Verkehrsexperte Dr. Menzl

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Marktgemeinde Feldkirchen a./d. Donau Bgmst. Franz Allerstorfer Hauptstraße 1 4101 Feldkirchen

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Name

Datum

51122 b1

FM

Dr. Fritz Menzl

22. Februar 2019

PROBLEMATIK HALTESTELLE UNTERLACKEN Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Lieber Franz, die Diskussion um die Erhaltung der Bushaltestellen an der B 127 im Bereich des Saurüssels verfolge ich mit gespanntem Interesse. Zur für Feldkirchen an der Donau relevanten Haltestelle, darf ich meine Einschätzung zu einer pragmatischen Lösung beisteuern. In der Stellungnahme des Amtes der OÖ Landesregierung wird darauf hingewiesen, dass diese Haltestelle aus Gründen der Verkehrssicherheit aufgelassen werden müsse, da unter anderem sogar das Gleis der Mühlkreisbahn überquert werden müsse. Natürlich entspricht die Haltestelle zwar nicht mehr den aktuellen Richtlinien (RVS), was aber nicht bedeutet, dass diese Haltestelle damit per se ein Risiko darstellte. Zeigt sich u.a. auch in der Tatsache, dass diese Haltestelle seit Jahrzehnten besteht und weder in der Wahrnehmung der Anrainer, der Buslenker, noch in der Unfallstatistik nur geringste Auffälligkeit zeigt (Quelle Doris Intermap, Unfallstatistik 2014/15/16).. In der Bewertung von Risiken spielt die „Offensichtlichkeit“ einer Gefahr eine sehr große Rolle und der Grundsatz „Unsicherheit macht sicher“ ist ein sehr wirksames Werkzeug, das hier über viele Jahre offenbar bestens eingesetzt wird. In der Diskussion bei der Sendung Bürgerforum brachte Volksanwalt Fichtenbauer ein, auch wenn da jahrelang nichts passiert sei, könne ja doch irgendwann einmal ein Autofahrer in einen Bus „hineinkrachen“. DR. FRITZ MENZL, TRA INING-SCHULUNG-SEMINARE A M P FA R R F E L D 2 1 • A - 4 1 0 1 F E L D K I R C H E N / D O N A U • A U S T R I A MOBIL 0664/5431674 •E-MAIL: TSSMENZL@A1.NE T U ID: ATU 6 1 6 4 6 5 8 9 , BA NKV E R BINDU NG: R A IFFE ISE NBA NK FE L DKIRCH E N G O L DWÖR T H IBA N : AT 1 7 3 4 1 0 0 0 0 0 0 0 0 2 1 6 75 B IC : R Z O OAT 2L 1 0 0


