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PORTFOLIO

SCHÄTZE DES SÜDENS

EINS MIT DER WELLE

Ghana NZULEZU, EIN DORF AUF DEM WASSER

Belgien VON KRABBEN, FISCHERN UND PFERDEN

EIN GARTEN IM ATLANTIK Brasilien

WUNDER DER WELT

Indien DIE TRANSHUMANZ

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NOMADENVÖLKER

DER SCHOCK DER ZIVILISATIONEN

Liebe Leserinnen und Leser

Wir freuen uns, in dieser Ausgabe die grossartige Reportage der Athropologin Elena Dak und des Fotografen Bruno Zanzoterra publizieren zu dĂŒrfen. Gemeinsam haben sie den Alltag des Nomadenvolks der Rabari begleitet, die mehrere Monate im Jahr durch das weitlĂ€ufige Gebiet Gujarat, der wirtschaftlichen Triebfeder Indiens, ziehen. Eine rasante Entwicklung der Infrastruktur ging mit diesem Aufschwung einher und hat die Umgebung der Wanderhirten, in der sie sich seit Jahrhunderten bewegen, grundlegend verĂ€ndert. Die immer beschwerlichere Suche nach freien WeideflĂ€chen fĂŒr ihre Herden verdeutlicht auf ebenso symbolische wie grausame Weise die Grenzen, an die unsere Zivilisation zu stossen scheint. Wie in so vielen anderen Regionen weltweit wurde die durch Schnellstrassen und Industriezonen zerfurchte Natur auch in diesem Bundesstaat auf sterile Inseln reduziert, wo kein Leben mehr möglich ist. Ein positiver Kurswechsel ist nicht in Sicht. Umso grössere Anerkennung verdient der stille Widerstand der Rabari. So ziehen sie selbst im grössten Chaos weiter ihrer Wege und fĂŒhren jahrhundertealte Traditionen fort, die Ihnen die Gegenwart noch nicht zu rauben vermochte.

Alexander Zelenka Chefredaktor

Rabari und ihre Dromedare auf Wanderschaft © Bruno Zanzottera/ Parallelozero

FOKUS ‱ ‱ 3
Fokus

BRASILIEN Kurs gen SĂŒden

Zwischen den MillionenstĂ€dten BrasĂ­lia und Rio hat Brasilien fantastische NaturschauplĂ€tze zu bieten, von den mit Macchia bewachsenen Klippen der Mata AtlĂąntica ĂŒber die Canyons der Chapada dos Veadeiros bis hin zu den Iguazu-WasserfĂ€llen.

Von Franck Charton

INDIEN

Mit den Rabari auf Wanderschaft

Seit mehreren Jahrhunderten zieht dieses Nomadenvolk durch den Bundesstaat Gujarat. Unsere Reporter waren dabei.

Von Elena Dak und Bruno Zanzottera/ Parallelozero

PORTFOLIO

EINS MIT DER WELLE

Der auf Tahiti lebende französische Fotograf Ben Thouard verewigt seit einigen Jahren die legendÀren Wellen von Teahupoo, die Surfer weltweit faszinieren.

Von Ben Thouard

Reiserouten

GHANA Nzulezu, die auf dem Wasser leben

Am SĂŒdufer des Amansuri-Sees, unweit der Grenze zur ElfenbeinkĂŒste, befindet sich ein traditionelles Stelzendorf. Die Nachfahren der Erbauer fĂŒhren hier ein Leben abseits der Moderne.

Von Didier Bizet

BELGIEN

Von Krabben, Fischern und Pferden

An der belgischen KĂŒste fischen die Paardevisser mit ihren Pferden nach Krabben und pflegen eine weltweit einzigartige Tradition.

Von Clément Grandjean und Juliette Pavy

MADEIRA Paradies im Atlantik

Die Blumeninsel ist nicht nur ein Sehnsuchtsort fĂŒr Botaniker, auch Wanderfreunde lieben ihre grandiosen Landschaften. Eine Entdeckungsreise.

Von Marie Paturel und Hemis

Titelbild: Rabari-Nomade © Bruno Zanzottera/Parallelozero

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TRAVEL PHOTOGRAPHER OF THE YEAR

WENN GLÜHWÜRMCHEN TRIUMPHIEREN

Dieses Bild des japanischen Fotografen Kazuaki Koseki wurde in der Kategorie Runner Up des Wettbewerbs Travel Photographer of the Year (TPOTY) ausgezeichnet. Es offenbart einen faszinierenden Einblick in die Schönheit unseres Planeten, gemahnt aber auch an die Bedrohungen, denen er ausgesetzt ist. Das durch Mehrfachbelichtungen entstandene Foto zeigt GlĂŒhwĂŒrmchen, die sich in einer Sommernacht im Wald versammeln. Dieses Schauspiel der hotaru, das nur etwa zehn Tage dauert, ist in Japan ebenso populĂ€r wie die KirschblĂŒte im FrĂŒhling. In der traditionellen Literatur, insbesondere in der Dichtung, stehen GlĂŒhwĂŒrmchen als Metapher fĂŒr leidenschaftliche Liebe. FĂŒr die Japaner verkörpern sie zudem die Seelen gefallener Krieger. FĂŒr den Wettbewerb 2022 reichten Amateur- und Profifotografen aus 154 LĂ€ndern knapp 20 000 Bilder bei der TPOTY-Jury ein, die alle HĂ€nde voll zu tun hatte, um ihre Wahl zu treffen. Die Gewinner werden in der kostenlosen Open-Air-Ausstellung «Travel Photographer of the Year», die vom 1. bis 31. Mai in Bristol stattfindet, gewĂŒrdigt.

