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Rechtsservicestelle Alpenkonvention
from Bergauf 05-2021
Wo guter Rat zu finden ist
Ein Übereinkommen zum Schutz der Alpen, welches durch acht Protokolle inhaltlich konkretisiert wurde, schreckt so manche Nichtjuristen ab, einen Blick hinein zu wagen. Um diese Berührungsängste abzubauen, wurde die Rechtsservicestelle Alpenkonvention bei CIPRA (Internationale Alpenschutzkommission) Österreich eingerichtet. Paul Kuncio
Das Übereinkommen zum Schutz der Alpen, besser bekannt als Alpenkonvention, ist ein völkerrechtlicher Vertrag für den umfassenden Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Alpen und wurde am 7. November 1991 von Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien, Liechtenstein, der Schweiz und der EU in Salzburg unterzeichnet. Slowenien und Monaco unterzeichneten die Alpenkonvention in den Jahren 1993 und 1994. Das seit 1995 in Kraft stehende Übereinkommen war bereits bei der Gründung der CIPRA eines der Hauptziele und somit Anstoßgeber und Wegbegleiter dieses rechtlich verbindlichen Nachhaltigkeitsinstruments.
Schutz der Alpen
Nach Inkrafttreten der Alpenkonvention (1995) und der Durchführungsprotokolle (2002) waren die notwendigen Umsetzungsschritte unklar und deren Anwendung Neuland. Die Berührungsängste und Fragen der Anwendung und rechtlichen Auslegung gaben im Jahr 2009 mit Unterstützung vom damaligen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den Anstoß zur Errichtung der Rechtsservicestelle Alpenkonvention bei CIPRA Österreich. Ziel der Rechtsservicestelle ist die Beseitigung von Wissenslücken und Anwendungsdefiziten. Ehrenamtliche Expert*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Rechtsanwaltschaft bilden dabei den Kreis der Einrichtung.
Gebietskörperschaften, Umweltorganisationen, Bürger*inneninitiativen und Privatpersonen wird es ermöglicht, mit einer alpenkonventionsspezifischen Anfrage an die Rechtsservicestelle heranzutreten und kostenlos eine fundierte Hilfestellung zur rechtlichen Auslegung bzw. Umsetzung der Alpenkonventi-
ß Bereits im Jahr 2011 gab die Rechtsservicestelle Alpenkonvention eine negative Stellungnahme zum Erschließungsvorhaben im Bereich des Warschenecks ab. Im Bild: Der Teichlboden auf der
Wurzeralm. Foto: M. Rieß
on zu erhalten. Im Jahr 2016 beschäftigte sich die Rechtsservicestelle etwa mit einer Anfrage der Sektion Vorarlberg hinsichtlich der Vereinbarkeit von Heliskiing mit dem Tourismusprotokoll. Die Rechtsservicestelle gab generell Auskunft über die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen und kam in ihrer Beurteilung zum Schluss, dass die Behörde bei einer Abwägungsentscheidung Art. 16 Tourismusprotokoll zu berücksichtigen hat und das öffentliche Interesse des Umweltschutzes hoch zu bewerten ist. Von einem absoluten Verbot kann aber nur bei Eingriffen in Schutzgebiete und sonstige weitgehend naturbelassene Gebiete ausgegangen werden.
Workshopreihe und Datenbank
Zur Schließung von Wissenslücken und Anwendungsdefiziten wurde 2013 die Workshopreihe zu den acht Durchführungsprotokollen ins Leben gerufen. In Kooperation mit dem Fachbereich Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Universität Salzburg werden ausgewiesene Expert*innen eingeladen, den Inhalt und die Anwendbarkeit eines der acht Durchführungsprotokolle der Alpenkonvetion zu diskutieren.
Im Juni 2021 fand der bereits neunte Workshop statt. Im Fokus stand das Protokoll „Tourismus“ und die Frage, ob das Protokoll den Ansprüchen der heutigen Zeit noch gerecht wird. Gemeinsam mit den Vortragenden wie etwa Werner Bätzing – emeritierter Professor für Kulturgeografie der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürburg – oder dem Rechtsberater des Ständigen Sekretariat Alpenkonvention, Wolfger Mayrhofer, und dem Umweltrechtsexperten Daniel Ennöckl wurde die Umsetzung der vergangenen zwei Jahrzente evaluiert und das Potenzial des Protokolls zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen untersucht.
Mit tatkräftiger Unterstützung des österreichischen Delegationsleiters der Alpenkonvention, Ewald Galle (Bundesministerium für Klimaschutz), gelang es auch, die Ergebnisse und Beiträge der Workshopreihe seit 2016 in Form einer Schriftenreihe zur Alpenkonvention über den Verlag Österreich zu veröffentlichen. Diese Publikationsreihe bietet ein ausführliches Nachschlagewerk für Rechtskundige und Laien und enthält zusätzlich bisher nicht veröffentlichte Umsetzungsmaterialien aus den Entstehungsprozessen der Protokolle. Zudem ist jeder Band ein Jahr nach Veröffentlichung als kostenloses E-Book über die E-Library des Verlag Österreich erhältlich. Hier finden Sie bereits Band eins bis fünf zu den Protokollen Energie (2016), Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (2018), Verkehr (2019), Bergwald (2020) und Berglandwirtschaft (2021).
Ein besonders für die Rechtsanwender*innen wertvolles Instrument stellt die Rechtsdatenbank der Alpenkonvention mit Entscheidungen von Verwaltungsbehörden, Verwaltungsgerichten und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts dar. Zusätzlich kann nach einschlägiger Literatur zur Alpenkonvention gesucht werden. Um in Zukunft eine bessere Übersicht und Anwendbarkeit bieten zu können, wird die Rechtsdatenbank aktuell überarbeitet und in Bälde auf einer neuen Website implementiert.
Wissensansammlung
Die langjährige Arbeit und die verschiedenen Angebote der Rechtsservicestelle haben zu einer außergewöhnlichen Wissensansammlung geführt, welche der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Vergleichbare Angebote sucht man in den anderen Alpenstaaten vergeblich. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass heute noch zahlreiche Fragen zur Umsetzung und Anwendung offen sind, die durch sorgfältige Arbeit der Rechtsexpert*innen der Rechtsservicestelle beantwortet werden.
In mehr als zehn Jahren Rechtsservicestelle kann festgehalten werden, dass die Alpenkonvention und ihre Durchführungsprotokolle nicht durch alle Verwaltungsebenen, insbesondere der Gemeindeebene, durchgedrungen sind und es noch großen Handlungsbedarf gibt, um die Umsetzung und Einhaltung der Protokolle voranzutreiben. Von besonderer Bedeutung hierfür wird aber auch ein entsprechendes Bewusstsein der Bevölkerung über die Inhalte der Alpenkonvention sein, die den Alpenraum wesentlich mitgestaltet.
Paul Kuncio absolvierte an der Karl-Franzens-Universität Graz das Studium der Rechtswissenschaften, spezialisierte sich auf Umweltrecht und ist seit 2016 für verschiedene Umweltorganisationen tätig. Seit 2019 zeichnet er im Umweltdachverband für den Bereich Umweltrecht verantwortlich und ist seit 2020 Geschäftsführer von CIPRA Österreich.
Weitere Infos
Rechtsservicestelle Alpenkonvention:
cipra.org/de/cipra/oesterreich/rechtsservicestelle
Literaturtipp:
Das Protokoll „Berglandwirtschaft“ der Alpenkonvention