Serpentine. In Touch with Heaven (and Hell)

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SERPENTINE


IMPRESSUM IMPRINT

SERPENTINE A TOUCH OF HEAVEN (AND HELL)

Temporäre Kunstinterventionen entlang der Großglockner Hochalpenstraße Temporary Art Interventions along the Grossglockner High Alpine Road 21. August 2020 – 3. November 2022 Projektträgerschaft Project sponsors Land Salzburg Province of Salzburg vertreten durch Christina Tscherteu, Geschäftsführerin des Fonds zur Förderung von Kunst am Bau und im öffentlichen Raum represented by Christina Tscherteu, managing director of the Fund for the Promotion of Art in Buildings and Public Space Land Kärnten Province of Carinthia vertreten durch Igor Pucker, Leiter der Abteilung Kunst und Kultur, und Volker Bidmon, Leiter der Abteilung Straßen und Brücken represented by Igor Pucker, head of the department Art and Culture, and Volker Bidmon, head of the department Roads and Bridges Großglockner Hochalpenstraßen AG vertreten durch Johannes Hörl, Vorstand und Generaldirektor represented by Johannes Hörl, chairman of the board and general director Kurator und Projektverantwortlicher Curator and project manager Michael Zinganel Öffentlichkeitsarbeit Public relations Patrizia Lutz Technische Betreuung Technical support Thomas Noel und / and Peter Embacher Controlling Dietmar Schöndorfer

Außenstelle im MMKK – Museum moderner Kunst Kärnten Exhibition outpost in MMKK – Museum of Modern Art Carinthia 21. Juni bis 29. August 2021 Museumsdirektorin Director of the museum Christine Wetzlinger-Grundnig Ausstellungsmanagement und Pressearbeit Exhibition management and public relations Nora Leitgeb Haustechnik House technician Markus Domainko

Katalog Catalogue Herausgeber Editor Michael Zinganel für das Land Salzburg, das Land Kärnten und die Großglockner Hochalpenstraßen AG for the Province of Salzburg, the Province of Carinthia and the Grossglockner High Alpine Roads PLC Konzeption und Texte Concept and author Michael Zinganel Lektorat Copy editing Brigitte Ott Übersetzung Translation Tim Sharp Korrektorat Englisch Proofreading English Brian Dorsey Grafische Gestaltung Graphic design Theresa Hattinger Titelbild Cover image Robert Haas, 1937 © Wien Museum Schriften Fonts Antipol, Arial, Kostic Serif Lithos Picture editing Mario Rott Druck Printing Samson Druck, GmbH, 5581 St. Margarethen

ISBN 978-3-901371-10-3 Alle Rechte vorbehalten All rights reserved Gedruckt in Österreich Printed in Austria © 2023 bei den Autor*innen, Kunstschaffenden und Fotograf*innen © held by the authors, artists and photographers Erschienen im Eigenverlag Self-published Michael Zinganel Hohlweggasse 28/1/13 1010 Wien


INHALT CONTENTS

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Die Entstehung des Projektes The Origins of the Project

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Die Großglockner Hochalpenstraße The Grossglockner High Alpine Road

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Serpentine – Kunstwerke Serpentine – Artworks

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Anna Meyer Weltschmelz

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Ralo Mayer Naturkulturenteilelager Naturkulturenrotationsfräse

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Thomas Hörl & Peter Kozek mit / with Victor Jaschke Lichthöhe

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Iris Andraschek & Hubert Lobnig Ein riesiges Vergnügen (A Great Pleasure)

86

Hannes Zebedin Insel der Seligen (Island of the Blessed)

98 100

Serpentine – Außenstelle Serpentine – Exhibition Outpost

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Künstler*innen The Artists

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Literatur Literature


DIE ENTSTEHUNG DES PROJEKTES Hildegard Fraueneder

Vorsitzende des Fachausschusses des Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum des Landes Salzburg, 2017–2022

Angesichts des Jubiläums der 100-jährigen Wiederkehr der Ausrufung der Ersten Republik im Jahr 1918 und der damit verbundenen erhöhten Aufmerksamkeit für die Zwischenkriegszeit in Österreich ergriff ich 2017 als Vorsitzende des Fachausschusses des „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ des Landes Salzburg die Initiative, die Großglockner Hochalpenstraße als eines der herausragenden Bauwerke dieser Epoche in einem temporären künstlerischen Projekt zu thematisieren. Das heute unter Denkmalschutz stehende und bezüglich seiner geografischen Ausdehnung europaweit größte Baudenkmal war für die politische Selbstbehauptung der Ersten Republik in den 1930er-Jahren – vor allem auch in Abgrenzung zum HitlerRegime in Deutschland – von größter Bedeutung. So bezeichnete 1935 Kurt Schuschnigg, Bundeskanzler des austrofaschistischen „Ständestaats“, in der Festschrift zur Eröffnung die Groß4 glockner Hochalpenstraße als „ein verheißungsvolles Symbol der völkerverbindenden Mission Österreichs“. Andererseits galt die Erschließung der Natur der Einlösung eines sich durchzusetzenden Anspruchs auf Mobilität und dem Versprechen einer spektakulären und vermeintlich unberührten hochalpinen Naturlandschaft. Erste Gespräche mit der Direktion der Großglockner Hochalpenstraßen AG verliefen vielversprechend, sodass für das Projektvorhaben nicht nur mit dem Land Kärnten (dank des Engagements von Dietmar Müller, Leiter des Kreativzentrums Kunst am Bau) ein weiterer Koopertationspartner gewonnen werden konnte gewonnen werden konnte, auch der Vorschlag, für die Projektfindung einen Kurator*innen-Wettbewerb durchzuführen, stieß auf breite Zustimmung. Von den drei Kooperationspartner*innen wurden 2019 insgesamt fünf Kurator*innen bzw. Kurator*innen-Teams eingeladen, ein Konzept zur Errichtung von temporären künstlerischen Interventionen entlang der Großglockner Hochalpenstraße zu entwickeln. Dieses sollte als ein mehrjähriges Projekt angelegt werden, das sich ab 2020 prozessual über mindestens drei Jahre mit der Großglockner Hochalpenstraße in ihrer Gesamtheit auseinandersetzt, sich im Speziellen mit der aktuellen Situation als touristische Attraktion wie auch als Arbeits- und Lebensraum, mit den Geschichten und Mythen und den unterschiedlichen Perspektiven auf die Großglockner Hochalpenstraße beschäftigt und die Aufmerksamkeit auch auf bislang wenig thematisierte Bereiche lenkt.


Die Jury setzte sich aus je einer/m Vertreter*in der drei Kooperationspartner*innen zusammen: Johannes Hörl (Vorstand und Generaldirektor der Großglockner Hochalpenstraßen AG) und Igor Pucker (Leiter der Abteilung Kunst und Kultur beim Amt der Kärntner Landesregierung), ich übernahm als Vorsitzende des Fachausschusses „Fonds für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum“ die Stimme für das Land Salzburg. Gerd Pichler vom Bundesdenkmalamt, weiters Christine Wetzlinger-Grundnig vom Museum Moderner Kunst Kärnten, Thomas Noel und Dietmar Schöndorfer für technische bzw. juristische Fragen verstärkten in beratender Funktion die Jury. Die Jury entschied einstimmig, das kuratorische Konzept von Michael Zinganel umzusetzen, zumal seine Vertrautheit mit dem Ort und seine profunden kulturwissenschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich einer Konzeptionierung und Realisierung großer Projekte überzeugten. Von der Jury ebenso positiv bewertet 5 wurden die konzeptuelle Erweiterung auf zwei Außenstellen und die überlegte Auswahl der Künstler*innen. Die Erwartung, dass das Projekt von Michael Zinganel den Herausforderungen der nach wie vor ungebremst funktionierenden „Erlebniswelt“ im Kontext einer automobilen Erschließung, von Tourismus und Freizeitgestaltung, von Klimawandel und Modernisierungsobsession mit sinnstiftenden Interventionen in den problematischen Zonen begegnen wird und ebenso neue Geschichten erfinden lässt, die notwendig sind, um angesichts der immer sichtbarer werdenden Zerstörungen unseres Planeten Alternativen zu Technikoptimismus einerseits und apokalyptischer Endzeitstimmung andererseits zu entwickeln, hat „Serpentine – A Touch of Heaven (and Hell)“ in jeglicher Hinsicht erfüllt.


THE ORIGINS OF THE PROJECT Hildegard Fraueneder

Chairperson of the expert committee of the Art and Architecture & Art in Public Spaces Fund of Salzburg Province, 2017–2022

With the centenary of the proclamation of the First Republic of Austria in 1918 and the concomitant increased attention to the interwar years, the chairperson of the expert committee of the Art and Architecture & Art in Public Spaces Fund of Salzburg province proposed that the Grossglockner High Alpine Road, as one of the standout construction projects of the time, should be the subject of a temporary art project. What today is the largest protected monument in Europe (because of its geographical extent) was hugely important for the political identity of the First Republic in the 1930s – especially as a marker distinguishing it from Hitler’s Germany. And so, in 1935, it was called “an auspicious symbol of Austria’s mission to unite nations” by Kurt Schuschnigg, federal chancellor of the Austro-fascist corporate state in his address at the opening of the Grossglockner High Alpine Road. On the other hand this 6 infrastructural development of nature represented the implementation of the drive for mobility and the promise of a spectacular and allegedly untouched natural high alpine landscape. Preliminary talks with the Grossglockner High Alpine Roads PLC were encouraging so that not only could the Province of Carinthia also be won over as a cooperation partner (thanks to the commitment of Dietmar Müller, head of the Creative Center for Art and Architecture) but the proposal to initiate a curator competition for the project received wide support. A total of five curators (or teams) were invited by the three cooperation partners to submit proposals for temporary art interventions to be installed along the Grossglockner High Alpine Road. This should be planned as a multi-year project – at least three years – which, from 2020, would not only engage with the Grossglockner High Alpine Road in its entirety and in particular with the current situation as a tourist attraction but also as a work and living environment, with the history and myths and various perspectives on the Grossglockner High Alpine Road and draw attention to issues that have been little noticed in the past.


The jury was composed of one member from each of the cooperation partners: Johannes Hörl (Chairperson of the Board and CEO of the Grossglockner High Alpine Roads PLC), Igor Pucker (Department Head of Art and Culture of the provincial government of Carinthia), and myself as chairperson of the expert committee of the Art and Architecture & Art in Public Spaces Fund of Salzburg Province. Gerd Pichler, from the Federal Monuments Office, Christine Wetzlinger-Grundnig from the Museum of Modern Art Carinthia, Thomas Noel and Dietmar Schöndorfer (for technical and legal questions) strengthened the jury in an advisory capacity. The jury unanimously decided to implement Michael Zinganel’s curatorial concept, since his familiarity with the area and his profound cultural knowledge and experience in respect of conceiving and realising large projects were compelling. The jury also gave positive weighting to the conceptual expansion of two exhibitions and the well-considered selec7 tion of the artists. The expectation that Michael Zinganel’s project, Serpentine – A Touch of Heaven (and Hell), would master the challenge of the continuing, unchecked functioning of the “experiential environment” in the context of automotive use, tourism and leisure time activities, of climate change and obsessive modernisation, with meaningful interventions in problematic areas and at the same time invent the new stories which – in the face of the increasingly obvious destruction of our planet – are needed to develop an alternative to technological optimism on the one hand and an apocalyptic, end-of-days mood on the other, was more than fulfilled.


DIE GROSSGLOCKNER HOCHALPENSTRASSE Michael Zinganel

Kurator des Projektes

Die Großglockner Hochalpenstraße wurde in den 1930er-Jahren errichtet – als nach dem Trauma des Ersten Weltkriegs die Romantik verblasst, der Glaube an die Technik aber nicht nur intakt, sondern vielmehr sogar noch angewachsen war. Eine Energiekrise wie in den 1970er-Jahren und eine Klimabewegung wie heute lagen außerhalb des Vorstellungsvermögens. Die Großglockner Hochalpenstraße wurde als heroisches Meisterwerk der Ingenieurs- und Straßenbaukunst propagiert, das heute unter Schutz gestellt ist, ebenso wie die grandiose sie umgebende

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Thomas Ender, „Großglockner mit Pasterze“, 1834, Quelle / Source: OÖ Landes-Kultur GmbH, Land Oberösterreich, Sammlung Kunst- und Kulturgeschichte bis 1918 / Province of Upper Austria, Art and Cultural History Collection till 1918, Inv. Nr. G 650

Berglandschaft: eine paradoxe Synthese eines viel befahrenen Industriedenkmals inmitten eines geschützten Nationalparks. Die Großglockner Hochalpenstraße wird heute vorrangig als eine der bedeutendsten Tourismusattraktionen des Landes wahrgenommen. Während ihrer Bauzeit kam ihr jedoch eine erhöhte politische Bedeutung zu: Sie galt als Schlüsselbau der jungen Ersten Republik und des Ständestaates und als Angelpunkt kleinstaatlichen österreichischen Nationalbewusstseins (Rigele 1998). Das Motiv für die Planung und Errichtung der Großglockner Hochalpenstraße lag in einer doppelten Verlusterfahrung begründet: Nach dem Ersten Weltkrieg musste Österreich Südtirol an Italien abtreten, wodurch zum einen die innerösterreichische Verbindung Osttirols mit Nordtirol über den Brenner verloren ging, von der auch Oberkärnten profitiert hatte, und zum anderen


der Ortler, mit 3.905 Metern der höchste Berg der österreichischungarischen Monarchie, und die 1825 eröffnete Bergstraße über das Stilfser Joch – zwei bedeutende, identitätsstiftende Attraktionen des Alpintourismus. Bereits 1922 wurden vom Büro zur Förderung des Fremdenverkehrs im Bundesministerium für Verkehrswesen Fachingenieure des Bundes und der Länder Salzburg und Kärnten zur „Amtshandlung in Mittersill“ eingeladen (Baumgartner 2022): Das war keine geschlossen Sitzung, sondern eine mehrtägige Begehung zweier unterschiedlicher Routen über den Alpenhauptkamm, die Lienz in Osttirol und Oberkärnten mit den Regionen nördlich dieser Gebirgsformation verbinden sollten. Zweck der Begehung war die Erstellung vergleichbarer technischer Machbarkeitsstudien samt Kostenschätzung für eine Variante, die über Matrei und den Felbertauern nach Mittersill führen sollte, und eine zweite über den Iselsberg nach Heiligenblut und über das Hochtor nach Bad Fusch. Das Land Salzburg plädierte damals noch für die Felbertauernroute, während sich Kärnten und das Bundesministerium für die heute bekannte Route einsetzten, vorrangig weil der Nutzen und die Gewinnerwartung für den Tourismus entlang bereits gut eingeführter Orte, wie Zell am See und Heiligenblut, und der attraktiveren Landschaftsformationen als bedeutend höher eingeschätzt wurde. Die Initiative zur Projektierung und Propagierung der Großglockner Hochalpenstraße ging in der ersten Phase bis 1925 9 in erster Linie von Klagenfurt aus. Dort konstituierte sich 1924 der Ausschuss der Straße, der den in Kärntner Landesdiensten stehenden Ingenieur Franz Friedrich Wallack (1887–1966) mit der Planung dieses Großprojektes beauftragte, das auch die Standortwahl für fünf große Berghotels oder Hotelensembles miteinschloss, die jedoch nicht realisiert wurden. Nach intensiven Studienreisen zu Alpenstraßen in Frankreich, Italien und der Schweiz präzisierte Wallack die nun 48 Kilometer lange Nord-Süd-Route zwischen Bruck im Salzachtal und Heiligenblut im Mölltal, die weitgehend alten Saumpfaden folgen sollte, die bereits vor 3.500 Jahren von den Kelten und später von den Römern genutzt wurden – und seit 300 Jahren für die „Pinzgauer Wallfahrt nach Heiligenblut“. Für die Strecke von Ferleiten bis Heiligenblut überquerten die Wallfahrer*innen in zehn Stunden Fußmarsch 1.300 Höhenmeter. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war in Heiligenblut der Glockner-Tourismus bereits ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: 1875 wurde das Glocknerhaus von der Kärntner Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins als Basisstation der Gipfelbesteigungen errichtet, ab 1908 wurde es von Heiligenblut bereits mit einem Fahrweg erschlossen. Franz Wallack konnte also auf bestehende Wegführungen aufbauen. Allein die Rampe auf der Salzburger Seite wich signifikant von der historischen Route ab: Mit insgesamt 36 Kehren sollte die Straße Ferleiten über den östlichen Berghang mit dem Fuscher Törl auf 2.428 Meter Seehöhe verbinden und weiter durch den Mittertörl-Tunnel und durch den Scheiteltunnel beim Hochtor auf 2.503 Metern zur Kärntner Seite und schließlich nach Heiligenblut führen. Zusätzlich schlug Wallack Stichstraßen vor, um touristisch besonders attraktive Aussichtspunkte zu


erschließen: Auf der Salzburger Seite die Edelweißspitze auf 2.577 Metern und auf der Kärntner Seite die Gletscherstraße zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe auf 2.363 Metern, zu deren Füßen sich die Pasterze, der größte Gletscher Österreichs, ausgebreitet hat und wo sich der Blick auf den Gipfel des Großglockners öffnet, mit 3.798 Meter Seehöhe der höchste Berg der Republik und bis heute eines der bekanntesten Wahrzeichen Österreichs sowie eine landschaftliche Hauptattraktion der Großglockner Hochalpenstraße. Die Ambitionen für den Bau der Straße verschoben sich jedoch zunehmend nach Salzburg, wo sich ab 1927 der christlichsoziale Landeshauptmann Franz Rehrl (1890–1947) vehement für die Umsetzung des Vorhabens einsetzte. Trotz Weltwirtschaftskrise, Inflation und Insolvenz der ersten privaten Betreibergesellschaft wurde das Projekt von Rehrl mit seinen Verbündeten in den Ministerien in Wien durchgepeitscht: 14 Prozent des Straßenbaubudgets der Republik wurden in den Bau dieser Straße investiert. Zu Baubeginn im Jahr 1930 übersiedelte Wallack nach Salzburg. Bis 1935 wurde schließlich die Großglockner Hochalpenstraße mit allen Nebenanlagen nach seinen Plänen und unter seiner Bauleitung errichtet. Bereits 1932 wurden die Nordrampe von Ferleiten zum Fuscher Törl und die Gletscherstraße zur Pasterze fertiggestellt. 1935 erfolgte schließlich die als Staatsakt inszenierte offizielle Eröffnungsfeier (der am Tag darauf das erste Bergrennen für Automobile und Motorräder folgte). Heute wäre ein solcher politischer Kraftakt mit so hohem finan10 ziellen Risiko und signifikanten Effekten in einem Landschaftsschutzgebiet kaum wiederholbar. Das Straßenprojekt folgte damals jedoch einem internationalen Trend: Von den Planungseliten wurden die funktionale Stadt und ihre Freizeitperipherien nun als ganzheitliche miteinander verschränkte Planungsaufgaben gesehen. Das Rurale wurde nicht mehr als antimodern wahrgenommen, sondern als zusätzlicher Ort der genuin modernen Praxen von Freizeit und Tourismus für die Massen in einem naturnahen Setting erkannt. In allen europäischen Staaten und Volkswirtschaften, ungeachtet der jeweils herrschenden politischen Regime, wurden Arbeitszeitverkürzungen und bezahlte Urlaubsansprüche durchgesetzt und damit das Potenzial reisewilliger Tourist*innen erhöht. Nach den Kriegserfahrungen und politischen Umbrüchen sollte Tourismus aber nicht allein der Rekreation dienen, sondern wurde auch als Mittel der Völkerverständigung und der Identifikation mit der eigenen Nation propagiert. Zudem ließen sich mithilfe der neuen Mobilitätstechniken Motorrad, Automobil und Autobus bisher kaum erreichbare Destinationen für den Tourismus erschließen. Dementsprechend hoch waren die Wachstumserwartungen durch die Massenproduktion von Kraftfahrzeugen, die Errichtung neuer Straßen und die ‚Demokratisierung‘ des Reisens (die allerdings erst in den Wirtschaftswunderjahren nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte). Die Demokratie in Österreich fand mit dem Jahr 1933 jedoch ein jähes Ende. Die Regierung des autoritären Ständestaats wollte den Erfolgen der nationalsozialistischen Motorisierungspolitik im Nachbarland unbedingt ein eigenständiges Großprojekt entgegensetzen. Und je mehr die Existenz Österreichs von den


Nationalsozialisten infrage gestellt wurde, desto bedeutender wurde das Straßenprojekt als Beweis seiner Eigenständigkeit und wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit. Die Teileröffnung im Jahr 1934 – kurz nach dem gescheiterten Juliputsch der Nationalsozialisten – mit der legendären Erstbefahrung von Rehrl und Wallack über die noch im Rohbau befindliche Straße in einem in Österreich hergestellten Steyr 100 ist demnach aus diesem Blickwinkel auch als politische Demonstration zu betrachten. Zum Gedenken an den Kanzler Engelbert Dollfuß, der während des Putschversuchs 1934 im Parlamentsgebäude in Wien ermordet wurde, ließ Landeshauptmann Franz Rehrl 1936 an der Kehre am Fuscher Törl eine Bergkapelle errichten. Beauftragt wurde niemand geringerer als Clemens Holzmeister, der wichtigste Kulturfunktionär im Ständestaat und Stararchitekt des Regimes, der bei allen großen Bauvorhaben beteiligt war – so auch bei den neuen Spielstätten für die Salzburger Festspiele. Dieser ursprünglich als Dollfuß-Gedächtniskapelle benannte Bau wurde später dem Gedenken an die Erbauer der Großglockner Hochalpenstraße gewidmet.

