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Incoterms® clever wählen

Internationale Supply Chains

Ab Werk und Frei Haus sind übliche Lieferbedingungen. Doch in internationalen Lieferketten stellt die Wahl der passenden Handelsklausel viele Unternehmen vor Herausforderungen. Wir geben Praxistipps, wann sich welche Incoterms® 2020 eignen – und worauf Sie bei deren Einsatz achten müssen.

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Die neuen Incoterms® der ICC sind ein guter Anlass, die eigene Vertragsgestaltung zu überdenken. Zwar hat sich auf den ersten Blick nicht viel geändert. So wurde die Gesamtzahl von elf Terms auch in Version 2020 beibehalten. Aber einzelne Klauseln sind jetzt alltagstauglicher und tragen den tatsächlichen Bedürfnissen der Käufer und Verkäufer des internationalen Handels besser Rechnung (eine Übersicht über Rechte und Pflichten der einzelnen Terms finden Sie auf der folgenden Doppelseite). Neben der Umbenennung der Klausel DAT in DPU ist die Regelung zu Frachtpapieren in Verbindung mit FCA, die Versicherungsdeckung bei CIP, eine Änderung und Präzisierung der sicherheitsbezogenen Anforderungen, Transportpflichten und -kosten sowie die Positionierung der Kostenpflichten in den Erläuterungen und Kommentaren zu nennen (Die wesentlichen Änderungen finden sich auch in der AnachB 12.2019 unter issuu.com/aeb-software). Insgesamt bieten die Incoterms® 2020 damit neue Einsatzmöglichkeiten – aber auch neue Herausforderungen bei der Wahl der richtigen Klausel, vor allem hinsichtlich Ab-Werk- und Frei-Haus-Lieferungen.

Ab Werk: Pflichten sinnvoll verteilen

Gerade wenn ein Unternehmen ab Werk liefern möchte, stellt sich oft die Frage, welcher Incoterm verwendet werden soll. Auch wenn EXW naheliegend erscheint, kann es eine bessere Alternative geben. Angenommen: Das deutsche Unternehmen V hat seine auf Paletten verpackten Waren mit 10.000 Euro Listenpreis ab Werk für EU-Kunden kalkuliert. Der japanische Großhändler K fragt bei V nach einer Lieferung an. In einem solchen Fall meldet meist der Verkäufer die Ware zur Ausfuhr an. Der Kunde ist spät dran und erteilt dem Verkäufer sogar erst nachträglich den Auftrag, den Transport in seinem Namen abzuwickeln. Sollte es sich um den Verkauf genehmigungspflichtiger Waren handeln, so bleibt am Schluss kaum ein anderer praktikabler Weg, als dass V alle zur Ausfuhr notwendigen Schritte übernimmt. Das bedeutet allerdings zusätzlichen Aufwand doch das hat V nicht kalkuliert. Welcher Term eignet sich nun für ihn, wenn er mit einem Ab-Werk-Preis arbeiten möchte?

EXW – altbekannt und bewährt?

In vielen Betrieben gilt bis heute die Devise: Ab Werk heißt EXW. Aber die Klausel EXW ist für eine Lieferung ungeeignet, wenn der Abholer (hier der japanische Großhändler) nicht selbst lädt und/oder nicht selbst die komplette Ausfuhr abwickelt. Das hat auch die Internationale Handelskammer(ICC) erkannt und schreibt daher auf Seite 27 des neuen Buches Incoterms® 2020, dass die Klausel EXW vorrangig für inländische Lieferungen geeignet ist. Es gibt keinen Hinweis auf Exportgeschäfte –und das aus gutem Grund: EXW ermöglicht es dem Verkäufer nicht, den Frachtführer auszusuchen – er soll eben gerade nicht der Versender sein.

„Im grenzüberschreitenden Verkehr ist es besser, auf EXW zu verzichten. Eine Alternative ist Free Carrier (FCA).“

Zudem kann es passieren, dass der Verkäufer die Umsatzsteuerplötzlich nachträglich entrichten muss, weil er nicht versteuert fakturiert hat und die Ausfuhr nicht nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus kann der Verkäufer die Ausfuhr nicht rechtlich sauber anmelden, weil er nicht über das Verbringen der Ware zu verfügen hat – das wäre ja erst bei einer F-, C- oder D-Klausel der Fall (Regel EXW-A7). Den Käufer treffen im Gegenzug Schäden bei der Beladung im Werk des Verkäufers.