Alle Gewinner des Travel-Photographer-of-the-Year-Wettbewerbs 2022 sind zu sehen auf: www.tpoty.com

© Kazuaki Koseki / Travel Photographer of the Year 2022

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Zoom
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Im Trend

Zeit, in sich zu gehen

STÄDTE – SELTSAME WELTEN

Nach aussen hin ist die Stadt lebendig, sie gleicht einem Ameisenhaufen unter freiem Himmel. Wie aber die Leere, die Stille und die Einsamkeit all der verborgenen Individuen beschreiben, die im Inneren, zwar hinter Fassaden, aber dennoch wie auf dem PrÀsentierteller leben? Wie diese greifbare Spannung zwischen dem stetigen Treiben

der Millionenstadt des 21. Jahrhunderts und der Erstarrung ihrer Elementarteilchen, mit denen sie zu spielen scheint, sichtbar machen, nachdem sich jeder in die eigenen vier WĂ€nde zurĂŒckgezogen hat, abseits neugieriger Blicke, mit Ausnahme des diskreten Auges einer Fotografin? Mit ausgeklĂŒgelten Inszenierungen erforscht Floriane de LassĂ©e

Zeit fĂŒr Betrachtung

in ihrer Langzeitarbeit die WidersprĂŒche unseres modernen, zunehmend urbanen Lebens zwischen dem BedĂŒrfnis, mit der Stadt zu verschmelzen, und der Entmenschlichung einer AnonymitĂ€t, die bisweilen gewĂ€hlt, oft aber auch aufgezwungen wird. www.hemeria.com

UNSCHÄRFE IM PHOTO ELYSÉE

Die neue Sonderausstellung im Photo ElysĂ©e, die noch bis zum 21. Mai zu sehen ist, veranschaulicht die Geschichte der UnschĂ€rfe in der Fotografie von der Erfindung dieses Verfahrens bis hin zur Gegenwart. Mittels zahlreicher Vergleiche mit der Malerei und dem Film erzĂ€hlt sie – in erster Linie anhand von SchlĂŒsselwerken – von der Entwicklungsgeschichte dieser Form sowie auch von den Werten, die entsprechend den jeweiligen Epochen und unterschiedlichen Arten fotografischer Praxis damit verbunden sind. Die Ausstellung beginnt mit einigen GemĂ€lden des 17. Jahrhunderts – jener Zeit, als die «UnschĂ€rfe» eine sehr spezifische Kategorie der Malerei bildete – und endet in der Gegenwart, wo die UnschĂ€rfe zu einem entscheidenden Element der fotografischen Ästhetik wird. Die UnschĂ€rfe befindet sich im Spannungsfeld zwischen dem zugrundeliegenden technischen Fehler, den sie impliziert, und den kĂŒnstlerischen Ambitionen, die sie verspricht. www.elysee.ch

Zeit fĂŒr Ermittlungen

ARCHIBALD REISS IN VEVEY

Rudolf Archibald Reiss (1875-1929), der an der UniversitĂ€t Lausanne die weltweit erste Schule fĂŒr Kriminaltechnik grĂŒndete, war ein international anerkannter Kriminalist. Er stellte seine Meisterschaft in der Fotografie in den Dienst seiner Wissenschaft und entwickelte Aufnahmetechniken, die auch heute noch verwendet werden. Die Ausstellung beschreibt im Detail seine fotografischen Methoden, die er an Tatorten, bei gefĂ€lschten Banknoten, den Waffen

von Mördern, den Werkzeugen von Einbrechern, TĂ€towierungen oder FingerabdrĂŒcken anwandte. Es wird ein Vergleich angestellt zwischen den vor einem Jahrhundert verwendeten Instrumenten und den heute in der forensischen Wissenschaft eingesetzten. Die Ausstellung ist bis zum 20. August zu sehen und wurde in Zusammenarbeit mit der École des sciences criminelles der UNIL realisiert. www.cameramuseum.ch

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© Floriane de Lassée/Hemeria
© UNIL/Fotografische Sammlung Reiss
© Photo Elysée/Fonds Jan Groover

Im Trend

Zeit fĂŒr Erkundungen

STEVE BOYES UND DIE GROSSEN

FLÜSSE AFRIKAS

Der sĂŒdafrikanische Biologe Steve Boyes, der 2019 mit den Rolex Awards ausgezeichnet wurde, hat 2022 das Forschungsprojekt Great Spine of Africa ins Leben gerufen, dessen Ziel es ist, die grössten FlĂŒsse Afrikas besser kennenzulernen und zu schĂŒtzen. Die erste Expedition, die vor Kurzem erfolgreich abgeschlossen wurde, fĂŒhrte ins Herz des angolanischen Hochlandes, genau dorthin, wo der Fluss Lungwebungu entspringt. Steve Boyes und sein Team sind auf dem besten Weg zu beweisen, dass dieser Nebenfluss des Sambesi tatsĂ€chlich dessen Quelle sein könnte – ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Bedrohungen fĂŒr den Fluss zu bestimmen. Das Team fuhr in Mokoros (traditionellen EinbĂ€umen), die mit wissenschaftlicher AusrĂŒstung beladen waren, flussabwĂ€rts. Durch das Sammeln zahlreicher Aufzeichnungen und Datenpunkte hofft es, umfassende und detaillierte Referenzwerte fĂŒr die Gesundheit und die Ökosysteme des Flusses zu schaffen. Das Team wird von Rolex im Rahmen der Perpetual-Planet-Initiative unterstĂŒtzt und plant, in den nĂ€chsten Jahren mehr als 40 000 km zurĂŒckzulegen. Auf diese Weise können wichtige Informationen gesammelt werden, um die Menschen, die Tier- und Pflanzenwelt zu schĂŒtzen, die von den grossen WasserflĂ€chen Afrikas abhĂ€ngig sind. www.rolex.com

