Anwaltsblatt Karriere Heft 2/2015

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interview

Was muss ein Revisionsanwalt perfekt beherrschen?

Das Streben nach Perfektion ist immer schwierig. Der Revisionsanwalt sollte – wobei das eigentlich für jeden Anwalt gilt – mit der Sprache ganz gut zurechtkommen. Dann schadet es auch nicht, wenn er etwas die Rechtsprechung des BGH kennt und auch aktuelle Entwicklungen erkennen kann. Er sollte akribisch sein und er sollte ein Gespür dafür entwickeln, wo denn möglicherweise der archimedische Punkt liegt, an dem man das Urteil irgendwie aushebeln kann. Rhetorisches Geschick ist jetzt vielleicht nicht das Allerwichtigste, weil Revisionshauptverhandlungen vorm BGH nicht so häufig sind – wenn es dazu kommt, ist es trotzdem ganz gut, wenn man sich auszudrücken weiß. Der Anwalt denkt in drei Kategorien: Was sagt die Rechtsprechung, was finde ich richtig und was ist gut für den Mandanten – richtig oder falsch?

Der Revisionsrechtler denkt zunächst nur in der ersten Kategorie: Was sagt die Rechtsprechung. Keine eigene Meinung?

Zur Person Rechtsanwalt Ali B. Norouzi (Jahrgang 1976) wurde als Sohn persischer Eltern in Darmstadt geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Saarbrücken, Québec und Tübingen. Erstes (2002) und zweites (2008) Staatsexamen legte er in Baden-Württemberg ab. Von 2003 bis 2008 war er wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Europäisches Strafrecht und Strafprozessrecht von Prof. Dr. Joachim Vogel an der Universität Tübingen. Er wurde 2007 mit einer Arbeit zum transnationalen Beweis im Strafverfahren promoviert. 2008 stieg er in die Spezialkanzlei für Strafrechtsrevision von Gunter Widmaier in Karlsruhe (damals noch Redeker Sellner Dahs & Widmaier) als Rechtsanwalt ein. 2010 folgte dann die Gründung der gemeinsamen Sozietät WidmaierNorouzi Rechtsanwälte, die 2012 nach Berlin umzog. Nach dem überraschenden Tod von Gunter Widmaier 2012 hat er die Kanzlei alleine fortgeführt. Norouzi ist verheiratet und hat drei Kinder (zwei Töchter und einen Sohn).

Doch. Man sollte ab und an auch den Mut haben, gegen eine bestimmte Meinung oder eine als gefestigt geltende Meinung anzugehen. Ich habe auf diese Weise 2014 zwei Anfragebeschlüsse beim BGH erwirken können. Der zweite Strafsenat will in zwei Verfahren von der gefestigten Rechtsprechung abweichen. Aus einer Sache ist sogar ein Vorlagebeschluss geworden. Natürlich war es ein hoffnungsloser Fall. Aber es ging um Problemkreise, die ich schon in meinem Studium nicht richtig verstanden habe. Und dann habe ich gedacht: Jetzt versuche ich es und lege alles dar. Und siehe: Sie bewegt sich doch die juristische Welt. Ist der Anwalt am Ende kreativer oder der Richter?

Der Richter hat die Kreationsmacht, aber der Anwalt sollte mehr als eine Muse sein. Was ist am Ende wichtiger – Fehlersuche oder Rechtsfortbildung in der Revision?

Fehlersuche. Weil sie dem Mandanten dient?

Ja, im Einzelfall. Ich muss im Einzelfall versuchen einen Fehler zu finden, der das Urteil zum Wanken bringt. Ein Revisionsgericht, das seine einzige Aufgabe in der Rechtsfortbildung sieht, verfehlt die Rolle, die ihm im Rechtsmittelgefüge zukommt. Es muss auch im Einzelfall dafür sorgen, dass Verfahren nach Recht und Gesetz ablaufen. Ausbildung und Karriere: Wo lernt der Revisionsanwalt das Leben kennen?

Es ist nicht schlecht, wenn man als Revisionsverteidiger zumindest ab und an mal in der Hauptverhandlung agiert, um sozusagen den forensischen Alltag zu erleben. Was das sonstige Leben angeht: Es sollte ein Leben vor dem Beruf und ein Leben neben dem Beruf geben. Für einen Strafrechtler ist es eigentlich immer ganz gut, wenn er die Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz ein bisschen kennt. Wann haben Sie das Revisionsrecht als Thema für sich entdeckt?

Durch Zufall. Ich wollte als Referendar Strafverteidiger werden und bekam im Anschluss an die Anwaltsstation das Angebot bei dem Revisionsspezialisten Gunter Widmaier anzufangen. Da habe ich nicht zwei Mal überlegt. 42 / anwaltsblatt karriere


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