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Historisches Foto vom Bau der Großglockner Hochalpenstraße / Historical photo of the construction of the Grossglockner High Alpine Road, Foto / photo: Archiv Großglockner Hochalpenstraßen AG / Grossglockner High Alpine Roads PLC archive

Die Bedeutung des Straßenprojektes für das Nation Building zur Zeit des austrofaschistischen Ständestaates zeigte sich unter anderem auch in der prominenten Präsentation im österreichischen Pavillon auf den Weltausstellungen in Brüssel 1935 und insbesondere in Paris 1937: Der Architekt Oswald Haerdtl hängte hinter die voll verglaste Fassade seiner Schauseite ein 8,5 Meter hohes und 30,5 Meter langes Panoramafoto als Blickfang, das aus unterschiedlichen Einzelaufnahmen zu einer beeindruckenden Collage zusammengefügt wurde. Dieses stellt die wichtigsten Kehren der mäandernden Straße sowie die bedeutendsten Attraktionen zu beiden Seiten des Passes gleichzeitig dar, wie sie in der Realität aufgrund der großen Distanz und gegensätzlichen Blickwinkel nie gesehen werden können. Autor dieser Fotocollage war der jüdische Fotograf Robert Haas, der auch die Eröffnungsfeierlichkeiten der Straße dokumentiert hat – und ebenso als Chronist der Salzburger Festspiele bekannt war, bevor er 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA flüchten musste.


In diesem Netzwerk beteiligter Akteur*innen zeigt sich ein weiteres bislang weniger beachtetes Motiv für das Straßenprojekt: Für den Salzburger Landeshauptmann Franz Rehrl stellten die Großglockner Hochalpenstraße und die Salzburger Festspiele zwei Bestandteile ein- und desselben kulturellen Modernisierungsprojektes seines Bundeslandes dar, zu dem Massenmotorisierung und -mobilität, der Bergtourismus und das Kunstfestival gleichermaßen zählten.

DER WEG IST DAS ZIEL

Die Großglockner Hochalpenstraße ist heute keine hochalpine Handelsroute mehr, die Destinationen im Norden und Süden des Alpenhauptkammes verbindet, sie wird auch weniger als Durchzugsstraße verwendet, denn als Ziel der Reise. Sie ist kein Schlechtwetterprogramm, das besucht wird, wenn andere Betätigungen ausfallen. Sie hat sich zu einer eigenständigen Attraktion entwickelt – zu einem erfolgreichen touristischen Geschäftsmodell für die schneefreie Sommersaison, so erfolgreich, dass sie jährlich von 270.000 Fahrzeugen befahren wird, was in Summe etwa einer Million Besucher*innen entspricht. Die Großglockner Hochalpenstraße ist nach Schloss Schönbrunn in Wien die zweitpopulärste Sehenswürdigkeit Österreichs! Bei Schönwetter zeigt sich die Landschaft – gelegentlichen Stauerfahrungen zum Trotz – so pathosgeladen, dass sich Besucher*innen in eine geradezu parareligiöse Verzückung versetzt 12 sehen. Alle, ob sie an die Schöpfungsgeschichte glauben wollen oder an den Urknall, müssen anerkennen, dass sich hier eine imposante, wortwörtlich ‚herausragende‘ Gebirgsformation gebildet hat, in der jede*r Einzelne ganz klein und nichtig erscheint. Auch der Autor, mit der Landschaft vertraut, weil hier in den Bergen aufgewachsen, muss sich immer wieder angesichts des schier unendlichen Weitblicks eingestehen, dass er sich physisch und psychisch ‚ergriffen‘ fühlt. Bei einem der plötzlich eintretenden Wetterumschwünge mit Stürmen und Niederschlägen, die auch im Sommer schnell in Schneefall und dichtem Nebel – mit einer Sichtweite von nur wenigen Metern – übergehen, stellt sich eine beängstigende Wehrlosigkeit gegenüber den hereinbrechenden Naturgewalten ein. Während das Wetter auf der einen Seite des Alpenhauptkamms unglaublich schön ist, kann es auf der anderen gleichzeitig unerträglich sein – diese Differenzerfahrung wird durch die Passage eines Tunnels ganz oben am Pass dramaturgisch erhöht. Die vielen Serpentinen rauf und runter – hier heißen sie Kehren – forderten und fordern intensive Arbeitsleistungen ein: von den Straßenerbauer*innen, ihren Erhalter*innen und ebenso von den Tausenden sie befahrenden Tourist*innen. Es wird ein Gottvertrauen in das eigene Fahrzeug, in die eigenen Fahrkünste und in den Zustand der Straße abverlangt. Ein Fahrfehler und das Fahrzeug und seine Insass*innen würden sich Hunderte Meter tiefer im Tal wiederfinden. Selbst die Auswirkungen der durch die ungezügelte Modernisierungsobsession unserer Spezies ausgelösten baulichen Wucherungen auf, unter und entlang der Straße (Mautstationen, Straßenmeistereien, Parkplätze, Restaurants, Skiliftstationen usw.)


sowie die Folgen der klimatischen Veränderungen zeigen sich hier im Wegschmelzen des Gletschers am Fuße eines überdimensionierten Parkhauses in höchstmöglicher Tragik. Die dunklen Seiten ergänzen die hellen zu einer regelrecht idealen Konstellation für die massentouristische Vermarktung. Und augenscheinlich funktioniert diese vortrefflich. Für die Bediensteten der Großglockner Hochalpenstraße stellt die Straße hingegen ihren alltäglichen Arbeitsplatz dar – und einen durchaus aufwendigen Pflegefall. Zur Erhaltung der Straße bedarf es durchschnittlich 40 großer und kleiner Baustellen im Jahr: Straßenabschnitt für Straßenabschnitt müssen der Unterbau verstärkt, begradigt, die Asphaltierung erneuert und Lawinenschäden repariert werden. Immer wieder muss auch im Hochsommer Schnee geräumt werden. Mitunter werden aber auch Straßenabschnitte denkmalgerecht in einen früheren historischen Zustand zurückgebaut oder historische Gebäude an sichere Orte versetzt. Im Spätherbst wird alles, was winterlichen Stürmen und der Schneelast nicht trotzen kann, verbarrikadiert oder temporär abgebaut und im Parkhaus oder unter der Lawinenverbauung verstaut. Im Frühjahr beginnt dann die Arbeit der Schneeräumung, für die neben modernen Maschinen auch stolz die historische Gerätschaft eingesetzt wird, die der Planer der Straße, Ing. Franz Wallack, selbst entwickelt hat. Die allerletzte Etappe, die Begegnung zweier Schneefräsen, eine von der Salzburger Seite, die andere von der Kärntner Seite kommend, wird feierlich inszeniert. Dieser sogenannte Durchstich stellt für das Personal ein bedeutendes alljährliches Übergangsritual dar, das den Beginn der Sommersaison einleitet und gleichzeitig dem 13 Baumeister der Straße und seinen Maschinen Ehre erweist. Für viele Besucher*innen stellt die Großglockner Hochalpenstraße heute eine moderne Form der Wallfahrt dar: Ein Ziel ist es, den höchsten Berg Österreichs zu sehen – ein anderes, einfach nur auf dieser Straße unterwegs zu sein. Mobile Subjekte mit jeder nur vorstellbaren Kategorie von Fahrzeug gönnen sich (und ihrem Fahrzeug) das gemeinsame Erlebnis in dieser grandiosen Landschaft: Individuell, in Fahrgemeinschaft mit Familie, Freund*innen oder gar organisiert im Konvoi mit ihrem Fahrrad-, Moped-, Motorrad-, Traktor-, Oldtimer-, Newtimer-, Auto- oder Motorradmarken-Klub, todernst, ehrgeizig oder mit Selbstironie und in karnevalesker Überschreitung gehen sie die Bergüberquerung an. Viele fühlen sich geradezu verpflichtet, diese herausfordernde Strecke zumindest einmal im Leben zu bewältigen – insbesondere auch Fahrradfahrer*innen: Denn wie die berühmt-berüchtigten Bergetappen auf den Col de Portet und nach Alpe d’Huez bei der Tour de France, das Stilfser Joch oder über den Passo di Giau nach Cortina d’Ampezzo beim Giro d’Italia, so gilt die Überquerung der Großglockner Hochalpenstraße unzweifelhaft als Königsetappe der Österreich-Rundfahrt. Hier sind sie alle Glocknerkönige und -königinnen – ob mit Rad oder Auto. Und mitunter treffen sie auf „Erlkönige“, so werden die Prototypen von Automobilen bezeichnet, die in der Extremsituation der Bergstraße auf ihre Alltagstauglichkeit getestet werden. Die Straße ist aber nicht nur moderne Wallfahrtsroute, Sportgerät und Teststrecke. Entlang der Straße entfaltet sich neben dem Bergpanorama auch ein Bildungsprogramm mit einer enormen


Dichte an Ausstellungen: Unter der Leitung von Johannes Hörl, seit 2011 Generaldirektor der Großglockner Hochalpenstraßen AG, wurden Teile des riesigen 1969 fertiggestellten Parkhauses Freiwandeck auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe in ein Besucher*innenzentrum verwandelt. 2011 eröffnete dort mit der „Erfolgsgeschichte des Automobils“ die erste Großausstellung, seit 2014 sind zudem auch die Kunstausstellung „Alpenliebe“, ab 2017 „Gletscher.Leben“ und seit 2019 „Frauen im Aufstieg“ zu sehen, sodass heute vier Geschoße des Parkhauses mit Ausstellungen bespielt werden. Am Parkplatz davor realisierte 2018 der Salzburger Künstler Johann Weyringer ein monumentales Kunstwerk: ein in Bronze gegossenes Boot auf einem Wellenberg aus Serpentin, das auf den einstigen Gletschersee verweist. Zudem werden die „Alpine Naturschau“ im Dr.-Wilfried-HaslauerHaus (auch Haus Alpine Naturschau) unterhalb des Fuscher Törls und der „Bau der Straße“ in einem alten Wegmacherhaus neben der Fuscher Lacke gezeigt, die Ausstellungsdisplays wurden mehrmals überarbeitet und modernisiert.

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Blick in den österreichischen Pavillon auf der Weltausstellung Paris 1937, entworfen von dem Architekten Oswald Haerdtl mit der Fotomontage von Robert Haas / Interior view of the Austrian pavilion at the Paris World Exhibition in 1937, designed by the architect Oswald Haerdtl with the photomontage by Robert Haas, Foto / photo: Julius Scherb/Wien Museum, Inv. Nr. 302696/6

Der Höhepunkt der Selbst-Musealisierung der motorisierten Großglockner-Erfahrung zeigt sich im ehemaligen Mauthaus „Guttal“, das im Jahr 2013 auf der Kärntner Seite der Großglockner Hochalpenstraße fachgerecht abgebaut und 1:1 samt den Zapfsäulen der historischen Tankstelle und einer der alten Schneefräsen neben historischen Bauernhäusern im Freilichtmuseum Salzburg nahe der Landeshauptstadt wieder aufgebaut wurde. Die vielfältige Geschichte der Großglockner Hochalpenstraße wird aber nicht nur in den professionell gestalteten Erlebnisausstellungen, sondern auch in vielen kleinteiligen, selbst gebastelten, nostalgischen und heroischen Bilderwelten in den Raststätten entlang der Straße und in den Tourismusbetrieben in den Tälern immer wieder in Erinnerung gerufen. Auf vielen der Parkplätze entlang der Straße finden sich Themenlehrpfade zu Flora, Fauna und Geologie der Alpenlandschaft. Ihre dichte Geschichte – aus dem Blickwinkel der Betreibergesellschaft – ist demnach allgegenwärtig, wenn den Besucher*innen neben den anderen Attraktionen ausreichend Zeit dafür bliebe. Diese


Geschichte wurde auch in einer im Jahr 2015 von Johannes Hörl und Dietmar Schöndorfer herausgegebenen historischen Fachpublikation erstklassig aufbereitet. Auch das temporäre Kunstprojekt „Serpentine“, das in diesem Katalog vorgestellt wird, ist als kleines Rädchen im Rahmen dieser Kulturoffensive der Leitung der Großglockner Hochalpenstraßen AG zu sehen, deren ehrgeiziges Ziel die Aufnahme in die UNESCO-Welterbe-Liste ist. Im Jahr 2015 wurde eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen: die Unterschutzstellung als technisches Denkmal.

BILDENDE KUNST UND ALPINTOURISMUS

In der Frühgeschichte des Tourismus, als das Tempo der Kommunikation und Verkehrsmittel noch sehr bescheiden und das Reisen nur den sozialen Eliten vorbehalten war, spielten Künstler*innen als Bildproduzent*innen eine bedeutende Rolle in der Sehnsuchtsproduktion und Bewerbung bestimmter Destinationen. Im Kontext des Alpintourismus in der Großglockner-Region ist Thomas Ender (1793–1875), Professor für Landschaftsmalerei an der Wiener Akademie für bildende Künste, hervorzuheben, der anlässlich der angestrebten „gesamt-österreichischen Landesaufnahme“ um 1830 Erzherzog Johann zu dessen GlocknerExpeditionen begleitet hat. Dabei entstanden mehrere Bilder des Großglockner-Massivs und der Pasterze (die auch als wichtiges Zeugnis des damaligen Gletscherstandes gelten, der bis auf das Niveau der heutigen Kaiser-Franz-Josefs-Höhe ge15 reicht hatte). Diese Gemälde befinden sich heute in den Sammlungen der Residenzgalerie Salzburg, der Landesgalerie Linz und permanent ausgestellt im Oberen Belvedere in Wien. 30 Jahre später hat sich der Kärntner Biedermeier-Maler Markus Pernhart (1824–1871) am Glockner abgearbeitet. Auch er hat – aufgrund der großen Nachfrage von Sammler*innen – ebenfalls mehrere Varianten sehr ähnlicher Ansichten angefertigt: Der „Großglockner von der Adlersruhe“ um 1860 kann rückwirkend als ‚Bestseller‘ bezeichnet werden. Allein zwei Versionen befinden sich in Klagenfurt: im Museum Moderner Kunst Kärnten und im Landesmuseums Kärnten. In Letzterem wurde in der geologisch-paläontologischen Schausammlung ein eigener Raum ausschließlich dem Großglockner gewidmet, in dem das 1860 fertiggestellte 16 × 2,5 Meter große Glockner-Panorama von Pernhart und das 1890 bis 1893 entstandene 7 × 3,5 Meter große Glockner-Relief von Paul Oberlercher die Hauptattraktionen bilden (Wlattnig 1999/2000). Dieser Raum stellte eine Pflichtdestination für Kärntner Schulklassen und einen beliebten Anlaufpunkt für Bergbegeisterte dar.

TOURISMUS ZWISCHEN KULTURKRITIK UND KLIMAWANDEL

Tourismuskritik ist so alt wie der Massentourismus (Culler 1988). Sie fokussierte vorerst auf den Städtetourismus. Doch je mehr die ‚Demokratisierung‘ des Reisens anderen sozialen Schichten ermöglichte, sich in dieselben Destinationen zu bewegen, die den Betuchteren zuvor alleine vorbehalten waren, setzte ein


sozialer Abgrenzungsreflex der Eliten ein. Da waren die Künstler*innen jedoch noch aufseiten ihrer adeligen und großbürgerlichen Mäzen*innen unterwegs. Mit der 1968er-Bewegung und der Kulturkritik der Frankfurter Schule hat sich das Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und Tourismus jedoch mächtig verkompliziert: Künstler*innen wollten sich nun auch sozialkritisch, revolutionär, gegen das kapitalistische Establishment – und die Tourismusindustrie – in Szene setzen. Lange Zeit wurde der Diskurs von Hans Magnus Enzensbergers signifikanter These dominiert, Tourismus sei nichts als eine bloße Flucht aus den als entfremdet empfundenen Lebensverhältnissen der industrialisierten Großstädte. Statt zu versuchen, diese durch Kampf zum Besseren zu verändern, nutzten die Bewohner*innen der Städte ihre Freizeit, um der politischen Verantwortung schnellstmöglich zu entfliehen und sich von den Belastungen des urbanen Lebens zu kurieren – betäubt von den Annehmlichkeiten des BedientWerdens und des Genusses der Schönheiten der Landschaft (Enzensberger 1962 [1958]).