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Zeit die Segel zu setzen

AUF DEN SPUREN DARWINS

In Die Fahrt der Beagle beschreibt Charles Darwin auf fesselnde Weise den Zustand der biologischen Vielfalt zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wie hat sie sich seitdem verĂ€ndert? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, begibt sich der Dokumentarfilmer Victor Rault im Jahr 2021 auf eine ehrgeizige SoloExpedition mit seinem Segelschiff Captain Darwin und rekonstruiert dabei die genaue Route des berĂŒhmten englischen Naturforschers. WĂ€hrend seiner Zwischenstationen beabsichtigt er, Wissenschaftler zu interviewen, die heute Arten erforschen, die Darwin bereits vor 200 Jahren beobachtet hat. Der Franzose hofft, durch diesen Vergleich eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es der Natur und dem Menschen gelingen wird, sich rechtzeitig an die klimatischen VerĂ€nderungen unserer Zeit anzupassen. www.captaindarwin.org

Zeit zu begreifen

GEFAHR IN DER ANTARKTIS

Der als «Weltuntergangs-Gletscher» bezeichnete Thwaites-Gletscher beunruhigt Wissenschaftler aus aller Welt, die befĂŒrchten, dass sich der riesige Eisblock aufgrund der globalen ErwĂ€rmung in den nĂ€chsten drei bis fĂŒnf Jahren an seiner Basis lösen könnte. Durch seine imposante Grösse, die mit der Grossbritanniens vergleichbar ist, könnte sein Kollaps zu einem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter fĂŒhren. Der Thwaites-Gletscher wird seit ĂŒber 30 Jahren ĂŒberwacht und steht nun im Mittelpunkt eines umfangreichen Forschungsprogramms, bei dem 60 Wissenschaftler versuchen, die Geheimnisse der Schmelzdynamik dieses Gebiets im Westen der Antarktis zu lĂŒften, das die StabilitĂ€t des gesamten Kontinents beeinflusst. www.thwaites-explorer.org

IM TREND ‱ ‱ 9
© National Geographic/Jen Guyton
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thwaites-explorer.org
captaindarwin.org

Zeit zum Zuhören

ZIEL NORDWAND

Maya Chollet, Spitzensportlerin und Journalistin bei RTS, teilt in einem neuen Podcast ihre Leidenschaft fĂŒr die Berge und ihr Vorhaben, die drei legendĂ€rsten NordwĂ€nde der Alpen zu besteigen: die Grandes Jorasses, das Matterhorn und den Eiger. In der ersten Staffel geht es darum, wie dieses ehrgeizige Projekt entstand, und um die ersten erfolglosen Versuche. In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Didier Rossat und dem Produzenten GrĂ©goire Molle nimmt sie die Hörerinnen und Hörer mit auf eine Reise zu den vereisten FelswĂ€nden und erzĂ€hlt nebenbei von den Abenteuern ihrer VorgĂ€nger, insbesondere von Anderl Heckmair, der die Eiger-Nordwand als Erster bezwang und in seinem Buch Die drei letzten Probleme der Alpen darĂŒber berichtet, aus dem Simon Mathey Doret diverse AuszĂŒge vorliest. Wird Maya Chollet in der zweiten Staffel ĂŒber die Hindernisse dieser Riesen aus Stein und Eis triumphieren? Die Antwort folgt in diesem FrĂŒhjahr! www.rts.ch

Zeit in die Pedale zu treten

DIE GT20 MIT DEM E-BIKE EROBERN

Die GT20 ist fĂŒr Radfahrer das, was fĂŒr Wanderer der GR20 ist. Die «grosse Durchquerung» Korsikas, die man sowohl mit dem Rennrad als auch mit dem E-Bike bewĂ€ltigen kann – 10 Ladestationen wurden alle 50 Kilometer entlang der Strecke in Hotels eingerichtet –, fĂŒhrt von Bastia nach Bonifacio. Die 550 Kilometer lange Strecke kann in beide Richtungen zurĂŒckgelegt werden, sie umfasst 13 Etappen und fĂŒhrt ĂŒber Strassen, die durch Beschaulichkeit und herausragende Landschaften bestechen. Zwischen dem tĂŒrkisfarbenen Wasser des Mittelmeers und den Gipfeln im Inneren der Insel wird diese in Europa einzigartige Route zweifellos zu einem Muss fĂŒr Radwanderer. www.visit-corsica.com

Zeit fĂŒr Auszeichnungen

DIE

VULKANE MARTINIQUES SCHON BALD UNESCO-WELTERBE?

Ende 2023 prĂŒft die UNESCO die Kandidatur der NaturschĂ€tze der Karibikinsel, die zu den Kleinen Antillen zĂ€hlt. Die 45. Sitzung des zustĂ€ndigen Komitees findet im September in Riad, Saudi-Arabien, statt. Dann wird entschieden, ob die WĂ€lder und die Vulkane der Montagne PelĂ©e und der Pitons, die sich ĂŒber eine FlĂ€che von 14 000 Hektaren im Norden Martiniques erstrecken, die Kriterien fĂŒr eine Aufnahme in das Welterbe erfĂŒllen. Diese vulkanischen Gebiete beherbergen das vielfĂ€ltigste und am besten erhaltene Waldkontinuum der Kleinen Antillen, das von der KĂŒste bis zu den Gipfeln verlĂ€uft, sehr alte RegenwĂ€lder und sĂ€mtliche Waldtypen der Kleinen Antillen umfasst. DarĂŒber hinaus beheimatet das Naturgebiet eine aussergewöhnliche Flora und Fauna mit zahlreichen endemischen Arten, die Schutzmassnahmen auf globaler Ebene erfordern.

