Stadtbau Heuchelhof 90 Jahre

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Die Gründung der „Gemeinnützigen“

Im Dezember 1934 wurde in Würzburg die „Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen“ gegründet – die Keimzelle der heutigen „Stadtbau Würzburg“. In der 90-jährigen Geschichte des Unternehmens nimmt der Heuchelhof als Stadtentwicklungsprojekt einen besonderen Platz ein.

In Würzburg herrschte Wohnungsnot. Die Folgen des Ersten Weltkrieges waren noch nicht verkraftet, die der Weltwirtschaftskrise sowieso nicht. Zwischen 1914 und 1920 war in der Stadt keine einzige Privatwohnung gebaut worden. Jetzt fehlten rund 2.000 Kleinwohnungen und weitere 3.000 Mieter waren auf der Suche nach einer besseren, gesünderen und menschenwürdigeren Unterkunft.

In dieser Situation erinnerte sich Stadtrechtsrat Eugen Wirth an eine bereits vor der Nazizeit geborene Idee, wie Würzburg aus dieser Situation herauskommen könnte. Mit einer „gemischtwirtschaftlichen“ Gesellschaft, an der neben der Stadt auch Unternehmen beteiligt waren. So entstand die Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen, die bis 1945 immerhin 555 Wohnungen in Würzburg bauen konnte. Nach der Zerstörung der Stadt am 16. März 1945 hieß es wieder bei Null anfangen. An den Heuchelhof als Wohngebiet hat damals noch niemand gedacht.

Visionäre Projekte

Die 60er- und 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren die hohe Zeit der städtebaulichen Großprojekte in ganz Westdeutschland. In Würzburg stehen die Lindleinsmühle und vor allem der Heuchelhof für visionären Städtebau.

1961 hatte die Stadt Würzburg 216 Hektar Land von Freiherr Otto Philipp Groß von Trockau und weiteren Landbesitzern auf einer Hochfläche im Süden erworben. Hier sollte ein Stadtteil mit 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern entstehen, der nach einem landwirtschaftlichen Gut, das hier stand, Heuchelhof heißen sollte. Aus einem städtebaulichen Ideenwettbewerb im Jahr 1965 ging das Nürnberger Architekturbüro Prof. Gerhard Dittrich als Sieger hervor. Dittrich wollte eine Stadt der Moderne bauen. In einem hochverdichteten Kernbereich sollte mit bis zu zwölfgeschossigen Hochhäusern viel Wohnraum geschaffen werden. Daneben gab es aber auch große Grünflächen. Der Hochhausbereich wurde von in den Grünbereich eingebetteten flachen Einfamilienhäusern und Bungalows umgeben.

Vor dem Modell der für den Heuchelhof im Bauabschnitt I geplanten Wohn­

hochhäuser diskutierten im Sitzungssaal des Rathauses (von links): Bundes­

minister Lauritzen, Oberbürgermeister Dr. Zeitler, Professor Dr. Dittrich

(dahinter Stadtrat Sponsel), Gerhard Vogel, Stadtdirektor und Geschäfts­

führer der Heuchelhofgesellschaft, Stadträtin Miesel und Stadtrat Zürrlein.

Die Heuchelhofgesellschaft nimmt ihre Arbeit auf

Die heutige Stadtbau Würzburg hat zwei Wurzeln: Die „Gemeinnützige“ und die „Heuchelhofgesellschaft“, die 1966 von der Stadt Würzburg gegründet wurde.

Um den neuen Stadtteil Wirklichkeit werden zu lassen, gründete die Stadt Würzburg die „Heuchelhofgesellschaft – Städtische Entwicklungs­ und Wohnungsbaugesellschaft mbH“. Die Idee der Stadt war, dass die Heuchelhofgesellschaft die Entwicklung des Baugebietes durch den Verkauf der Baugrundstücke finanzierte. Einer, der fast von Anfang an dazu gehörte und dessen Hauptaufgabe der Grundstücksverkauf war, ist Horst Laugwitz. Er war 35 Jahre lang in verschiedenen Funktionen bei der Heuchelhofgesellschaft und später bei der Stadtbau Würzburg tätig und wohnt selbst auf dem Heuchelhof:

