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Geschichten aus dem Winterraum
from Bergauf 05-2021
Wenn es kälter wird und die Wirtsleute nach der Sommersaison ihre Hütten für den wohlverdienten Winterschlaf bereitmachen, beginnt die Zeit der Winterräume. Vorbei sind die sonnigen Stunden auf bewirtschafteten Terrassen mit Bier vom Fass und Halbpension. Was nun am Berg konsumiert werden will, muss auch selber nach oben getragen werden. Gekocht wird natürlich selbst.
von Niklas Ohnmacht
Um in den Genuss einer warmen Mahlzeit zu kommen, bedarf es im Winter oft größerer Anstrengung als im Sommer. Der von den Sektionen markierte und sanierte Weg versteckt sich gerne unter einer dicken Schneeschicht. So ist bereits für den Zustieg eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lawinen- und Wettersituation zwingend notwendig. Der Aufbruch zur Hütte sollte nicht zu spät erfolgen, denn der Winter legt uns Sportlern gerne weitere Stolpersteine in die Spur.

Meister der Flammen: Das Holz selbst gehackt, ist der Holzofen Herzstück vieler Winterräume.
Foto: Simon Schöpf
Die Hütte freischaufeln
So gestaltet sich auch der Zutritt zu den Winterräumen nicht immer einfach. Während wir im Sommer gemütlich in die Stube spazieren können und maximal Umwege machen müssen, wenn der Hüttenwirt uns zurück in den Schuhraum pfeift, weil wir mit Wanderschuhen in Richtung Zimmerlager weitergewandert sind, heißt es im Winter oft erst einmal schaufeln. Nicht selten versperrt Schnee den Weg in den sicheren Unterschlupf. Ist der Zutritt geschafft, so wird ein meist unbeheizter Raum betreten. Eine Stromversorgung ist selten vorhanden. Je nach Tageszeit hilft eine Stirnlampe beim Auffinden des wärmespendenden Ofens. Der Ofen entfaltet jedoch erst nach ausreichender Befeuerung seine volle Wirkung.
An dieser Stelle eine dringende Empfehlung zur Mitnahme eines eigenen Feuerzeuges! Dem Autor wurde von einer sehr kalten Nacht im Winterraum einer bekannten Hütte im Karwendel berichtet. Die Übernachtungsgäste erreichten nach dem langen Zustieg am späteren Nachmittag die Hütte. Voller Freude stellten sie fest, dass der Winterraum menschenleer war, und schnell kam der Gedanke an eine heiße Nacht zu zweit am prasselnden knisternden Kaminfeuer auf. Doch der Ofen sollte ausbleiben und statt der romantischen Nacht war es kalt und dunkel. In gegenseitiger Erwartung wurde kein Feuerzeug mitgenommen. Auch nach intensiver Suche in der Hütte konnte keine Möglichkeit zur Entfachung eines Feuers gefunden werden. Selbst das vom Wirt bereitgestellte Bier wollte an diesem Abend nicht schmecken, es wurde beim Trinken in den Flaschen immer kälter.
Zum Glück wurden in jener Nacht eigene Schlafsäcke mitgebracht, denn auch ein frisch gemachtes Bett wird der von unseren Hüttenwirten verwöhnte Gast in einem Winterraum schnell vermissen. Zwar liegen oft Alpenvereinsdecken auf, jedoch ist eine Nachfrage ob der Ausstattung bei der zuständigen Sektion unerlässlich, da die Einrichtung der Winterräume stark variiert. Während so mancher Raum mit Heizung und Induktionsherd aufwartet, sind andere Räume sehr einfach und rustikal.

Ein Winterraum ist kein Luxushotel: Oft muss der Eingang erst mühsam von meterhohem Schnee befreit werden.
Foto: Simon Schöpf
Galadiner mit Schnee
In einem solchen rustikalen Winterraum durfte der Autor selbst vor einiger Zeit eine Nacht verbringen. Bei Abholung des Alpenvereinsschlüssels bei der zuständigen Sektion wurde darüber informiert, dass der Ofen im Winterraum nicht beheizt werden könne. Vorhergehende Besucher hätten zum Beheizen statt des Brennraumes das Backrohr des Ofens benützt. Dieser Sachverhalt kommt deutlich öfter vor als man meinen mag. In diesem Fall jedoch mit der Folge, dass der altgediente Ofen bis auf Weiteres nicht zur Benützung zur Verfügung stand.
Dieser Umstand sollte die Unternehmung nicht stoppen und so wurden in wissender Ermangelung des Ofens ein Schlafsack und ein Gaskocher in den gut befüllten Rucksack gepackt. Der Plan war, das zusätzlich entstandene Gewicht durch die Mitnahme von leeren Trinkflaschen und nur einer Flasche Rotwein auszugleichen und die Flaschen später mit geschmolzenem Schnee zu befüllen. Nach Ankunft im Winterraum wurde der kleine Campingkocher in Betrieb genommen, ein scharf gewürztes Nudelgericht zubereitet und mit Rotwein serviert. Der durch den Aufstieg und das pikante Abendmahl entstandene Durst war beachtlich. Da die Trinkflaschen vorausschauend leer waren, begann ein langer Abend des Schneeschmelzens. Gerne wird unterschätzt, wie viel Schnee und Zeit es braucht, um eine brauchbare Menge an Wasser zu erhalten.
Das Gas aus der Kartusche reichte nur, um den akuten Durst zu löschen, jedoch nicht um Wasser für den nächsten Tag zu schmelzen. Da eine längere Tour geplant war, wurden alle Trinkflaschen randvoll mit Schnee gefüllt und in die Schlafsäcke gelegt. Die Nacht war kälter als erwartet und das Ergebnis wenig zufriedenstellend. Am Morgen gab es den wenigen Schnee, der über Nacht seinen Aggregatszustand ändern konnte, die geplante Tour verkürzt. Schuld daran war natürlich das schlechte Wetter.

Ein warmer Schluck Tee entschädigt für die vielen Mühen, die man sich in einem Winterraum freiwillig auferlegt.
Foto: Simon Schöpf
Immer sauber machen
Doch manche Nächte im Winterraum können geselliger vonstattengehen als erwartet. So auch auf einer Hütte in den Stubaier Alpen. In den Morgenstunden eines Neujahrtages wurden nicht weniger als 30 Leute beim Verlassen des Winterraumes gezählt. Die Kapazität des Raumes umfasst laut Homepage 12 Plätze. Das Aufsuchen von Winterräumen ohne vorherige Abklärung mit der hüttenbesitzenden Sektion ist daher nur bedingt zu empfehlen.
Eine schöne Überraschung bei Bezug des Winterraumes war, wie ordentlich alles hinterlassen worden war. Hier wurde nach dem Motto „Verlasse den Raum so, wie du ihn vorfinden möchtest“ saubergemacht und so konnte der Raum nach kurzem Stoßlüften erneut als Unterkunft bezogen werden.
Niklas Ohnmacht ist Mitarbeiter der Abteilung Hütten, Wege und Kartographie beim Österreichischen Alpenverein.