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Parkplatz Freiwandeck auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe mit Blick auf die Pasterze und den Gipfel des Großglockners / Freiwandeck car park on the Kaiser-Franz-Josefs-Höhe with a view of the Pasterze glacier and the Grossglockner peak, Foto / photo: Archiv Großglockner Hochalpenstraßen AG / Grossglockner High Alpine Roads PLC archive


Von dieser Kritik pflegten sich die kulturellen Eliten und auch die Künstler*innen – im Gegensatz zu Enzensbergers Absicht – gerne auszunehmen, weil sie für sich beanspruchten, ‚anders‘, in jedem Fall aber ‚besser‘ zu reisen als die bloß ‚ferngesteuerten Massen‘ und von ihrer Reise mehr als nur Schnappschüsse und Souvenirs mit nach Hause zu bringen, nämlich kulturelles Bildungsgut und entsprechende ‚Erkenntnisgewinne‘ zum Wohle der fremden und vor allem der eigenen Kultur. Insbesondere die Urlaubsform der Pauschalreise, in der Know-how, Marketing, Transport und Dienstleistungen für Menschen mit knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen ökonomisch sinnvoll rationalisiert werden, konnte sich dagegen als der Eliten liebstes Feindbild etablieren. Der französische Autor und Philosoph Jean-Paul Sartre sprach schon 1943 von einer regelrechten Scham, die Intellektuelle und Künstler*innen erfasst, wenn sie sich dabei ertappen, Tourist*innen zu sein. Aber auch ohne marxistische Theorie ließ es sich vortrefflich gegen den Tourismus zu Felde ziehen: Bürgerliche bevorzugten eine ethnologisch inspirierte Kritik, die den Verlust des

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Brauchtums, den Ausverkauf der Heimat und das vermeintlich Nicht-Authentische touristischer Bilderwelten, Erzählungen und Inszenierungen beklagte (Hennig 1999). Heute ist es die Klimabewegung, für die sich die Großglockner Hochalpenstraße als Paradoxon im Kontext eines ausufernden „Overtourism“ (Bauer 2020) darstellt: Nun wird beklagt, dass hier in Zeiten der Selbstverpflichtung zur CO2-Reduktion und Mobilitätswende Tausende Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren den Berg überqueren und damit zu dem Klimawandel beitragen, der das Schmelzen einer der Hauptattraktionen, des Gletschers zu Füßen des Glockners, beschleunigt. Gemäß dieser Kritik fallen hier der Genuss und die Zerstörung von Natur in eins. Dieser Abgrenzungsbedarf vom Tourismus gilt nicht für alle Künstler*innen – aber für viele, auch für die am Projekt Beteiligten. Parallel dazu haben Kooperationen zwischen Kunst und Ferientourismus jedoch immer existiert und tatsächlich seit Jahren einen neuen Boom erlebt: Es wurde propagiert, dass zeitgenössische Kunst Anreize zu einer qualitativen Neupositionierung bietet, positive Pressemeldungen im Feuilleton generiert und damit entsprechende Publikumssegmente anspricht. Dabei ist der Vorwurf der Komplizenschaft an die Künstler*innen, sich wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, schnell in den Raum gestellt. Umgekehrt lassen sich erwartete Marketingeffekte aufseiten der Unternehmen nicht immer einlösen oder können kritische Kunstwerke als Bedrohung angesehen werden, die kommunizierten Werte eines Unternehmens zu desavouieren, was wiederum in Managementzirkeln auf Unverständnis stoßen kann. 18 RITUALE IN ASYMMETRISCHEN BÜHNENLANDSCHAFTEN

Wenn wir statt der marxistisch geprägten Kulturkritik und der ethnologischen Verlustangst des Authentischen jedoch einen anderen populärkulturwissenschaftlichen und von Performancetheorien inspirierten Zugang wählen, stellt sich das Verhältnis zwischen Kunst und Tourismus ambivalenter und produktiver dar: Auch entlang dieser Straße in der hochalpinen Bergwelt ist der touristische Raum immer auch ein sozialer Begegnungsraum. Hier ist selten jemand ganz allein unterwegs und nicht auf andere Reisende und Dienstleister*innen angewiesen: Der Soziologe Ervin Gofmann konstatierte, dass soziale Begegnungen im Alltag zum Selbstschutz aller Beteiligten durch Schwellen, bühnenähnliche Raumsettings und einzuübende Rituale strukturiert würden (Goffman 2003 [1959]) – das gilt natürlich um so mehr für den Tourismus (Graburn 2001). Dem Blick kommt dabei selbstverständlich eine zentrale Rolle zu: Bilder dienen jedoch nicht nur als Werbemittel vonseiten der Anbieter*innen, sondern auch als Beweis des Erlebten der Konsument*innen – und zur Strukturierung ihrer Erzählungen über das Erlebte, womit wiederum die Begehrlichkeiten bei Dritten ausgelöst werden (Urry 1990). Sie haben dabei aber nicht nur die offenkundigen Attraktionen im Blickwinkel, sondern auch die anderen Tourist*innen und ihre Fahrzeuge. Die touristische Erfahrung wurde gerne als ein einseitig inszeniertes Schauspiel vorgestellt. Das kann sie sein! Mehrheitlich ist sie jedoch eine Co-Produktion von Initiator*innen, Anbieter*innen


und Konsument*innen, wenn auch mit unterschiedlichem Kapital- und Zeiteinsatz der daran Beteiligten. Denn natürlich haben die Tourist*innen die Straße nicht selbst geplant und gebaut oder Lehrpfade und Ausstellungen entlang der Straße errichtet. Es existiert aber keine klassische zwingende Aufteilung von aktiven Schauspieler*innen und passivem Publikum wie in einer Guckkastenbühne (Schechner 1998). Hier am Berg ist jede/r Publikum und gleichzeitig Schauspieler*in für die (Selbst-) Inszenierung der jeweils anderen. Das zentrale Werkzeug ist dabei der Körper, sowohl als multisensuales Organ als auch als ultimativer Sehnsuchtsort ‚authentischer‘ Erfahrung, der hier auf der Straße ohne Fahrzeug nicht richtig vorankommen würde. Das Fahrzeug dient dabei nicht allein funktional als Fortbewegungsmittel, sondern als eine status- und identitätsstiftende Prothese, die immer auch essenzieller Bestandteil der Ausstattung der passiv konsumierten oder aktiv gespielten Szenen ist, in denen bewusst oder unbewusst verschiedene Rollen eingenommen und Identitäten erprobt werden können. In touristischen Erlebniswelten wie der Großglockner Hochalpenstraße, die ja auch Arbeits- und Lebenswelten darstellen, haben sich – so meine These – längst eigenständige hybride kulturelle (mitunter auch künstlerische, zumindest kunstähnliche) ästhetische Äußerungsformen entwickelt: spezielle Displays, Bildwelten, Objekte und Erzählformen bis zu dramatischen und postdramatischen Inszenierungen, Ritualen und Prozessionen, die es wert sind, ernst genommen zu werden (Zinganel 2008, 2012). 19 HERAUSFORDERUNGEN KÜNSTLERISCHEN AGIERENS IN HOCHALPINEN ERLEBNISWELTEN

In der Planung und Realisierung des in diesem Katalog vorgestellten Projektes zeigten sich beträchtliche pragmatische Erschwernisse: Das Landschaftsschutzgebiet des Nationalparks Hohe Tauern beginnt unmittelbar neben der Straßenkante der denkmalgeschützten Großglockner Hochalpenstraße. Im Bundesdenkmalamt in Wien gab es zum Glück nur einen Ansprechpartner, der auch Mitglied der Jury war und grundsätzlich keine Einwände hatte, weil die damals noch kaum oder nur vage formulierten Ideen der Künstler*innen mit Sicherheit nicht die physichen Dimensionen der vielen Fahrzeuge erreichen würden, die diese Straße in der Sommersaison täglich befahren. Im Nationalpark Genehmigungen einzuholen, erschien uns – selbst nur für eine temporäre Platzierung von Kunstwerken – als langwieriger und wahrscheinlich von wenig Erfolg gekrönter Arbeitsaufwand, zumal die Naturschutzkompetenz in die Zuständigkeit von zwei verschiedenen Bundesländern fiel. So reduzierten sich die potenziellen Standorte auf die Verkehrsflächen, Parkplätze und Randzonen, die in der Verwaltung der Straßenmeisterei der Großglockner Hochalpenstraßen AG stehen. Mit dem eingeschränkten Budget ließen sich nur Kunstwerke mit begrenzter Haltbarkeit produzieren, je mehr davon, desto geringer die jeweiligen Produktionskosten. Daraus folgte die eingeschränkte Laufzeit. Die hohe UV-Strahlung am Berg bleicht jedoch Bilder aus, der Eisregen fungiert wie Schleifpapier,


Schneelast kann Kunstwerke erdrücken, Stürme können sie zur Gänze wegwehen. Weil die Witterungsbedingungen entlang der Großglockner Hochalpenstraße jedoch nicht an jeder Stelle gleich sind, mussten wir uns der langjährigen Erfahrung des dienstältesten Mitarbeiters der Straßenmeisterei in Fusch bedienen, um Standorte zu finden, an denen die Kunstwerke drei Sommer und zwei Winter physisch überlebensfähig sind. Andernfalls hätte vorab bedacht werden müssen, dass sie vor dem Winter abgebaut und im Frühjahr wieder aufgebaut werden können. Ohne die aktive Unterstützung der Straßenmeisterei wäre die Realisierung der Kunstwerke in dem quantitativen und qualitativen Ausmaß nicht möglich gewesen. Der rechtliche Status als Privatstraße sollte sich dabei als enormer Vorteil herausstellen: Die Umsetzung erfolgte völlig bürokratiefrei, es wurden keinerlei Genehmigungen eingeholt. Es gab keine teuren Statik-Gutachten für jedes einzelne Kunstwerk, wie das in Regel bei Kunst im öffentlichen Raum-Projekten erforderlich gewesen wäre. Wir orientierten uns bei allen erforderlichen Unterkonstruktionen an Techniken, die sich am Berg bereits bewährt hatten. Diese wurden nach eigenem Ermessen und eigenen Erfahrungen selbst gebaut und errichtet, mit eigenen Lkw transportiert und mit eigenem Bagger versetzt. Je absurder die Herausforderung, desto größer schien die Motivation: Da wurde im Sommer schnell einmal Schnee geholt und mit einer kleinen Fräse in ein Auto geblasen oder eine der großen Fräsen mit dem Tieflader eines befreundeten lokalen Unternehmens an den vereinbarten Wunschstandort zugestellt. Dabei war es sehr hilfreich, dass 20 nicht alle Kunstwerke zum ersten Eröffnungstermin fertiggestellt werden mussten, der zusätzlich auch noch von Corona-Beschränkungen schwer betroffen war, sondern dass einige komplexere Arbeiten erst im zweiten Sommer folgten. Über die Projektzeit von drei Sommersaisonen wurden Peter Embacher und Thomas Noel sowie ihr Team zu Co-Kuratoren des Projektes im idealen Sinne des Wortes: Sie ‚sorgten‘ für die inhaltlich bestmöglichen und sicheren Standorte der Kunstwerke, ihre Winterquartiere bzw. den zweimaligen Auf- und Abbau und hielten das Container-Kino in Betrieb. Inhaltlich bestand die Herausforderung darin, dass diese Erlebnislandschaft ästhetisch so beeindruckend spektakulär und – wie zuvor beschrieben – schon intensiv mit einer Vielzahl von Erzählungen beladen ist. Wie also unter diesen multiplen Erschwernissen agieren, wenn die Künstler*innen zudem noch dem Tourismus und den Tourist*innen kritisch gegenüberstehen und umgekehrt diese Tourist*innen das Publikum bilden, das mehrheitlich unvorbereitet den künstlerischen Arbeiten begegnet? Theoretisch müsste dieses Projekt für alle beteiligten Künstler*innen und für mich als Kurator das mit Abstand am besten besuchte unserer Karriere gewesen sein: Bei jeweils 250.000 bis 300.000 Fahrzeugen im Jahr würde das bei drei Jahren Laufzeit dem unglaublichen Potenzial von insgesamt fast drei Millionen Besucher*innen entsprechen! Allerdings war der Anteil derer, die bereits vor der Anreise über dieses Kunstprojekt informiert waren und explizit nur wegen der Kunstwerke die Bergstraße befahren haben, verschwindend klein – nicht notwendigerweise aus Desinteresse, sondern weil


alleine schon die Anfahrt in die Region für einen Tagesausflug viel zu viel Zeit beansprucht. Größer war die zweite Gruppe, die die Straße zyklisch aus beruflichen Gründen befährt, die Straßenbetreuer*innen, die Servicekräfte der Hütten, Versorgungsstationen und Souvenirshops, Reiseleiter*innen und Autobusfahrer*innen, Mitarbeiter*innen von Straßenbaufirmen, professionelle Testfahrer*innen oder auch Sportler*innen, für die die Bergstraße ihre Trainingsstrecke darstellt. Die mit Abstand bedeutendste Gruppe kommt jedoch nur einmal im Leben oder einmal je Lebensabschnitt: Auch wenn sie bei der Mautstation einen Flyer mit Informationen über das Projekt in die Hand gedrückt bekamen und die Kunstwerke beschildert waren, begegneten sie den Kunstwerken, wenn sie diese denn überhaupt bemerkt und als solche erkannt haben sollten, rein zufällig – und vielfach unter Zeitdruck, weil die Fahrzeit zur Erreichung aller landschaftlichen Attraktionen von den Erstbesucher*innen meist völlig unterschätzt wird.

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Gemälde des alten Saumpfades im Gletscherrestaurant Freiwandeck auf der Kaiser-FranzJosefs-Höhe / painting of the historic trade path in Gletscherrestaurant Freiwandeck on the Kaiser-Franz-Josefs-Höhe, Foto / photo: Wolfgang Thaler

Wir wissen daher nichts bis sehr wenig über die Rezeption und Interpretation in diesem von ganz anderen Interessen und Erwartungshaltungen aufgeladenen Raum. Die Künstler*innen würden selbstverständlich für sich beanspruchen, durch ihre ironisch-kritischen Arbeiten bei den Besucher*innen zur Bewusstseinsbildung für die Paradoxien des touristischen Handelns in dieser speziellen alpinen Erlebnislandschaft beigetragen zu haben. Ich würde mir wünschen, dass sich – umgekehrt – auch bei den Künstler*innen durch ihre Erfahrungen im touristischen Feld ein erhöhtes Bewusstsein dafür einstellt, dass sie sich ganz sicher NICHT ausschließlich in kritischer Distanz außerhalb dieser Mechanismen verorten können, sondern mitten drin stecken, dass sie genauso Genuss am Befahren der Straße empfinden oder Mitschuld tragen, dass ihre ‚Scham‘, Tourist*in zu sein, vorrangig der Selbstanmaßung ihrer vermeintlichen intellektuellen und moralischen Überlegenheit entstammt. So wie Künstler*innen die Selbstinszenierung der Tourist*innen gerne als schlechtes Theater aburteilen, so stellen sie für die Tourist*innen womöglich auch Akteur*innen in einem Theaterstück dar, das ihnen die Paradoxien des künstlerischen Handelns offenbart.


THE GROSSGLOCKNER HIGH ALPINE ROAD Michael Zinganel

Curator of the project

The Grossglockner High Alpine Road was built in the 1930s when the trauma of the First World War had caused romanticism to fade but left the belief in technical progress not only intact but even growing. An energy crisis such as that of the 1970s and the climate movement we have today would have been unthinkable. The Grossglockner High Alpine Road was publicised as a masterpiece of heroic engineering and the craft of road building

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Markus Pernhart, „Großglockner von der Adlersruh“, um / c. 1860, Öl auf Leinwand / oil on canvas, 58 × 74 cm, Landesmuseum Kärnten / Carinthian Provincial Museum, Inv. Nr. K 17

and today is a protected monument, as is the surrounding mountain landscape. It is a paradox – a much-travelled industrial monument in the middle of a national park. Nowadays the Grossglockner High Alpine Road is regarded as one of the most important tourist attractions in the country, though while it was being built it had a very high political profile: it was regarded as a key construction project of the young Republic of Austria and the corporate state and the linchpin of the small country’s national identity (Rigele 1998). The motive for the planning and construction of the road lay in an experience of twofold loss. After World War I, Austria had to give up South Tyrol to Italy which meant that the inner Austrian connection from East Tyrol to North Tyrol via the Brenner Pass was lost. That had also benefitted Upper Carinthia. Secondly, the Ortler, with 3,905 metres, had been the highest mountain of the Austrian-Hungarian Monarchy and the mountain road, opened in 1825, over the Stilfser Pass had been important alpine tourist attractions and notable symbols of identity.


As early as 1922 an invitation went out from the Office for the Promotion of Tourism in the federal ministry to federal engineers and those from the Provinces of Salzburg and Carinthia. They were to take part in the so-called “Mittersiller Amtshandlung” (Baumgartner 2022). This was no closed committee meeting, but a multi-day inspection of two different routes across the main alpine ridges to connect Lienz in East Tyrol and Upper Carinthia with the region north of the mountain range. The task of the inspection was comparable to a technical feasibility study (including an assessment of the costs) for one variant that would run via Matrei and the Felbertauern to Mittersill and a second over the Iselsberg to Heiligenblut and over the Hochtor to Bad Fusch. Even then, Salzburg Province pushed for the Felbertauern route while Carinthia and the federal ministry supported the route that we know today, primarily because the use and expected profitability from tourism were anticipated to be higher since it would connect places such as Zell am See and Heiligenblut which were already tourist spots and the landscape formations en route were considered to be significantly more attractive. The first phase (till 1925) of the initiative for project planning and publicising of the Grossglockner High Alpine Road initially came from Klagenfurt (Carinthia). It was there in 1924 that a road committee was formed which commissioned the engineer Franz Friedrich Wallack (1887–1966), who was employed by the Carinthian provincial authorities, with the planning of this huge project. Also included were the locations for a projected five large mountain hotels or hotel ensembles. However, these 23 were never realised. After intensive study trips to alpine roads in France, Italy and Switzerland, Wallack specified a forty-eight-kilometre north-south route between Bruck in the Salzach valley and Heiligenblut in the Möll valley. To a large extent this followed the old “Säumerweg” trade route that had been used over 3,500 years before by the Celts and later by the Romans – and for the previous 300 years had been the Pinzgauer Pilgrimage to Heiligenblut. From Ferleiten to Heiligenblut took pilgrims ten hours on foot during which time they traversed some 1,300 metres of altitude. In the mid-nineteenth century Glockner tourism was a significant economic factor in Heiligenblut: In 1875 the Glockner House was built by the Carinthian section of the Austrian and German Alpen Club as a base station for attempts on the summit and from 1908 it was connected to Heiligenblut by a road. Franz Wallack was thus able to build on pre-existing routes. Only the ramp on the Salzburg side deviated significantly from the historical route. It was to connect Ferleiten over the eastern slope with the Fuscher Törl at 2,428 metres with a total of thirty-six hairpins. The route continued through the Mittertörl and Scheitel tunnels at 2,503 metres on the Carinthian side to finally reach Heiligenblut. Furthermore, Wallack proposed to build cul-de-sacs to give access to particularly attractive views: on the Salzburg side, the Edelweiss Peak at 2,577 metres and on the Carinthian side, the Glacier Road to Kaiser-Franz-Josefs-Höhe at 2,363 metres where the Pasterze, the biggest glacier in Austria, lay spread out at their feet and which gave a view of the Grossglockner Peak. At 3,798 metres this was the highest mountain


in the republic and till today the best-known landmark in the country and one of the main landscape attractions of the Grossglockner High Alpine Road. The ambition to build the road slowly shifted to Salzburg where, from 1927 on, the Christian Socialist Provincial Governor, Franz Rehrl (1890–1947), pushed vehemently for its implementation. Despite the world economic crisis, inflation and the insolvency of the first private operating company, the project was forced through by Rehrl and his allies in the federal ministry. Fourteen percent of the republic’s road building budget was invested in this road. In 1930, when construction began, Wallack moved to Salzburg. Until 1935 the road, with all its subsidiary projects, was built under his supervision and according to his plans. By 1932 the north ramp from Ferleiten to the Fuscher Törl and the Glacier Road section to Pasterze were finished. In 1935 the official opening took place and was celebrated as an act of state with a car and motorcycle race on the road the following day. Nowadays the political demonstration of power with such high financial risk and far-reaching effects in a protected landscape zone is almost certainly unrepeatable. At the time, though, the road project was simply following the international trend. The planning elite regarded the functional city and its leisure time periphery as an overall unit for planning tasks, whereby the rural areas were no longer seen as anti-modern but recognised as an additional location for the genuinely modern praxis of leisure time pursuits and tourism for the masses in a setting close 24 to nature. Irrespective of the nature of the political regime, work hours were shortened and holiday entitlements set, in all European states and economies, thereby increasing the potential number of travellers and tourists. After the experience of the war and the radical political changes, tourism not only satisfied the demand for recreation, but was allegedly a means of achieving international understanding as well as a way of increasing national identification. Furthermore, with the aid of the new mobility technology – motorcycle, car and bus – previously unreachable destinations became accessible to tourists. The mass production of motorised vehicles coupled with the construction of new roads and the “democratisation” of travel – that actually had to wait until the post-war “golden years” – gave rise to a corresponding expectation of growth. However, democracy in Austria came to an end in 1933. The authoritarian government of the corporate state wanted to replicate the successes of the National Socialist motorisation policies in the neighbouring state, making an autonomous, large-scale project imperative. And the more Austria’s independent existence was questioned, the more important the road project became as proof of its sovereignty and its ability to survive economically. For this reason the partial opening in 1934, shortly after the failed National Socialist July putsch, with the legendary first transit by Rehrl and Wallack on the still unsurfaced road in an Austrianbuilt Steyr 100 can be regarded as a political demonstration. To commemorate Chancellor Engelbert Dollfuss, who was murdered during the attempted putsch in 1934, Provincial Governor Rehrl commissioned the building of a mountain chapel at the


bend at Fuscher Törl in 1936. The architect was no less than Clemens Holzmeister, the most important cultural functionary in the corporate state and the regime’s star architect. He was involved with all the large-scale projects including the new venues for the Salzburg Festival. The chapel, originally called the Dollfuss Memorial Chapel, was later dedicated to the builders of the Grossglockner High Alpine Road. The significance of the road project for nation-building at the time of the Austro-fascist corporate state is also revealed by the prominent presentation in the Austrian pavilion at the Brussels World Exhibition in 1935 and with even more clarity in Paris in 1937. Behind a full-fronted façade of glass, architect Oswald Haertl hung an 8.5-metre-high and 30.5-metre-long, eye-catching panoramic picture comprised of various individual views collaged together. It showed simultaneously the most important bends of the meandering road as well as the most important attractions on both sides of the pass in a way that could never be seen in reality because of the great distances involved and the conflicting points of view. The author of this photocollage was the Jewish photographer, Robert Haas, who had also documented the opening ceremony of the road and was also known as the chronicler of the Salzburg Festival before he was forced to flee from National Socialism in 1938.