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Im Trend

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KW 13/22

BRASILIEN

SCHÄTZE DES SÜDENS

Texte und Fotos: Franck Charton

Zwischen den MillionenstĂ€dten BrasĂ­lia und Rio hat Brasilien fantastische NaturschauplĂ€tze zu bieten, von den mit Macchia bewachsenen Klippen der Mata AtlĂąntica ĂŒber die Hochebenen und Canyons der Chapada dos Veadeiros bis hin zu den IguazuWasserfĂ€llen und den kristallklaren Rios von Bonito.

CBRASILIEN

ARGENTINIEN

idade Maravilhosa – diesen Beinamen trĂ€gt Rio de Janeiro zu Recht. Man muss kein carioca sein, um sich von der pulsierenden 13-Millionen-Metropole mitreissen zu lassen, die sich ĂŒber 40 Kilometer entlang traumhafter KĂŒsten erstreckt: von Barra da Tijuca, dem Standort des olympischen Dorfes, bis zur imposanten Rio-NiterĂłi-BrĂŒcke, die ĂŒber die Guanabara-Bucht hinwegfĂŒhrt. Dutzende weisser SandstrĂ€nde, felsige Buchten und die am Horizont allgegenwĂ€rtigen morros, die typischen Felsformationen, die sich ringsum den dichten Ballungsraum erheben und einzigartige Aussichtspunkte schaffen.

COSTA VERDE –DIE GRÜNE OASE

Die 280 Kilometer lange Strecke von der Hauptstadt bis zur charmanten

Kolonialstadt Paraty, der ersten Station dieser Reise, dauert fĂŒnf Stunden mit dem Bus. Der oft paradiesisch anmutende KĂŒstenstrich der Costa Verde verdankt seinen Namen der besagten Mata AtlĂąntica, einem dschungelartigen Wald, der das KĂŒstenrelief mit einem ĂŒppigen Pflanzenteppich ĂŒberzieht, aus dem KirchtĂŒrme und kleine Dörfer herausragen. Im Jahr 1700 entdeckten die Portugiesen die Gold- und Edelsteinvorkommen in Minas Gerais und errichteten daraufhin ihren Hafen in der Bucht von Paraty. Der so genannte «Goldpfad», der die beiden Orte auf einer LĂ€nge von knapp 400 Kilometern verbindet, war in frĂŒheren Zeiten fast durchgĂ€ngig mit Steinen gepflastert und diente jahrzehntelang als Hauptverkehrsader der Maultierkarawanen. Auf dem Hinweg brachten sie Sklaven und AusrĂŒstung, auf dem RĂŒckweg das gelbe Edelmetall, das alsbald nach Lissabon verschifft wurde.

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Amazonas Atlantischer Ozean Pazifischer Ozean BOLIVIEN
PERU
Preto
Campo Grande Ouro
de Janeiro
Paraty Rio
Brasilia

Vom Gipfel des Zuckerhuts aus hat man einen herrlichen Blick auf die Bucht von Rio, die zahlreichen morros wie den Corcovado (links) und den Strand von Copacabana (rechts). Rechte Seite: Der Zuckerhut und die Gipfelplatte des Pedra da Gåvea, der mit 844 Metern weltweit höchsten Felswand in unmittelbarer OzeannÀhe. Die Belohnung nach dem steilen und schweisstreibenden Aufstieg: ein einzigartiges Panorama auf die Tijucas-Inseln.

SCHÄTZE DES SÜDENS ‱ ‱ 15

Ouro Preto wurde Ende des 17. Jahrhunderts gegrĂŒndet und war das Epizentrum des Goldrauschs. Capoeira ist eine afro-brasilianische Kampfkunst, die direkt von den kriegerischen Traditionen der afrikanischen Völker inspiriert ist. Rechts: Der Caminho do Ouro ist ein uralter Weg, der von den GuaianĂĄ-Indianern zu Beginn unserer Zeitrechnung angelegt und spĂ€ter wĂ€hrend der Kolonialzeit im 16. Jahrhundert mit Steinen gepflastert wurde. Um zum «Goldpfad» zu gelangen, kann man von der Kolonialstadt Paraty aus mit einem kleinen Boot den Fluss PerequĂȘ-Açu hinauffahren.

Das von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklĂ€rte Paraty beherbergt eine FĂŒlle charmanter HerrenhĂ€user, Barockkirchen, kunstvoll gestaltete Balkone und einen beschaulichen Fischerhafen. Die engen, gepflasterten Gassen zeugen von der Pracht des 17. und 18. Jahrhunderts. Gepflasterte Abschnitte des Goldpfades schlĂ€ngeln sich noch heute durch den Regenwald, in dem sich Cachaça-Destillerien angesiedelt haben und den aus Zuckerrohr (garapa) gebrannten Alkohol – er ist die Grundzutat fĂŒr die Caipirinha –produzieren. Zu Fuss gelangt man in die Naturschutzgebiete Joatinga und Mamangua, die von einsamen StrĂ€nden und paradiesischen Buchten durchzogen sind, deren WasserfĂ€lle immer wieder zu einem Bad mit Meerblick einladen. Der Zauber setzt sich in den Dörfern fort, wo die lĂ€ndliche Lebensweise der Caiçara-Fischer hautnah erlebbar wird. Nach einem Abstecher nach Teresopolis und der faszinierenden Serra dos ÓrgĂŁos mit ihren unglaublichen Granitformationen geht es weiter nach Ouro Preto, einer prĂ€chtigen Barockstadt im Herzen des Bergbaugebiets. Wie schon in Paraty ist auch hier der kehlige, synkopierte Klang des berimbau , eines Musikbogens, der den Rhythmus der Capoeira bestimmt, ĂŒberall zu vernehmen. Dieser Kampftanz wurde einst von afrikanischen Sklaven erfunden, um sich auf die Flucht vorzubereiten, ohne den Verdacht ihrer Herren zu erregen.

