregeln die gesamte Logik des Spiels
erschafft, so hat Gott die Welt erschaffen und den Menschen erdacht. Der rote Faden in Gottes Schöp-
fung ist die Liebe. Der Plan Gottes ist also, dass der
Mensch liebt und auf die Liebe Gottes antwortet und so selbst in Liebe denkt, spricht und handelt.
20
Natürlich kommen wir von unseren Eltern und sind ihre Kinder; wir kommen aber auch von Gott, der uns nach seinem Abbild geschaffen und uns berufen hat, seine Kinder zu sein. Daher steht am Anfang jedes Menschen nicht der Zufall oder eine Fügung des Schicksals, sondern ein Plan der göttlichen Liebe.
Hat Gott planvoll gehandelt, als er die Welt
2
2062
1, 2
Wer ist überhaupt Gott?
Gott, so kann man sagen, ist der Ursprung
3
Wenn Gott der Urheber des ganzen Kosmos ist, dann
ist er auch der Maßstab von allem, was sein soll. Al-
les Handeln wird an ihm und seinem Plan gemessen. An ihm können wir erkennen, was gutes Handeln ist.
Etwas verkürzt gesagt: Gott hat die DNA unseres Lebens geschrieben. Was Gott für und mit uns will, das
ist die Norm und die Regel eines guten und gerechten
Lebens. Christen handeln solidarisch, weil Gott zuerst liebevoll an ihnen gehandelt hat.
20, 25, 26
tragende Grund. Auf die heutige Wissenschaft bezogen
kann man sagen: Er ist vor dem Urknall und der Ur-
sprung aller Naturgesetze. Ohne Gott würde alles, was ist, in sich zusammenfallen. Gott ist auch das Ziel von allem, was ist.
34, 279 ff.
33
Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen. OFFB 4,11
Herr, wie zahlreich sind deine Werke. Mit Weisheit hast du sie alle gemacht. PS 104, 24
1694
Was nicht in meinem Plan lag, das hat in Gottes Plan gelegen. Und je öfter mir so etwas begegnet, desto lebendiger wird in mir die Glaubensüberzeugung, dass es – von Gott her gesehen – keinen Zufall gibt. HL . EDITH S TEIN (1891–1942), dt.-jüdische Philosophin, KZ-Opfer, Endliches und ewiges Sein (1935/36)
von allem, was es gibt. Er ist der letzte
Grund, die letzte Ursache von allem und der weiterhin
Was bedeutet Gott für unser Handeln?
4
Kann man Gott erfahren?
Wenn du über dich selbst nachdenkst, erkennst du bald, dass du dich nicht selbst gemacht hast. Niemand
hat dich gefragt, ob du eigentlich existieren willst oder
doch lieber nicht. Du warst plötzlich da. Das Nächste, was du erkennst: Du bist endlich. Heute, morgen oder übermorgen wird dein Leben zu Ende sein. Auch alles,
Ein Dreifaches ist dem Menschen notwendig zum Heile: zu wissen, was er glauben, zu wissen, wonach er verlangen, und zu wissen, was er tun soll.
HL . THOM A S VON AQUIN (1225–1274), größter christl. Denker des Mittelalters, Über die beiden Gebote der Liebe und die 10 Gebote Gottes (Prooemium)
18
der ma sterpl an got tes
1 – die liebe
19
„Ich liebe dich“ sagen heißt sagen: „Du sollst nicht sterben.“ G A BRIEL M A RCEL (1889–1973), frz. Philosoph
Alle erschaffenen Dinge bezeugen die Güte und Freigebigkeit des Schöpfers: Die Sonne verbreitet ihr Licht, das Feuer seine Wärme; der Baum streckt seine Arme aus und reicht uns die Frucht, die er trägt; Wasser und Luft und die ganze Natur verkünden die Freigebigkeit des Schöpfers, und wir, sein leibhaftes Abbild, stellen ihn nicht dar, sondern verleugnen ihn durch unser liebloses Wesen im Handeln, während wir ihn gleichzeitig mit dem Munde bekennen. HL . PHILIPP NERI (1515–1595)
was um dich herum ist, wird irgendwann einmal nicht mehr sein. Trotzdem kannst du das Unendliche denken: etwas, das existiert, aber nicht vergehen wird. Ob-
wohl du also ausschließlich von vergänglichen Dingen
umgeben bist, sehnst du dich nach dem Unendlichen und Unvergänglichen. Du möchtest, dass etwas von dir bleibt. Wie traurig wäre es auch, wenn die ganze schö-
5 Warum hat Gott den Menschen und die Welt geschaffen?
Gott hat die Welt aus überfließender Liebe heraus ge-
schaffen. Er möchte, dass wir ihn lieben, so wie er uns liebt. Er will uns in der großen Familie seiner Kirche versammeln.