Dieses Argument ist nicht stichhaltig, es gibt in der StVO die klare Bestimmung des Sichtfahrgebotes und bei der Haltestelle Unterlacken bestehenden Sichtweite sehe ich hier keinerlei Problem. Weiters ist ein „hier stehender Linienbus“ in der Alltagserfahrung der Nutzer dieser Pendlerstrecke nichts Ungewöhnliches und es wird damit problemlos umgegangen, auch weil diese Haltestellensituation derart von der Norm abweicht. Als Gegenbeispiel möchte ich hier die Bushaltestellen beim Bahnhof Gerling und in Bimberg anführen, hier ist zwar das Warten auf den Bus selbst gemäß RVS unbedenklich, eine Querung der B127 für Fußgänger aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und in Bimberg sogar über 4 Fahrstreifen bei möglichem Tempo 100 (!) äußerst Risikoreich. Was an dieser (Bedarfs-) Haltestelle Unterlacken wegfällt, ist eine gefährliche Querung der stark befahrenen B 127, hier ist die stark frequentierte Landesstraße B mit einer Unterführung querbar. In der Diskussion wurde von Seiten des Landes OÖ vorgeschlagen Entlang der Bahn bzw. B127 einen 175 m lange Fußwegverbindung Richtung Haltestelle Lacken zu errichten und damit einen Lückenschluß für einen 1,7 km langen Fußweg entlang von Gemeindestraßen zur Haltestelle Lacken sicher zustellen. Bei Ortsentwicklungen geht man im Bereich des Städtebaus davon aus, dass eine attraktive Entfernung für Fußwege zum Bus zwischen 100 und 500 m anzustreben ist. Bei einer anzunehmende Gehgeschwindigkeit nach Norm (Schrittgeschwindigkeit 0,9m/s) ergibt sich für einen „Durchschnittsfußgänger“ eine Wegzeit pro Richtung von einer halben Stunde, noch gar nicht eingerechnet, dass der Fußweg im Bereich der Ortschaft Lacken über längere Strecke bergauf geführt wird, eine völlig unattraktive Lösung, die wohl kaum genutzt würde. Unabhängig von der Länge des Weges, es bedürfte einer Querung der B127 für Fußgänger, an einer mit hoher Geschwindigkeit befahrbaren Straßenstelle. Zur Gefährdung von Fußgängern im Freiland beziehe ich mich auf aktuelle Daten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Im Zeitraum von 2015-17 kamen auf Österreichs Straßen 147 Fußgänger innerhalb von Ortsgebieten zu Tode, 64 auf Freilandstraßen und 20 auf Autobahnen. Das mag auf den ersten Blick für die Gefährlichkeit für Fußgänger in Ortsgebieten hindeuten, zeigt jedoch bei näherer Betrachtung das Höchstrisiko für Fußgänger im Freiland und auf Autobahnen. Die Masse des Fußverkehrs spielt sich innerhalb geschlossener Ortschaften ab. Setzt man, als wirklich bloß geschätztes Verhältnis „zurückgelegter Fußkilometer“ innerorts/außerorts einen Faktor 1/1000 an, dann steigt das Risiko für Fußgänger im Freiland bereits auf das etwa 400 fache an. Seite 2 von 5


Auf Autobahnen mit geschätztem Faktor 1/10000 auf Autobahnen steigt das Risiko für Fußgänger überhaupt über einen Wert jenseits von 1300 (!), eine Abschätzung, die ja durchaus einer Alltagserfahrung entspricht. Die Heftigkeit von Fußgängerunfällen lässt sich auch am Verhältnis Tote zu Schwerverletzten festmachen. Für das Ortsgebiet liegt das Verhältnis bei 1:78 im Freiland bei 1:10 und auf Autobahnen überhaupt bei erschreckenden bei 1:2,5. Hintergrund der starken Gefährdung von Fußgängern ist nicht alleine der Umstand der hohen Geschwindigkeit, sondern die Tatsache, dass im Freiland und Auf Autobahnen ein Fußgänger eine nicht erwartete Situation ist. Was selten ist - ist gefährlich. Ganz nebenbei, dies trifft unter anderem auf der B127 auch für jene, nur sporadisch vorhandenen Radfahrer zu, die für viele Lenker überraschend sein können. Kurze Diskussion zu möglicher Lösung       

Die Haltestelle Unterlacken zeigt keine unfallrelevanten Probleme, obwohl oder gerade wegen ihrer unkonventionellen Anlage. Im Bereich der Haltestelle ist keine Fußgängerquerung über die B127 notwendig, es besteht eine Unterführung. Die Querung der Bahn ist, wie jede Eisenbahnkreuzung gesichert, es besteht zwar keine technische Sicherung, in Form von Schranke oder Lichtzeichenanlage, die Sicherung erfolgt, gemäß Eisenbahnkreuzungsverordnung. Der Personenkreis der die Haltestelle nutz ist zwar beschränkt, diesem Umstand ist jedoch durch die Anlage als Bedarfshaltestelle genüge getan. Ein Fußweg entlang der B127 ist aus sicherheitstechnischer Sicht derzeit völlig ausgeschlossen. Selbst ein Gehsteig entlang der B127 schützt keinen Fußgänger vor einem ggf. abkommenden Fahrzeug. Abkommende Fahrzeuge sind auf der B127 durchaus wahrnehmbare Unfälle.