FCA – am Ort des Verkäufers

Zusammengefasst bleibt festzuhalten: Im grenzüberschreitenden Verkehr ist es besser, auf EXW zu verzichten. Doch was ist die Alternative? Eine Möglichkeit, die sich anbietet: Die Klausel Free Carrier (FCA). Warum? Das zeigen die beiden folgenden Fallbeispiele. Fallbeispiel A: Wieder fragt der japanische Großhändler K nach einer Lieferung bei Unternehmen V an für Ware im Wert mit einem Listenpreis von 10.000 Euro ab Werk für EU- Kunden. Folgendes geschieht im Unternehmen V:Die Ware wird produziert, standardmäßig verpackt, auf Industriepaletten bereitgestellt und V wickelt die Ausfuhr ab (Ausfuhrkontrollmaßnahmen sowie Anmeldung, Besorgen des ABD). Der Kunde beauftragt die Spedition, der Spediteur kommt am vereinbarten Datum, V lässt den Lkw beladen, sich das ABD aushändigen und der Spediteur bringt die Ware im mehrstufigen Transport über die Grenze zum Käufer. Dieses Vorgehen ist in vielen Unternehmen Standard. Es setzt den Verkäufer in die Lage, einen Ab-Werk- bzw. FCA-Preis zu kalkulieren und sich weder zum Zeitpunkt der Kalkulation noch später über Transportkosten Gedanken machen zu müssen. Dafür wurde die FCA-Klausel auch geschaffen: Der Verkäufer hat die Ware bereitzustellen und zu verpacken, die Ausfuhr freizumachen und das abholende Fahrzeug, das vom Käufer gestellt wird, zu beladen. Gefahr und Kosten gehen über, wenn der Käufer ein Frachtmittel fristgerecht bereitstellt und dann die Ware vom Verkäufer auf das Fahrzeug abgesetzt wurde. Darüber hinaus trifft den Verkäufer keine weitere Pflicht. V muss hier insbesondere weder Frachtvertrag noch Versicherung abschließen.

Variantenvielfalt bei FCA

Fallbeispiel B: Es herrscht die gleiche Ausgangsituation wie im Fall A, allerdings vereinbaren beide Seiten nun, dass V im Auftrag des Käufers die Fracht organisieren soll. FCA regelt in diesem Fall, dass der Verkäufer zu den üblichen Bedingungen einen Frachtvertrag auf Kosten und Gefahr des Käufers abschließen muss. Das Risiko hierbei: V läuft Gefahr, die Frachtkosten nicht erstattet zu bekommen. Allerdings: Es lauern für V auch Gefahren, wenn der Käufer die Fracht organisiert: So könnte K beispielsweise eine ihm unbekannte Spedition beauftragen oder die Ware nicht so wie vereinbart verwenden. Außerdem könnte es passieren, dass die Ware die EU gar nicht verlässt und V deshalb keinen Ausgangsvermerk erlangen kann. Dann drohen Nachzahlungen von Umsatzsteuer oder Sanktionen wegen Verstößen gegen exportkontrollrechtliche Vorgaben. Generell heißt es, beim Einsatz von FCA die weiteren Detaillierungen zu beachten. Denn neben den C-Klauseln ist sie wohl die variantenreichste der Incoterms®.

FCA an einem Versendeterminal

Beispielsweise bietet FCA neben der oben genannten Lieferung „FCA, Werk des Verkäufers“ auch die Möglichkeit, ein Versendeterminal als Übergabeort zu benennen und durch die Organisation des Transports die gerade genannten Gefahren zu begrenzen. Das folgende Beispiel schildert diesen Sachverhalt. Fallbeispiel C: Unternehmen V hat seine auf Paletten verpackten Waren für 10.000 Euro ab Werk für EU- Kundenkalkuliert. Der japanische Großhändler K fragt nun bei Vnach einer Lieferung „Frei Flughafen FRA Frankfurt“ an. V entscheidet sich für das Angebot FCA, Flughafen FRA und hat nun folgende Verpflichtungen: Die Ware wird produziert, luftfrachttauglich verpackt und V wickelt wieder die Ausfuhr ab (Ausfuhrkontrollmaßnahmen sowie Anmeldung, Besorgen des ABD). Der Transport zum Flughafen Frankfurt FRA wird durch die Hausspedition von V durchgeführt. Das sollte V auch in der Kalkulation berücksichtigen. Die Flughafengebührensind Sache des Käufers. Geliefert ist die Ware dann, wenn sie am vereinbarten Ortentladebereit zur Verfügung steht, also hier an der Entladerampe am Frachtterminal FRA. Dieser Ort ist in der Praxis fast immer ein Versandterminal, also ein Flughafen, Hafen, Güterbahnhof, Speditionsgelände oder ähnliches, wo der Warenumschlag für den Weitertransport stattfindet. Außerdem hat V gemäß A4 auch noch die frachtrechtlichen Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, die Ware also sicher zu liefern, im Zweifel wohl auch die Kosten für die Durchleuchtung im Flughafen zu tragen. Heranzuziehen sind hierfür selbstverständlich gesetzliche Vorgaben, aber auch andere allgemein übliche Standards (z. B. TAPA-Standards).

