Kriegsschauplatz Heeresgeschichtliches Museum Dr. Michael Hochedlinger
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Das 1801 als wissenschaftliche Anstalt der k. k. Armee gegründete Kriegsarchiv, bis 1918 das unbestrittene Zentrum der kriegs- und militärhistorischen Forschung in der Habsburgermonarchie, ging nach 1945 im Dachverband des Österreichischen Staatsarchivs auf, das dem Bundeskanzleramt untersteht. Die dort in den letzten Jahrzehnten mit abnehmender Tendenz geleistete wissenschaftliche (Publikations-)Tätigkeit ist weniger eine institutionelle denn eine individuelle. Archive verstehen sich heute eher als Quellenmaterial bereitstellende Serviceeinrichtungen und weniger als eigenberechtigte Forschungsinstitutionen. / Das sehr weitgehende Fehlen von Kontakt und Austausch mit der desinteressierten akademischen Geschichtswissenschaft hat, das muss man ehrlicherweise zugeben, dem Reflexionsniveau der österreichischen Militärgeschichte natürlich nicht genützt. Dies zeigt sich schon in der sehr unscharfen Terminologie und der Vorherrschaft von interessierten Laien. / Kriegsgeschichte meint die (detaillierte) Beschäftigung mit historischen Schlachten und Kriegszügen, die früher in der Offiziersausbildung eine große
ZUM AUTOR Dr. Michael Hochedlinger,
Jahrgang 1967 Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, ist Archivar und Historiker. 1995–1999 war er Mitarbeiter des HGM. Zahlreiche Publikationen zur österreichischen Militärgeschichte, zuletzt „Thron & Gewehr. Das Problem der Heeresergänzung und die Militarisierung der Habsburgermonarchie im Zeitalter des Aufgeklärten Absolutismus 1740–1790“ (Graz 2021).
© HGM
it dem früheren Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) Manfried Rauchensteiner (DER STANDARD online, 23.2.2021) darf, ja muss man sich über das lebhafte Interesse wundern, das Politik und Medien dem Prachtbau im Wiener Arsenal seit nunmehr bald zwei Jahren entgegenbringen. / Dabei spielt hierzulande die Beschäftigung mit Kriegs- und Militärgeschichte in Forschung und Öffentlichkeit so gut wie gar keine Rolle. Die Entmilitarisierung Deutschlands und Österreichs nach 1945 führte nämlich erwartbarerweise auch zu einer fast vollständigen Demilitarisierung der akademisch-universitären Geschichtswissenschaft. Erst in den 1990er-Jahren setzte, zumindest in der Bundesrepublik, eine insgesamt bereichernde Gegenbewegung ein. In Österreich blieb es hingegen weiterhin bei einer Monopolisierung der Kriegs- und Militärgeschichte in Forschung und Lehre durch Dienststellen und Bildungseinrichtungen des wiedererrichteten Bundesheeres, in erster Linie natürlich durch das HGM und seine Militärwissenschaftliche Abteilung (später: Militärgeschichtliche Forschungsabteilung).
Erfindungsleistung des österreichischen Oberleutnants Gunter Burstyn, der 1911 das erste Patent für ein gepanzertes Motorgeschütz erhielt
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Offizier DER
Rolle spielte. Heute aber, da der technische Fortschritt die schiefe Schlachtordnung Friedrichs des Großen und die Manöverstrategie Raimondo Montecuccolis ebenso realitätsfern erscheinen lässt wie die Hoplitenphalanx der griechischen Antike, wird man sie immerhin noch bei der Vermittlung jener Allgemeinbildung, die jedem Beruf und gerade dem des Waffenhandwerkers gut ansteht, nicht ganz entbehren wollen. Im Rahmen der Traditionspflege kann die rühmende Darstellung von glorreichen Siegeszügen und außerordentlichen Heldentaten, mit der frühere Generationen von Militärakademikern ausgiebig traktiert wurden und wie sie in anderen Kulturen nach wie vor gepflegt wird, nach der Werteapokalypse des Nationalsozialismus schwerlich einen prominenten Platz finden. An manch schönen Zügen sol-
Ausgabe 2/2021