SCHÄTZE DES SÜDENS ‱ ‱ 17

Unten: der typische cerrado im Bundesstaat GoiĂĄs, eine weite Feuchtsavanne, die von Buriti-Palmen (Mauritia flexuosa) ĂŒbersĂ€t ist. Zahlreiche Schluchten durchziehen die Hochebene und hinterlassen in den Kalksteingebieten fantasievolle Felsformationen. Blick auf den doppelten Wasserfall des Rio Preto vom Mirador de Janela in der NĂ€he von SĂŁo Jorge. Rechte Seite: Das Ulysses-GuimarĂŁesKongresszentrum an der Eixo Monumental, der «Monumentalen Achse», die die Bundeshauptstadt BrasĂ­lia durchzieht und in zwei symmetrische Teile gliedert.

BRASÍLIA –DIE MONUMENTALE

Von Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais erreicht man BrasĂ­lia auf dem Luftweg. Die Landeshauptstadt ist ein idealer Ausgangspunkt fĂŒr die Erkundung des VeadeirosNationalparks im Bundesstaat GoiĂĄs. Alto Paraiso, der esoterische Hotspot Brasiliens und Treffpunkt der GypsetSzene (Verschmelzung aus gypsy und jetset, Anm. d. Red.), ist ein utopisches Eden, in dem SpiritualitĂ€t, Kunst und Umweltbewusstsein aufeinandertreffen. Der bezaubernde Ort wird von allen Seiten von den Hochebenen der Chapada flankiert, die eine Vielzahl von mondartigen Canyons, belebenden WasserfĂ€llen und kristallklaren Quellen hervorbringen. Lange Wanderungen unter den majestĂ€tischen Schwingen bunter Papageie fĂŒhren zu diesen unberĂŒhrten Gefilden von ĂŒberwĂ€ltigender

Schönheit. Der Mirador de Janela, ein einzigartiger Aussichtspunkt mit Blick auf die schönsten WasserfĂ€lle des Nationalparks, ist ein echtes Highlight, das man sich durch einen zweistĂŒndigen steilen Aufstieg im feuchten Dschungel erst verdienen muss. Doch der Anblick von diesem gigantischen Steilhang aus ist aller MĂŒhen wert: ein doppelter Wasserfall, der fast 100 Meter wild schĂ€umend in die Tiefe stĂŒrzt! Auf dem RĂŒckweg kommt man nicht umhin, einen Zwischenstopp in BrasĂ­lia einzulegen. Das Werk des StĂ€dteplaners Lucio Costa und des Architekten Oscar Niemeyer, das die «ideale Stadt» verkörpern, das leere Zentrum Brasiliens neu bevölkern und die damals an der KĂŒste konzentrierten Ressourcen verteilen sollte, wurde zwischen 1957 und 1960 in 1000 Tagen aus dem Nichts erbaut. Die neue Hauptstadt mag in die Jahre gekommen sein, doch der Mythos lebt weiter und verströmt auch heute noch

einen gewissen Charme. BrasĂ­lia sollte man unbedingt mit dem Auto erkunden, da man sonst Gefahr lĂ€uft, einen Halbmarathon zwischen den einzelnen SehenswĂŒrdigkeiten zurĂŒckzulegen. Die «monumentale Achse», die grosse Hauptverkehrsader, die die Stadt zwischen dem Bahnhof und dem «Platz der drei Gewalten» durchzieht, ist rund 10 Kilometer lang und 250 Meter breit, was in etwa zwei 6-spurigen Autobahnen mit einem Fussballfeld in der Mitte entspricht! BrasĂ­lia folgt einem bisweilen abstrakten Konzept, das sich auf den Raum, das Spiel der Symmetrien, geschwungene Formen und MonumentalitĂ€t stĂŒtzt. Neben ihrem stĂ€dtebaulichen Purismus verfolgt die Hauptstadt ein politisches Projekt mit «sozialistischem» Charakter: Harmonie, ja, aber zugunsten der sozialen Gleichheit. Oder: Wenn die Geschichte einer Nation die Kraft eines GrĂŒndungsmythos erlangt.

SCHÄTZE DES SÜDENS ‱ ‱ 19

SPEKTAKULÄRER IGUAZU

Westernszene im cerrado: Ein vaqueiro, ein mit Stiefeln und Stetson gekleideter Rinderhirte, treibt auf seinem Pferd eine Schar weisser Zebus an. Wir befinden uns in Mato Grosso do Sul, dem Vorzimmer des Pantanal. Verstaubte Dörfer, ĂŒberschwemmte Wiesen und endlose von Herden ĂŒbersĂ€te Savannen. Vom Flughafen in Campo Grande sind es vier Fahrtstunden bis zum StĂ€dtchen Bonito, das seinem Namen alle Ehre macht. Hierher kommt man, um die fazendas , die touristischen Landwirtschaftsbetriebe, zu besichtigen, die mit Konkretionen ĂŒberzogenen Grotten zu bestaunen, die vereinzelt in unterirdischen, milchig-schimmernden Seen versunken sind, aber allen voran, um sich schnorchelnd in den kristall-

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Ein Abstecher zum Buraco Das Araras in der Region Jardim (Mato Grosso do Sul) ist absolut lohnenswert. Dieser von Pflanzen ĂŒberwucherte Sandsteinkrater beheimatet eine Kolonie roter und grĂŒner Aras. Das riesige Senkloch ist vermutlich die grösste kreisförmige Vertiefung in ganz Lateinamerika.