FCA: Beim Transport genau hinschauen

Üblicherweise hat der Verkäufer ab dem Lieferort keine weitere Verpflichtung mehr. Es sei denn, beide Seiten vereinbaren, dass der Verkäufer den Transport organisiert. Gründe hierfür gibt es genug, denn der Verkäufer kennt die Lieferbereitschaft seines Spediteurs am besten, hat vielleicht Sonderkonditionen und akzeptiert z. B. aus hygienischen Gründen nur bestimmte Spediteure. In manchen Fällen ist dem Käufer die Abwicklung der Abholung zu kompliziert oder es wurde ein Akkreditiv vereinbart. Grundsätzlich sollten die Vertragsparteien dann über alle C- und D-Klauseln nachdenken. Aber diese Klauseln bedeuten auch, dass sich die Kalkulation verändert. Deshalbbietet FCA die folgende Möglichkeit: Der Verkäufer übernimmt auftragsgemäß als Gehilfe des Käufers genau diese Aufgabe und besorgt den gesamten Transport. Hier ist der Verkäufer in der komfortablen Situation, dass das Angebot weiterhin Ab-Werk oder Frei-Flughafen bleibt. Die angebotene Summe verändert sich nicht. Der Käufer muss also praktisch jeden Frachtvertrag des Verkäufers bezahlen, der sich im Bereich der üblichen Bedingungen hält. Auch die Frachtgefahr liegt beim Käufer. Die Bezahlung der Fracht wird in der Praxis entweder zunächst vom Verkäufer an den Spediteur vorgenommen und dann dem Kunden in Rechnung gestellt. Oder die Frachtrechnung wird vom Frachtunternehmerdirekt an den Käufer ausgestellt. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Käufer schon Kunde beim Spediteur bzw. Kurierdienstleister ist. Bei der Preiskalkulation muss der Verkäufer berücksichtigen:

• Beim Angebot FCA Werk V kommen noch die Kosten für die Ausfuhrabwicklung (Genehmigungen, Anmeldung ggf. Gebühren etc.) sowie für den Beladevorgang hinzu.

• Beim Angebot FCA Flughafen muss noch der Transport zum Flughafen hinzugerechnet werden, gegebenenfalls auch noch die Kosten für das Sichermachen (Röntgen) am Flughafen.

Lieferung Frei Haus – was ist zu beachten?

„Frei Haus“ ist im nationalen Handel eine übliche Lieferbedingung. Es bedeutet zunächst nichts weiter, als dass der Verkäufer den Transport bis zum Bestimmungsort der Ware bezahlt. Hierfür bieten die Incoterms® ganze sieben Klauseln: CPT, CIP, DAP, DPU sowie DDP und, wenn man den Hafen als Bestimmungsort im Bestimmungslandbetrachten mag, auch CFR und CIF. In all diesen Klauseln hat der Verkäufer den Transport und alle Nebenkosten bis zum genannten Ort zu bezahlen: „CPT Hafen Santos“, „DAP Hafen Santos“ oder „CIP Hafen Santos“ bedeuten alle, dass der Verkäufer alle Kosten bis zum Hafen in Santos zu zahlen hat – bei Seetransport eben bis an den Hafenkai. Das gilt auch für die Exportabwicklung. Sozusagen herrscht hier kalkulatorischer Gleichstand. Und das gilt auch für CFR, CIF, DPU und DDP – mit den besonderen Abweichungen. Was sind aber die Unterschiede der Terms untereinander? Hier sind vor allem die drei Aspekte „Lieferort, Transportrisiken und Versicherung“, „Entladung und Entladekosten“ sowie „Importabwicklung“ zu betrachten.

