Leseprobe zu: Harold Myra/Marshall Shelley Gelebte Leiterschaft Die Führungsprinzipien Billy Grahams
10. Allen Mut zusammennehmen Mut ist die edelste menschliche Tugend, denn es ist die Tugend, die allen anderen zugrunde liegt. Winston Churchill Leiter stehen in vorderster Linie. Sie sind bestens sichtbar, geben ein gutes Ziel ab, und deshalb muss jeder Leiter darauf gefasst sein, dass auf ihn geschossen wird. Eine überraschende Änderung der Sachlage, Vertrauensbruch und Verrat durch Verbündete, Entscheidungen, die sich als wirkungslos erweisen – all das kann Leiter in Furcht versetzen und in Verwirrung stürzen. Aber gerade diese natürlichen Reaktionen gilt es zu überwinden. Leiter sind herausgefordert, sich eben nicht zurückzuziehen, sondern gerade dann Mut und Festigkeit zu beweisen, wenn die Hürden hoch sind und ein Scheitern und die damit verbundene Demütigung nicht ausgeschlossen ist. Billy Graham stand an der Spitze, stand ständig unter öffentlicher Beobachtung. Jede Äußerung von ihm, jede Reaktion, jede spontane Bemerkung wurde in den Medien wahrgenommen, jede seiner Entscheidungen kommentiert. Oft hat er sich im Fadenkreuz der Kritik gesehen. Das mit dem Fadenkreuz war manchmal durchaus wörtlich zunehmen. In all den Jahrzehnten seines aktiven Dienstes lebte Billy Graham in dem ständigen Bewusstsein, dass er ein mögliches Anschlagsziel abgab. In seinem Büro gingen immer wieder Drohbriefe ein. Die amerikanische Bundespolizei informierte ihn über Todesdrohungen. Er stand ständig im Rampenlicht. Er war sich bewusst, dass jeden Moment ein verwirrter Attentäter auf ihn schießen konnte – so wie es John und Robert Kennedy, Martin Luther King, John Lennon und Ronald Reagan ergangen war. Ein Mann rief Billy Graham im Hotel an und teilte ihm mit: „Mr Graham, wir werden Sie noch vor Mitternacht umbringen.“ Man kann sich vorstellen, dass er in dieser Nacht nicht leicht Schlaf gefunden hat. In einer frühen Phase seiner Tätigkeit hielt er einmal gerade einen Gottesdienst, als ihm zugeflüstert wurde, ein Pastor habe angerufen und gewarnt, dass ein Mann es auf sein Leben abgesehen habe. Graham gab die Information an sein Publikum weiter und setzte den Gottesdienst fort. Das war nur eine von vielen Tatsachen, die Billy Graham Mut abverlangten. Die Höhle des Löwen betreten und das Gespräch mit feindseligen Intellektuellen oder zynischen Reportern suchen; sich mit erzürnten konservativen Kritikern auseinandersetzen; Entscheidungen fällen, von denen absehbar war, dass sie im Kreis seiner Freunde auf Unverständnis treffen würden.