Als Mitglied mehrerer RVS Arbeitsausschüsse zum Nichtmotorisierten Verkehr gebe ich aber zu bedenken, dass die RVS Richtlinien darstellen, von denen man in speziellen Fall als Gutachter auch abrücken kann. Kurzfristig wäre es aus meiner Sicht durchaus möglich, die Haltestelle Unterlacken als Fahrbahnhaltestelle einzurichten bzw. beizubehalten. Selbst wenn dadurch der (Pendler-) Verkehr auf der B127 kurzfristig anhalten müsste, der Zeitverlust auf der weiteren Strecke bis Linz würde nicht ins Gewicht fallen. Leider besteht in der österreichischen Straßenverkehrsordnung kein ähnliches Mittel für den Linienverkehr zur Verfügung wie im §20 der deutschen StV0, wo man völlig unkompliziert gefährliche Haltestellenbereiche mit Warnzeichen (Warnblinkanlage) und einer entsprechenden Seite 3 von 5


Bestimmung zum Vorbeifahren sicher kann (s. Anhang). Ähnliche Bestimmungen sind in Österreich nur für den Schülertransport vorgesehen und auch hier durchaus diskussionswürdig, da die Bestimmungen in den Betriebsordnungen für den Gewerblichen Verkehr in den einzelnen Bundesländern nicht gleich umgesetzt wurden. Ein Umstand auf den Unterfertigter schon seit Jahren hinweist. Die Probleme mit der Haltestelle Unterlacken sind nur ein kleiner Baustein in der örtlichen Entwicklung des Ortsteils Lacken. Mittel- und Langfristig steht die Gemeinde jedoch nicht vor dem hier sehr eng nach StVO und RVS auftretenden Problem der Auflassung einer Haltestelle, sondern vor der nachhaltigen Lösung der Anbindung eines stark wachsenden Siedlungsraumes der Gemeinde im Ortsteil Lacken. Eine Verlegung der Haltestellen in Richtung Rohrbach, Errichtung einer Fußwegigkeit abseits von Bahn und B127 im Zuge eines Umbaus der Zufahrt zur Schatzsiedlung und Auflassung der niveaugleichen EK bei der Schatzsiedlung wäre ein denkbarer Ansatz.

Mit freundlichen Grüßen, TSS MENZL Training-Schulung-Seminare

Dr. Fritz Menzl

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ANHANG BESTIMMUNGEN StVO (Deutschland), Quelle Internet § 20 Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse (1) An Omnibussen des Linienverkehrs, an Straßenbahnen und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten, darf, auch im Gegenverkehr, nur vorsichtig vorbeigefahren werden. (2) Wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen, darf rechts nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbei gefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Sie dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten. (3) Omnibusse des Linienverkehrs und gekennzeichnete Schulbusse, die sich einer Haltestelle (Zeichen 224) nähern und Warnblinklicht eingeschaltet haben, dürfen nicht überholt werden. (4) An Omnibussen des Linienverkehrs und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten. (5) Omnibussen des Linienverkehrs und Schulbussen ist das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten. (6) Personen, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen wollen, müssen sie auf den Gehwegen, den Seitenstreifen oder einer Haltestelleninsel, sonst am Rand der Fahrbahn erwarten. VwV-StVO zu § 20 Öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse Zu Absatz 4 1 I. Vor der Festlegung von Haltestellen von Schulbussen sind von der Straßenverkehrsbehörde neben Polizei und Straßenbaubehörde auch Schule, Schulträger und Schulbusunternehmer zu hören. Dabei ist darauf zu achten, dass die Schulbusse möglichst — ggf. unter Hinnahme eines Umwegs — so halten, dass die Kinder die Fahrbahn nicht überqueren müssen.

2 II: Es ist vorzusehen, dass Schulbusse nur rechts halten. Die Mitbenutzung der Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel ist anzustreben.

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