K A P I TE L 1
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DIENSTAG, 16. JANUAR, 15.15 UHR Das lange blonde Haar des Mädchens, das auf meinem Beifahrersitz saß, flatterte wie pures Gold über ihr hübsches Gesicht. Ich blickte lange genug von der Straße auf, um ihr mein bezauberndstes Lächeln zu schenken. Sie lächelte zurück. Die Nadel auf dem Tacho des Ferrari-Cabrios tanzte um die 160 Sachen. Ich löste langsam meine rechte Hand vom kleinen Leder-Sportlenkrad und legte sie ihr ganz vorsichtig auf das Knie. Sie beugte sich herüber und küsste mich ... »Nur noch eine Viertelstunde.« Die Stimme des Lehrers riss mich unsanft aus einem tollen Tagtraum. Ich war wieder in der realen Welt angekommen und schaute mich in der Schulaula um. Es war so heiß und stickig, wie zentral geheizte und voll besetzte Räume nun mal sind. Ich lockerte mir mit den Fingern den Kragen, um mir etwas Luft zu verschaffen. Die Aula war Schauplatz unserer blöden Halbjahresprüfung (todsicher hatte die Schule sie auf den Januar gelegt, um uns die Weihnachtsferien zu verderben). Wie Gefangene saßen wir reihenweise an unseren Tischen mit ordentlichem Abstand zum Nachbarn. In diesen letzten Minuten der Prüfung schrieben nur noch die besonders Gewissenhaften. Die Cleveren waren schon fertig und bauten darauf, dass ihre genialen Antworten nicht mehr verbessert werden konnten. Im Gegensatz dazu hatten die Hoffnungslosen bereits aufgege9