Rechts: Der Iguaçu ist kein Wasserfall im eigentlichen Sinne, sondern eine Ansammlung von 275 Katarakten, die eine etwa drei Kilometer breite Wasserfront bilden, wobei der höchste 80 Meter erreicht und sich mitten im Regenwald befindet. Pro Sekunde fliessen hier bis zu sechs Millionen Liter Wasser in die Tiefe.

klaren FlĂŒssen dahintreiben zu lassen. Ein Erlebnis fĂŒr die Sinne! Der Abstieg dauert eine Stunde bis zu einem halben Tag, wobei man sich wie schwerelos im Wasser treiben lĂ€sst. Eine herrliche Erkundungstour, eine Mischung aus Wassersafari und Naturpoesie ... Foz do Iguaçu ist die letzte Etappe der Reise. Sind sie irdischer oder vielmehr ĂŒberirdischer Natur, diese berĂŒhmten WasserfĂ€lle? Selbst im tropischen Gewitter ĂŒbt der Ort eine ungeheuere Anziehungskraft aus, ein Wunder chthonischer Gewalt, das jede Sekunde Millionen von Kubikmetern Schlamm ausstösst. Der orangefarbene und braune Laterit, den die tobenden Wassermassen mit sich fĂŒhren, ist die einzige warme Farbe in diesem schwarz-weissen EndzeitgemĂ€lde. Die 1,2 km lange Wanderung fĂŒhrt an einer Reihe von Aussichtspunkten vorbei und offenbart eine FĂŒlle weitlĂ€ufiger Panoramen. Da sich der grösste Teil der WasserfĂ€lle auf der gegenĂŒberliegenden argentinischen Seite befindet, erhĂ€lt man auf brasilianischem Boden einen spektakulĂ€ren Rundumblick auf die unzĂ€hligen weissen Gischtwolken und natĂŒrlichen SprĂŒhnebelmaschinen. Und wieder ist es das Wasser, das sich einmal mehr wie ein roter Faden durch meine Brasilienreise zieht.

INDIEN

MIT DEN RABARINOMADEN AUF WANDERSCHAFT

MIT DEN RABARI-NOMADEN AUF WANDERSCHAFT ‱ ‱ 23
Fotos: Bruno Zanzottera ‱ Texte: Elena Dak

Die Mitglieder vom Stamm der Rabari leben am Rande der indischen Gesellschaft und ziehen acht Monate im Jahr mit ihren Schaf- und Dromedarherden durch den Bundesstaat Gujarat. Die von ihrer Lebensweise faszinierte Anthropologin Elena Dak hat sie getroffen.

In einer der Tankstellen, die entlang dieser viel befahrenen Autobahn in Gujarat gebaut wurden, ist gerade Teezeit, als eine Bewegung in der Ferne alle Aufmerksamkeit auf sich lenkt: Auf dem Seitenstreifen schreitet eine Karawane aus einem Dutzend Frauen und ebenso vielen Kamelen heran. Weder die WĂŒste noch der Staub scheinen sie zu stören, nicht einmal der ohrenbetĂ€ubende LĂ€rm der Strasse, auf der alle möglichen Fortbewegungsmittel verkehren, allen

voran die bunten Lastwagen, die mit voller Geschwindigkeit an den schlanken Gestalten vorbeirauschen. Nur der Griff zum Seil und die angespannten Nerven der Handgelenke verraten, wie fest sie die ZĂŒgel umklammern, um die Dromedare zu beruhigen und zu verhindern, dass sie in Panik geraten. Der Kontrast zwischen dem Getöse der Autobahn und dem lautlosen Dahinschreiten dieser Rabari-Frauen veranschaulicht die VerĂ€nderungen, denen sich ihre Gemeinschaft in der heutigen Zeit stellen muss.

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Da die Rabari kein eigenes Land besitzen, sind sie stĂ€ndig unterwegs auf der Suche nach Weideland fĂŒr ihre Herden. Sie wandern tĂ€glich, manchmal nur wenige Kilometer, in kleinen Gruppen von zwei bis drei Familien. Die zunehmende Anthropisierung und Industrialisierung des Gebiets erschweren ihre Transhumanz zunehmend und fĂŒhren zu stĂ€ndigen Diskussionen mit den Bewohnern der Dörfer, durch die sie ziehen.

MIT DEN RABARI-NOMADEN AUF WANDERSCHAFT ‱ ‱ 25
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Die Herde von Wallabays Familie durchquert die von Hochspannungsleitungen ĂŒberspannten Salzfelder, die an den Kutch grenzen. Dieses Gebiet wird wĂ€hrend der Monsunzeit ĂŒberflutet und die Region in eine regelrechte Insel verwandelt. Die heutige Infrastruktur spaltet die lĂ€ndlichen Gebiete buchstĂ€blich in zwei HĂ€lften. So sind die Hirten gezwungen, lange Strecken auf den Seitenstreifen der Autobahnen zurĂŒckzulegen und ihr Lager mitunter direkt neben Fabriken aufzuschlagen.

DIE INDUSTRIALISIERUNG

AUF DEM VORMARSCH

Seit dem verheerenden Erdbeben 2001 durchlebte die Region tiefgreifende UmwĂ€lzungen. Innerhalb von zwanzig Jahren entwickelte sich Gujarat zu einer der wirtschaftlichen Triebfedern des Landes, mit all den WidersprĂŒchen, die diese rasante Entwicklung mit sich bringt. Man kann es sich wie eine Stickerei vorstellen, eine Kunst, die die Rabari-Hirten einst meisterlich beherrschten. Ihre Umwelt ist das Gewebe, in das die Moderne grobschlĂ€chtig diverse Arten der Infrastruktur eingenĂ€ht hat: Hochund Schnellstrassen, Eisenbahnen, BrĂŒcken, Windkraftanlagen, Fabriken

und LagerhĂ€user. Inmitten dieses industrialisierten Geflechts leisten die Rabari auf ihre Weise Widerstand und wandern weiter, wie sie es in den letzten Jahrhunderten getan haben. StĂ€ndig sind sie auf der Suche nach freien FlĂ€chen, wenn diese auch knapp sind, und werden durch wiederkehrende DĂŒrren dazu gezwungen, immer entferntere WeidegrĂŒnde aufzusuchen. Die praxisorientierte anthropologische Forschung – auch als teilnehmende Beobachtung bekannt – setzt voraus, dass man sich in das gleiche widersprĂŒchliche Netz begibt wie die fortwĂ€hrend zwischen Tradition und Moderne schwankenden Nomaden, dass man mit ihnen Zeit verbringt, im gleichen Staub wandert, die Weite, die Sonne,