49, 68, 142
ne Welt nur eine Momentaufnahme wäre, die sinnlos aufblitzt und wieder ins Nichts versinkt. Nur wenn es
Gott wirklich gibt, bist du bei ihm aufgehoben. Und auch die ganze Schöpfung ist aufgehoben. Die Ahnung
von Gott und die Sehnsucht nach ihm gehören zum
Menschen. Die Sehnsucht nach dem Unendlichen und Absoluten findet sich in allen Völkern, Kulturen und Religionen der Erde.
20
1147
20
6
2
Wenn Gott die Welt aus Liebe geschaffen hat, warum ist sie dann voll von Unrecht, Unterdrückung und Leid?
Gott hat die Welt in sich gut geschaffen. Sie ist aber von Gott abgefallen, sie hat sich gegen Gottes Liebe
entschieden. Die Bibel erzählt das in der Geschichte vom Sündenfall des Adam und der Eva. Die Menschen
Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. WEISH 11, 24
Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen. E X 3,7–8
20 Die Sünde ist das Gefängnis, in dem wir alle geboren sind. HL . IGN ATIUS VON LOYOL A (1491–1556), Ordensgründer der Jesuiten
Ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse. Der Apostel Paulus in RÖM 7,15
der ma sterpl an got tes
1 – die liebe
– siehe den Turmbau zu Babel – wollten sein wie Gott.
fenbart. Wir haben zwar von Natur aus eine Ahnung
sches Prinzip. Seitdem ist nichts mehr so, wie es von
nen, dass es Gott gibt. Aber wie Gott genau ist, was
Seither ist ein Webfehler in der Welt, ein zerstöreriGott geplant war. Auch unsere aktuellen Entscheidungen tragen dazu bei, dass es Unrecht und Leid in dieser Welt gibt. Viele falsche Entscheidungen verdichten
sich manchmal zu Strukturen des Bösen und der Sün-
de. Der Einzelne handelt dann in einem System, das als Ganzes böse und ungerecht ist, und es ist für ihn gar nicht leicht, sich dem zu entziehen, zum Beispiel wenn
er als Soldat zur Teilnahme an einem verbrecherischen Krieg verpflichtet wird.
27
365 ff., 415
von Gott und können durch Nachdenken auch erken-
seine Gedanken und Pläne sind, das bleibt unserem Verstand verschlossen. Gott muss uns also selbst mit-
teilen, wie er ist. Er tut das nicht, indem er uns eine Idee, ein Buch oder ein politisches System schickt,
sondern indem er Mensch wird. In Jesus Christus hat sich Gott ganz und endgültig offenbart: Gott ist Mensch
7
sus ist die Sprache Gottes.
20, 21
66, 68
MEIS TER ECK H A RT (1260–1328), dominikanischer Mystiker und Gelehrter
Manche sagen: „Ich habe zu viel Böses getan, der liebe Gott kann mir nicht verzeihen.“ Das ist eine grobe Lästerung. Es bedeutet, der Barmherzigkeit Gottes eine Grenze zu setzen. Sie hat aber keine: sie ist grenzenlos. Nichts beleidigt den lieben Gott so sehr, als an seiner Barmherzigkeit zu zweifeln. HL . JE A N-M A RIE VIA NNE Y (1786–1859), Pfarrer von Ars
Warum hat Gott dem Menschen überhaupt die Möglichkeit gegeben, Böses zu tun?
Gott hat den Menschen erschaffen, um zu lieben. Zur
Liebe kann man aber nicht gezwungen werden. Der
Mensch muss frei sein, um wirklich lieben zu können.
Wenn es echte Freiheit gibt, gibt es aber auch immer die Möglichkeit, sich fundamental falsch zu entscheiden. Menschen können sogar die Freiheit selbst zer-
8
286
Lässt Gott den Menschen allein, nachdem er sich von Gott abgewendet hat?
Nein. Gottes Liebe „hört niemals auf“ (1 Kor 13,8). Er
geht uns nach, sucht uns in unseren Höhlen und Verstecken, möchte mit uns in Kontakt kommen. Er möchte uns zeigen, wer er ist.
27, 773 9
Wie lässt sich Gott finden?
Gott lässt sich nur finden, indem er sich uns zeigt oder
(um es mit einem anderen Wort zu sagen) sich uns of-
36–38
7–10
Wie hat sich Gott vor Jesus offenbart?
Die Existenz Gottes war der Vernunfterkenntnis der Menschen nie verschlossen. In der Glaubensgeschich-
te Israels hat Gott sein Inneres geöffnet und zu Abraham, Isaak und Jakob gesprochen. Mose hat er be-
auftragt, sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien. Er hat immer wieder Propheten berufen, in seinem Namen aufzutreten.