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Historisches Foto von der händischen Schneeräumung der Großglockner Hochalpenstraße / Historical photo of manual snow clearance on the Grossglockner High Alpine Road, Foto / photo: Archiv Großglockner Hochalpenstraßen AG / Grossglockner High Alpine Roads PLC archive

The network of participating actors in these events points up a motive for the road project which, till now, has received little attention: For the provincial governor of Salzburg, Franz Rehrl, the Grossglockner High Alpine Road and the Salzburg Festival together represented two components of the same cultural modernisation project for his province whereby mass motorisation and mobility, mountain tourism and the art festival had equal weight.

THE JOURNEY IS THE DESTINATION

Nowadays the Grossglockner High Alpine Road is no longer a high alpine trade route linking destinations north and south of the main ridge of the Alps, it is used less as a transit route than


as a destination in itself. It is not an alternative programme if there is bad weather, if some other activity has to be cancelled. It has developed into an independent attraction in its own right – a successful tourist business model for the snow-free summer season. It is so successful, in fact, that annually 270,000 vehicles drive it, which approximates to about one million visitors. Grossglockner High Alpine Road is second only to Schönbrunn Palace in Vienna as a sightseeing attraction in Austria. When the weather is good, the landscape – despite the occasional experience of congestion – is charged with pathos that visitors find themselves in a state of quasi-religious rapture. Everyone, whether they believe in the creation myth or the Big Bang, has to acknowledge that an imposing and literally “outstanding” mountain range has been formed here which makes each individual appear small and insignificant. Even the author, who is familiar with the landscape because he grew up in the mountains, has to admit that in the face of the sheer limitlessness of the view he feels moved physically and psychologically. When the weather undergoes a sudden change and becomes a storm with precipitation – even in summer, this can quickly turn to snow and thick fog resulting in visibility of only a few metres – the feeling of defencelessness in the face of the forces of nature is overpowering. While the weather on one side of the main alpine ridge is beautiful, that on the other can be unendurable and the contrast is dramatically heightened by the passage through the tunnel high on the pass. The many serpentine bends up and down, hairpin bends, demanded, and still demand, intensive work from those 26 who built them, those who maintain them and the thousands of tourists who drive them. It takes a high degree of trust in one’s own vehicle and driving competence and in the state of the road itself. One mistake and the passengers could find themselves hundreds of metres further down in the valley. Even the full tragedy of the consequences of our species’ uncontrolled obsession with modernisation triggered by the proliferation of building on, under and along the road (toll booths, road maintenance facilities, car parks, restaurants, ski lift stations etc.) and the impact of the climate crisis is apparent here in the rapidly melting glacier at the foot of an over-dimensional, multistorey car park. The dark side compliments the light in what is really an ideal constellation for mass tourism marketing and this is evidently functioning admirably at present. Conversely, for the employees of the Grossglockner High Alpine Road it is simply their workplace, though one that certainly needs a lot of care and attention. The maintenance of the road requires an average of forty large and small-scale repair sites annually: section by section the substructure has to be strengthened, levelled and the asphalt surface renewed, avalanche damage repaired and snow cleared – even in high summer. At times sections of the road have to be repaired and restored to their original historical state in order to conform to monument protection regulations or a historical building transferred to a safe site. In late autumn everything which could not withstand winter storms or the weight of snow has to be barricaded or temporarily removed and stored in the multi-storey car park or under avalanche protection barriers. In spring, the work begins with snow


removal. The historical snowploughs, designed by the engineer Franz Wallack, who also built the road, proudly take their place alongside the modern machinery. The final stage, the meeting of two snowploughs, one from the Salzburg side and one from the Carinthian, always calls for celebration. For the personnel, this so-called “breakthrough” represents an important annual ritual, the transition to the summer season, and at the same time it honours the road’s architect and his machines. For many visitors the Grossglockner High Alpine Road represents a modern form of pilgrimage where one goal is to see Austria’s highest mountain, another to simply drive the road. Mobile subjects with every imaginable kind of vehicle indulge themselves (and their vehicles) in the joint experience of this grandiose landscape. Alone, in the company of the family or friends or even in organised convoys of bicycles, mopeds, motorbikes, tractors, old-timers, new-timers, car-brand and motorbike-brand clubs, their approach to crossing the mountain chain is deadly serious, ambitious, has a touch of self-irony or a carnivalesque inflection. Many feel themselves almost duty-bound to take on the challenges of the route at least once in their lifetime – especially cyclists. As the famous-infamous mountain stage over the Col de Portet or to Alpe d’Huez is for the Tour de France and the Stilfserjoch or the route over the Passo Giau to Cortina d’Ampezzo is to the Giro d’Italia, the crossing made over the Grossglockner High Alpine Road is indubitably considered the crowning stage of the Tour of Austria. Here, though, everyone is a Glockner “king”– whether by bicycle or car. And sometimes they might even encounter an “Erlkönig” (Erl king), 27 a car prototype being tested in the extreme conditions of the mountain road as to its suitability for daily use. But the road is not only a modern pilgrimage route, a piece of sports equipment and a test track. Along the road an enormously dense educational exhibition programme unfolds. Under the management of Johannes Hörl, general director of the Großglockner Hochalpen AG since 2011, a section of the huge multi-level car park completed in 1969 on the Kaiser-Franz-Josefs-Höhe was converted into a visitor centre. It opened in 2011 with its first largescale exhibition “Die Erfolgsgeschichte des Automobils” (The Success Story of the Automobile). This was followed, since 2014 with the art show “Alpenliebe” (Love of the Alps), with “Gletscher. Leben” (Glacier.Living) in 2017 and since 2019 with “Frauen im Aufstieg” (Women on the Rise), so that four levels of the car park now house exhibitions. In the car park in front of the building, the Salzburg artist Hans Weyringer realised a monumental piece of art: a boat cast in bronze on a mountain of waves made of serpentine, an allusion to the former glacial lake. In addition, the “natural history” is documented in the Dr. Wilfried Haslauer House just below the Fuscher Törl and “Bau der Straße” (Building the Road) resides in an old Wegmacher house near the Fuscher Lake. In 2016 and 2022 this was refurbished and modernised. The climax of this self-musealisation of the motorisation of the Grossglockner experience is shown in the former tollhouse “Guttal” which was, in 2013, expertly dismantled on the Carinthian side of the Grossglockner High Alpine Road and reconstructed 1:1 (including the old petrol pump) next to historic farmhouses in the open air museum in Salzburg and displayed along with the old snowplough.


The diversity of the Grossglockner High Alpine Road history is not only seen in the professionally produced interactive exhibitions, but also recalled in the many small-scale, self-made, nostalgic and heroic pictorial worlds in the roadhouses along the road and the tourist businesses in the valleys. At many of the car parks along the road there are nature trails focusing on the flora, fauna and geology of the alpine landscape. From the point of view of the operating company their dense history is ubiquitous if the visitor has enough time to spare after the other attractions. This history was also prepared and presented by Johannes Hörl and Dietmar Schöndorfer in a specialist historical publication in 2015. The “Serpentine” temporary art projects being presented in this catalogue should be seen as one of the small wheels in the cultural offensive of the management of the Grossglockner High Alpine Roads PLC whose long-term goal is acceptance as part of the UNESCO World Heritage programme. In the year 2015 one important requirement, making it a listed (protected) technical monument, was fulfilled.

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Ing. Franz Wallack und Landeshauptmann Franz Rehrl befahren am 2. September 1934 mit einem adaptierten Steyr 100 die noch im Rohbau befindliche Großglockner Hochalpenstraße. / On September 2, 1934, Ing. Franz Wallack and Salzburg Provincial Governor Franz Rehrl drove an adapted Steyr 100 on the Grossglockner High Alpine Road, which was still under construction. Foto / photo: Archiv Großglockner Hochalpenstraßen AG / Grossglockner High Alpine Roads PLC archive

FINE ARTS AND ALPINE TOURISM

In the early history of tourism, when the tempo of communications and means of transport were still very limited and travelling the reserve of the social elite, artists as image producers played an important role in producing yearnings and advertising for particular destinations. In the context of alpine tourism in the Grossglockner region, Thomas Ender (1793–1875), professor of landscape painting at the Vienna Academy of Visual Arts, is notable because he aspired to a “complete inventory of Austrian lands” and around 1830 accompanied Archduke Johann on his Glockner expedition. This gave rise to a number of pictures of the Grossglockner massif and the Pasterze – which are important evidence of the extent of the glacier. At that time it stretched up to the level of today’s Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Nowadays, the pictures are to be found in the collection of the Residenz Galerie Salzburg, the Francisco Carolinum Linz and in the permanent exhibition at the Upper Belvedere in Vienna.


Thirty years later, the Carinthian Biedermeier painter Markus Pernhart (1824–1871) worked on the Glockner. Because of the great demand from collectors he, too, made several variants with very similar views: The Großglockner von der Adlersruhe, 1860, can be retrospectively called a “bestseller”. Klagenfurt alone has two versions, in the Museum of Modern Art and the Carinthian Provincial Museum. In the latter there is a separate room in the geology-palaeontology collection dedicated to the Grossglockner. A 16 × 2.5 metre Grossglockner panorama completed in 1860 by Pernhart and a 7 × 3.5 metre Glockner relief completed between 1890 and 1893 by Paul Oberlercher are the main attractions (Wlattnig 2000). The room is a compulsory destination for Carinthian school classes and a popular contact point for mountain enthusiasts.

TOURISM BETWEEN CULTURAL CRITIQUE AND CLIMATE CHANGE

Tourism critique is as old as mass tourism (Culler 1988). In the nineteenth and early twentieth centuries mass tourism was still in its infancy. However, the greater “democratisation” of travel facilitated a wider spectrum of social classes travelling to the same destinations which had previously been reserved for the wealthier and which, in turn, called for socially exclusionary barriers to be erected. Artists, though, were still accompanying their aristocratic and wealthy bourgeois patrons on their travels. With the 1968 movements and the cultural critique of the Frankfurt School, the relationship between contemporary art and 29 tourism became massively more complex. Artists wanted to present themselves as socially critical, revolutionary and anticapitalist establishment – and anti-tourist industry too. For a long time the discourse was dominated by Hans Magnus Enzensberger’s important theory that tourism was simply “flight” from the alienating living conditions of the major industrialised cities. Instead of attempting to improve those conditions by struggle, the inhabitants of the cities used their free time to flee from their political responsibilities as fast as possible to rest and recuperate from the strains of urban living and being “anaesthetised” by the pleasures of being served and the beauty of the landscape (Enzensberger 1962). Contrary to Enzensberger’s intention, the cultural elite (and artists) were only too happy to take on board this critique claiming they travelled “differently” – and certainly in a “better” way – than the “remote-controlled masses”. Furthermore they brought back more than just snapshots and souvenirs from their journeys. The “more” was cultural education and “profitable knowledge” to the benefit of foreign, but also their own, culture. In contrast, one particular form of travel became the most popular image that drew the enmity of the elite – the package tour, with its knowhow, marketing, transport and services for people with limited financial resources and time, economically and sensibly rationalised the problem. French author and philosopher Jean-Paul Sartre spoke of artists being caught up in feelings of outright shame when they found themselves being simply tourists (Sartre 1943/2018). But even without Marxist theory, taking the field against tourism is exquisitely easy: the bourgeoisie prefer


ethnologically inspired critique that laments the loss of tradition, the sell-out of the homeland and the allegedly inauthentic tourist worlds of images, narratives and stagings (Hennig 1999). Nowadays it is the climate movement for whom the Grossglockner High Alpine Road represents a paradox in the context of rampant “overtourism” (Bauer 2020). Now the lament is that in times of personal responsibility for CO2 reduction and the mobility turn, thousands of vehicles with internal combustion engines are crossing the mountains and contributing thereby to climate change and the increasing speed of melt of the main attraction, the glacier at the foot of the Glockner. According to this line of thought, pleasure and the destruction of nature are identical. The need to disassociate from tourism does not apply to all artists, but to many, including some of those who participated in the project. Parallel to that, there have always been collaborations between artists and holiday tourism and in fact the last few years have seen a boom. It is said that contemporary art offers an incentive to a qualitative repositioning, generates positive press coverage in feature articles and thus addresses an appropriate segment of the public. That means the allegation of complicity levelled at artists for submitting to economic interests rapidly raises its head. Conversely, sometimes the expected marketing effect benefitting the company does not always manifest, or critical artworks are regarded as threats because they are contrary to the values the company wishes to communicate which in management circles is very difficult to defend. 30 RITUALS IN ASSYMATRICAL SCENERY

If, instead of Marxist-influenced cultural critique and ethnological fear of loss of authenticity, we turn to another approach inspired by popular cultural studies and performance theory, the relationship between art and tourism appears more ambivalent and productive. The tourist space along this road in the high alpine mountains is always a space for social encounters too. Here, one is seldom en route alone, independent of other travellers and service providers. Sociologist Ervin Goffman postulated that social encounters are generally structured with thresholds, stages and pre-practiced rituals so as to protect all those participating (Goffman 1959/2003). That applies to tourism even more (Graburn 2001). The gaze, of course, takes a central role here: Pictures are not only a means of advertising for the organisers but also evidence of the experience for consumers as they structure the narrative about what they experienced. This, in turn, calls up desire in third persons (Urry 1990). Tourists are not only concerned with the obvious attractions but also the other tourists and their vehicles. The tourist experience is readily presented as a one-sided, staged spectacle. And it might be that. In the main, though, it is a co-production by the initiators, providers and consumers even if the capital and effort invested by those involved differ. Of course, the tourists did not plan and build the road themselves, nor did they install the nature trails and exhibitions along it. But the division into active actors and passive public, as with a proscenium stage (Schechner 1998), is not necessarily the case. Here, on


the mountain, everyone is simultaneously public and actor in the productions of the others. The main tool here is the body, both as a multi-sensory organ and as the ultimate seeker of “authentic” experiences which here on the road would not really advance very far without a vehicle. In this instance, the vehicle is not only a functional means of transportation but rather more a status and identity-conferring prosthesis that is always also an essential component of the “scenery” in the passively consumed or actively played scenes. Consciously or unconsciously, various roles can be taken and identities tried out in them. In the world of tourist experiences such as the Grossglockner High Alpine Road – which is also a work and living environment – hybrid forms of cultural aesthetic expression (sometimes art or art-like) developed long ago, such is my hypothesis (Zinganel 2008, 2012). These special displays, images, objects and narrative forms, post-dramaturgical stagings, rituals and processions are worth taking seriously.

CHALLENGES OF ARTIST ACTIVITY IN A HIGH ALPINE NATURE SCENARIO

In planning and realising the project presented in this catalogue there were a number of serious practical problems. The protected landscape of the Hohe Tauern National Park begins at the side of the Grossglockner High Alpine Road which is itself a protected monument. In the Federal Office for Cultural Monuments in Vienna there was, luckily, only one liaison person who had also been a member of the jury and had no objections in principle because, at the time, the artists’ ideas were 31 mostly sketchy, vaguely formulated but certainly would not approach the dimensions of the multitude of vehicles which use the road in the summer season. To obtain permission from the National Park for siting even temporary artworks appeared to demand a great deal of effort with a doubtful outcome, especially because nature conservancy fell within the jurisdiction of two different provinces. This reduced the potential locations to the active surfaces of the road, the car parks and the immediate periphery, all of which are under the administrative authority of the road maintenance department of the Grossglockner High Alpine Roads PLC. With our limited budget only artworks with limited durability could be produced and the more of these, the lower the production costs, another factor pointing to a shorter duration. The high level of UV radiation fades pictures, icy rain acts like sandpaper, the weight of snow can crush artworks and storms can simply blow them away. While weather conditions on the Grossglockner High Alpine Road are not consistent along the entire length, we had to rely heavily on the years of experience of the road repair crew in Fusch in order to find sites at which artworks might survive for three summers and two winters. Otherwise they would have to be removed for winter and reinstalled in spring. Without the active support of the road repair department it would have been impossible to realise artworks on this scale. The legal status as a private road was to turn out to be a great help: the implementation was completely unbureaucratic and no permits were necessary or applied for. There was no requirement for


expensive statics reports for each artwork as is usual for artworks in public spaces. Wherever substructures were needed, we orientated ourselves on the technical systems that had been tried and tested on the mountain. These were then self-built and erected according to their own judgment and experience, transported with their own lorries and moved with their own excavators. It seemed that the more absurd the challenge, the greater the motivation: snow had to be brought quickly and blown into a vehicle in summer or a huge snowplough had to be transported to a designated site with a low loader loaned by a friendly local business. It was a great advantage that not all the artworks had to be finished in time for the opening – a number of the more complex works were to be completed the following summer. The COVID lockdown regulations also had serious effects on the schedule and work. Over the three summer seasons of the project, Peter Embacher, Thomas Noel and their team became co-curators in the literal sense of the word: they “took care” to find the best possible, safest and most appropriate sites for the artworks, their winter quarters, oversaw their dismantling and re-erecting (twice) and kept the container cinema running. The substantive challenge lay in the fact that the landscape is so impressive, almost overwhelming, and, as mentioned above, loaded with numerous narratives. The question was how to react to this multiplicity of problems when, in addition, the artists were critical of tourism and the tourists and, conversely, those very tourists formed the public who would generally encounter the artworks unprepared. 32

In theory, for both the artists and me as curator this project must represent the best visited by a long way: with 250,000 to 300,000 vehicles annually and a three-year duration, this would mean the unbelievable potential of a total of three million visitors. However, the proportion of those who knew about the project before they started off and drove the mountainous road with the explicit intention of viewing the artworks was vanishingly small. This was not necessarily from lack of interest but because getting to the region simply for a day trip took a disproportionate amount of time. The second group was larger – those who drive the road regularly for professional reasons: road maintenance personnel, the service personnel from the huts, supply points and souvenir shops, tour group guides and bus drivers, employees of road building companies, professional test drivers or sports people for whom the mountain road is a training track. However, the most important group by far are those who only come once in their lives or once at each stage in their lives. Although they had been given a flyer at the toll booth which contained information about the project and a description of the artworks, they encountered them – if they even noticed them and recognised them for what they were – by pure chance and were often under time pressure because the driving time necessary to view all the attractions was usually seriously underestimated by first-time visitors. So we know nothing, or very little, about the reception and interpretation in this space which is the focus of quite other interests and expectations. The artists would, of course, claim that with


their critical-ironic works they have contributed to making tourists aware of the paradoxes of their actions in this special alpine landscape. Vice versa, I would like to think that through their experiences in the field of tourism, the artists have achieved a higher level of awareness that they can certainly NOT claim to position themselves outside these mechanisms at some “critical distance” but are located right at the centre of it, that they feel the same pleasure driving the road and are just as guilty. Their “shame”, however, is primarily a form of arrogance derived from presumptions of intellectual and moral superiority. Just as artists are prone to dismiss the tourists’ self-presentation and selfies as “bad theatre”, the artists perhaps represent actors in a theatre play that reveals to the tourists the paradoxes of the artistic activity.

