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Gefahren durch Klimawandel für die Altstadt

Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz

von Baudirektor a.D. Dieter Schade

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Als Wasserwirtschaftler mache ich mir immer wieder Gedanken zu den Auswirkungen von Niederschlägen, Hochwasser und Abflüssen auf die Stadt mit ihrer Infrastruktur.

Hochwasserschutz

Der Hochwasserschutz für die tiefliegende Altstadt und die ehemalige Illervorstadt am östlichen Ufer ist gut. Aber es bestehen noch Restrisiken. Auf diese Risiken muss ich immer wieder hinweisen, gerade in Hinblick auf die schreckliche Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer dieses Jahres. Und wir dürfen nicht vergessen, welche Angst und Schäden die beiden Hochwässer in den Jahren 1999 und 2005 in Kempten verursacht haben. Wo liegen diese Restrisiken?

St.-Mang-Brücke

Der Durchflußquerschnitt ist zu gering. Die Unterkonstruktion wurde bei den Hochwasserereignissen eingestaut. Es gab deshalb schon vor Jahren Überlegungen, die erneuerungsbedürftige Brücke neu zu bauen. Die Absicht wurde vom staatlichen Bauamt aufgeschoben, nachdem kleinere Reparaturmaßnahmen ausgeführt wurden.

Fußgänger- & Radfahrersteg

Die vielen Stützen im Flußbett stellen ein erhebliches Verklausungsrisiko in der treibholzführenden Iller bei Hochwasser dar. Das 2012 beschlossene Konzept „Iller erleben“, das innerhalb von 10 Jahren vollständigt realisiert werden sollte, sieht einen stützenfreien Neubau vor. Auch hier haben kleine Sanierungen zu einem zeitlichen Aufschub der Maßnahmen geführt. Die Stadt hat aber schriftlich mitgeteilt, dass sie 2020 die Vorbereitungen für einen Wettbewerb erarbeiten möchte, um anschließend den Zeitrahmen für den Ersatzneubau festlegen zu können.

Warum ist ein zeitnaher Ersatz der beiden Flußübergänge durch Neubauten so wichtig? Weil es bei einem Aufstau oder Stegeinsturz zu überlaufendem Illerwasser kommen kann, wodurch Menschenleben gefährdet

werden und erhebliche Überflutungsschäden in der Altstadt entstehen können. Deshalb halte ich die Erneuerung der Brücke und des Steges angesichts der Folgen des Klimawandels für dringend geboten.

Oberflächenwasserabflüsse bei Starkniederschlag

Am 26. Juli 2021 gab es ein Starkniederschlagsereignis im Oberallgäu, bei dem nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes im Raum Sonthofen/Burgberg eine Niederschlagsspitze von 120 mm in etwas mehr als einer Stunde gemessen wurde. Was 120 mm bedeuten, können Sie sich vorstellen, wenn ich Ihnen sage, dass man ab 25 mm/h schon von einem Starkniederschlag spricht und dass 40 mm/h als Extremniederschlag mit Folgeschäden bezeichnet werden.

Das Wasserwirtschaftsamt spricht von einer ganz neuen Art von Gefährdungspotenzial, mit dem wir uns klimaänderungsbedingt auseinandersetzen müssen. Kempten ist umgeben von hängigen Flächen. Auch die Altstadt. Ich denke nur an die Burghalde, die Lützelburg und die Hangleiten zwischen der Ober- und der Unterstadt. Von dort gehen die größten Risiken aus. Es ist notwendig, die gefährdeten Gebiete zu erfassen, auf denen es durch wild abfließendes Wasser zu Schäden kommen kann. Experten sprechen von „Flasch Floods“, von überfallartig auftretenden gewaltigen Überschwemmungen. Erinneren Sie sich an die Flutkatstrophe von Simbach am Inn von vor 5 Jahren.

Uns Bürger in der Altstadt interessiert, wo die gefährdeten Zonen liegen, damit wir wissen, wie wir uns verhalten müssen, wenn ein solches Ereignis eintritt und ob wir ggf. schon vorher Vorsorge für unsere Grundstücke und Häuser vornehmen müssen. Was beabsichtigt die Stadt ihrerseits, um die Gefahr durch wild abfließendes Wasser zu mindern? Welche Maßnahmen hat sie dafür vorgesehen?

Schwammstadt

Das Regenwasser aus Niederschlägen soll, insbesondere bei Starkregenereignissen, möglichst vor Ort gespeichert werden, um den Abfluss aus überregneten Flächen zu dämpfen. Das ist keine neue Erkenntnis. Neu ist aber, wie das in einer Stadt mit seiner stark versiegelten Oberflächenstruktur erfolgen kann. Dafür hat man den Begriff „Schwammstadt“ geschaffen, d.h. das Wasser soll wie ein Schwamm auf verschiedene Weise zwischengespeichert werden.

Ich frage, welche Maßnahmen hat Kempten hierfür vorgesehen? Werden hierfür in der Stadt Flächen bereitge-

stellt. Gibt es z.B. am neugestalteten Stadtpark solche Anlagen?

Die außergewöhnlichen Unwetter im Juli 2021 und ihre Folgen haben uns Bürger zutiefst betroffen gemacht. Das Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und die Starkregenereignisse am Alpenrand haben uns mit Wucht die Auswirkungen des Klimawandels aufgezeigt. Es gab viele Tote. 29 Milliarden Euro Schadensumme insgesamt wurde ermittelt. Obwohl Kempten diesmal verschont geblieben ist, gilt es Vorsorge zum Schutz der Bürger und ihres Eigentums zu treffen. Es sind „dringliche Vorhaben“, bei denen es darum geht, so schnell wie möglich zu handeln! Ich war bestürzt, als ich hörte, dass von den eingeplanten Maßnahmen mit einer Investitionssumme vom 13,6 Millionen Euro für das Jahr 2022 (vorgestellt von Herrn Wiedemann im November im Bauausschuss) kein einziges Vorhaben dabei war, mit dem der neuen Gefahrenlage begegnet wird!

Für mich gilt: Es muss hier mehr um‘s Machen als um‘s darüber Reden gehen. Sich nur Verpflichten, dass hier gehandelt werden muss, ist angesichts der Tatsache, das „das Klima angespannt ist“, ist nicht mehr hinnehmbar. Die Überschrift auf der ersten Seite der SZ zum letzten Klimagipfel in Glasgow – mit großen Buchstaben gesetzt – lautete: „Wir schaufeln unsere eigenen Gräber.“ Ich bitte alle Verantwortlichen in unserer Stadt: Nehmen Sie diese Worte ernst! Handeln Sie, ehe es zu spät ist!

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