54 ff.
stören.
311 ff.
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. JE S 55,8– 9
geworden, damit der Mensch versteht, wer Gott ist. Je-
10
Gott hat die Seele in freie Selbstbestimmung eingesetzt, sodass er ihr über ihren freien Willen hinweg nichts antun noch ihr etwas zumuten will, was sie nicht will.
21
11
7–8
Wie antwortet das Volk Israel auf die Selbstmitteilung Gottes ?
Wenn Gott einmal erkannt ist, kann nichts mehr blei-
ben, wie es ist. Das Volk Israel macht dies durch den Bund deutlich, den Gott mit ihm schließt. Zeichen die-
ses Bundes sind die Zehn Gebote, die Gott Mose auf dem Berg Sinai übergibt (Ex 19–24). Wenn wir uns an den Geboten orientieren und so versuchen, ge-
recht zu handeln, dann ist das unsere Antwort
auf die liebende Zuwendung Gottes. So haben wir die Möglichkeit, an Gottes Masterplan für die Welt und die Geschichte mitzuwirken.
22
34
Israel ist das Volk Gottes, es ist der Ausdruck der Gemeinschaft Gottes mit den Menschen, es ist das auserwählte Volk. Dies ist nicht eine natürliche Tatsache oder eine kulturelle, es ist ein übernatürliches Faktum. HL . PA PS T JOH A NNE S PAUL II. (1920–2005), im Oktober 1997
22 In allen Kulturen gibt es besondere und vielfältige ethische Übereinstimmungen, die Ausdruck derselben menschlichen, vom Schöpfer gewollten Natur sind und die von der ethischen Weisheit der Menschheit Naturrecht genannt werden. PA PS T BENEDIK T X V I., in seiner Enzyklika Caritatis in Veritate, CiV
der ma sterpl an got tes
12
Welche Bedeutung haben die Zehn Gebote für unser Zusammenleben?
In den Zehn Geboten gibt uns Gott die unvergänglichen Grundsätze des guten Lebens an die Hand. An ih-
nen können wir uns orientieren. So entsteht eine Welt, wie Gott sie sich gedacht hat. In ihnen erfahren wir,
was unsere Pflichten sind – z. B. dürfen wir niemandem etwas stehlen –, und zugleich werden unsere Rechte deutlich: auch uns darf niemand bestehlen. Der Inhalt der Zehn Gebote ist dem Naturrecht ähnlich, also
dem, was jedem Menschen als Vorstellung des guten enzyklik a
Päpstliches Lehrschreiben
Handelns ins Herz geschrieben ist. In ihnen werden universale, alle Menschen und Kulturen verbindende
Handlungsweisen beschrieben. Daher sind die Zehn Gebote auch die Grundregeln des gesellschaftlichen
1 – die liebe
uns Menschen in al-
434
Sünde: Damit ist Jesus der ideale Mensch, der Mensch nach dem Masterplan
A LBERT SCHWEIT ZER (1875–1965), Missionsarzt und Friedensnobelpreisträger
13
Wie offenbart sich Gott in Jesus von
Nazareth? Für mich ist Jesus mein Gott, Jesus mein Leben, Jesus meine einzige Liebe, Jesus in allem mein alles, Jesus mein ein und alles. Jesus, ich liebe dich aus ganzem Herzen, mit meinem ganzen Sein. SEL . MUT TER TERE S A (1910–1997), Friedensnobelpreisträgerin
In Jesus Christus kommt die Selbstoffenbarung Gottes
zu ihrem Höhepunkt. In seiner Person als Mensch und Gott zeigt sich die Liebe Gottes in absoluter und unüberbietbarer Weise. In ihm ist das Wort Gottes Fleisch
geworden, wie das Johannesevangelium am Anfang
berichtet. In Jesus Christus wird sichtbar und sogar körperlich greifbar, wer Gott ist und wie er den Men-
schen begegnet. So kann er sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). Christus wurde
SEL . CH A RLE S DE FOUC AULD (1858–1916), frz. Priester, Mönch und Eremit
Gottes.
Jesus lebte, was Gott
will: die Liebe. Christ
sein heißt: Jesus möglichst
nahezukom-
men. Durch die Sakra-
Es ist leichter, alle zu lieben als einen. Die Liebe zur ganzen Menschheit kostet gewöhnlich nichts als eine Phrase; die Liebe zum Nächsten fordert Opfer.
mente kommen wir in innigste
Verbindung
mit Jesus; wir werden „Leib Christi“.
28–29
335, 348 ff.
Worüber ich mich immer wieder wundere, ist dies: Es gibt auf der Welt über 30 Millionen Gesetze, um die Zehn Gebote durchzuführen.