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Cover eines Werbefaltblattes aus 1935 von Heinrich C. Berann / Cover of an advertising leaflet from 1935 by Heinrich C. Berann, Archiv Großglockner Hochalpenstraßen AG / Grossglockner High Alpine Roads PLC archive


SERPENTINE KUNSTWERKE Temporäre Kunstinterventionen entlang der Großglockner Hochalpenstraße

21. August 2020 bis 3. November 2022

Der Titel dieses Kunstprojektes ist eine ironische Aneignung aus der Popmusik: „Serpentine“ ist der Name einer Hard Rock Band und „A touch of heaven“ der Titel eines ihrer Songs. Genrebedingt steht dabei die Intensität des Vortrages im Vordergrund, so wie bei anderen prominenteren Bands, die unterschiedliche Wege in den Himmel oder die Hölle besungen haben. Serpentin ist aber auch das harte Gestein, das sich durch tektonische Verschiebungen zu dieser grandiosen Alpenlandschaft auf-gefaltet und -getürmt hat. Vor allem aber bezieht sich der Titel auf die 36 Kehren der Großglockner-Hochalpenstraße, die vorrangig zur touristischen Inszenierung dieser Landschaft errichtet wurde. Die Großglockner Hochalpenstraße und ihre mäandernde Streckenführung bieten den mobilisierten Besucher*innen geradezu überwältigende ästhetische Sensationen. Gegenüber den 34 enormen Weiten, Höhen und Tiefen des be- und er-fahrenen Raumes werden Kunstwerke hier – ohne eine völlig unangemessene monumentale Dimension – kaum erhöhte Aufmerksamkeit für sich gewinnen. Künstler*innen können durch ihre Interventionen bestenfalls den Blick auf ausgewählte Themen, die in der spezifischen politischen Technik-, Natur- und Kulturgeschichte dieser touristischen Erlebnislandschaft und ihrer Transformationen bereits angelegt sind, schärfen oder diese neu befragen: Die Obsession zur Beherrschung der Natur, den Weg als Ziel, die Straße als Sportgerät, Teststrecke und Wallfahrtsroute, die Glücksgefühle und Todesängste, die sich hier gleichermaßen einstellen, die Fahrzeuge als essenzielle Weggefährt*innen, die Vertreter*innen der menschlichen Spezies in großer Anzahl und Dichte hoch hinauf und tief hinunter durch die Landschaft tragen, durch Lebensräume von Wild- und Nutztieren, entlang steigender Schneegrenzen und schmelzender Gletscher – die Erhabenheit wie Verletzlichkeit der Natur immer vor Augen. Dazu wurden vom Kurator fünf Künstler*innen bzw. Teams ausgewählt, die in ihren bisherigen Arbeiten ein Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Geschichte(n) eines konkreten Ortes vorweisen konnten und die bezüglich der eingesetzten künstlerischen Medien und Formate an bestimmte in dieser touristischen und alpinen Erlebniswelt etablierte Darstellungstechniken anzuschließen bereit waren: Diese Auswahl sollte vor allem auch eine zeitgemäße Interpretation der Landschaftsmalerei beinhalten, die einst einen relevanten Beitrag für die touristische Sehnsuchtsproduktion und in der Folge für die Erschließung der Alpen geleistet hat; ebenso die


Performancekunst, weil sowohl die mühevollen Alpenüberquerungen vor dem Bau der Straße als auch die landwirtschaftliche Arbeit in den Hochalmen, die touristische Erfahrung und selbst die Straßenpflege von einer Vielzahl an Ritualen und theatralen Spielanordnungen strukturiert werden; bildhauerische Arbeiten mit starkem Bezug zu den Materialien aus der Region, die an die lange Tradition in alpinen Bergtälern und an die bestehenden Skulpturenparks auf den Parkplätzen entlang dieser Straße anknüpfen; konzeptuelle Zugänge, die sich mit Mobilität auseinandersetzen; filmische Arbeiten, die den Naturlehr- und Bergfilm in die Gegenwart fortführen und die Vielzahl an inhaltlichen Zugängen zusammenfassen können. Die eingeladenen Künstler*innen sollten sich nicht gegen diese grandiose alpine Erlebnislandschaft stellen oder mit den vielen mobilen und stationären Objekten entlang der Straße in 35 einen Wettbewerb um Aufmerksamkeit treten, sondern sich vielmehr in diese existierenden Darstellungstechniken und Rituale integrieren. Um den Künstler*innen je nach Bedarf mehr Zeit für Recherchen vor Ort einzuräumen, wurden die Arbeiten in zeitlich aufeinanderfolgenden Etappen entwickelt. Sie wurden bewusst nicht an einem Ort konzentriert, sondern an unterschiedlichen Standorten entlang der Straße realisiert, sodass sie sich sukzessive zu einem weitläufigen Parcours fügten. Im ersten Sommer entstanden elf Gemälde und drei Skulpturen – insgesamt waren es 14 Gemälde, sieben Skulpturen und ein Container-Kino, die das hochalpine Fahr- und Naturerlebnis entlang der denkmalgeschützten Großglockner Hochalpenstraße kommentierten. Größere Arbeiten beim Kasereck auf Kärntner Seite und beim Haus Alpine Naturschau unter dem Fuscher Törl dienten als Markierung und Einstieg in das Projekt, die anderen reichten weit gestreut bis zum großen Parkplatz auf der KaiserFranz-Josefs-Höhe, der – so es das Wetter zulässt – den Blick auf den Gipfel des Großglockners und den schmelzenden Gletscher freigibt.


SERPENTINE ARTWORKS Temporary Art Interventions along the Grossglockner High Alpine Road

21 August 2020 to 3 November 2022

The title of this art project is an ironic appropriation: the melodic hard rock band “Serpentine” and “A Touch of Heaven”, the title of one of their songs. Here, as with this and other bands, the intensity of delivery is central when singing of the various pathways to heaven and hell. Serpentine is also rock which was buckled and forced upwards to form this grandiose alpine landscape by tectonic shifts. Above all, though, it describes the 36 hairpin bends of the Grossglockner High Alpine Road, which was originally built as a tourist attraction to showcase the landscape. The Grossglockner High Alpine Road and the meandering route offer mobile visitors almost overwhelming aesthetic sensations. In comparison to the enormous expanses, the highs and lows of the travelled and experienced spaces, artworks here – if they do not assume completely inappropriate, monumental 36 dimensions – would hardly be able to draw any notice. In the best-case scenario artists can direct our gaze to selected issues inherent in the specific history – political, technical, natural or cultural – of this tourist landscape experience and its transformations. These can be brought into sharper focus or interrogated anew: the obsession with the mastering of nature, the path as the goal, a test track and a pilgrimage route, the feelings of pleasure and mortal terror that surface in equal measure and the essential travelling companion, the vehicle, carrying members of the human species in great numbers and frequency across the peaks and valleys of a landscape of wild and domesticated animals, skirting the rising snowlines and melting glaciers – nature’s grandeur and fragility always in sight. To this end the curator sought out five artists (or teams) whose prior works had shown an interest in critical engagement with the (hi)stories of a specific place and who were prepared to employ art mediums and formats that conform to representational techniques already established in this touristic and alpine experiential environment. This selection had also to include a contemporary interpretation of the landscape painting genre which once played an essential role in feeding touristic yearnings and, as a consequence, the opening up of the alpine region. This also applies to performance art, not only because of the effort required to cross the Alps before the road was built, but also the agricultural work in the high alpine meadows, the tourist experience and even road maintenance are structured by a multiplicity of ritualistic and theatrical arrangements too. Similarly included are sculptural works with a strong link to regional materials that have a long tradition in the alpine mountain valleys and the existing


sculpture parks in the car parks along the road. Furthermore, conceptual approaches which engaged with mobility and filmic works that extended the genres of nature and mountain films into the present could bring numerous approaches together. The intention was that the invited artists should not be antithetical to the experience of the grandiose alpine landscape or the many mobile and stationary objects along the road in a competition for attention, but that they should integrate with the preexisting representational techniques and rituals. In order that the artists could maximise their time for on-site research the works were developed in stages. A conscious decision was made not to concentrate them at a single location but realise them gradually at various points along the road. They thus formed an extended parcours. During the first summer it was eleven paintings and three sculptures, in total fourteen paintings, seven sculp37 tures and a container cinema that offer commentary on the high alpine travel and nature experience along the protected Grossglockner High Alpine Road. Larger scale works at Kasereck (Carinthian side) and Haus Alpine below the Fuscher Törl served as both markers and the beginning of the project. The others were widely distributed as far as the large car park at Kaiser-Franz-Josefs-Höhe where a view of the Grossglockner and the melting glacier – weather permitting – was possible.


ANNA MEYER

Anna Meyer bezieht sich in ihren Gemälden auf eine feministische Kritik der männlich dominierten Landschaftsmalerei, die zuerst die touristische Erschließung der Bergwelt und in der Folge die Unterwerfung der Natur durch männliche Ingenieure nach sich zog. Beides stellt sich hinsichtlich der Großglockner Hochalpenstraße und der Tragik der Gletscherschmelze paradigmatisch dar. Die berühmten Landschaftsmaler des frühen 19. Jahrhunderts haben mit ihren idealisierten Darstellungen der Alpen maßgeblich dazu beigetragen, den vormaligen Angstraum in eine Must-see-Destination für den aufkommenden Bergtourismus zu verwandeln. Damals wurden diese wunderschönen Bilder in die Stadt getragen, um Städter*innen zu mobilisieren, die exotische Bergwelt aufzusuchen. Im Rahmen des Projektes bringt die Künstlerin Anna Meyer auf den ersten Blick ebenso schöne Bilder zurück in die Berg38 welt. Es sind diese jedoch keine preisgünstigen Poster oder etwa Reproduktionen von Gemälden, sondern Originalgemälde in Ölfarbe, die aufgrund ihrer Elastizität den Klimaschwankungen im Hochgebirge am ehesten trotzen konnten und ungeschützt im Freien aufgestellt wurden. Als Bildträger benutzt sie bestehende bewährte Strukturen für Panoramatafeln, Billboards und kleine Infopulte, wie sie seit Jahren für Naturlehrpfade an signifikanten Aussichtspunkten entlang der Großglockner Hochalpenstraße postiert wurden und werden. Dabei setzt Anna Meyer ihre Bilder so ein, dass sich der Blick auf den aktuellen Zustand der Landschaft mit den dystopischen Visionen auf ihren Bildern überlagert. Der Aspekt der Angst kehrt wieder in die Alpen zurück: Nicht mehr Dämonen lösen diese aus, sondern die Fahrt aufnehmenden Folgen der menschlichen Eingriffe in die Natur: „Wie der sensible Zahnschmelz ist der Gletscher am Schmelzen und zeigt schmerzhaft den Schmerz der Welt auf.“


WELTSCHMELZ

Unter Titeln wie „Me Too“ zeigt sie beispielsweise den Gletscher blutend, leidend, von Viren heimgesucht, in anderen Bildern bedrohen Schneekanonen wie entblößte männliche Genitalien die Natur, Straßenzüge reißen aufgrund von Bergrutschen ins Nirgendwo ab. In einem der großen Billboards in der Sichtachse zum Gipfel des Großglockners reproduziert sie exakt dieselbe Ansicht, die Markus Pernhart in seinem populären Glockner-Gemälde von 1860 darstellt und das heute als der „Canaletto-Blick“ der österreichischen Alpen gilt. Anna Meyer stellt den Berg jedoch als ein hoch technisiertes, reparaturbedürftiges „Sportgerät“ dar. Und am Parkplatz der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe, dem meistfrequentierten Aussichtspunkt der Erlebnisstraße, ergänzt sie die Infopulte an der Geländekante zum Gletscher um ein weiteres, auf dem sie den wohl bedeutendsten Landschaftsmaler der Frühromantik im deutschsprachigen Raum, Caspar David Friedrich, in seiner be39 kannten Manier als Rückenfigur in ihr eigenes Bild malt, sodass dieser hier – wie Tausende von Tourist*innen auch – dem Gletscher beim Schmelzen zuzusehen scheint.

Hildegund Amanshauser, Weltschmelz, in: KUNST.UND, 5. August 2021. https://www.kunstund.net/blog/weltschmelz

2 Ölgemälde auf Alu-Dibond, Billboards, 420 × 200 cm, Standorte: Auffahrt zur Edelweißspitze, Parkplatz Kasereck 1 Ölgemälde auf Alu-Dibond, Billboard, 240 × 189 cm, Standort: Berghütte Mesenaten, Kehre 20 12 Ölgemälde auf Alu-Dibond, Infopulte, 140 × 80 cm, 6 Standorte: zwischen Fuscher Törl und Kaiser-Franz-Josefs-Höhe

⟶ Biografie Anna Meyer S.115


ANNA MEYER

In her paintings Anna Meyer makes references to feminist critique of male-dominated landscape painting which once led to the opening of the alpine world to tourism and the subjugation of nature by male engineers that followed. Both are paradigmatically present in the Grossglockner High Alpine Road and the tragedy of the melting glacier. The idealistic depictions of the Alps by the famous landscape painters of the early nineteenth century made a significant contribution to turning what had been a fearful space into a must-see destination for growing mountain tourism. At the time these wonderful pictures were taken to the city to mobilise city dwellers to visit the exotic world of the mountains. As part of the project artist Anna Meyer also apparently brought back pictures of the mountains that were just as beautiful. These are neither affordable posters nor even reproductions of paintings but, rather, orig40 inal works in oils which, because of their elastic nature, are best suited to survive severe climatic changes in the high mountains, unprotected and exposed to the open air. As picture supports, she made use of the pre-existing and well-tested structures for panoramas, billboards and small information points that have been employed for years erected along the Grossglockner High Alpine Road on nature trails and at outlook points. Anna Meyer placed her pictures in such a way that the view of the present state of the landscape was overlaid with her dystopian visions. The aspect of fear had returned to the Alps, caused not by the threat of demons but the accelerating consequences of human intervention in nature: “the glacier is melting like sensitive tooth enamel and painfully reveals the pain of the world”.


(WELTSCHMELZ)

With titles such as Me Too she shows the glacier bleeding, suffering, attacked by viruses. In other pictures snow canons like exposed male genitals threaten nature, occasioned by mudslides, sections of road slip into nothingness. On one of the large billboards with the peak of the Grossglockner in the line of sight, she reproduced the exact view of the Glockner that Markus Pernhart depicted in 1860 and which, even today, is considered the “Canaletto view” of the Austrian Alps. Anna Meyer, however, depicts the mountain as a high-tech piece of sports equipment in need of maintenance. And in the car park at KaiserFranz-Josefs-Höhe, the most frequented outlook point of the whole road, she supplemented the info desks on the rim overlooking the glacier with another in which she painted – in the manner of Caspar David Friedrich, probably the most famous Early Romantic landscape painter in the German-speaking world – a figure viewed from behind who, along with thousands of tourists, appears to be watching the glacier 41 melt too.

Hildegund Amanshauser, “Weltschmelz”, kunstund.net, 5 August 2021, https://www.kunstund.net/blog/weltschmelz.

2 oil paintings on Dibond aluminium sheets, billboards, 420 × 200 cm, locations: access to Edelweissspitz, Kasereck car park 1 oil painting on Dibond aluminium sheet, billboard, 240 × 189 cm, location: Mesenaten Hut, Turn 20 12 oil paintings on Dibond aluminium sheets, information stands, 140 × 80 cm, 6 locations: between Fuscher Törl and Kaiser-Franz-Josefs-Höhe

⟶ Biography Anna Meyer p.115


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Anna Meyer, „Der weiße Rest“, 2020, Ölgemälde auf Alu-Dibond, Billboard / oil painting on Dibond aluminium sheet, billboard, 420 × 200 cm, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Galerie Krobath


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Anna Meyer, „Operation am offenen Gletscher“, 2021, Ölgemälde auf Alu-Dibond, Billboard / oil painting on Dibond aluminium sheet, billboard, 420 × 200 cm, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Galerie Krobath

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Anna Meyer, „Planetoo“, 2020, Ölgemälde auf Alu-Dibond, Billboard / oil painting on Dibond aluminium sheet, billboard, 240 × 189 cm, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Galerie Krobath


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Anna Meyer, „Klimakinder“, Ölgemälde auf AluDibond, Infopult / oil painting on Dibond aluminium sheet, information stand, 140 × 80 cm, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Galerie Krobath


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Anna Meyer, „Ich kann beim schlechtesten Willen“, Ölgemälde auf Alu-Dibond, Infopult / oil painting on Dibond aluminium sheet, information stand, 140 × 80 cm, Foto / photo: Anna Meyer, Courtesy Galerie Krobath


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Anna Meyer, „Hothouse“, Ölgemälde auf AluDibond, Infopult / oil painting on Dibond aluminium sheet, information stand, 140 × 80 cm, Foto / photo: Anna Meyer, Courtesy Galerie Krobath


RALO MAYER

Die Großglockner Hochalpenstraße war und ist eine Teststrecke für das automobile Er-Fahren des Verhältnisses von Natur und Gesellschaft, wo das Selbstbild der Nation, ihre politische Geschichte vom Austrofaschismus über die Nachkriegsidentitätsfindung bis zu den Folgen der globalen Erwärmung erprobt und vorgeführt werden. Hier performen auch zeitgenössische Prototypen: In Entwicklung befindliche Testfahrzeuge zukünftiger Serienmodelle von namhaften Automobilkonzernen wurden und werden in den Extremsituationen der Großglockner Hochalpenstraße auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft. Seit den 1950er-Jahren werden solche Testfahrzeuge „Erlkönige“ genannt – nach der Ballade von Johann Wolfgang von Goethe, die mit der Frage beginnt: „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?“ Die 50 Erlkönige tragen in der Regel eine spezielle Tarnung, die die Fahrzeuge nicht in Unsichtbarkeit verstecken, sondern – ganz im Gegenteil – in aller Auffälligkeit zeigen: Dabei dient eine meist vollflächig aufgeklebte Folie mit einem signifikanten grafischen „Dazzle-Muster“ als Ablenkungsmanöver, das die konkreten Konturen der Fahrzeuge verschwimmen und ihre Spezifika – für die Konkurrenz – unkenntlich bleiben lässt. Dieses Prinzip der „Disruptive Pattern“ – ursprünglich Ende des Ersten Weltkriegs zur Tarnung von Kriegsschiffen entwickelt – erschien dem Künstler als perfekter Kommentar zur Inszenierung des Kampfes und der Versöhnung von Natur und Technik, auf die der Erfolg dieser ErlebnisStraße aufbaut.

NATURKULTURENTEILELAGER (WER REITET SO SPÄT DURCH …)

Im ersten Projektjahr stellte Ralo Mayer an unterschiedlichen Halteplätzen entlang der Straße Transport- und Lagergerüste auf, die mit folierten Ersatzteilen von Autokarosserien bestückt sind, als könnten sich die die Straße auf und ab rasenden Testfahrzeuge im Schadensfall jederzeit Ersatz abholen. Ralo Mayers Dazzle-Muster folgen exakt dem Prinzip der Disruptive Pattern, sie bestehen jedoch nicht aus rein geometrischen markanten Formen, sondern aus sich wiederholenden figurativen Bildern und Bildfragmenten, die er entlang der Straße und in den vielen


NATURKULTURENTEILELAGER NATURKULTURENROTATIONSFRÄSE Info-Ausstellungen über die Geschichte der Straße am Berg vorgefunden hatte, wie beispielsweise die Muster der historischen Pflastersteine, von Sklavenketten mit Halsschellen, Fotos von Eröffnungsfeiern, Straßenzügen, dem Kruckenkreuz des Ständestaates usw., die er grafisch freistellt, multipliziert, collagiert und auf die Karosserieteile foliert.

NATURKULTURENROTATIONSFRÄSE

Im zweiten Projektjahr wendet Ralo Mayer dasselbe Prinzip dann bei einer der blau lackierten Rotationsschneefräsen „System Wallack“ an, die vom Erbauer der Straße, Ing. Franz Wallack, selbst entwickelt und 1953/54 in Betrieb genommen wurden. Sechs dieser Exemplare werden von der Straßenverwaltung 51 stolz an markanten Stellen entlang der Straße zur Schau gestellt – jederzeit bereit und einsatzfähig. Diese 15 Tonnen schweren Schneefräsen stellen demnach in idealtypischer Weise ‚Prototypen‘ dar. Wie die Straße wurden sie als Denkmäler für die hier verortete Geschichte der Naturbeherrschung durch Technik auch tatsächlich unter Denkmalschutz gestellt. Der „Eisbändiger“, so der Name des vom Künstler folierten Fahrzeuges, wurde durch die Folierung zu einem monumentalen Erlkönig, der weitere vom Künstler ausgewählte Geschichtsfragmente in seinem grafischen Muster trägt. Trotz anfänglicher Skepsis seitens der Straßenmeisterei entwickelte sich der folierte Eisbändiger dann zu einem beliebten Selfie-Fotomotiv – auch für die Testfahrer der echten Erlkönige. Im Frühsommer 2022 durfte die folierte Fräse schließlich auch beim Schneeräumen mitarbeiten – ein Ritterschlag an Akzeptanz.