die Monsunregen, die Hochzeiten, die Opfergaben in den Tempeln miterlebt und die Arbeit am Brunnen wie auch die Chapatis auf dem Feuer miteinander teilt. Mit ihnen durch das Gras zu laufen, aber mehr noch ĂŒber den Asphalt, erfĂŒllt den Alltag, ebenso wie mit dem Rest der Karawane Eisenbahnschienen und Autobahnen zu ĂŒberqueren und dabei die Abgase der Autos, aber auch den Geruch von nasser Erde nach dem Regen einzuatmen. Hin und wieder befĂŒrchtet man, an den Rauchschwaden der Fabriken neben den ZĂ€unen zu ersticken, an denen die Hirten bisweilen ihr Nachtlager aufschlagen. Doch man erlebt auch friedlichere Momente, wenn man am Abend den GesĂ€ngen und dem knisternden Lagerfeuer lauscht.

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Hochzeitszeremonien werden im Teenageralter vollzogen, obwohl das Gesetz Ehen vor dem 18. Lebensjahr verbietet. Nur wenige Jahre spÀter zieht die Braut in das Haus ihres Mannes, der ihrer Familie die Mitgift in Form von Geld, Schmuck und Tieren auszahlt.

ACHT MONATE IM JAHR

AUF

WANDERSCHAFT

Die Rabari sind schon von weitem auszumachen, insbesondere die MĂ€nner mit ihren weissen Hosen. Sie bestehen aus einer langen, weissen Stoffbahn, die durch die Beine gefĂŒhrt und an den Seiten zusammengeknotet wird. Der lange Stab, auf den sie sich zum Ausruhen abstĂŒtzen, dient ebenfalls dazu, die Tiere bei Bedarf anzutreiben und tagsĂŒber ein BĂŒndel mit allen nötigen Utensilien fĂŒr die Teezubereitung daran zu befestigen. Wie Erscheinungen inmitten der Felder und entlang der Strassen wandern die Hirten langsamen Schrittes umgeben von ihrer begierig grasenden Herde oder vereinzelten Schafen. Die jĂŒngeren Frauen tragen farbenfrohe, reich bestickte GewĂ€nder, die mit den Kleidern der MĂ€nner kontrastieren. Filigrane Henna-Bemalungen zieren ihre sichtbaren Körperteile wie HĂ€nde, Unterarme oder den Hals. Die Rabari pflegen eine wenig bekannte und in der nomadischen Landschaft einzigartige Hirtenkultur: Sie besitzen HĂ€user in Dörfern oder Vierteln, die nur ihnen vorbehalten sind, sie besitzen jedoch kein Land. Am Ende des Sommermonsuns, wenn wieder trockene Boden- und KlimaverhĂ€ltnisse herrschen, begeben sie sich daher in Gruppen von zwei bis drei Familien auf eine lange Transhumanz. Ausser in besonderen FĂ€llen – um Familienangelegenheiten zu regeln, medizinische Versorgung zu erhalten oder zu heiraten – kehren sie nicht vor Beginn der nĂ€chsten Regenzeit, acht Monate spĂ€ter, in ihre Heimat zurĂŒck. WĂ€hrend dieser Zeit sind Mensch und Tier kontinuierlich auf Wanderschaft.

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Abu Bai, AnfĂŒhrer einer Karawane aus drei Familien, die in der Region Kutch umherzieht, kontrolliert seine Herde vor der anstehenden Wanderung. Einst zĂŒchteten die Rabari Kamele fĂŒr die Aristokratie der Rajputs, die oft an kriegerischen ÜberfĂ€llen beteiligt waren. Heute sind sie Ziegen- und SchafzĂŒchter, die mit der muslimischen Bevölkerung in der Region Handel treiben.

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Die Nomaden machen nur dann Halt, wenn sie eine Weide gefunden haben, auf der ihre Tiere ein wenig grasen können. Die restliche Zeit sind sie von frĂŒh bis spĂ€t kontinuierlich in Bewegung.

DAS WEIDELAND WIRD KNAPP

Die fortschreitende Abnahme der WeideflĂ€chen ist das Hauptproblem, mit dem die Rabari heute zu kĂ€mpfen haben. Die extensive Landwirtschaft, der Ausbau von Strassen und Fabriken haben die Transhumanz in einen regelrechten Hindernislauf verwandelt. Mit gekrĂŒmmten Beinen und einem breiten Turban auf dem Kopf wippt der alte Wallabay bei jedem Schritt, fast so, als wĂŒrde er ins Straucheln geraten. Mit ein paar PapierstĂŒcken, die er auf dem Boden gefunden hat, bastelt er kleine Pfeifen, um die LĂ€mmer, die sich unterwegs verirrt haben, zu sich zu rufen. WĂ€hrend er das Lagerfeuer mit ein paar Reisigzweigen entfacht, sinniert er ĂŒber sein Nomadenleben, das er fĂŒr nichts auf der Welt eintauschen wĂŒrde. Nur nach einem sehnt er sich: unter dem freien Sternenhimmel bei seinen Tieren zu sein. Er ist sich allerdings darĂŒber im Klaren, dass die Hirtennomaden von der heutigen Gesellschaft anders wahrgenommen werden. Darum hofft auch er, dass die junge Generation andere Möglichkeiten haben wird. Wie Wallabay wĂŒnschen sich die meisten Rabari fĂŒr ihre Kinder ein sesshaftes Leben, eine BeschĂ€ftigung bei der Regierung oder in einer Fabrik und vor allen Dingen ein festes Einkommen. Ohne Weideland hat das Nomadendasein keine Zukunft. Rauchend und Chai trinkend sieht der betagte Hirte den Funken nach, die in den Nachthimmel steigen. Morgen frĂŒh wird er sich wieder auf den Weg machen, Papierschnipsel aufsammeln und neue Pfeifen fĂŒr seine Schafe basteln, deren Klang sich dann unter das Hupen der Lastwagen mischt.