Die Schwachheit der menschlichen Möglichkeiten ist die Quelle der Kraft. Jesus ist der Meister des Unmöglichen.
lem gleich, außer der
Zusammenlebens.
22
23
14
456 ff.
9–10
Was ist das neue Gebot der Liebe im Neuen Testament?
Die Goldene Regel („Behandle andere so, wie du von
ihnen behandelt werden willst“) ist als Norm guten Lebens in vielen Kulturen bekannt. Stärker noch wirkt
das Liebesgebot im Alten Testament: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18). Je-
sus Christus steigert und konkretisiert das Gebot der
gegenseitigen Liebe, indem er es an sich selbst und der Hingabe seines Lebens festmacht: „Wie ich euch
geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh
13,34). Diese Liebe ist gleichermaßen auf Gemeinschaft und Personalität ausgerichtet: Jeder zählt, als einmalige, unverwechselbare, von Gott geliebte Person – und jeder ist durch die Liebe auf die anderen verwiesen. Die göttliche Liebe ist der
Anfang einer „Zivilisation der Liebe“ (Papst Paul VI. und Johannes Paul II.), zu der alle Menschen beitragen können.
54
2055
322
PE TER ROSEGGER (1843–1918), österreichischer Schriftsteller
24 Die Liebe beginnt heute. Heute leidet jemand. Heute ist jemand auf der Straße. Heute hat jemand Hunger. Heute müssen wir uns einsetzen. Gestern ist vorbei. Morgen ist noch nicht da. Nur heute können wir Gott bekannt machen, indem wir lieben, dienen, Hungernde speisen, Nackte bekleiden, Armen ein Dach über dem Kopf besorgen. Warte nicht bis morgen! Morgen werden sie tot sein, wenn wir ihnen heute nichts geben. MUT TER TERE S A
tugend
(lat.: virtus = Kraft) ist eine eingeübte Haltung, die dem Menschen hilft, das Gute leichter zu vollbringen
der ma sterpl an got tes
15
Ist der Mensch zur Liebe berufen?
Ja, es entspricht zutiefst dem Wesen des Menschen,
JOSEF PIEPER (1904–1997), deutscher Philosoph
17
25
Gibt es einen Sinn und Fortschritt in der Geschichte ?
geliebt zu werden und Liebe zu schenken. Dabei dient
Das Heil (= endgültiges Vollkommensein, vollkomme-
zeigt – ist in sich selbst nichts als Liebe. Zwischen dem
wurde, ist nicht nur für wenige Menschen erreichbar.
uns Gott selbst als Ideal. Gott – so hat uns Jesus geVater, dem Sohn und dem Heiligen Geist findet ein ewi-
ger Austausch der Liebe statt. An dieser Gemeinschaft
der Liebe hat auch der liebende Mensch Anteil. Unser Leben kann nur gelingen, wenn wir uns dem Strom der
göttlichen Liebe nicht verschließen, sondern uns ihm öffnen. Liebe lässt uns offen sein für die Bedürfnisse
des Nächsten und macht uns fähig, uns selbst zu über-
schreiten. Jesus Christus, der sich aus Liebe zu den
Menschen in freiem Willen am Kreuz geopfert hat, hat gerade in der Selbstüberschreitung seines menschlichen Lebens die größte Tat der Liebe vollbracht.
34–37 16
1, 260
309
Den Nächsten lieben – kann man das
einüben? Was die Gerechtigkeit von der Liebe unterscheidet, ist gerade dies: dass in der Situation der Gerechtigkeit die Menschen einander als getrennt „Andere“, fast als Fremde gegenübertreten. [...] Gerechtigkeit heißt: den Anderen als Anderen gelten lassen; es heißt: da anerkennen, wo man nicht lieben kann. Gerechtigkeit sagt: es gibt den Anderen, der nicht ist wie ich und dem dennoch das Seinige zusteht. Der Gerechte ist dadurch gerecht, dass er den Anderen in seinem Anderssein bestätigt und ihm zu dem verhilft, was ihm zusteht.
1 – die liebe
nes Glück), das uns durch Jesus Christus geschenkt Gott will das Heil aller Menschen. Dieses Heil befreit den Menschen in all seinen Dimensionen: als Körper
und Geist, persönlich und sozial, in seiner irdischen Geschichte und für immer im Himmel. In der Geschich-
te, der Zeit also, in der wir uns befinden, bricht dieses Heil schon an; es wird aber erst in der Ewigkeit vollendet. Daher muss man alle politischen Ideologien kritisieren, die das Heil schon auf der Erde versprechen.
Dass wir erst im Himmel das Paradies finden, ist kei-
ne Vertröstung und auch keine Missachtung der Welt.
