Catherine Palmer Die sanften Hügel von Darjeeling
„Ich weiß, wer du bist, mein Schatz“, sagte Jana. „Ich weiß es besser, als du denkst. Ich bin nur nicht der Typ, der gerne auf Reisen geht. Das war ich noch nie. Ich gehe auf die Fünfzig zu, bin Witwe, und alle meine Kinder sind längst flügge. Da wird es keine dramatischen Veränderungen mehr in meinem Leben geben.“ „Du rollst dich also jetzt zusammen wie ein Gürteltier und ziehst den Kopf ein – und das war´s?“ „Natürlich nicht! Ich habe noch Pläne. Dinge, die ich tun möchte. Aber ich werde nicht mein ganzes Leben damit zubringen, mich nach etwas zu sehnen, was vielleicht hätte sein können. Das nennt man: die Dinge akzeptieren, wie sie sind.“ „Das nennt man Langeweile.“ „So siehst du das – ich nicht.“ Beths Herz wurde wieder weicher, als sie den verletzten Tonfall in der Stimme ihrer Mutter hörte. „Als ich gehört habe, dass du umziehst, war ich begeistert. Ich dachte: Endlich. Jetzt wird sie etwas aus ihrem Leben machen. Du hast unterrichtet, um damit deinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber in dir schlummert jede Menge Talent, Poesie und Fantasie und wartet nur darauf herauszusprudeln. Ich dachte, ich käme an den See und würde vielleicht eine Künstlerin auf einer samtroten Couch antreffen, in deren Wohnzimmer Kerzen brennen und Gedichtbände sich stapeln. Aber du hast dein kleines Haus mit den gleichen alten Vorhängen, den gleichen Möbelstücken und Überwürfen versehen wie unser altes in Tyler. Und du hast dir als Motto an die Wand gepinselt: ‚Akzeptiere das Leben, wie es ist, und ändere bloß nichts daran.’“ „Erstens war ich gern Lehrerin, nicht nur, weil ich damit Geld verdient habe“, berichtigte Jana ihre Tochter. „Und zweitens … nun, ich mache manches anders. Meine Malerei zum Beispiel.“ „Deine Aquarelle?“ „Ich benutze jetzt Pastellkreiden.“ Jana hob ihr Kinn, als habe sie gerade von der Erstbesteigung des Mount Everest berichtet. „Das zählt nicht, wenn du weiter nur Rosen malst, Mama.“ „Ich zeichne durchaus Menschen.“ „Menschen!“, Beth fuhr hoch. „Lass sehen!“ „Auf keinen Fall. Bisher sehen alle meine Menschen aus wie Indianer. Und nun erzähl mir mehr von dir. Gibt es einen Mann in deinem Leben?“ Beth stöhnte. „Du bist wirklich ziemlich berechenbar.“ „Und?“ „Gibt es denn einen Mann in deinem Leben?“ „Was?“ „Du darfst dich mit Männern verabreden, weißt du? Bob, Bill und ich sind uns einig: Wir finden, du solltest wieder mehr ausgehen. Dich amüsieren. Vielleicht sogar noch einmal heiraten.“ „Meine Kinder sprechen also hinter meinem Rücken über mich“, meinte Jana. „Nun, die Mühe könnt ihr euch sparen. Ich bin nicht daran interessiert, mit einem Mann auszugehen – oder jemals wieder zu heiraten. Euer Vater ist noch nicht lange tot und das Ganze war für mich sehr traumatisch. Außerdem – wen gäbe es denn noch für mich? Die unverheirateten Männer in meinem Alter sind entweder verbitterte Geschiedene oder alte einsame Witwer, die nur jemanden brauchen, der sich um sie kümmert, weil sie sich mit ihren Kindern zerstritten haben. Und wenn ich einen Mann