„Wir waren anfangs eine kleine Truppe und auch etwas hemdsärmelig. Die Stadt hat 216 Hektar Fläche in die Gesellschaft eingebracht, das war unser Grundkapital, mit dem wir den Stadtteil entwickeln sollten. Wir mussten also die Grundstücke verkaufen. Da war schon ein Risiko dabei, denn wir mussten 40 oder 50 Millionen D ­Mark vorfinanzieren, ohne zu wissen, wie viel wir am Ende für die Grundstücke bekommen würden. Aber wir waren erfolgreich, ich habe in meinem Berufsleben bestimmt 1.000 Verträge abgeschlossen.“ Horst Laugwitz, Heuchelhofgesellschaft

Hochhäuser

auf dem Heuchelhof

Der Bauabschnitt H1 ist der Nukleus des Heuchelhof.

Städtebau ist bekanntlich Langstrecke und kein Sprint. Zehn Jahre nach dem Kauf des Grundstücks im Jahr 1971 begannen die Hochbauarbeiten an den Hochhäusern von H 1, so wurde der erste Teilabschnitt auf dem Heuchelhof genannt. Das Baugebiet war von einer Straße umgeben, der Hochhausbereich wurde lediglich durch sechs Stichstraßen mit Wendehämmern erschlossen. Der Großteil der Autos sollte in Tiefgaragen unter die Erde verbannt werden, der Zugang zu den Wohngebäuden über Fußwege erfolgen. Ein revolutionäres Konzept, das, so sollte sich später zeigen, allerdings von den Bewohnern nicht besonders gut angenommen wurde. Die drei Tiefgaragen mit insgesamt 1.450 Stellplätzen machten den Menschen Angst: zu groß, zu dunkel, zu schmutzig.

Der Bauabschnitt H 1 wurde 1987 fertiggestellt. Er hatte mit dem Einkaufszentrum am Place de Caen sogar ein Zentrum. Letztlich war aber das Konzept – ein hochverdichteter Kern, umgeben von lockerer Einfamilienhausbebauung – nur zum Teil erfolgreich. Mit der Wirtschaftskrise in den 1970er­Jahren war die Nachfrage nach Wohnraum zurückgegangen und das Leben in Hochhäusern war nicht so beliebt, wie es sich die Planer gedacht hatten. Die Stadt hatte ihre Ziele bereits nach unten korrigiert, der Stadtteil sollte nur noch etwa 12.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben.

Horst Laugwitz, früher und heute.

Die „Rundlinge“ entstehen

Bei der Bebauung der Abschnitte H 2 bis H 7 konnte auf die Erfahrungen aus dem Baugebiet H 1 zurückgegriffen werden.

Ein Blick auf die Karte verrät, dass der Heuchelhof deutlich größer ist als das Gebiet H 1. Bereits

1975 hatte die Stadt Würzburg einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für den südlichen Teil des Heuchelhofgebietes ausgeschrieben, der zunächst H 2 genannt und später in die Bauabschnitte H 2 bis H 7 unterteilt wurde. Den Wettbewerb gewann eine Planungsgemeinschaft um den Münchner Architekten Alexander Freiherr von Branca. Er konnte auf die Erfahrungen aus dem Projekt H 1 zurückgreifen. Die Geschosshöhen wurden deutlich reduziert, gebaut wurden Ein­ und Mehrfamilienhäuser, die in sogenannten „Rundlingen“ kreisförmig angeordnet waren. So entstanden der Wiener­, der Madrider­, der Prager­ und der Athener Ring, später in H 7 noch der Moskauer Ring.

Sozialer Wohnungsbau in Abschnitt 7

Bei der Entwicklung von H 7 hat die Heuchelhofgesellschaft das Gebiet des ehemaligen Vogelshofes selbst behalten und darauf 224 öffentlich geförderte Wohnungen gebaut.