Vielmehr können wir aus der Hoffnung auf das ewige Leben das Hier und Jetzt gerecht und in Liebe gestalten. Nichts, was wir hier auf der Erde tun, ist vergeb-
lich, sondern es ist aufgehoben in der Vollendung der Ewigkeit.
40–58
Ja. Es ist sogar sehr wichtig. Liebe ist nicht nur ein Gefühl. Liebe ist auch eine → Tugend, eine Kraft, die
bevoller werden, das ist eine echte Herausforderung
HL . THÉRÈ SE VON LISIEUX (1873–1897), Karmelitin und Kirchenlehrerin
für jeden Christen. Wir müssen uns darin schulen, die Welt aus dem Blickwinkel des Anderen zu betrachten. gegnet, fühlen sich als Person ernst genommen und
können sich entfalten. Wenn man Liebe übt, wo es ein-
fach ist, werden wir mit Gottes Hilfe immer besser in der Lage sein, auch dort zu lieben, wo es wehtut und
wo wir nicht „zurückgeliebt“ werden. Das ist der Fall in
der Sorge für die Ärmsten und noch mehr dort, wo wir
auf eine neue Weise mit unseren Gegnern umgehen
müssen: im Verzicht auf Rache, Vergeltung und Gewalt.
105, 160, 184, 193
321, 328
2052, 2055, 2069, 2443–2446
110
DE SMOND TUTU (* 1931), Friedensnobelpreisträger
Christen sind eine echte GmbH: „Gemeinschaft mit begründeter Hoffnung“. PE TER H A HNE , TV-Moderator
Wenn wir fähig sind, den Individualismus zu überwinden, kann sich wirklich ein alternativer Lebensstil entwickeln, und eine bedeutende Veränderung in der Gesellschaft wird möglich. PA PS T FR A NZISKUS, Laudato sì (LS 208)
Mir scheint, man kann nichts Gutes wirken, wenn man sich selbst sucht.
man trainieren kann. Mutiger, tapferer, gerechter, lie-
Menschen, denen man mit herzlichem Wohlwollen be-
450
Ich glaube, weil dies ein moralisches Universum ist, dass das Recht siegen wird. Freundlichkeit wird siegen, Mitgefühl wird siegen, Lachen wird siegen, Liebe, Zuwendung, Teilen werden siegen. Denn wir sind für das Gute gemacht. Wir sind für Liebe gemacht.
18
Wie kommt es zu einer Veränderung der Gesellschaft?
Die biblische Botschaft, die Selbstoffenbarung Gottes,
verändert uns in jeder Hinsicht. Wir bekommen eine andere Sicht auf die Welt und unsere Gesellschaft. Der Anfang aller Veränderung beginnt im menschlichen
Herzen: Erst muss sich der Mensch selbst innerlich ver-
ändern und nach dem Gebot Gottes denken und leben, dann kann er auch nach außen wirken. Die Bekehrung des Herzens, die immer wieder neu angestrebt werden muss, ist der wirkliche Beginn einer besseren Welt.
Wer auch nur für einen einzigen Menschen keine Liebe hat, kann Gott nicht gefallen. Lieben wir alle Menschen, wie Jesus sie geliebt hat, indem wir für sie alles Gute wollen, was Er für sie gewollt hat, indem wir ihnen alles Gute tun, was in unserer Macht steht, indem wir uns für ihr Heil einsetzen mit der Bereitschaft, für jeden von ihnen unser Blut hinzugeben. CH A RLE S DE FOUC AULD
26 Wenn du deinen Bruder, den du vor Augen hast, nicht liebst, dann kannst du Gott, den du nicht siehst, nicht lieben. HL . AUGUS TINUS (354–430), Kirchenlehrer, größter Denker der frühen KIrche
der ma sterpl an got tes
Erst dadurch erkennen wir, wie Institutionen und Systeme verändert und verbessert werden müssen.
42 19
1889 Warum ist der Kern jeder menschlichen Sünde die Selbstentfremdung des Menschen?
Solange der Mensch egoistisch auf sich schaut, vernicht genug sind. Wir brauchen die menschliche Ge-
AUGUS TINUS
meinschaft, brauchen die befreiende Ausrichtung auf den Sinn und den Ursprung unseres Seins, letztlich auf Gott. Wir müssen aus uns herausgehen, denn wir
sind für die Liebe erschaffen. Indem wir lieben, überschreiten wir uns selbst – auf den anderen und letztlich auf Gott hin. Sich in sich selbst verkrümmen ist
FR A NÇOIS FÉNELON (1651–1715), frz. geistlicher Schriftsteller
hat, in tiefe, rettende Gemeinschaft mit ihm zu kommen. Diese Gemeinschaft, der „Leib Christi“, ist die
Kirche. Durch die Taufe und die anderen Sakramenneuem, unvergänglichem Leben beschenkt. Durch das Hören des Wortes Gottes folgen wir seinem Willen. Die
Kirche ist der Ort, in dem Menschen sich in Gottes Liebe entfalten können. Die Kirche ist kein Selbstzweck.
und muss mit ihrem Wirken zum Heil, zum Frieden und zur Entfaltung der Menschheitsfamilie beitragen.
