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Leseprobe zu: Steve Turner Ein Mann namens Cash First to Cross – Als Erste über den Fluss Als Johnny Cash im Mai 2003 seine Frau June Carter Cash verlor, stockte der Öffentlichkeit für einen Moment der Atem. Es hätte doch sicher Cash als Erster sterben sollen! Er war es doch, der seinen Körper einer langen Reihe von Misshandlungen ausgesetzt hatte. Es war zweifelhaft, ob sich in seinem Körper noch ein Organ befand, an dem noch nie operiert worden war, ein Stück Haut, das noch nie zerschnitten gewesen war, oder ein wesentlicher Knochen, der noch nie gebrochen war. Er war es, der Überdosen an Drogen eingenommen hatte, den man aus zertrümmerten Autos gezogen hatte und dem sogar ein doppelter Bypass gelegt worden war. Auch wenn er zweieinhalb Jahre jünger war als June, gingen alle davon aus, dass er als Erster gehen würde. So wünschte er selbst es sich auch, falls es ihnen nicht vergönnt war, zusammen zu gehen. And when it’s all over I hope we will go together I don’t want you to be alone, you know. Und wenn alles vorbei ist, hoffe ich, wir werden gemeinsam gehen. Ich will nicht, dass du allein bist, weißt du. („I Love You Tonight“, 1993) Die offensichtliche Frage, die sich jeder stellte, war: „Wie wird er klar kommen, jetzt, wo sie nicht mehr da ist?“ Die gegenseitige Hingabe des Paares war legendär – es war unmöglich, sich den einen ohne die andere vorzustellen. Selbst in den Zeiten, als Cash körperlich stark gewesen war, wäre der Verlust seiner Frau wohl ein so verheerender Schlag für ihn gewesen, dass er auf der Stelle wieder zu Schmerzmitteln gegriffen hätte – wie sollte er das jetzt verkraften, wo er gebrechlich und krank war? Würde er seinen Glauben verlieren? Würde er je wieder einen Song aufnehmen? Würde er an gebrochenem Herzen sterben? Seine jüngste Single, eine Cover-Version von Trent Reznors „Hurt“, hatte sich angehört wie der letzte musikalische Atemzug eines Mannes, der für seine Ehrlichkeit und Offenheit bewundert wurde. Obwohl der Song über das Leid der Heroinsucht geschrieben wurde, hatte sich Cash seine knallharte Bildsprache zueigen gemacht und ihn meisterhaft in eine melancholische Meditation über seine eigene Sterblichkeit verwandelt. Das Werbevideo, inszeniert von Mark Romanek, verstärkte diese Interpretation durch gezielte Flashbacks auf Cashs öffentliches Leben und lange Einstellungen von dem verfallenen und hochwassergeschädigten Museum „House of Cash“, wo einst kostbare Trophäen nun unbeachtet und zerbrochen herumlagen.


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