1 Stapelpalette mit 9 Autoteilen, bedruckte Klebefolie, Standort: Gletscherstraße, Parkplatz Stauseeblick 2 Stapelpaletten mit 12 Autoteilen, bedruckte Klebefolie, Standort: Parkplatz Fuschertörl 1 1 Schneefräse System Wallack, bedruckte Klebefolie, Standort: Oberes Naßfeld, Kehre 12

⟶ Biografie Ralo Mayer S.114


RALO MAYER

The Grossglockner High Alpine Road was and is a test track for the automotive experience of the relationship of nature and society in which the nation’s self-image, its political history from Austro-fascism to the post-World War II search for an identity, on up to the consequences of global warming are tested and presented. Here, too, contemporary prototypes “perform”. Test vehicles of notable car manufacturing companies, future serial production models, have been and are tested for their suitability for everyday use in the extreme situations provided by the Grossglockner High Alpine Road. Since the 1950s these test vehicles have been called “Erlkönige” (Erl kings) from the ballad by Johann Wolfgang von Goethe that begins “Who rides so late through night and rain?” As a rule, the “Erlkönige” wear a special form of camouflage that is not, however, intended to make them invisible. Quite the opposite, they are extremely striking with an overall adhesive film exhibiting distinct dazzling patterns which serves as a visual diversion by blurring the contours of the vehicle and its specific details and rendering it unrecognisable for the competition. This principle of disruptive patterns, originally developed towards the end the First 52 World War to camouflage warships, seemed to the artist to be a perfect commentary on the conflict and reconciliation of nature and technology on which the success of the road was built.

1 stacking pallet with 9 car parts, printed adhesive film, location: Gletscherstrasse, Stauseeblick car park 2 stacking pallets with 12 car parts, printed adhesive film, location: Fuscher Törl 1 car park 1 Wallack rotary snowplough, printed adhesive film, location: Oberes Nassfeld, Turn 12


(NATURKULTURENTEILELAGER) (NATURKULTURENROTATIONSFRÄSE)

(NATURKULTURENTEILELAGER)

In the first year of the project Ralo Mayer erected transport or storage racks at various car parks along the road. They contained spare car body parts covered in adhesive film as if any test vehicle racing up and down the road could make use of them in the event of damage. Ralo Mayer’s dazzle patterns follow the exact same principles as disruptive patterns but are not based on their distinctive pure geometry but from repeating figurative pictures and picture fragments which he discovered along the street and in the many information exhibitions about the history of the road on the mountain itself. Examples are the pattern of the historical cobblestones, slave chains with throat collars, photos of the opening ceremony, sections of road, the crutch cross of the corporate state from 1933 to 1938, etc. He removed the background from these, made multiples, collaged them and applied them to the automotive spares as adhesive film.

(NATURKULTURENROTATIONSFRÄSE)

Ralo Mayer used the same principle for a project 53 in the second year but applied it to one of the rotary snowploughs which was painted blue. It used the Wallack system, designed by Franz Friedrich Wallack, the engineer responsible for building the road, and entered service in 1953/54. The road administrators proudly displayed six of these at prominent places along the road – always ready for use. These fifteen-ton snowploughs represent the ideal of a typical prototype and, like the road itself, they are in fact also protected as monuments to the history of mastering nature by technology as mentioned above. The adhesive film applied by the artist to the “Ice Tamer” – the name of the vehicle – turned it into a monumental Erl king that exhibited further artist-selected fragments of history in its graphic livery. Despite initial scepticism on the part of the road maintenance department, the new version of the Ice Tamer developed into one of the most popular selfie photo subjects for a public that also included the test drivers of the real Erl kings. In the early summer of 2022, the film-covered plough was used to clear snow – a high accolade of acceptance.

⟶ Biography Ralo Mayer p.114


Ralo Mayer, „Naturkulturenteilelager (wer reitet so spät durch …)“, 2020, folierte gebrauchte Autoteile, Stapelpaletten, variable Masse / foilwrapped used car parts, stacking pallets, variable dimensions, Fotos / photos: Wolfgang Thaler, Courtesy Bildrecht

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Ralo Mayer, „Naturkulturenrotationsfräse“, 2021, Schneefräse System Wallack von 1954, bedruckte Klebefolie / Wallack rotary snowplough system from 1954, printed adhesive film, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Bildrecht


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Ralo Mayer, „Naturkulturenrotationsfräse“, 2021, Schneefräse System Wallack von 1954, bedruckte Klebefolie / Wallack rotary snowplough system from 1954, printed adhesive film, Fotos / photos: Ralo Mayer, 2021, Courtesy Bildrecht

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Ralo Mayer, Making-of, 2021–2022, Sammlung von Autokarosserie-Ersatzteilen und Antransport der Schneefräse unter Beobachtung eines Erlkönig-Fahrers / collection of car body spare parts and transport of the rotary snowplough under the observation of an Erl-king driver, Fotos / photos: Ben Pointeker und / and Michael Zinganel, Courtesy Bildrecht


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THOMAS HÖRL & PETER KOZEK MIT VICTOR JASCHKE Die Filminstallation „Lichthöhe“ erkundet die Schichten eines architektonisch-tektonischen Gesamtgebildes, in dem sich Erd- und Menschheitsgeschichte, Ehrfurcht und Konsum, Tradition und Ausnahmezustand überlagern. Für die Dreharbeiten nutzten Thomas Hörl, Peter Kozek und der Kameramann Victor Jaschke das Privileg, während des ersten Sommers mit ihrer Filmcrew mehrere Tage und Nächte in einer Hütte auf 2.400 Meter Seehöhe verbringen zu können. Das ermöglichte ihnen, diese tagsüber von Tourist*innen überlaufene Bergwelt morgens, abends und nachts ganz für sich allein zu nutzen und die dann umso bezauberndere Landschaft mit performativen und filmischen Mitteln neu zu ‚vermessen‘: So schreiben sie sich in historische und aktuelle Rituale ein, entnehmen Skripts, Gestalten 62 und Ausstattung der Geschichte des historischen Saumpfades ebenso wie aus der Gegenwart der Straßenpflege und Schneeräumung. „Das Leben am Berg, das in vielfacher Weise schon stattgefunden hat, wird in einer künstlerischen Sprache gedoubelt, indem Schauspieler*innen und Requisiten uns vorführen, was wir andernfalls so nie sehen können.“ (Neuburger 2022) Die erste Fiktion ist die Nacht, denn die Nachtaufnahmen sind hier im Schnittprogramm durch Masken technisch erzeugt: Die extreme Tiefenschärfe und die brillant hohe Bildauflösung der speziellen Aufnahmetechnik lassen die Vielfalt der sich im Film herumtreibenden Menschen, Tiere und Dinge vor der abgedunkelten, nur in Grauwerten dargestellten Kulisse der Landschaft noch entrückter erscheinen.

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LICHTHÖHE

Das Farbspektrum der hochalpinen Flechten bildet dabei die Vorlage für die grellen Neonfarben der Masken, Kostüme und Props. Alles ist in Bewegung – in ineinander übergehenden Episoden folgen Handlungsfragmente an unterschiedlichen Drehorten von der Halbtotale auf Nahe wechselnd: Von der erotisiert dargestellten Begegnung zweier Schneefräsen über Figuren in Krinolinen, die dem Sturm trotzen, Partisan*innen, die am Straßenrand lauern, Fledermäuse im Straßentunnel, Pferde in der spiralförmigen Rampe des Parkhauses bis zur Schlussszene, als sich im nackten Rücken eines der Protagonisten die Muster der Pflastersteine der Straße abdrücken. Mit Verweis auf die „russischen Wanderkinos der Revolutionszeit“ (Neuburger 2022) wurde mit Beginn des zweiten Projektjahres unmittelbar neben dem Dr.-Wilfried-Haslauer-Haus (auch Haus Alpine 63 Naturschau) unter dem Fuscher Törl auf der Salzburger Seite ein Übersee-Container als Kino eingerichtet, in dem dieser Film nonstop im Loop lief. Knapp an eine dramatische Geländekante gestellt, mit Weitblick auf die Bergwelt und auf die durch sie mäandernde Straße, werden hier die traumartigen Bilder der touristischen Realität gegenübergestellt. Zwischen inszenierter Natur und Ingenieurskunst entsteht so ein Raum der ästhetischen Erfahrung, in dem Vertrautes fremd und Fremdes vertraut wird.

Susanne Neuburger, Andere Impressionen vom Großglockner, in: KUNST.UND, 8. April 2022. https://www.kunstund.net/blog/andereimpressionen-vom-groglockner

Thomas Hörl & Peter Kozek mit Victor Jaschke, „Lichthöhe“, 2021, Film, Farbe, Ton, verschiedene Fotofilmtechniken, 30-Minuten-Loop, Standort: Haus Alpine Naturschau, Oberes Nassfeld, Kehre 12

⟶ Biografien Thomas Hörl & Peter Kozek mit Victor Jaschke S.113


THOMAS HÖRL & PETER KOZEK with VICTOR JASCHKE

The film installation, Lichthöhe, the title refers to both the terms of light and clear height, explores the layers of an architectonic-tectonic entirety in which the history of the earth and humans, awe and consumerism, tradition and state of emergency are superimposed. To shoot the film, Thomas Hörl, Peter Kozek and cameraman Victor Jaschke made use of the privilege of being able to spend a number of days and nights of the first summer with their film crew in a cabin at 2,400 metres above sea level. That made it possible for them to have the mornings, evenings and nights to themselves since during the day the mountain is overrun by tourists. They were thus able to “re-survey” this enchanting landscape using performative and filmic means. They inscribed themselves into historical and contemporary rituals through 64 performance, deriving scripts, design and props from the ancient historical routes as well as from current road maintenance and snow clearing. “Life on the mountain, which has taken on many different forms, is presented to us in an art language whereby actors and props act as doubles to show us what we would otherwise never see in this form.” (Neuburger 2022) The first fiction here is the night because the night shots were made in the editing programme with masks. The extreme depth of field and the brilliant high-definition images of the special film equipment make the diverse people, animals and things that wander around against a darkened background of landscape scenery in black and white all the more mysterious.

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(LICHTHÖHE)

The colour spectrum of the high alpine lichens provided a model for the lurid neon colours of the masks, costumes and props. Everything is in motion – episodes that flow into one another follow fragments of action shot at different locations. They switch from medium shots to close ups, from the erotically depicted encounter of two snowploughs as figures in crinolines who defy the storm, partisans lying in wait at the edge of the road, bats in a tunnel and horses on the spiralling ramp of a car park and a closing scene where the pattern of cobblestones from the road is printed on the naked back of one of the protagonists. With an allusion to the “Russian travelling cinema at the time of the revolution” (Neuburger 2022) an international transport container was installed at the beginning of the second year of the project in the 65 immediate vicinity of the Alpine House Nature Show beneath the Fuscher Törl on the Salzburger side and functioned as a cinema. The film played here in a non-stop loop. In it, these dream-like images, which are shown very close to the edge of a drop with a panoramic view of the mountain world and the road meandering through it, are juxtaposed with tourist reality. Between staged nature and the art of the engineer a space of aesthetic experience is created in which the familiar becomes foreign and the foreign familiar.

Susanne Neuburger, “Andere Impressionen vom Großglockner”, kunstund.net, 8 April 2022, https://www.kunstund.net/blog/ andere-impressionen-vom-groglockner.

Thomas Hörl & Peter Kozek with Victor Jaschke, Lichthöhe, 2021, Film, colour, sound, various photo film techniques, 30-minute loop, Location: Museum Alpine Naturschau, Oberes Nassfeld, Turn 12

⟶ Biographies Thomas Hörl & Peter Kozek with Victor Jaschke p.113


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Thomas Hörl & Peter Kozek mit / with Victor Jaschke, „Lichthöhe“, 2021, Filmstandbild / film still, Foto / photo: Victor Jaschke, 2021, Courtesy Bildrecht


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CREDITS: Konzept, Buch und Regie / Concept, screenplay and direction: Thomas Hörl, Peter Kozek Kamera, Licht, Feld- und Bildregie / Camera, lighting, field and image direction: Victor Jaschke Zweite Kamera, Licht Assistenz und Set Fotografie / Second camera, lighting assistance and set photography: Francesca Centonze Field recording: Victoria Ferreri, Thomas Hörl Set Design, Kostüm und Make-up / Set design, costumes and make-up: Thomas Hörl, Peter Kozek

Rekonstruktion / Reconstruction of the Thirring-Mantel: George Rusalin Set Design Assistenz / Set design assistance: Vito Baumüller Produktion Assistenz / Production assistance: Victoria Ferreri Schnitt, Postproduktion / Editing, post-production: Victor Jaschke Musik, Komposition und Sound Design / Music, composition and sound design: Alexander Martinz

Performer*innen / Performers: Vito Baumüller, Francesca Centonze, Victoria Ferreri, Flame, Gisli, Christina Gruber, Thomas Hörl, Victor Jaschke, Peter Kozek Vertrieb / Distribution: sixpackfilm Besonderer Dank an / Special thanks to: Christina Gruber / Reitsportarena Hohe Tauern, Petra Klocker, Elfriede Dorner, Franz-Josef Auernig, Hubert Sauper, Peter Embacher, Bernhard Tschofen u.v.m. / and many others


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Thomas Hörl & Peter Kozek mit / with Victor Jaschke, „Lichthöhe“, 2021, Filmstandbild / film still, Foto / photo: Victor Jaschke, 2021, Courtesy Bildrecht


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Thomas Hörl & Peter Kozek mit / with Victor Jaschke, „Lichthöhe“, 2021, Filmstandbild / film still, Foto / photo: Victor Jaschke, 2021, Courtesy Bildrecht


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Peter Kozek, „Lichthöhe“, 2020, Skizzenbuch / sketchbook, Courtesy Bildrecht

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Thomas Hörl, „Autozeichnung“, 2020, Skizzenbuch / sketchbook, Courtesy Bildrecht


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Container Kino für die Präsentation des Films „Lichthöhe“ / Container cinema for the presentation of the film „Lichthöhe“, Foto / photo: Michael Zinganel, 2021


IRIS ANDRASCHEK & HUBERT LOBNIG Der Titel des Gesamtprojekts spielt auf eine vergangene Zeit an, in der den Menschen das Bauen und Befahren von Straßen und die Bezwingung und Unterwerfung der Natur einen grenzenlosen – noch von kaum jemandem infrage gestellten – Zuwachs an Vergnügen bescherte. Dieses touristische Projekt – so argumentiert das Künstler*innenpaar – würde jedoch immer noch vorrangig suggerieren, dass die Menschen hier in ihren Autos an „unberührter Natur“ vorbeigeführt werden und die Aussicht auf Berge, Pflanzen und Tiere bewundern können, die positiv gewendete Geschichte der Straße rezipieren oder die Vorzüge der alpinen Küche kennenlernen, ohne ihre eigene Rolle als Tourist*innen und die Konsequenzen ihrer Teilhabe am Massentourismus und anderen Aspekten des globalisierten Kapitalismus mitbedenken zu müssen. Andraschek & Lobnig platzieren mehrere Fahrzeuge entlang der Straße, 74 die durch den jeweils ausgewählten Standort, den Charakter der Autotypen und deren künstlerische Gestaltung eine leichte Verschiebung von Realitäten und damit Einblicke in andere akute Probleme der Welt eröffnen:

POST NATURE

Neben dem Haus Alpine Naturschau im Nassfeld unter dem Fuscher Törl wurde ein Jeep Grand Cherokee, wegen seiner Geländetauglichkeit ein beliebtes Fahrzeug für Förster*innen und Jäger*innen, in eine experimentelle Außenstelle der benachbarten Naturforschungsstation verwandelt: Sein Innenraum wird zu einem Diorama aus Felsen und präparierten Murmeltieren und das Dach zu einer Galerie für Alpenpflanzen, die allesamt in Großstädten im Tal gekauft und durch die künstlerische Intervention in die hochalpine Bergwelt, der sie einst entnommen wurden, zurückgeführt werden.


EIN RIESIGES VERGNÜGEN NOMAD

Neben dem Restaurant Fuschertörl wird ein älterer Peugeot 807 Van mit sieben Sitzen abgestellt, ein klassisches (Groß-)Familienfahrzeug, das hier über und über mit orientalischen Knüpf- und Webteppichen behängt wurde, die auf die mühsamen Alpenüberquerungen entlang historischer Güterwege, auf den Transport von Kulturgütern, aber auch auf liebevoll beladene Familienautos verweisen, die das Hab und Gut aus Ländern des globalen Südens nach Norden tragen. Obgleich das solcherart gestaltete Automobil während der Stoßzeiten von vielen anderen Autos umschlossen war, konnte es seinen „Exotismus“ behaupten und von vielen Besucher*innen auch als mobiler Marktstand, auf dem Teppiche zum Verkauf angeboten werden, gelesen werden. 75

FROST

In einer Kurve beim Schöneck, vor einer alten Mautstation, die zur Erinnerung an die Geschichte der Straße auf diesen vormaligen Aussichtsparkplatz versetzt wurde, wird ein Porsche Cayenne geparkt, ein großer SUV, der nicht gerade für Zurückhaltung und Bescheidenheit steht, insbesondere nicht in seiner goldfarbenen Folierung. Um zusätzlich Aufmerksamkeit zu gewinnen, sticht er gefährlich nahe in die Fahrbahn, als würde er gerade losfahren wollen und zwingt bergab fahrende Fahrzeuge zum Bremsen. Der künstlerische Bruch erschloss sich jedoch nur denen, die vom Gletscher kommend tatsächlich hier anhalten: Denn während das Eis des Gletschers augenscheinlich für alle schmilzt, wurde der Innenraum des SUV mit echtem Schnee angefüllt und mittels eingebauter Gefrieraggregate in eine dauerhafte künstliche Eishöhle verwandelt.

Jeep Grand Cherokee, Murmeltiere, Dachgalerie, Alpenpflanzen, Standort: Parkplatz Museum Alpine Naturschau, Oberes Nassfeld, Kehre 12 Peugeot 807 Gebrauchtwagen, Knüpf- und Webteppiche, Standort: Parkplatz Fuschertörl 1 Porsche Cheyenne SUV, Gefrieraggregate, (Kunst-)Schnee, Standort: Parkplatz Rasthaus Schöneck

⟶ Biografien Iris Andraschek & Hubert Lobnig S.112


IRIS ANDRASCHEK & HUBERT LOBNIG

The title of the whole project refers to a time in the past when, for humans, the construction of, and travelling on roads, the domination and subjection of nature – which almost no-one questioned at the time – conferred an unlimited increase in pleasure. This tourism project, argue the artist duo, still suggests that in principle people drive through “untouched nature” and admire the views of mountains, plants and animals, enjoy the positively connoted history of the road or get to know the qualities of alpine cuisine without having to consider their role as tourists and the consequences of their participation in mass tourism or other aspects of globalised capital. Andraschek & Lobnig situated a number of vehicles at selected sites along the road whereby the character of the vehicle type and the artistic modifications caused a slight shift in reality and offered insight into acute problems in the world. 76 POST NATURE

A Grand Cherokee Jeep – a favourite vehicle with foresters and hunters because of its off-road capabilities –was placed near the Alpine House Nature Show in Nassfeld beneath the Fuscher Törl and transformed into an annex of the nearby natural science research station: its interior became a diorama of rocks and stuffed groundhogs while the roof became an alpine garden with plants that had been purchased in the valley and through the artists’ intervention were returned to the mountain environment from which they had been originally removed.


(A GREAT PLEASURE)

NOMAD

An old Peugeot 807 seven-seater van, a classic (large) family vehicle, was positioned next to the Fuschertörl Restaurant and heaped with oriental pile and woven rugs. These were allusions to how once they had been transported over the Alps along historical trade routes with great effort as well as to the transport of cultural goods from the global south to the north. Even though at busy times the reconfigured vehicles like this were surrounded by numerous other cars and vans, its “exoticism” still stood out and was read by many visitors as a mobile market stand offering rugs.

FROST

A Porsche Cayenne was parked on a curve at Schöneck, in front of an old toll booth that had 77 been relocated to this former outlook point car park as a reminder of the historical road. A large SUV, it is not noted for its unassuming modesty or lack of pretentiousness, especially here, as displayed with a gold film livery. In order to draw further attention, it was situated dangerously close to the road to look as if it was about to start off. This forced downhill drivers to brake. The artistic fracture, however, could only really be appreciated when vehicles coming from the glacier actually stopped. While the glacier ice melt was obvious to all, the interior of the SUV was filled with real snow which had transformed it into a stable, artificial ice cave with the help of an in-built refrigeration unit.