„DDP wird oftmals als scheinbar angenehmste Klausel für den Käufer wahrgenommen, ist aber mit Risiken für beide Seiten verbunden.“

Die D-Klauseln DAP, DPU, DDP

Wird eine D-Klausel verwendet, trägt der Verkäufer das Transportrisiko bis zum benannten Ort. Erst, wenn die Ware auch dort bereitgestellt wird, hat der Verkäufer seine kaufrechtliche Lieferpflicht erfüllt. Eine Versicherungspflichtbesteht nicht, weil der Käufer ja kein Risiko trägt. Beim Term DAP sowie DDP ist entladebereit, bei DPU entladen vom Transportmittel zu liefern. Nur bei DPU hat also der Verkäufer die Entladung zu organisieren bzw. zu bezahlen. Bei DAP und DDP muss der Käufer die Entladung übernehmen. Die Importabwicklung hat bei DAP und DPU der Käuferabzuwickeln – nicht so beim Term DDP. Hier fällt dies dem Verkäufer zu. Das bedeutet, dass der Verkäufer nicht nur Formalitäten im Versendeland hat, sondern auch noch die Kosten für Formalitäten sowie alle Abgaben (Steuern und Zölle) tragen muss.

Die Zweipunktklauseln CPT, CIP sowie CFR und CIF

Bei den multimodalen C-Klauseln trifft die Importabwicklung den Käufer und der Verkäufer trägt das Transportrisiko nur bis zum Ort der Übergabe an den ersten Frachtführer (gemeint ist ein rechtlich selbständiges Frachtunternehmen). Er liefert also schon bevor die Ware so richtig auf die Reise geht, sobald sie dem ersten Frachtführer übergeben wurde – obwohl er die Kosten und Nebenkosten für die Fracht bis zum Bestimmungsort trägt. Bei einem Transportschaden liegt der Ärger also beim Kunden. Er hat den Schaden und muss den Rechnungsbetrag zahlen. Bei den Klauseln CRF und CIF trägt der Verkäufer das Risiko für Transportschäden bis zur Beladung im Versendehafen (Lieferort). Der Bestimmungsort muss immer ein Fluss- oder Seehafen sein. Allerdings muss der Verkäufer beim Term CIP eine Versicherung über alle Risiken und 110 % des Ankunftswertes (der Vertragspreis inklusive aller Voraus-, Schluss- und Nebenzahlungen) zugunsten des Kunden abschließen. Das entsprechende Versicherungspapier (Versicherungszertifikat oder -police) muss er ebenfalls bereitstellen. Achten Sie darauf, dass die Versicherung mindestens den Transportzeitraum und die gesamte Strecke umfasst. Die Entladung geht zu Lasten des Käufers, außer der Verkäufer hat diese schon im Frachtvertrag mit dem Frachtführer vereinbart. Dann darf sie dem Kunden auch nicht mehr in Rechnung gestellt werden, sondern ist schon vom Rechnungspreis gedeckt. Was Unternehmen beachten sollten: DDP wird oftmals als scheinbar angenehmste Klausel für den Käufer wahrgenommen, ist aber mit Risiken für beide Seiten verbunden. Dies betrifft besonders die Pflichten des zollrechtlichen Einführers, der ja in diesem Fall der Verkäufer, also Drittländer ist!

Fazit: Ade, EXW und DDP?

Nicht immer ist das Naheliegende die beste Lösung. Die Neufassung der Incoterms® 2020 präzisiert Rechte, Pflichten und vor allem die erläuternden Kommentare. Es lohnt sich daher, sich von Incoterms® wie EXW oder DDP beim Handel mit dem Drittland zu verabschieden. Nutzen Sie lieber FCA statt EXW und DAP bzw. CIP statt DDP.

Der Autor: Clemens Rude steckt als ICC-Trainer seit mehr als einem Jahrzehnt tief in den Incoterms® und freut sich, dass sein Lieblingsthema 2020 besonders gefragt ist. Er gibt aber auch gerne sein Importund Exportwissen in AEB-Seminaren weiter.

Brexit: Wie Lieferverzögerungen auf Incoterms® wirken

Der Brexit kommt. Verzögerungen sicherlich auch. Haben Sie Ihre Incoterms® mit Bedacht gewählt und geprüft, wer laut Vereinbarung haftet, wenn Waren nicht rechtzeitig geliefert werden? Ein EU-Käufer (Importeur) ist beispielsweise gut beraten, den Einkauf von Waren ab Werk (EXW) zu vermeiden, da er sonst selbst die Ausfuhrerklärung für Großbritannien übernehmen muss. Genauso sollte ein EU-Verkäufer (Exporteur) es vermeiden, „geliefert Zoll bezahlt“ (DDP) zu verkaufen, da er sonst für die britische Einfuhrerklärung verantwortlich ist. Erfahren Sie in diesem Artikel, wie Sie es besser machen können.

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