49–51
122, 123
Ist in der Kirche das Reich Gottes schon sichtbar?
auch für ganze Gesellschaften. Dort, wo nur Konsum
die Welt sein ‚Reich‘ werde“ (Joseph Ratzinger). Mit
grund stehen, wird es einen Mangel an Solidarität und
wirklicher Menschlichkeit geben. Eine solche Gesell-
schaft ist dann nicht für den Menschen da, sondern der Mensch für die Gesellschaft.
47–48
400
315
de für Gott, dass er in ihr wohnen könne und so Jesus Christus ist das Reich Gottes wirklich in der Welt angebrochen. Überall, wo die Sakramente ge-
spendet werden, wird die alte Welt der Sünde und des Todes an der Wurzel überwunden und verwandelt. Eine neue Schöpfung bricht an; das Reich Gottes wird sichtbar. Die Sakramente bleiben aber leere
Zeichen, wenn Christen das ihnen geschenkte neue
Leben nicht in authentisches Handeln übersetzen. Man kann nicht zur Kommunion gehen und gleichzeitig anderen das Brot verweigern. Die Sakramente
rufen nach einer Liebe, die bereit ist, „aus sich selbst heraus- und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die
geographischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der SünDienende Liebe ist eine ungeheure Kraft. Sie ist die allergrößte Kraft. Nichts gleicht ihr. FJODOR MICH A ILOWITSCH DOS TOJE WSK I (1821–1881), russischer Dichter
20
Was ist die Aufgabe der Kirche im Masterplan Gottes?
Der Masterplan der Liebe Gottes ist die Rettung und Erlösung aller Menschen durch seinen Sohn Jesus
Christus. Die Kirche gibt es, weil Jesus uns eingeladen
RUTH PFAU (*1929), Lepraärztin und Ordensschwester
Der andere, das ist nicht die Hölle, sondern das Paradies. SR . EMM A NUELLE (1908–2008), die „Mutter der Müllmenschen“
21
Die Kirche ist dafür da, „dass in der Welt Raum wer-
und Produktion, das technische Überleben im Vorder-
In jedem Moment kann ich die heilende Entwicklung in der Welt fördern, sie erleichtern – oder mich zu ihr querlegen, sie hemmen. Alles, was gesät wird, geht auf.
Sie trägt Verantwortung für Mensch und Gesellschaft
gleichbedeutend mit sündigen. Wer nicht liebt (oder lieben kann), lebt in der Selbstentfremdung. Dies gilt Man ist nie scharfsinniger, als wenn es darauf ankommt, sich selbst zu täuschen und seine Gewissensbisse zu unterdrücken.
27
te gehören wir zu Christus und werden durch ihn mit
kümmert er. Wir sind so gemacht, dass wir uns selbst
Denen, die Gott lieben, verwandelt Er alles in Gutes, auch ihre Irrwege und Fehler lässt Gott ihnen zum Guten werden.
1 – die liebe
de, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die
des Denkens, die jeglichen Elends“ (Rede von Kardi-
nal Bergoglio im Vorkonklave 2013).