Jeep Grand Cherokee, marmots, roof gallery, alpine plants, location: car park Museum Alpine Naturschau, Oberes Nassfeld, Turn 12 Peugeot 807, knotted and woven carpets, rivets, location: car park Fuscher Törl 1 Porsche Cheyenne SUV, freezing units, (artificial) snow, location: car park Rasthaus Schöneck

⟶ Biographies Iris Andraschek & Hubert Lobnig p.112


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Hubert Lobnig & Iris Andraschek, „Post Nature“, 2020, Jeep Grand Cherokee, Murmeltiere, Dachgalerie, Alpenpflanzen / Jeep Grand Cherokee, marmots, roof gallery, alpine plants, Fotos / photos: Hubert Lobnig, Courtesy Bildrecht


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Hubert Lobnig & Iris Andraschek, „Nomad“, 2020, Peugeot 807 Gebrauchtwagen, Knüpf- und Webteppiche, Nieten / Peugeot 807 used car, knotted and woven carpets, rivets, Fotos / photos: Hubert Lobnig, Courtesy Bildrecht

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Hubert Lobnig & Iris Andraschek, „Frost“, 2021, Goldener Porsche Cheyenne SUV, Gefrieraggregate, (Kunst-) Schnee / Golden Porsche Cheyenne SUV, freezing units, (artificial) snow, Fotos / photos: Wolfgang Thaler und / and Hubert Lobnig, Courtesy Bildrecht


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Hubert Lobnig & Iris Andraschek, „Ein riesiges Vergnügen“, 2020–2021, Making of: Suche nach Murmeltieren und Auswahl von Teppichen in Tallage, Auffüllen des Porsche Cheyenne mit echtem Schnee / Making of: Searching for marmots and choosing carpets in the valley, filling the Porsche Cheyenne with real snow, Fotos / photos: Hubert Lobnig, Courtesy Bildrecht

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HANNES ZEBEDIN Hannes Zebedin thematisiert die topografische Grenze zwischen der (menschlich) organisierten, landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft entlang der Großglockner Hochalpenstraße und der unkontrollierbaren Naturlandschaft in den hochalpinen Zonen über ihr. Wie die Schneegrenze erkennt er diese als dynamisch in stetiger Bewegung. Zu ihrer Markierung zog Hannes Zebedin – als Gedankenmodell – eine horizontale rote Linie durch die Landschaft, um die sich seine Interventionen in drei Stufen in den drei Sommersaisonen der Projektlaufzeit entwickeln sollten: Sein ursprüngliches Konzept bestand darin, im ersten Projektjahr diese imaginierte Linie von rot eingefärbten Schafen einer hier frei laufenden Herde „umspielen“ zu lassen, im zweiten Jahr mit deren Wolle weiterzuarbeiten und im dritten Projektjahr beide Teilprojekte in Frag86 menten von Lawinenverbauungen zusammenzuführen, die für ihn die signifikantesten Markierungen dieser topografischen Grenze im Realen darstellen – und eine Schutzmaßnahme für Tourist*innen und Nutztiere gleichermaßen.


INSEL DER SELIGEN Der Vorschlag, die Schafe einzufärben, scheiterte jedoch an den Bedenken der Betreibergesellschaft wegen der fehlenden Rechtssicherheit aufgrund eines plötzlich und unerwartet zurückgezogenen Tierschutzgutachtens. Hannes Zebedin sah sich gezwungen, sich auf nur eine einzige Arbeit einzuschränken. Gleichzeitig verschob sich durch die – parallel zur Projektentwicklung eintretenden – Reiserestriktionen während der Corona-Krise deren inhaltlicher Schwerpunkt: So errichtete er im zweiten Sommer unter dem Titel „Insel der Seligen“ zwei großformatige begehbare Raumskulpturen, die – wie in der dritten Projektstufe geplant – Material, Form und Funktion der Lawinenverbauungen zitieren. Hannes Zebedin steckt damit jeweils zwei kreisrunde Territorien ab. Einmal neigen sich die runden Holzstämme, die in die Erde gerammt wurden, alle nach innen, das andere Mal neigen sich alle nach außen und 87 erzeugen so unterschiedliche Raumwirkungen: Sie öffnen den Raum zum Himmel oder deuten eine Überdachung an. Damit verweisen sie auf die doppeldeutige Funktion von Schutz und Abwehr bzw. den Ein- und Ausschluss durch Grenzen, die Hannes Zebedin nun nicht nur auf die Berglandschaft vor Ort, sondern auch auf die politischen Grenzen der Nation ausgeweitet sieht. Darüber hinaus zeigt der gewählte Aufstellungsort auf eine weitere Widersprüchlichkeit von domestiziertem Naturraum und intensiver touristischer Nutzung: In dieser Senke bildete sich um die Troglacke eine Art Hochmoor, das jedoch zum Teil mit Schotter aufgeschüttet wurde, um befestigten Grund für einen großen Parkplatz und eine Skiliftstation zu gewinnen.

Zwei kreisförmige Territorien, je 19 Rundhölzer, Durchmesser ca. 5 m, Höhe 2,30 m, Standort: Skilift-Parkplatz Troglacke unter dem Wallackhaus

⟶ Biografie Hannes Zebedin S.116


HANNES ZEBEDIN

Hannes Zebedin thematised the topographic border between (humanly) organised agricultural land use along the Grossglockner High Alpine Road and the uncontrollable natural landscape of the high alpine zones above it. Like the snowline, he recognises it as dynamic, always in motion. To mark it, Hannes Zebedin drew a horizontal red line through the landscape – as a thought experiment – around which his intervention was to develop in three stages over the three summer seasons of the project’s duration. His original concept foresaw that in the first year a herd of sheep whose fleeces had been dyed red would play freely around the red line; in the second year he would work with their wool and in the third year of the project he would bring both parts together 88 in fragments of avalanche barriers which, for him, depict the most significant markers of this topographic border in real life – a protective measure for tourists and animals alike.


(ISLAND OF THE BLESSED)

The proposal to dye the sheep foundered, however, on the operating company’s reservations based on lack of legal certainty brought about by the sudden and unexpected withdrawal of an animal protection expertise. Hannes Zebedin felt forced to focus on a single work and, simultaneously, the substantive centre of gravity shifted during the development of the project because of the COVID crisis and its restrictive regulations on travel. So in the second summer, he constructed two large-format, walk-in sculptures with the title Island of the Blessed which alluded to the material, form and function of the avalanche barriers as he had originally planned for the third stage of his project. Hannes Zebedin enclosed two circular areas using tree trunks pounded into the ground. In one case they all sloped towards the interior and 89 the other to the exterior thereby creating different special feelings, either opening the space to the heavens, or alluding to a roof. They also indicated the ambiguity of protection and defence, the inclusion and exclusion of borders that Hannes Zebedin considers to be not only applicable to the mountainous landscape that surrounded them but, by extension, to the political borders of the nation too. Furthermore, the chosen exhibition site points up another contradiction between domesticated natural areas and intense tourist use: in this topographical depression a kind of high alpine moor has formed around Trog Lake which has been partially filled in with gravel to create a solid base for a large car park servicing a ski lift station.

Two circular territories, 19 pcs. round wood each, diameter approx. 5 m, height 2.3 m, location: Troglacke ski lift car park below the Wallackhaus

⟶ Biography Hannes Zebedin p.116


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Hannes Zebedin, „Rot“ (Red), 2020, Fotocollage für nicht realisierten Projektvorschlag, eingefärbte Schafe und Lawinenverbauungen / photo collage for an unrealized project proposal, dyed sheep and avalanche barriers, Courtesy Bildrecht


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Hannes Zebedin, „Rot“ (Red), 2020, Fotocollagen für nicht realisierten Projektvorschlag, eingefärbte Schafe und Lawinenverbauungen / photo collages for an unrealized project proposal, dyed sheep and avalanche barriers, Courtesy Bildrecht


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Hannes Zebedin, „Insel der Seligen“ (Island of the Blessed), 2021, zwei kreisförmige Territorien, Rundholz entrindet, Durchmesser ca. 5 m, Höhe 2,30 m / two circular territories, debarked round wood, diameter approx. 5 m, height 2.3 m, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Bildrecht


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Hannes Zebedin, „Insel der Seligen“ (Island of the Blessed), 2021, zwei kreisförmige Territorien, Rundholz entrindet, Durchmesser ca. 5 m, Höhe 2,30 m / two circular territories, debarked round wood, diameter approx. 5 m, height 2.3 m, Foto / photo: Wolfgang Thaler, Courtesy Bildrecht


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SERPENTINE AUSSENSTELLE

MUSEUM MODERNER KUNST KÄRNTEN

11. Juni bis 29. August 2021

Parallel zu dem mehrjährig angelegten künstlerischen Projekt im öffentlichen, hochalpinen touristischen Raum fungierte die Außenstelle im Museum Moderner Kunst Kärnten in Klagenfurt im Sommer 2021 als Basisstation zur Bewerbung des Projektes entlang der Großglockner Hochalpenstraße sowie als kunsthistorische Kontextualisierung und als Safe Space, in dem die Künstler*innen filigranere Bilder, Skulpturen und Installationen vorstellen konnten, die der extremen Witterung am Berg nicht standgehalten hätten – oder die erst parallel zur Arbeit am Berg durch die Inspiration vor Ort und im Museum entstanden sind. Die Wahl des Museums als Außenstelle liegt darin begründet, dass sich eine Version des berühmten Glockner-Gemäldes des 98 Kärntner Biedermeier-Malers Markus Pernhart aus dem Jahr 1860 im Besitz des Museums befindet, das den Bergtourismus maßgeblich mit vorantrieb. Um dieses Gemälde gruppieren sich nun die gezeigten Arbeiten: Für Anna Meyer bot der Ausstellungsraum – im Gegensatz zur weit gestreuten Positionierung ihrer Billboards und Tafeln in der Freiluftausstellung am Berg – die Möglichkeit einer Konzentration und Verschränkung der vielen von ihr angesprochenen Themen. Zudem konnte sie hier in direkter Sichtbeziehung mit historischen Landschaftsgemälden aus der Sammlung des Kärntner Landesmuseums korrespondieren, beispielsweise mit einer Version von Pernharts Großglockner-Gemälden und der Darstellung der Pasterze von Jakob Canciani, denen sie ihre dystopischen Visionen nicht nur in Form von Tafelbildern entgegenstellte. In Tischarbeiten erweiterte sie den malerischen Raum in begehbare dreidimensionale Objekt- und Bildlandschaften, die, aus bemalten Müll- und Fundgegenständen hergestellt, näher an der harten Realität gebaut sind. Sie tragen dazu bei, die Landschaftsmalerei humorvoll-kritisch in die Gegenwart zu wenden. Es entstehen wilde, chaotische Bilder, die außer Rand und Band ins Installative treten. Im selben Raum zeigt Ralo Mayer die neue Bild-, Text- und Soundcollage „Die Erlkönige und der Pasterzen-Test“, in der er uralte Mythen mit modernem Maschinenkult verbindet: In den Textzitaten bezieht er sich auf die Pasterzen-Sage, wie sie im Tunnel des Gamsgrubenweges auf der Kaiser-Franz-JosefsHöhe den Berggänger*innen vorgestellt wird. In dieser Sage wird die Entstehung des riesigen Gletschers als Strafe Gottes für


das respektlose Fehlverhalten der Bergbewohner*innen erklärt. Die von den Testfahrzeugen inspirierten grafischen Muster, die er am Berg auf solide Karosserieteile foliert hatte, werden hier nun auf frei hängendem, höchst filigranem Seidenpapier gedruckt und durch Soundsamples ergänzt, die auf einem alten Druckkammer-Lautsprecher abgespielt werden, wie es für Einsatzfahrzeuge bei politischen Demonstrationen und Sportgroßveranstaltungen typisch war. In einem eigenen Raum im Zentrum der Ausstellung zeigen Thomas Hörl, Peter Kozek und Victor Jaschke ihren Film „Lichthöhe“ als Teil einer Rauminstallation, in der gleichzeitig das handgezeichnete Drehbuch sowie andere künstlerisch verfremdete Requisiten, künstliche Pflastersteine, bemalte Messstäbe und die Krinolinen als raumbildende Kostüme ein poetisches Eigenleben erhalten. Die Konzentrationsfähigkeit seitens des Publikums ist hier beträchtlich höher. Und vor allem kann der Film seine spezielle Funktion aus kuratorischer Sicht ausspielen: nämlich ein umfassendes Panorama an vielfältigen Themensträngen zu bündeln und die reale Erfahrung einer Fahrt entlang der Straße mit ihrer vom Museum aus weit entfernten Landschafts- und Themenvielfalt zu doppeln und in kinematografischer Bewegung er-fahrbar zu machen. Hannes Zebedin inszeniert in der Ausstellung sein ursprüngliches, jedoch nicht realisiertes Konzept als raumgreifende Installation: Dazu zieht er an den Wänden mit einem roten Stofffaden eine horizontale Grenzlinie durch den Ausstellungsraum des Museums, die für ihn die Grenze zwischen hochalpinem 99 Kultur- und Naturraum repräsentiert. Um diese Linie montiert er Ausdrucke von Fotocollagen der Berglandschaft mit rot eingefärbten Schafen, die entlang dieser Höhenzone weiden und während ihrer Wanderungen diese Grenzlinien dynamisch umspielen. Das Zentrum des Raums bildet ein abstrahierter Lawinenrechen als Rauminstallation und Display für die Modelle der zwei großformatigen Skulpturen, die er unter dem Titel „Insel der Seligen“ am Berg tatsächlich errichtet hatte. Hubert Lobnig und Iris Andraschek zeigen jeweils ganz neue Arbeiten: In einer Vitrine versammelt Hubert Lobnig die Vielfalt der sich in den sozialen Medien verselbstständigenden Kommentare von Besucher*innen über die Arbeiten am Berg. In einer weiteren Installation zeigt Lobnig durch die Seiten- und Frontscheibe gefilmte Videoaufnahmen verschiedener Fahrten über die Großglockner Hochalpenstraße, die er so montiert, dass sie sich zuerst zu einem Kontinuum fügen, das jedoch, durch die Projektion über eine Spiegelecke wiederum zerlegt, in unterschiedliche Richtungen des Raumes zurückgeworfen wird und eine Desorientierung bei den Betrachtenden nach sich zieht. Iris Andraschek präsentiert einen neu digitalisierten Super 8 Film ihres Vaters aus der Mitte der 1960er-Jahre, der sich mit einer Gruppe an die Besteigung des Großglockners wagt und sich durch das gleichzeitige Filmen und Passieren der Glocknerscharte, einer extrem schmalen Stelle, selbst in Gefahr bringt. Hier deckt sich der Blick seiner Kamera mit dem des Malers Markus Pernhart in seinem berühmten Glockner-Gemälde von 1860, das hier in einer weiteren Version als gerahmtes Original neben der Projektion den Abschluss des Rundgangs bildet.


SERPENTINE EXHIBITION OUTPOST CARINTHIAN MUSEUM OF MODERN ART

11 June to 29 August 2021

Parallel to the planned multi-year art project in the public spaces of high alpine tourism, the summer of 2021 saw the Museum of Modern Art Carinthia in Klagenfurt operating as a base station for the promotion of the project along the Grossglockner High Alpine Road, as art history contextualisation and as a “safe space” in which artists could present the more delicate images, sculptures and installations that could not have survived the mountain weather or which came about for inspiration there or in the museum parallel to the work on the mountain. The choice of the museum as a “branch office” is linked to the fact that it owns one version, dated 1860, of the famous Glockner 100 painting by the Carinthian Biedermeier painter, Markus Pernhart, which was crucially responsible for accelerating the growth of mountain tourism. The works on show were grouped around that painting. In contrast with the widely dispersed positions of her billboards and panels of the open air exhibition on the mountain, the show offered Anna Meyer an opportunity to concentrate and interlink many of the subjects she had addressed. In addition she could create a direct visual correspondence with historical landscape paintings from the collection in the Kärntner Landesmuseum (Carinthian Provincial Museum) such as one version of Pernhart’s Grossglockner painting and Jakob Canciani’s depiction of the Pasterze glacier. These are confronted with her dystopian visions not only in the form of panel paintings but with table works. Here, she expanded the painted space into walk-in, three-dimensional object and pictorial landscapes which were much closer to hard reality having been made of painted rubbish and found objects. This contributed to shift landscape painting into the present by means of humourful critique. These wild, chaotic images burst their borders to become installative. In the same room Ralo Mayer showed the new image, text and sound collage The Erlkönig and the Pasterze Test in which he linked ancient myths with the modern machine cult: his allusions referred to how the Pasterze legend is presented to hikers in the Gamsgruben trail tunnel above the Kaiser-Franz-JosefsHöhe. The legend tells how the huge glacier originated as a punishment by God for the disrespectful wrongdoings of those who lived on the mountain. The graphic patterns inspired by


test vehicles which he had applied to solid car body parts were printed here on free-hanging, extremely delicate tissue paper and supplemented by sound samples played on an old compression chamber loudspeaker typically found in emergency service vehicles at political demonstrations and big sports events. In a separate room at the centre of the exhibition, Thomas Hörl, Peter Kozek and Victor Jaschke showed their film, Lichthöhe, as part of a room installation in which the hand-drawn screenplay and other props which the artists had alienated; synthetic cobblestones, painted measuring rods and crinolines as space-defining costumes are all invested with a poetic life of their own. The public’s power of concentration was noticeably greater here. Above all, from the curatorial point of view, the film was able to play a special function card: viz. it bundled a comprehensive panorama of multiple thematic threads and the real experience of a trip along the road and – from the point of view of the museum – doubled up the distant landscape and thematic diversity, rendering it palpable in cinematic motion. Hannes Zebedin staged his original, unrealised project in the exhibition and presented it as a large-scale installation. As part of this, he drew a horizontal “borderline” through the museum’s exhibition space with a red thread which represented for him the frontier between high alpine cultural spaces and natural spaces. Around the line he mounted prints of photocollages of the mountain landscape with red-stained sheep grazing in this high-altitude zone, dynamically disporting themselves around the borderline. As a room installation, the centre of the 101 room is taken up by an abstracted avalanche rake together with a model for two large-scale sculptures, bearing the title Island of the Blessed, which he actually constructed on the mountain. Hubert Lobnig and Iris Andraschek each showed completely new works: In a vitrine Hubert Lobnig collected a variety of social media commentaries about the works on the mountain. In a further installation Lobnig showed video material shot through a car windscreen and side windows showing various journeys over the Grossglockner High Alpine Road. These he edited so that they initially formed a continuum but when projected via a reflective corner were “deconstructed”, thrown out in different directions, resulting in viewer disorientation. Iris Andraschek presented a newly digitalised version of her father’s Super 8 film from the 1960s. He had attempted to climb the Grossglockner and endangered himself by attempting to cross the extremely narrow Glockner Ridge while simultaneously filming it. His view through the camera corresponds to that of the painter Markus Pernhart in his famous Glockner painting of 1860 which here, in another version as framed original, formed the conclusion of the tour together with the projection.