Bis Anfang der 1990er­Jahre hatte sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt wieder geändert. Starker Zuzug aus Ostdeutschland und von sogenannten Spätaussiedlern, vor allem aus Ländern der Sowjetunion beziehungsweise ihrer Nachfolgestaaten, sorgte für einen hohen Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt. Wesentliche Flächen für Mehrfamilienhäuser standen fast nur noch auf dem Heuchelhof zur Verfügung. Im letzten, H 7 genannten, Baugebiet sollten 800 Wohnungen entstehen. In ihrer Funktion als Erschließungsgesellschaft verkaufte die Heuchelhofgesellschaft die Grundstücke an Bauträger beziehungsweise Bauwillige. Das Gebiet des ehemaligen Vogelshofes behielt die Gesellschaft jedoch, um darauf mehr als 200 geförderte Wohnungen zu errichten. Alle Wohnungen im Erdgeschoss waren barrierefrei, in einem Haus sogar rollstuhlgerecht. Alle Häuser wurden an ein Blockheizkraftwerk angeschlossen, so dass sie mit Nahwärme beheizt werden konnten. Der Vogelshof war bis dahin die größte Baumaßnahme der Heuchelhofgesellschaft.

HEUCHELHOF

Von der Vorzeigesiedlung zum Brennpunkt

In den 1990er-Jahren zeigten sich einige Fehlplanungen vor allem im Abschnitt H 1 und der starke Zuzug von Aussiedlerinnen und Aussiedlern führte zu einer Ghettobildung.

Im Sommer 1986 hatte die Universität Würzburg eine wissenschaftliche Untersuchung des Stadtteils Heuchelhof einschließlich einer Befragung der Bewohner durchgeführt. Das Fazit der Studie lautete: „Im Gegensatz zu Großwohnsiedlungen in anderen Städten ist der Heuchelhof in keiner Weise ein Problemgebiet geworden.“

Das änderte sich jedoch bald. Das Wohnen in hochverdichteten Großsiedlungen fanden Mieterinnen und Mieter wenig attraktiv. Wer es sich leisten konnte, zog deshalb weg von der Hochhaussiedlung auf dem Heuchelhof.

Als in den 1990er ­Jahren immer mehr Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland und auch nach Würzburg zogen, kam es zu einer Ghettobildung. In den Hochhäusern von H 1 lebten 40 Prozent Aussiedler und 17 Prozent Ausländer. Die Tiefgaragen wurden von Anfang an nicht gut angenommen, die Müllsammelstellen erwiesen sich als zu klein und die Arkaden, die als mögliche Treffpunkte für die Bewohnerinnen und Bewohner gedacht waren, wurden eher zum Gegenteil – sie entwickelten sich zu Angsträumen, die es schnell zu durchqueren galt, bevor die Eingangstür erreicht wurde.

Mit der „Sozialen Stadt“ zurück zur gesuchten Wohngegend

Mit dem Programm „Soziale Stadt“ und starkem Engagement der Stadtbau Würzburg hat H 1 die Wende zum Guten geschafft.

Als die Bundesregierung und die Länder 1999 das Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ auflegten, gehörte Würzburg zu den ersten bayerischen Städten, die mit H 1 in das Programm aufgenommen wurden. Mit einer Mischung aus städtebaulichen und sozialen Maßnahmen über einen Zeitraum von zehn Jahren und unter Einbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner wurde der Stadtteil aufgewertet. So erhielt der Place de Caen ein neues Gesicht, die Arkaden wurden geschlossen und in Büros, Läden oder Abstellflächen ver wandelt, die Grünflächen deutlich erweitert, Plätze für Kinder geschaffen.

Für die Bewohnerinnen und Bewohner wurden Treffpunkte entwickelt, kulturelle und soziale Angebote erweitert und zusammengefasst.

Eine Quartiersmanagerin kümmerte sich um die großen und kleinen Sorgen der Heuchelhöferinnen und Heuchelhöfer.

Einen wesentlichen Anteil an der Aufwertung des Stadtteils hatte die Stadtbau Würzburg wie die Heuchelhofgesellschaft inzwischen hieß.

