Goldstandard vorziehen

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Serie: Urteile, Teil 23

Goldstandard vorziehen Im Grunde genommen ist es gar nicht so kompliziert: Damit ein Patient in eine medizinische Behandlung wirksam einwilligen kann, muss er vom behandelnden Arzt ordnungsgemäß aufgeklärt werden. Dass dies dann in der Praxis doch nicht so leicht ist, zeigt dieser Fall.

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eit dem 26. Februar 2013 hat der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) den ärztlichen Behandlungsvertrag explizit im Rahmen des Patientenrechtegesetzes normiert. In diesem Zusammenhang bestimmt § 630a in Absatz 2 BGB Folgendes: „Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“

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Zwischenergebnis: | Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags ist grundsätzlich eine Therapie der ersten Wahl (sogenannter „Goldstandard“) geschuldet. | Hiervon können die Vertragsparteien – wegen der im BGB geltenden Privatautonomie – jederzeit abweichen. Aber: Um hiervon abweichen zu können, muss dem schutzwürdigeren Patienten bewusst sein, dass es überhaupt eine Standardtherapie zu der vom behandelnden Arzt vorgeschlagenen alternativen Behandlungsmethode gibt. Andernfalls ist die Behandlung nicht von der Einwilligung des Patienten gedeckt.

Der Fall: was passiert war Im zugrunde liegenden Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 25.02.2014 – 26 U 157/12) diagnostizierte der beklagte Hautarzt bei dem klagenden, seinerzeit 73 Jahre alten Patienten ein Basalzellkarzinom an der rechten Wange. Auf Anraten des Beklagten entschied sich der auch zu einer Operation

6/2023 MEDICAL BY BEAUTY FORUM

Wird nicht der „Goldstandard“, sondern eine Therapie der zweiten Wahl angewendet, so liegt darin in der Regel schon ein Behandlungsfehler.

bereite Kläger für eine photodynamische Therapie (PDT), die im November 2005 durchgeführt wurde. Drei Jahre später kam es zu einem Rezidiv mit der Folge, dass mehrfache Nachoperationen erforderlich wurden. Mit der Begründung, der Beklagte habe ihn im Jahre 2005 fehlerhaft mit einer PDT behandelt und nicht ausreichend aufgeklärt, hat der Kläger Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 Euro.

Dem Einwand des Hautarztes, die PDT zeige bessere kosmetische Ergebnisse und habe eine kürzere Abheilzeit, wurde seitens eines hinzugezogenen medizinischen Sachverständigen entgegengehalten, dass bei ihr auch die Rezidivrate höher

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SERIE Urteile Teil 23

sei. Wegen der höheren Erfolgschancen der offenen Operation habe der Arzt dem Patienten daher zu dieser Behandlung raten müssen, was er versäumt habe. Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vor dem LG Bielefeld hat der Senat des OLG Hamm dem Kläger das verlangte Schmerzensgeld zugesprochen.

Wir können also im Ergebnis festhalten: 1. Sofern ein Arzt nicht den sogenannten „Goldstandard“, sondern stattdessen eine Therapie der zweiten Wahl anwendet, liegt darin in der Regel schon ein Behandlungsfehler. Der Arzt hat bei einer alternativen Behandlungsmethode insbesondere auf die mit der Behandlung einhergehenden zusätzlichen Risiken, Komplikationsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten hinzuweisen, am besten begründet und schriftlich!

2. Weist der Arzt hierauf nicht hin, so handelt er jedenfalls dann auch noch grob fehlerhaft, wenn der Patient bereits zur Durchführung der Standardtherapie entschlossen war.

3. Folge von Punkt 1 und 2 ist eine Beweislastumkehr im Prozess, das heißt: Der Patient muss nun nicht mehr die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Schaden nachweisen, sondern der Arzt sich von dem Vorwurf des schadensursächlichen Behandlungsfehlers entlasten.

Stefan Engels, Rechtsanwalt, Mönchberg, Tätigkeitsschwerpunkte: Geschäftsfeldentwicklung und Internationalisierung von Unternehmen

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