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Ralo Mayer, „Die Erlkönige und der Pasterzentest (Großglockner Hochalpenstraße Naturkulturensage)“, 2021, 3 Drucke, Seidenpapier, je 220 × 130 cm, Soundcollage, Druckkammerlautsprecher, Verstärker, MP3-Player / 3 prints, tissue paper, each 220 × 130 cm, sound collage, pressure chamber loudspeaker, amplifier, MP3 player

Markus Pernhart (1824–1871), „Großglockner von der Adlersruhe“, um / c. 1860, Öl auf Leinwand / oil on canvas, 72 × 87 cm, Landesmuseum Kärnten / Carinthian Provincial Museum, Inv. Nr. K 17


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Anna Meyer, „Klitglacier“, 2021, Gemälde, Öl auf Aluminium / painting, oil on aluminium, 80 × 140 cm; „Der Weiße Rest: Fempol, Ich kann beim schlechtesten Willen, Schnee das Blut der Geister, Planettoo“, 2020, 4 Modelle, Mischtechnik, kleine Bilder / 4 models, mixed media, small images, Courtesy Galerie Krobath

Jakob Canciani (1820–1891), Großglockner mit Pasterze, 1860–1870, Öl auf Leinwand / oil on canvas, 146 × 182,5 cm, Landesmuseum Kärnten / Carinthian Provincial Museum, Inv. Nr. K 146

Foto / photo: Wolfgang Thaler, 2021


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Anna Meyer, „Der Weiße Rest: Fempol, Ich kann beim schlechtesten Willen, Schnee das Blut der Geister, Planettoo“, 2020, 4 Modelle, Mischtechnik, kleine Bilder / 4 models, mixed media, small images, Courtesy Galerie Krobath „Klitglacier“, 2021, Gemälde, Öl auf Aluminium / painting, oil on aluminium, 80 × 140 cm, Foto / photo: Wolfgang Thaler, 2021


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Thomas Hörl & Peter Kozek, „Krinolinen“, 2020, Metall-, Klebe-, Stoffbänder, Schaumstoff, Maße variabel / metal, adhesive, fabric tapes, foam, dimensions variable O. T. (Messstäbe) / Untitled (Measuring Sticks), 2020, Bambus, Äste, Lack, Klebebänder, verschiedene Größen / bamboo, branches, varnish, adhesive tapes, different sizes


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Thomas Hörl & Peter Kozek, „Autozeichnung“, 2020, Skizzenbuch, Grafit, Neonpapier in Insektenkasten / sketchbook, graphite, neon paper in insect box, 28 × 20 cm

Thomas Hörl & Peter Kozek mit Victor Jaschke, „Lichthöhe“, 2021, Film, Farbe, Ton, ca. 32 Min., verschiedene Fotofilmtechniken / film, colour, sound, approx. 32 min., various photo film techniques

Fotos / photos: Wolfgang Thaler, 2021


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Hannes Zebedin, „Rot“ (Red), 2021, Installation, Holz, Modelle, Richtschnur, Fotocollagen / installation, wood, models, lacing cord, photo collages, 30 × 40 cm, Foto / photo: Wolfgang Thaler, 2021


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Iris und Widmar Andraschek, „Großglocknerfahrt“, ca. 1966/2021, Super 8 Film, 7:32 Min., digitalisiert / digitized

Markus Pernhart (1824–1871), „Großglockner von der Adlersruhe“, um / c. 1860, Öl auf Leinwand / oil on canvas, 72 × 87 cm, Museum Moderner Kunst Kärnten / Carinthian Museum of Modern Art, Inv. Nr. KLK 28/1


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Hubert Lobnig, „Phantom Rides Glockner Hochalpenstraße“, 2021, Videoinstallation, Projektor, 2 Spiegel / video installation, projector, 2 mirrors, 60 × 60 × 46 cm

Iris Andraschek, „Golden Times“, 2020, Farbdrucke glänzend auf Aluminium / glossy colour prints on aluminium, 40 × 30 cm Foto / photo: Wolfgang Thaler, 2021


KÜNSTLER*INNEN THE ARTISTS IRIS ANDRASCHEK & HUBERT LOBNIG

Iris Andraschek und Hubert Lobnig arbeiten sowohl eigenständig, aber auch gemeinsam als Künstler*innen und Kurator*innen an ortsbezogenen und kontextorientierten Projekten im öffentlichen Raum. Sie interessieren sich für regionale und globale (Zeit-)Geschichte und Geschichten individueller Akteur*innen, agieren mitunter partizipativ und/oder bieten über ihre performativen Interventionen und stationären Installationen Interaktions112 zonen für die lokale Bevölkerung an. 2010 wurden sie für ihre vielfältigen Werke im ländlichen Raum mit dem Würdigungspreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet. Sie kuratierten u. a. 2011 die Projekte „Geteilte Zuversicht“ in Reinsberg im Mostviertel und 2014 „Wohin verschwinden die Grenzen?“ am Grenzübergang Fratres/Slavonice im Waldviertel. 2022 präsentierte das Lentos Museum Linz eine Werkschau mit Katalog zu den Arbeiten von Iris Andraschek. Die von Hubert Lobnig mitherausgegebene Publikation eines Forschungsprojektes an der Kunstuniversität Linz Aus der Dunkelheit über vom Nationalsozialismus kontaminierte Orte in Linz wurde mit dem Staatspreis für das schönste Buch 2022 ausgezeichnet.

Iris Andraschek and Hubert Lobnig work both alone and together as artists and curators on site-specific and contextoriented projects in public spaces. They are interested in the regional and global contemporary (hi)stories of individual actors and sometimes work with a participatory approach and/or offer performative interventions and stationary installation zones of interaction for local inhabitants. For their diverse work in rural areas they were given a Province of Lower Austrian Achievement Award in 2010. Amongst others, they curated the project Geteilte Zuversicht (Divided Confidence) in Reinsberg in Mostviertel in 2011 and in 2014 Wohin verschwinden die Grenzen? (Where do the borders go?) on the border crossing at Fratres/Slavonice in Waldviertel. In 2022 the Lentos Museum Linz presented a retrospective of Iris Andraschek’s work with a catalogue. In the same year, Aus der Dunkelheit (Out of the darkness), about the places in Linz that were contaminated by National Socialism, the result of a research project at the Art University of Linz, was co-published by Hubert Lobnig and won the 2022 Austrian National Prize for the most beautiful book.

www.irisandraschek.com www.hubertlobnig.com


THOMAS HÖRL & PETER KOZEK MIT / WITH VICTOR JASCHKE

Thomas Hörl und Peter Kozek arbeiten seit 2003 gemeinsam an performativen Projekten. Mit selbst hergestellten Masken, Kostümen und rituellen Gegenständen sowie ortsspezifischen Prozessionen generieren sie mit ihrem stark ethnografischen bzw. anthropologischen Zugang fiktive Erzählungen, die sich an historisch belasteten und oft faktisch beunruhigenden Elementen populärer lokaler Mythen und Rituale orientieren. Ihre Projekte entstehen vielfach in mehrstufigen partizipativen Verfahren und werden filmisch übersetzt. Siehe u. a.: „Dämonische Leinwände“ mit Alexander Martinz, präsentiert im Kunstraum Lakeside Klagenfurt 2017 und beim steirischen herbst in Graz 2018. Seit 2021 widmet sich Thomas Hörl dem Stummfilmprojekt „F. W. M. Symphonie“ über das Verschwinden von F. W. Murnaus Kopf aus seiner Grabstätte. 2022 erschien der Katalog Thomas Hörl – Curtain Walls & Rautenballett. Victor Jaschke arbeitet als freischaffender Filmemacher, Kameramann und Künstler in zahlreichen Kooperationen mit Künstler*innen und Kollektiven in Wien und Indonesien.

Thomas Hörl and Peter Kozek have been working together on performative projects since 2003. They generate fictitious narratives using a strong ethnographic/anthropological approach which is orientated on historically encumbered (and often factually alarming) elements of popular local myths and rituals using selfmade masks, costumes and ritual objects and site-specific processions. Their projects often arise from a multi-stage process and are implemented on film. Amongst others: Dämonische Leinwände (Demonic Screens) with Alexander Martinz, presented in Kunstraum Lakeside Klagenfurt 2017 and at the steirischer herbst in Graz 2018. Since 2021 Thomas Hörl has been working on a silent film project, F.W.M. Symphonie, about the disappearance 113 of F.W. Murnau’s head from his tomb. In 2022 a Thomas Hörl catalogue, Curtain Walls & Rautenballett was published. Victor Jaschke is a freelance filmmaker, cameraman and artist and has worked in numerous collaborations with artists and collectives in Vienna and Indonesia.

www.kozek-hoerlonski.com www.victorja.com


RALO MAYER

Ralo Mayers multidisziplinäre Arbeiten beschäftigen sich mit Formen und Zeitlichkeiten gesellschaftlichen Wandels, denen er sich z. B. über Raumfahrt, Ökologie oder der Science-Fiction unseres Alltags nähert. Geprägt von einem Ansatz der performativen Recherche und dem mehrdeutigen Begriff des Plots, übersetzt er seine künstlerischen Untersuchungen in vielschichtige narrative Ensembles in Installation, Film, Performance, Text und öffentlichem Raum. Im Rahmen seines Artistic Research PhD zu „Space Un·Settlements“ beschäftigte sich Mayer mit den Wechselwirkungen von Szenarien menschlichen Lebens im All und auf der Erde. 2023 veröffentlichte er einen Beitrag zu seiner künstlerischen Forschung über das geschlossene Ökosystem Biosphere 2 114 im Routledge Handbook of Social Studies of Outer Space. Ralo Mayers Arbeiten wurden bei internationalen Ausstellungen, Festivals und Konferenzen gezeigt und mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u. a. 2012 mit dem renommierten Msgr. Otto Mauer Preis für bildende Kunst.

Ralo Mayer’s multidisciplinary works are concerned with the forms and temporalities of social change through which he approaches our everyday life using e.g. space travel, ecology or science fiction. Influenced by a performative research and the multiple meanings of the word “plot”, the artist translates his investigations into multi-layered narrative ensembles in installations, films, performances, texts and public spaces. As part of his Artistic Research PhD on “Space Un·Settlements”, Mayer was concerned with the interactions of scenarios of humans in space and on Earth. In 2023 he published a contribution to his art research about the closed system Biosphere 2 in the Routledge Handbook of Social Studies of Outer Space. Ralo Mayer’s works have been shown at international exhibitions, festivals and conferences and have won many prizes amongst which is the prestigious 2012 Msgr. Otto Mauer Prize for visual art.

www.was-ist-multiplex.info


ANNA MEYER

Anna Meyer ist Malerin. In ihren mitunter großformatigen Billboards und vielfarbigen, collagierten Bilderwelten ebenso wie in Assemblagen aus kleinen bemalten Skulpturen treffen mobile Subjekte auf global zirkulierende Architekturen, Bilder und Waren, die Imaginationen und Identitätsentwürfe heute beeinflussen. Konterkariert werden diese durch kritisch-humorvolle Textfragmente und Slogans. Inhaltliche Schwerpunkte bilden Internet und Populärkultur als Gemeinschaften jenseits lokaler, nationaler oder regionaler Verankerungen, ökologische Themen und feministische Kritik – in ihrer Reihe „Future Feminismus“. 2021 erschien im Verlag moderner Kunst der umfangreiche Katalog Anna Meyer, Hopesters, herausgegeben von Marc Wellmann für das Haus am Lützowplatz Berlin, u. a. auch mit einer Dokumentation der an der Großglockner Hochalpenstraße entstandenen Arbeiten. Im Sommer 2023 wurde eine Auswahl der Gemälde aus der Serie „Weltschmelz“ im Außenraum des Lentos Kunstmuseum Linz gezeigt. 2024 präsentierte Anna Meyer „Planet B Haus“ im Bauhaus Dessau.

Anna Meyer is a painter. In her sometimes large-scale billboards, her multi-coloured, collaged pictorial worlds and her assemblages of small painted sculptures, mobile subjects encounter globally circulating architecture, images and goods which nowadays influence our imaginations and notions of identity. Critical and humorous text fragments and slogans act as a foil to them. Focal points are the internet and popular culture as communities beyond local, regional or national allegiances, ecological subjects and feminist critique in her series, Future Feminism. In 2021 the publishing house Verlag moderner Kunst produced a comprehensive Anna Meyer catalogue, Hopesters, edited by Marc Wellmann for the Haus am Lützowplatz Berlin which contained documentary material of the works for the Grossglockner High Alpine 115 Road project too. In the summer of 2023 a selection of paintings from the Weltschmelz (World Melting) series was shown in the exterior space of the Lentos Kunstmuseum Linz. In 2024 Anna Meyer will be presenting Planet B Haus in the Bauhaus Dessau.

www.annameyer.at


HANNES ZEBEDIN

Hannes Zebedin studierte Volkswirtschaft und Politikwissenschaft an der Universität Wien und Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien sowie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. 2010 gründete er gemeinsam mit Adrien Tirtiaux und Antoine Turillon das künstlerische Forschungsprojekt „Hotel Charleroi“. In seinen künstlerischen Arbeiten analysiert er die Auswirkungen geopolitischer Strukturen auf die Landschaft und übersetzt seine politisch ambitionierte Kritik in Assemblagen aus unterschiedlichen bildhauerischen Versatzstücken. Wiederholt beschäftigte er sich mit der Alpen-Adria-Region, mit der er biografisch verbunden ist – u. a. 2018 in der Einzelausstellung „Transittradition“ in der Künstlerschaft Tirol, die die Zurichtung der Landschaft 116 für den Transitverkehr thematisierte, oder 2021 in der Gruppenausstellung „Land, Besitz und Commons“ am Semmering. 2022 wurde er mit dem Werner-Fenz-Stipendium für Kunst im öffentlichen Raum ausgezeichnet.

Hannes Zebedin studied economics and political science at the University of Vienna and art at the Academy of Fine Arts in Vienna and the Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. In 2010, together with Adrien Tirtiaux and Antoine Turillon he founded the art research project, Hotel Charleroi. In his artwork he analyses the effects of geopolitical structures on landscape and translates his politically ambitious critique into assemblages of different sculptural set pieces. He has been repeatedly concerned with the Alps-Adria region with which he is biographically connected. This includes the 2018 solo show Transittradition in the Künstlerschaft Tirol which thematised the alteration of the landscape to facilitate the transit traffic and, in 2021, the group show Land, Besitz und Commons (Land, Property and Commons) on the Semmering. In 2022 he was awarded the Werner Fenz Scholarship for Art in Public Space.


MICHAEL ZINGANEL – KURATOR/CURATOR

Michael Zinganel studierte Architektur, Kunst und Zeitgeschichte. Von 2003 bis 2007 arbeitete er in Kooperation mit Peter Spillmann in Graz und Luzern an Forschungsprojekten und Ausstellungen über Kunst und Tourismus und seit 2005 mit Michael Hieslmair über Massentourismus, transnationale Mobilität und Migration. 2012 gründeten sie die Forschungsplattform „Tracing Spaces“, die u. a. 2012 bis 2015 die Wanderausstellung und Publikation „Holidays after the Fall: Seaside Architecture and Urbanism in Bulgaria and Croatia“ produzierte sowie 2014 bis 2016 „Stop & Go. Nodes of Transformation and Transition“, ein Forschungsprojekt an der Akademie der bildenden Künste Wien. Seit 2015 betreibt Tracing Spaces einen Projektraum am Wiener Nordwestbahnhof, seit 2020 unter dem Namen „Museum Nordwestbahnhof“, wo – eingebettet im sozialen Milieu der Logistiklandschaft – inmitten des letzten innerstädtischen Logistik-Knotens sukzessive eine mehrschichtige, multimediale Kartografie der Geschichte dieses Areals entstand.

Michael Zinganel studied architecture, art and contemporary history. From 2003 to 2007, in collaboration with Peter Spillmann, he worked on research projects and exhibitions about art and tourism, and since 2005 together with Michael Hieslmair on mass tourism, transnational mobility and migration. In 2012 he founded the research platform Tracing Spaces which produced e.g. Holidays after the Fall: Seaside Architecture and Urbanism in Bulgaria and Croatia between 2012 and 2015 and from 2014 to 2016 Stop & Go. Nodes of Transformation and Transition, a research project at the Academy of Fine Arts in Vienna. Since 2015 Tracing Spaces has had a project room at the former Vienna North-West Station – since 2020 with the name Museum Nordwestbahnhof – where it is embedded in the social 117 milieu of the logistics landscape in the middle of the last logistic node in the inner city area. Here, a succession of multi-layer, multimedia cartographies of the history of the area have been created.

www.zinganel.mur.at www.mhmz.at www.tracingspaces.net


LITERATUR LITERATURE

Bauer, Alfred, Marco A. Gardini, André Skock. Overtourism im Spannungsverhältnis zwischen Akzeptanz und Aversion, in: Zeitschrift für Tourismuswissenschaft, 12(1), 2020, S. 88–114.

Hörl, Johannes und Dietmar Schöndorfer (Hg.). Die Großglockner Hochalpenstraße. Erbe und Auftrag, Wien: Böhlau Verlag, 2015.

Culler, Jonathan. The Semiotics of Tourism, in: Framing the 118 Sign. Criticism and Its Institutions, Norman/ London: University of Oklahoma Press, 1988, S. 153–167.

Schechner, Richard. Ritual und Theater. Rekonstruktion von Verhalten, in: A. Belliger, D. J. Krieger (Hg.). Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch, Opladen: Verlag für Sozialwissenschaften, 1998, S. 413–431.

Rigele, Georg. Großglockner Hochalpenstraße. Zur Geschichte eines Baumgartner, Jutta. Großglockner Hochalpenstraße österreichischen Monuments, Wien: WUV-Universitätsverlag, AG (Hg.). 100 Jahre 1998. Mittersiller Amtshandlung. Geburtsstunde der Großglockner Hochalpenstraße Sartre, Jean-Paul. Being and Nothingness. An Essay in (Schriftenreihe des Phenomenological Ontology, Salzburger Landesarchivs, New York: Routledge, 2018 Nr. 35), Salzburg: Salzburger [1943]. Landesarchiv, 2022.

Enzensberger, Hans Magnus. Urry, John. The Tourist Gaze, Eine Theorie des Tourismus, London: SAGE Publications, in: Einzelheiten, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1962 [1958], S. 147–168. 1990. Goffman, Ervin. Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, übersetzt von Peter Weber-Schäfer. München: Piper, 2003 [1959].

Wlattnig, Robert. Bericht der Abteilung Kunstgeschichte, in: Rudolfinum – Jahrbuch des Landesmuseums für Kärnten, Bd. 1999/2000, S. 112–123.

Graburn, Nelson. Secular Ritual: A General Theory of Tourism, in: Valene L. Smith, Maryann Brent (Hg.). Hosts and Guests Revisited: Tourism Issues of the 21st Century, New York: Cognizant Communication Corporation, 2001, S. 42–50.

Zinganel, Michael. Alpine Wucherungen. Erlebnislandschaften der Hypermoderne, in: sinnhaft 21. Alpine Avantgarden und urbane Alpen, 2008, S. 26–37.

Hennig, Christoph. Reiselust. Touristen, Tourismus und Urlaubskultur, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1999.

Zinganel, Michael. Alpenpop. Projektkultur hybrider alpiner Erlebniswelten, in: Destination Kultur, Hochschule Luzern – Design & Kunst, Nr. 2, Oktober 2012, S. 75–80.


KATALOGE DER KÜNSTLER*INNEN ARTIST’S CATALOGUES

Andraschek, Iris und Hubert Lobnig, Kunst im Öffentlichen Raum Niederösterreich (Hg.). Geteilte Zuversicht, Katalog zur Ausstellung von 28.08.2011 bis 29.10.2011 in Reinsberg, Eigenverlag, 2011. Andraschek, Iris, Philippe Batka, Katrin Bucher Trantow, Gabriele Mackert, Sarah Jonas (Hg.). Iris Andraschek. I love you :-), Publikation zur Ausstellung im Lentos Kunstmuseum, Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst, 2022.

Mayer, Ralo, Unearthing Biosphere 2, Biosphere 2 as Un·Earthing, in: Juan Francisco Salazar, Alice Gorman (Hg.). The Routledge Handbook of Social Studies of Outer Space, Abington und New York: Routledge, 2023, S. 371–387. Mayer, Ralo. Space Un·Settlements, Hamburg: Adocs, 2024. Petter, Katrina (Hg.). Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich. Band 14, Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst, 2023.

Hörl, Thomas. Curtain Walls & Rautenballett, Nürnberg: Verlag Tiroler Künstler*schaft im Auftrag des Landes Tirol (Hg.). für Moderne Kunst, 2022. Kunst im öffentlichen 119 Raum Tirol 2007–2014, Koch, Angela, Hubert Lobnig, Moritz Matschke (Hg.). Aus der Innsbruck: Eigenverlag, 2017. Dunkelheit. Gebäude und Orte Wellmann, Marc (Hg.). Anna als Akteure der Erinnerung (Out of the darkness. Buildings Meyer – Hopesters, Publikation zur Ausstellung im Haus am and places as actors in the culture of remembrance), Wien: Lützowplatz Berlin, Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst, 2021. Sonderzahl Verlag, 2022. kozek hörlonski. Crisscross. oder Langzeitstabilität durch regelmäßige Nullpunkteinstellung, Wien: Schleebrügge.editor, 2013. Krejs, Christiane, Brigitte Kowanz, Peter Kozek (Hg.). Lightness and Matter, Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst, 2018. Macias, Juan Pablo (Hg.), Hannes Zebedin. Gekappte Geschichten oder Müder Mensch Europa, Livorno: Carico Massimo, 2017.



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