EINE LANGE GESCHICHTE

Die Rabari wanderten ab dem 11. Jahrhundert in mehreren Wellen nach Indien aus, nachdem sie von den muslimischen Eroberern aus den Gebieten des heutigen Afghanistan vertrieben worden waren. Die frĂŒheren KamelzĂŒchter waren dafĂŒr verantwortlich, die Mitglieder der Aristokratie mit Tieren fĂŒr ihre Kriege zu versorgen, in die diese fortlaufend verwickelt waren. Kamele spielten auch eine wichtige Rolle im Handel, da sie es den Karawanen ermöglichten, alle Arten von GĂŒtern durch das Land zu befördern. Der von den Briten betriebene Bau von Strassen und Eisenbahnlinien fĂŒhrte schnell zu einem RĂŒckgang der Karawanenströme. Die Rabari wandten sich daraufhin allmĂ€hlich der Ziegen- und Schafzucht zu, die fĂŒr die Wollproduktion nĂŒtzlich war.

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IHR EXPERTE

Sultanat Oman – Land zwischen Tradition und Moderne

Von Sonntag, 29. Oktober bis Dienstag, 7. November 2023 (10 Tage)

Heiner Walther Orientalist, interkultureller Trainer (arabische LĂ€nder), Sachbuchautor

REISEPROGRAMM

TAG 1, 2 & 3

Anreise / Muscat / Wahiba WĂŒste Flug nach Muscat. Aussenbesichtigung des Royal Opera House, Stadtrundgang in der Altstadt und Besuch des beeindruckenden Zubair Museums. Ausserdem AusïŹ‚ug in die Wahiba WĂŒste inkl. Übernachtung.

TAG 4 & 5

Nizwa / Mishfa al-Abreen

Auf dem Weg nach Nizwa besuchen Sie die Ruinen von Al-Mansfah bei Ibra sowie die Festung in Jarbin. TagesausïŹ‚ug in das Dorf Misfah al-Abreen, wo u.a. das traditionelle BewĂ€sserungssystem Falaj noch genutzt wird.

TAG 6 & 7

Nizwa / Akhdar-Gebirge / Muscat

In Nizwa besuchen Sie den bekannten traditionellen Freitagsmarkt sowie die monumentale Festung. Über Birkat al-Mawz fahren Sie spĂ€ter ins AkhdarGebirge auf ca. 2‘000 m ĂŒ. M. Sie erkunden das faszinierende Hochplateau mit seinen tief eingeschnittenen TĂ€lern und zahlreichen Terrassenfeldern und ĂŒbernachten dort. RĂŒckfahrt nach Muscat mit kurzem Halt in al-Mawz mit seinen typischen LehmhĂ€usern.

TAG 8, 9 & 10

Mucat und Umgebung / RĂŒckreise AusïŹ‚ug zur ProduktionsstĂ€tte des teuersten ParfĂŒms der Welt, «Amouage». Weiterfahrt ins Landes-

innere zur Oase Nakhl, wo Sie die majestĂ€tische Festung und die unweit gelegenen, warmen Quellen besichtigen. ZurĂŒck in Muscat unternehmen Sie eine zweistĂŒndige Dhau-Fahrt und geniessen den Sonnenuntergang. Sie besichtigen die Grosse Sultan-Qabus-Moschee, mit ihrer faszinierenden Architektur, den geschĂ€ftigen Fisch- und GemĂŒsemarkt von Mutrah und das Nationalmuseum mit zahlreichen Exponaten und digitalen Erlebniswelten. Am 10. Tag RĂŒckreise in die Schweiz.

ProgrammÀnderungen vorbehalten.

ANIMAN-HÖHEPUNKTE

‱ Besuch des eindrucksvollen Zubair-Museums

‱ Eintauchen in die Kultur und Lebensgewohnheiten der lokalen Bevölkerung

‱ In Nizwa besuchen Sie den bekannten traditionellen Freitagsmarkt

‱ Übernachtung im WĂŒstencamp «Desert Nights Camp»

PREIS

Pro Person: CHF 6‘690.–FĂŒr Abonnent*innen: CHF 6‘440.–

Zuschlag Einzelzimmer: CHF 650.–

TEILNEHMER*INNEN

16 Personen max. / 10 Personen min.

LEISTUNGEN

‱ FlĂŒge in Economy-Klasse inkl. Taxen und GebĂŒhren

‱ Unterkunft in sehr guten Mittelklassehotels, 1 Nacht im WĂŒstencamp

‱ 9x FrĂŒhstĂŒck, 3x Mittagessen und 8x Abendessen

‱ Alle Transfers, AusïŹ‚ĂŒge, Eintritte und Besichtigungen gemĂ€ss Programm

‱ Transport in klimatisierten Reisebussen

‱ Expertenreiseleitung ab/bis ZĂŒrich durch Heiner Walther

‱ Lokale deutschsprechende Reiseleitung

‱ Grosse Trinkgelder (lokale Reiseleitung und Fahrer)

Mehr Infos: background.ch/oman

OMAN Informationen, Detailprogramm und Buchungen: Background Tours, Neuengasse 30, 3001 Bern Bitte kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne: +41 31 313 00 22 – info@background.ch – www.background.ch
BEN THOUARD EINS MIT DER WELLE

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