49–51
123, 124
Jesus schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. LK 4,18–21
28
der ma sterpl an got tes
Aus wichtigen kirchlichen Dokumenten 1 die liebe
Mater et Magistra
Die christliche Liebe
Wer sich von der christlichen Liebe leiten lässt, muss auch andere lieben; so empfindet er deren Nöte, Krankheiten und Freuden als seine eigenen. Sein Wirken, wo immer es geschieht, ist kraftvoll, ist froh, ist voller Menschlichkeit und bemüht um das Wohl der anderen. Denn „die Liebe ist langmütig, die Liebe ist freundlich und ohne Neid, die Liebe prahlt nicht und bläht sich nicht auf. Sie benimmt sich nicht anmaßend und sucht nicht ihren Vorteil; sie lässt sich nicht aufreizen, sie trägt das Böse nicht nach; sie freut sich nicht über das Unrecht, sie freut sich mit an der Wahrheit. Alles trägt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, alles duldet sie“ (1 Kor 13,4–7). Papst Johannes XXIII., Enzyklika Mater et Magistra (1961), 257
Redemptor Hominis
Die Liebe hat einen Namen
Der Gott der Schöpfung offenbart sich als Gott der Erlösung, als Gott, der sich selbst treu ist, treu seiner Liebe zum Menschen und zur Welt, wie sie sich schon am Tag der Schöpfung offenbart hat. Seine Liebe ist eine Liebe, die vor nichts zurückweicht, was die Gerechtigkeit in ihm selbst fordert. Und darum hat Gott den Sohn, „der die Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht“. Wenn er den, der völlig ohne Sünde war, „zur Sünde gemacht hat“, so tat er dies, um die Liebe zu offenbaren, die immer größer ist als alles Geschaffene, die Liebe, die er selber ist, denn „Gott ist Liebe“. Die Liebe ist vor allem größer als die Sünde, als die Schwachheit und die Vergänglichkeit des Geschaffenen, stärker als der Tod; es ist eine Liebe, die stets bereit ist, aufzurichten und zu verzeihen, stets bereit, dem verlorenen Sohn entgegenzugehen, und immer auf der Suche ist nach dem „Offenbarwerden der Söhne Gottes“, die zur künftigen Herrlichkeit berufen sind. Diese Offenbarung der Liebe wird auch Barmherzigkeit genannt; diese Offenbarung der Liebe und der Barmherzigkeit hat in der Geschichte nur eine Form und einen Namen: sie heißt Jesus Christus. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor Hominis (1979), 9
Redemptor Hominis
Der Mensch kann nicht ohne Liebe leben
Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält. Und eben darum macht Christus, der Erlöser, wie schon gesagt, dem Menschen den Menschen selbst voll kund. Dieses ist – wenn man sich so ausdrücken darf – die menschliche Dimension im Geheimnis der Erlösung. In dieser Dimension findet der Mensch die Größe, die Würde und den Wert, die mit seinem Menschsein gegeben sind. Im Geheimnis der Erlösung wird der Mensch „neu bestätigt“ und in gewisser Weise neu ge-
aus wichtigen kirchlichen dokumenten
29
schaffen. Er ist neu erschaffen! „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus.“ Der Mensch, der sich selbst bis in die Tiefe verstehen will – nicht nur nach unmittelbar zugänglichen, partiellen, oft oberflächlichen und sogar nur scheinbaren Kriterien und Maßstäben des eigenen Seins –, muss sich mit seiner Unruhe, Unsicherheit und auch mit seiner Schwäche und Sündigkeit, mit seinem Leben und Tode Christus nahen. Er muss sozusagen mit seinem ganzen Selbst in ihn eintreten, muss sich die ganze Wirklichkeit der Menschwerdung und der Erlösung „aneignen“ und assimilieren, um sich selbst zu finden. Wenn sich in ihm dieser tiefgreifende Prozess vollzieht, wird er nicht nur zur Anbetung Gottes veranlasst, sondern gerät auch in tiefes Staunen über sich selbst. Welchen Wert muss der Mensch in den Augen des Schöpfers haben, wenn „er verdient hat, einen solchen und so großen Erlöser zu haben“. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor Hominis (1979), 10
Evangelium Vitae
Der Sinn für Gott und der Sinn für den Menschen
Wenn man den Sinn für Gott verliert, verliert man bald auch den Sinn für den Menschen, für seine Würde und für sein Leben; die systematische Verletzung des Moralgesetzes, besonders was die Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Würde betrifft, erzeugt ihrerseits eine Art fortschreitender Verdunkelung der Fähigkeit, die lebenspendende und rettende Gegenwart Gottes wahrzunehmen. Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium Vitae (1995), 21
Deus Caritas est
Die Basis des Christseins
Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt. In seinem Evangelium hatte Johannes dieses Ereignis mit den folgenden Worten ausgedrückt: ,,So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, … das ewige Leben hat’’ (3,16). Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas est (2005), 1
Deus Caritas est
Liebe für immer
Zu den Aufstiegen der Liebe und ihren inneren Reinigungen gehört es, dass Liebe Endgültigkeit will, und zwar in doppeltem Sinn: im Sinn der Ausschließlichkeit – „nur dieser eine Mensch“ – und im Sinn des „für immer“. Sie umfasst das Ganze der Existenz in allen ihren Dimensionen, auch in derjenigen der Zeit. Das kann nicht anders sein, weil ihre Verheißung auf das Endgültige zielt: Liebe zielt auf Ewigkeit. Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas est (2005), 6
Deus Caritas est
Liebe als Dienst der Kirche
Alles Handeln der Kirche ist Ausdruck einer Liebe, die das ganzheitliche Wohl des Menschen anstrebt: seine
30
der ma sterpl an got tes
Evangelisierung durch das Wort und die Sakramente – ein in seinen geschichtlichen Verwirklichungen oftmals heroisches Unterfangen – und seine Förderung und Entwicklung in den verschiedenen Bereichen menschlichen Lebens und Wirkens. So ist Liebe der Dienst, den die Kirche entfaltet, um unentwegt den auch materiellen Leiden und Nöten der Menschen zu begegnen. Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas est (2005), 19
Deus Caritas est
Gesellschaft ohne Liebe?
