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Das Quartier auf der geteilten Stadt des Mittelalters

Historischer Kern einer ehemals geteilten Stadt: Durch das heutige Quartier verlief die Stadtmauer der Reichsstadt zur Stiftsstadt. Gelb markiert das „Sparkassen-Quartier“. Die Horchlerstraße existierte damals noch nicht. Bildnachweis: Luftaufnahme © Google Earth. Oben: historisches Urkataster (1808-1864), Quelle Bayernatlas - geoportal.bayern.de/bayernatlas

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von Ursula Speiser, Annette Rampp, Franz G. Schröck & Stephan A. Schmidt

Bei einem Informationsgespräch im Februar 2022 mit Mitgliedern des Heimatvereins, der Stiftsstadtfreunde, der Altstadtfreunde und des City-Managements stellte die Sparkasse Allgäu mit Vorstandsvorsitzenden Manfred Hegedüs das Nutzungskonzept für das so genannte „Sparkassenquartier“ vor, für das die Bank alle Grundstücke und Gebäude außer den beiden südöstlichen

erworben hat (siehe historische Zeichnung und Luftaufnahme oben links).

Im nächsten Schritt wird unter Beteiligung der bayerischen Architektenkammer ein zweistufiger Wettbewerb ausgelobt. Bei diesem sind neben dem Nutzungskonzept, bei dem auch Räume für kulturelle Veranstaltungen vorgesehen sind, ebenso der Denkmalschutz wesentliche Vorgaben.

Einerseits hat die Lage östlich des Stadtparks und der ZUM inmitten der Innenstadt Nord ein hohes Potential und damit eine hohe Verantwortung für die künftige Entwicklung, andererseits liegt hier seltene Geschichte vergraben: Durch dieses Quartier zog sich im Mittelalter die historische Stadtmauer zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen kaiserlicher Reichsstadt und bischöflicher Stiftsstadt, die sich zeitweise bekriegten.

Die historisch wertvolle Bausubstanz in den Anwesen Promenadestraße 5 und 7 (siehe Satellitenfoto oben) sowie der mittelalterliche Wohnturm und die Reste der Stadtmauer sollen erhalten

bleiben. Für die Sparkassenarkaden, ein Bau aus den 50er Jahren, haben die Architekten „freie Hand“.

Allerdings sprach sich im März 2019 eine hochkarätig besetzte Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz dafür aus, dieses Gebäude an der Königstraße in seiner Substanz zu erhalten, statt es für einen neuen Komplex komplett abzureißen. Davon, dass es sich in keinem besorgniserregenden Zustand befindet, konnten sich Besucher der inzwischen wieder geschlossenen „Kunstarkaden“ überzeugen. „Überhaupt stellt sich das Haus als eines der ganz wenigen typischen 50er-Jahre-Bauten im Allgäu dar, ein Stein gewordener Zeitzeuge des Wirtschaftswunders nach dem Krieg, der eine solide Grundstruktur aufweist und in den 90er Jahren bereits grundlegend saniert wurde“, schrieb das architekturforum allgäu 2019 in seiner Publikation „randnotiz.22“.

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die von der Sparkasse beauftragte CIMA, ein Münchener Büro für Stadtentwicklung, drei Varianten für die Nutzung ausgearbeitet hatte, darin eine Markthalle, einen Bio-Fachmarkt oder einen klassischen Supermarkt; man entschied sich für letzteres. Ein solcher Markt wird samt Lager und Lieferzone einen großen Teil der insgesamt 2.630 m erdgeschossigen Quartiersfläche beanspruchen, die dann für anderes fehlen.

Renommierte Städteforscher sprechen hingegen längst (und durch die Coronakrise stark beschleunigt) von einem Ende der „Konsum-Phase“ in Innenstädten und entsprechend schrumpfenden Verkaufsflächen, der einen anderen, kreativen und weniger konsumorientierten Nutzungsmix mit mehr und anderer Aufenthaltsqualität auch jenseits von Ladenöffnungszeiten erfordere.

Im Frühjahr 2023 sollten Bürgerinnen und Bürger anhand von Modellen mehr sehen können. Anschließend wird eine Jury aus Vertretern von Sparkasse, Politik, Verwaltung und Gestaltungsbeirat, dazu beratend Bürgervereine wie der unsere, entscheiden. Wir hoffen auf die Fantasie und Weitsicht von städteplanerisch ganzheitlich orientierten Architekturbüros, welche die gerade durch die Pandemie verstärkt hinterfragte „Zukunft der Innenstädte“ und das darin miteinander zu verknüpfende Leben von Einkaufen, Gastronomie, Wohnen, Kultur und Freizeit im Fokus haben.

Nur: Allein (nebst einem Supermarkt), wie in der Presse zu lesen war, noch ein schickes oder uriges Café mehr, dazu ein paar „Pop-Up-Stores“, deren reaktives Konzept ist, Leerstände(!) nur provisorisch zu füllen, plus ein weiterer eher abends genutzter Veranstaltungssaal für „die Kultur“ werden es nicht richten – das klingt eher „so 90er“.

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