„Meine ganz besondere Reverenz will ich unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft Stadtbau Würzburg GmbH erweisen. Als größte Wohnungseigentümerin am H 1 hat sie sich als starke und vorbildliche Partnerin hervorgetan und gemeinsam mit der Stadtverwaltung entscheidende Projekte im H 1 umgesetzt. Wir zählen weiterhin auf dieses überzeugende Engagement.“ Oberbürgermeister (2008 bis 2014) Georg Rosenthal

Der Heuchelhof heute

Auf dem Heuchelhof lässt es sich gut wohnen.

Der Abschnitt H 1 auf dem Heuchelhof hat sich wieder in ein attraktives Wohngebiet mit günstigen Mieten gewandelt. Im gesamten Stadtteil wohnen rund

10.000 Menschen, im H 1 etwa 3.500 aus 36 Nationen. Der Stadtbau Würzburg gehören 828 Wohnungen auf dem Heuchelhof, das sind 15 Prozent des Gesamtbestands der Gesellschaft.

„Wir mussten sehr lange suchen, bis wir diese Wohnung gefunden haben. Ich habe schon an uns gezweifelt und mich gefragt, ob wir etwas falsch gemacht haben. Bei uns hat jetzt jedes

Kind ein eigenes Zimmer, die Küche und das Wohnzimmer sind viel größer als in unserer alten Wohnung. Und die zwei Balkone, das haben nicht viele Wohnungen. Auch mit den Nachbarn haben wir Glück gehabt. Am Tag nach dem Einzug hat es plötzlich geklingelt. Draußen stand eine Frau, die ich schon mal im Haus gesehen hatte. Oh je, dachte ich, haben wir zu viel Lärm gemacht oder die Treppe verschmutzt? Die Frau aber sagte: ‚Hallo, ich bin die Nachbarin von unten. Sind Sie gut angekommen? Brauchen Sie vielleicht Hilfe?‘ Wir waren ganz schön baff und haben uns sofort willkommen gefühlt.“ Mieterin Olga Steinbach (Quelle: Geschäftsbericht der Stadtbau Würzburg 2015)

90 Jahre Stadtbau Würzburg

Eine Zeitschiene

Gründung der Gemeinnützigen Baugesellschaft für Kleinwohnungen

Zerstörung Würzburgs durch einen britischen Bombenangriff

Erster Spatenstich für die Lindleinsmühle

Gründung der Heuchelhofgesellschaft

Baubeginn des Abschnitts H 1 auf dem Heuchelhof

Städtebaulicher Wettbewerb für die Bauabschnitte H 2 bis H 7

Die Heuchelhofgesellschaft übernimmt 1.559 Wohnungen von der Stadt

Die Heuchelhofgesellschaft und die Gemeinnützige bilden eine Bürogemeinschaft

Beide Gesellschaften haben denselben Geschäftsführer

Der Bauabschnitt H 1 ist fertiggestellt

Auf dem Gebiet des ehemaligen Vogelshofes (Abschnitt H 7) baut

die Heuchelhofgesellschaft 224 öffentlich geförderte Wohnungen

Heuchelhofgesellschaft wird in Stadtbau Würzburg umbenannt

Beginn des Projekts „Soziale Stadt“ auf dem Heuchelhof

Die Stadtbau Würzburg erwirbt die letzten Anteile der Gemeinnützigen

Die Amerikaner verlassen die Leighton Barracks auf dem Hubland, ein neuer Stadtteil mit wesentlicher Beteiligung der Stadtbau entsteht

Die Stadtbau Würzburg und die Gemeinnützige Baugesellschaft verschmelzen zu einem Unternehmen

Die Stadtbau wird 90 Jahre alt

Mehr zur Geschichte des Wohnens in Würzburg und des Heuchelhofs lesen Sie in diesem Buch, erhältlich im Buchhandel ab 25.07.2024

5.515 Eigene Wohneinheiten

4,6% Fluktuationsrate

LINDLEINSMÜHLE

VERSBACH LENGFELD

FRAUENLAND & HUBLAND SANDERAU INNENSTADT ZELLERAU

10,0 Mio. € Neubauinvestitionen

13,6 Mio. € Modernisierungs- und Instandhaltungsinvestitionen

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