Liebe – Caritas – wird immer nötig sein, auch in der gerechtesten Gesellschaft. Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte. Wer die Liebe abschaffen will, ist dabei, den Menschen als Menschen abzuschaffen. Immer wird es Leid geben, das Tröstung und Hilfe braucht. Immer wird es Einsamkeit geben. Immer wird es auch die Situationen materieller Not geben, in denen Hilfe im Sinn gelebter Nächstenliebe nötig ist. Der totale Versorgungsstaat, der alles an sich zieht, wird letztlich zu einer bürokratischen Instanz, die das Wesentliche nicht geben kann, das der leidende Mensch – jeder Mensch – braucht: die liebevolle persönliche Zuwendung. Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas est (2005), 28
Caritas in Veritate
Liebe – der zentrale Wert
Liebe ist der Hauptweg der Soziallehre der Kirche. Jede von dieser Lehre beschriebene Verantwortung und Verpflichtung geht aus der Liebe hervor, die nach den Worten Jesu die Zusammenfassung des ganzen Gesetzes ist (vgl. Mt 22,36–40). Sie verleiht der persönlichen Beziehung zu Gott und zum Nächsten einen wahren Gehalt; sie ist das Prinzip nicht nur der Mikro-Beziehungen – in Freundschaft, Familie und kleinen Gruppen –, sondern auch der Makro-Beziehungen – in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen. … Aus der Liebe Gottes geht alles hervor, durch sie nimmt alles Gestalt an, und alles strebt ihr zu. Die Liebe ist das größte Geschenk, das Gott den Menschen gemacht hat, sie ist seine Verheißung und unsere Hoffnung. Papst Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in Veritate (2009), 2
Evangelii Gaudium
Liebe erlöst und befreit
Allein dank dieser Begegnung – oder Wiederbegegnung – mit der Liebe Gottes, die zu einer glücklichen Freundschaft wird, werden wir von unserer abgeschotteten Geisteshaltung und aus unserer Selbstbezogenheit erlöst. Unser volles Menschsein erreichen wir, wenn wir mehr als nur menschlich sind, wenn wir Gott erlauben, uns über uns selbst hinauszuführen, damit wir zu unserem eigentlicheren Sein gelangen. Dort liegt die Quelle der Evangelisierung. Wenn nämlich jemand diese Liebe angenommen hat, die ihm den Sinn des Lebens zurückgibt, wie kann er dann den Wunsch zurückhalten, sie den anderen mitzuteilen? Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium (2013), 8
aus wichtigen kirchlichen dokumenten
Evangelii Gaudium
31
Der große Plan der Liebe
Kirche sein bedeutet Volk Gottes sein, in Übereinstimmung mit dem großen Plan der Liebe des Vaters. Das schließt ein, das Ferment Gottes inmitten der Menschheit zu sein. Es bedeutet, das Heil Gottes in dieser unserer Welt zu verkünden und es hineinzutragen in diese unsere Welt, die sich oft verliert, die es nötig hat, Antworten zu bekommen, die ermutigen, die Hoffnung geben, die auf dem Weg neue Kraft verleihen. Die Kirche muss der Ort der ungeschuldeten Barmherzigkeit sein, wo alle sich aufgenommen und geliebt fühlen können, wo sie Verzeihung erfahren und sich ermutigt fühlen können, gemäß dem guten Leben des Evangeliums zu leben. Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium (2013), 114
Evangelii Gaudium
Die letzte Synthese
Es ist offensichtlich: Wenn die Verfasser des Neuen Testaments die sittliche Botschaft des Christentums in einer letzten Synthese auf seinen Wesenskern reduzieren wollen, dann verweisen sie uns auf die unausweichliche Forderung der Liebe zum Nächsten: „Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt … Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes“ (Röm 13,8.10). So sagt der heilige Paulus, für den das Liebesgebot nicht nur das Gesetz zusammenfasst, sondern auch sein Herz und seine Daseinsberechtigung ausmacht: „Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ (Gal 5,14). Und er stellt seinen Gemeinden das Leben der Christen als einen Weg des Wachstums in der Liebe vor: „Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch lieben“ (1 Thess 3,12). Auch der heilige Jakobus ermahnt die Christen, „nach dem Wort der Schrift: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!, das königliche Gesetz“ (2,8) zu erfüllen, um nicht in irgendeinem der Gebote zu versagen. Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium (2013), 161
Laudato sì
Die Liebe macht keinen Rückzieher
Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können. Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben. Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen. Papst Franziskus, Enzyklika Laudato sì (2015), 13
2 fr agen 22–46
Gemeinsam sind wir stark die kirche und das soziale