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Der Poeten Sinn für Weihnachten
from Neu Nota Bene 01
by Mateo Sudar
Es begab sich zu jener Zeit, da alle Blüten in tiefstem Schlaf lagen und die ganze Welt eingehüllt war in den Zauber des Winters, dass eine junge Frau begann, sich auf die Suche nach dem Sinn der Weihnachtszeit zu machen. Sie las mehrere Bücher, alte Handschriften, Kataloge, Artikel, Modemagazine und Lexika, um diesem besonderen Sinn auf die Spur zu kommen. Doch sie fand keinen einzigen Hinweis.
Unsere junge Frau war eigentlich eher fröhlichen Gemütes, das damals, als sie noch ein Kind war und unbeleckt von den Geschicken der Welt, nicht einmal auf die Idee kam, danach zu fragen, welchen Sinn dieses „Weihnachten“ eigentlich haben solle. Es war die ganze Familie versammelt, alles leuchtete im goldenen Schein der Kerzen, es wurde gesungen (mal mehr, mal weniger richtig), das Weihnachtsessen und die Adventsteller verströmten ihren würzigen Duft durch das ganze Haus, die Großeltern trugen ihr gütigstes Lächeln zur Schau und für einen Abend war endlich einmal einstimmiger Friede im ganzen Haus. Das kleine Mädchen war glücklich. Und warum sollte es dies hinterfragen?
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Doch auch sie wurde älter und mit jedem Jahr verlor Weihnachten etwas von seinem Reiz. Die Großeltern gab es schon lange nicht mehr, die Familie hatte sich auseinandergelebt und die Zeit war auch immer knapper bemessen. Man traf sich natürlich noch zum Essen und verteilte Geschenke, aber dieser Funke, der einem das Herz vor Glückseligkeit zum Überlaufen brachte, der war verschwunden. So saß sie nun da und ließ sich vom Strom ihrer Gedanken mit treiben. Und wie bei einem Federballspiel flogen Gedichtzeilen in ihrem Kopf hin und her.
Es begann mit Hesses Worten, schwermütig und tiefsinnig:
„Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein, kein Baum sieht den anderen, jeder ist allein.“
Ja, dachte sie. Das ist allerdings wahr. Leise schlich sich Rilke an sie heran und flüsterte:
„Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“
Dieses Gefühl kenne ich, flüsterte sie. Hesse trat wieder vor und sprach mit altersschwerer Stimme:
„Voll von Freunden war mir die Welt, als noch mein Leben licht war; nun, da der Nebel fällt, ist keiner mehr sichtbar“
Sie wischte eine einzelne Träne von der Wange und verlor sich weiter in der Flamme der Kerze, die vor ihr auf dem Tisch stand. Hesse sprach weiter: „Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt, das unentrinnbar und leise von allen ihn trennt.“
„Weise sein ist dann aber eine sehr einsame Tugend. Kann man nicht einfach immer unwissend und glücklich sein? Wie ein Kind?“ fragte sie sich. Hesse erwiderte darauf mit einem leisen Lächeln: „Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre, neue Bindungen zu geben.“
Aufmerksam lauschte die junge Frau dem weisen Poeten. „Da ist etwas Wahres dran“ dachte sie, „Weihnachten kann für mich ja gar nicht mehr so sein wie es früher war. Ich selbst bin ja auch erwachsen geworden, habe neue Erfahrungen gesammelt und sehe die Welt ganz anders als zu meiner Kinderzeit. Und das muss nicht unbedingt schlecht sein. Es gibt so viel Schönes in meinem Leben, auf das ich mich besinnen sollte und weswegen ich dankbar sein kann. Dass ich ein Dach über dem Kopf habe und genug zu essen, Menschen die mich lieben und die für mich da sind, der Schnee, der an Heiligabend auf die Erde fällt, die schönen Erinnerungen an meine Großeltern, der Geruch von gebrannten Mandeln, wenn ich über den Markt laufe, das kleine Kind das an der Hand seiner Eltern mit glänzenden Augen vor der Krippe steht mit einem seligen Lächeln im Gesicht.“
Als ihr dies klar wurde, ging sie in ihre Küche und begann zu backen. Einige Zeit darauf strömte ein himmlischer Geruch durch das ganze Haus und ließ die vorbeilaufenden Passanten etwas langsamer werden, um noch einmal tief einzuatmen. Am nächsten Morgen rief sie alle ihre Lieben an und lud sie zu einem gemeinsamen weihnachtlichen Plätzchenessen ein. So saßen sie dann abends alle zusammen im Schein der Adventskerzen, eingehüllt in dem Duft nach Orangen, Zimt und Tannengrün, lachten, sangen und genossen die gemeinsame Zeit. Und unsere junge Frau? Die saß mit einem seligen Lächeln dabei und war rundum glücklich. Und ganz leise hörte man noch von ferne die alte Stimme Hesse’s rezitieren: „Und etwas dann mit mir geschah: ich ahnte, spürte auf einmal, dass alles: Sterne, Berg und Tal, ob ferne Länder, fremdes Volk, sei es der Mond, sei‘s Sonnenstrahl, dass Regen, Schnee und jede Wolk, dass all das in mir drin ich find, verkleinert, einmalig und schön. Ich muss gar nicht zu jedem hin, ich spür das Schwingen, spür die Tön‘ ein‘s jeden Dinges, nah und fern, wenn ich mich öffne und werd‘ still in Ehrfurcht vor dem großen Herrn, der all dies schuf und halten will. Ich glaube, das war der Moment, den sicher jeder von euch kennt, in dem der Mensch zur Lieb‘ bereit: ich glaub, da ist Weihnachten nicht weit!“
Rhea Felicitas Steckler

Kai Lendl, Küchenchef des Kompetenzzentrums Geriatrie Bad Liebenzell-Monakam, ist seit 15 Jahren für das leibliche Wohl der Bewohner und Mitarbeiter verantwortlich. Seine Ausbildung als Koch absolvierte er im Landgasthof Restaurant Hoheneck in Pforzheim. Wichtig ist für ihn immer, dass es den Bewohnern gut schmeckt.
Trotz der vielen Jahre, die er bereits in der Einrichtung ist, fasziniert ihn nach wie vor die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Schnittstellen wie Pflege, Hauswirtschaft und Einrichtungsleitung. Heute verrät er uns seine Favoriten des Speiseplanes.